Musik für feine Ohren

Musiciens du Louvre 01@credit elisabeth.carecchio

Les musiciens du Louvre - Grenoble (c) Elisabeth Carecchio

Am Samstag dem 22. Januar gastierte auf Einladung des OPS das Orchester „Les Musiciens du Louvre – Grenoble“ zum ersten Mal in Straßburg. Unter ihrem Leiter Marc Minkowski spielten die Musikerinnen und Musiker „Une symphonie imaginaire“ von Jean-Philippe Rameau, sowie das 3. 4. und 5. Brandenburgische Konzert von Johann Sebastian Bach.

Das auf Barockmusik spezialisierte Ensemble wurde von Minkowski 1982 gegründet. Es spielt auf historischen Instrumenten bzw. deren Nachbauten und ist international nicht nur in Konzertsälen gefragt, sondern wird auch in große Opernhäuser eingeladen. Im Oktober vergangenen Jahres wurde Minkowski sogar die große Ehre zuteil, mit seinen Künstlerinnen und Künstlern als erstes hausfremdes Orchester in der Wiener Staatsoper Händels Alcina zu spielen.

„Les Musiciens du Louvre“ eröffnen ein höchst diffiziles Klanguniversum, in das man in einem großen Saal wie dem Saal Erasme mit gut gespitzten Ohren förmlich eintauchen musste, um sich keine der tonalen Feinheiten entgehen zu lassen.

Mit sichtbar großem Enthusiasmus gab Minkowski vorweg eine erklärende Einleitung zur Symphonie von Rameau, die keine Symphonie im herkömmlichen Sinne darstellt. Sie ist vielmehr eine Zusammenstellung, so etwas wie ein „best of“ von Rameau, von welcher auch eine Einspielung bei der Deutschen Grammophon vorliegt. Darin finden sich unter anderen Stücke aus Rameaus Opern und Balletten wie Platée, Les Indes galantes, Les Fêtes d´Hébé oder Zais.  Die Aufzählung ist unvollständig und soll nur einen kleinen Eindruck vermitteln, worin der Schwerpunkt der ausgewählten Musikstücke liegt. Minkowsik wählte mit Bedacht ein so berührendes Thema wie jenes der Beerdigung von Castor, der seinen Zwillingsbruder Pollux untröstlich auf dieser Welt zurücklässt. Oder aber das feurige Rondeau aus „Les Indes galantes“, in welchem die Trommelbegleitung die kräftigen Rhythmen indianischer Tänze imitieren. Einige wohl bedauernswerte Geschöpfe indigener Herkunft wurden im 18. Jahrhundert im Zuge der französischen Kolonialbestrebungen tatsächlich in Paris einem staunenden Publikum vorgeführt und Rameau nahm in seiner Komposition direkten Bezug auf die damalige Entdeckung der neuen Welt. Wunderschön, wie er er darin die Wiederholung des Themas so leise erklingen lässt, dass das darauf gesetzte Fortissimo des Schlusses noch brillanter und mitreißender erscheint, als es schon in der ersten Vorstellung des Themas zu hören war. Zugleich kann dies als herrliches Beispiel der hohen Musikalität aller Mitwirkenden gelten. Nicht nur einmal waren so scharfe Dynamikwechsel hörbar, mehrfach glaubte man auch, dass die Grenze zum beinahe Unhörbaren erreicht sei.

Die historische Aufführungspraxis – die Geigen mit verkürztem Bogen zu spielen oder die Celli ohne Stachel einzusetzen und sie nur zwischen den Beinen festgeklemmt zu führen, führte akustisch absolut zum Erfolg. Selten sieht und hört man so lebendige Celloparts und nie vermisst man das für unsere Ohren so bekannte Geigenvibrato. „Das Huhn“ – eines von Rameaus bekanntesten Stücken für Cembalo war in einer Bearbeitung für Orchester zu hören – und das Schöne daran, es verlor darin nichts von seinem aufgeregten Gegacker. Und Platée, der selbstverliebte Frosch, durfte sich über ein zünftiges Gewitter mit Windmaschine freuen, das endlich seine heiß ersehnten Wassertropfen auf die Erde klatschen ließ. All das wurde zum Greifen nahe hörbar und zur großen Freude des Publikums gab es schon vor der Pause als schwungvolle Zugabe – die Wiederholung des Rondeaus aus „Les Indes galantes“.

Der zweite Teil des Konzertes war den Brandenburgischen Konzerten gewidmet. Die für jeweils nur wenige Instrumentalstimmen komponierten Konzerte machten besonders deutlich, worin der Reiz und der Charme der alten Instrumente liegt. Die hölzerne Querflöte gab das beste Beispiel, wie anders sie im Klang auftritt als ihre metallenen Geschwister der späteren Generationen. Ihrem dynamischem Umfang müssen sich alle anderen Instrumente unterordnen, wenn sie nicht akustisch untergehen will. Daraus ergab sich im Konzert Nr. 5 eine herrliche, kammermusikalische Interpretation, in der die Musikerinnen und Musiker in jedem einzelnen Takt aufeinander größten Bedacht nahmen. Der Solocembalopart, der im zweiten Satz dieses Konzertes vorkommt und oft als „mechanisches Bravourstück“ erklingt, wurde von Francesco Corti dermaßen intelligent gespielt, dass man die einmalige Gelegenheit geboten bekam, Bachs Verständnis und Liebe für dieses Instrument nachzuvollziehen. Nicht allein die bewundernswerte Virtuosität ist hervorzuheben, sondern viel mehr noch die lebendig atmende und facettenreiche Herangehensweise des Cembalisten an den Notentext. Kaum merkliche Verzögerungen, mannigfache Trillerfarben oder das Setzen von kleinen Höhepunkten innerhalb des musikalischen Flusses bereicherten das Werk unglaublich. Ein großes Bravo für diese herrliche Aufführung! Nicht weniger erfreulich agierte der erste Geiger, Thibault Noally, der in allen Konzerten nicht nur Stütze für die anderen Streicher war, sondern verdeutlichen konnte, dass wirklich gute Solisten niemals im Widerspruch zu einer kammermusikalisch ausgewogenen Spielweise auftreten. Beide Vorzüge waren an ihm perfekt zu studieren.

Ein medizinischer Notfall im Publikum während des ersten Konzertteiles und der kuriose Abbruch des Konzertes Nr. 3 schon nach den ersten zwei Takten, falsch aufgelegten Noten des ersten Bratschisten geschuldet, zeigten, dass Lebendigkeit und Betroffenheit an einem Konzertabend auch ganz andere Ursachen haben kann als nur musikalische. Chapeau an dieser Stelle an den Direktor des Hauses, Herrn Minard, der mit dem Dirigenten während des Arzteinsatzes kompetent coram publico kommunizierte und dabei in passender Art und Weise seine persönliche Betroffenheit und Verantwortlichkeit zeigte. Das Publikum durfte dabei Zeuge einer Menschlichkeit werden, die man heute an anderer Stelle leider nur allzu oft vermisst.

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