Extremes vom Ensemble „In extremis“

Das bemerkenswerte Ensemble „In Extremis“ ließ im Rahmen des Festivals Musica in Strasbourg das Publikum im wahrsten Sinne des Wortes aufhorchen. Die aus ehemaligen Absolventen des Straßburger Konservatoriums zusammengesetzte Gruppe, unter der Leitung von Guillaume Bourgogne, präsentierte vier Stücke von unterschiedlichen Komponisten, die eine weite Bandbreite zeitgenössischer Musik widerspiegelten.

Ensemble in Extremis (c): ensemble in extremis

Ensemble in Extremis (c): ensemble in extremis

Der Beginn, George Crumbs „Vox Balenae“ – zu Deutsch die Stimme des Wales, war ein gelungener Einstieg in das Programm. Crumb, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiert, lehnt sich in seinen Kompositionen ganz nahe an die Natur und notiert gerne Klänge, die dem Publikum vertraut sind. Er lässt den Flötisten gleich zu Beginn seine Melodie nicht nur spielen, sondern auch in die Flöte mitbrummen, und baut rasch kurze Klangeindrücke auf, die arabische Wurzeln haben könnten. Das Stück – in neun Intervalle unterteilt – ist kurzweilig, werden doch nicht nur die beteiligten Instrumente verfremdet eingesetzt, sondern wechseln sich auch ruhige, fast meditative Passagen mit Tanzsätzen ab. Gegen Ende des Stückes belustigen der Flötist und der Cellist mit einer kleinen, auf 6 Tönen gepfiffenen Melodie, die der letzte, tonale Satz schließlich aufnimmt und sphärisch in einem kleinen Glockenspiel ausklingen lässt. Ein wunderschönes Musikstück, das die beteiligten Interpreten meisterlich zur Aufführung brachten. Sie spielten mit einer sehr feinen, gegenseitigen Abstimmung und horchten den Tönen empfindsam nach und nahmen dennoch ihre Einsätze mit Präzision wahr. Die zweite Komposition stammte von dem Franzosen Philippe Hurel und machte deutlich, dass seine Art Musikverständnis sich grundsätzlich von Crumb unterscheidet. Das Stück beginnt mit einem polyphonen Einsatz aller Instrumente, welcher zugleich von einer strengen Rhythmik geprägt ist, der alle Stimmen parallel unterliegen. Im Laufe der Vorführung löst sich diese strenge Rhythmik, sowie auch die Polyphonie auf, zerfällt in einzelne, kleine Partien, nimmt andere Mikromotive auf um sich schließlich gegen Ende hin wieder polyphon und rhythmisch zu vereinigen. Ein Werk, welches dem Publikum ermöglicht, der Kompositionsstruktur zu folgen, die – obgleich im Mittelstück stark auseinanderfließend – dennoch als sehr rigide empfunden wird. Wiederum – wie bei den beiden folgenden Stücken auch – überzeugte das Ensemble völlig. Die Wiedergabe von Gerard Pessons „Mes beatitudes“ stellte die größte Hörherausforderung an das Publikum, wird das Stück doch zu großen Teilen in den höchsten Lagen der Instrumente gespielt oder gezupft oder auch nur angedeutet, was den Klang auf ein Wispern und leises Zischen reduziert. Ab und zu blitzen vereinzelte ausgestrichene Töne durch, die Rhythmik des Stückes ist jedoch immer präzise mit zu verfolgen. Einzig der Klavierpart stellt ein zeitweise hörbares Gerüst für die Streicher dar. So erscheint ein mehr gehauchter als gespielter Tanz schon wie ein lebensbejahender, wenngleich auch ferner Hoffnungsschimmer, in diesem Stück, dessen Subtilität durch die leisen Intonationen nicht mehr zu überbieten ist. Zum Abschluss erklang Christoph Bertrands „Satka“ aus dem Jahre 2008, bei welchem sich der Straßburger Komponist auf die Zahl 6 der beteiligten Musiker in der Sanskritsprache bezieht. Es war eine reine Freude, das rasante Stück zu hören und die Musiker dabei auch zu sehen. Über 12 Minuten dauert es insgesamt, in welchen es nur durch 4 kurze Unterbrechungen aus dem Höllentempo gerissen wird. Es gurgelt, perlt, fällt in Kaskaden über mehrere Oktaven ab um bald danach wieder atemlos aufzusteigen und wird getragen von einer virtuosen Spielfreudigkeit, die vor allem an diesem Abend Lee Ferguson zuzuschreiben war. Wie ein Derwisch bewegte er sich zwischen seinen einzelnen Percussioninstrumenten – Marimba, Xylophon und einem kleinen Glockenwerk und spann so den roten Hörfaden durch die gesamte Partitur, ohne ihn je zu zerreißen. So einfach das Werk klingt – und daher wird es sich auch in den Konzertsälen sicherlich rasch etablieren – so komplex ist es dennoch aufgebaut und so schwierig ist es zu spielen. Bertrand gelang mit dem Stück ein Meisterwerk, das sich in die Ohren schmiegt und noch lange dort hängen bleibt. Es macht neugierig auf Kommendes und verlangt unbedingt, den weiteren Werdegang des Künstlers zu verfolgen. Ein extremer Abend, dessen Erfolg sich sowohl Komponisten als auch alle beteiligten Interpreten zu Recht teilen können.

Weitere Infos zu den Musikern finden Sie unter: https://ensembleinextremis.free.fr/index2.htm

Previous

Next

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Pin It on Pinterest