Wien Modern Eröffnungsabend – es darf gelacht werden!

Wien Modern Eröffnungsabend – es darf gelacht werden!

Zum ersten Mal ging die Eröffnung von Wien Modern im Theater an der Wien über die Bühne. Und die wurde für 2 Werke von Olga Neuwirth – der in diesem Jahr der Programmschwerpunkt gewidmet ist – nicht nur als Sitzplatz für die Musizierenden benötigt.

Wien Mondern

Das Klangforum Wien und Andrew Watts bei der Eröffnung von Wien Modern (c) Facebook Fanpage Wien Modern

Gleich zu Beginn wurde ein Film eingespielt, auf dem der Besitzer des Hotels Waldhaus in Sils Maria im Engadin, sehr liebenswürdig und anschaulich zugleich, eine wahre Rarität vorstellte. Er präsentierte ein mechanisches Klavier, das noch vor dem 1. Weltkrieg angefertigt worden war und an Abenden, an denen es keine Live-Musik gab, die Hotelgäste unterhielt. Nachdem seine Mechanik kaputt geworden war, fristete es Jahrzehnte ein unbeachtetes Dasein in der Abstellkammer, bis es der neu eingestellte Haustechniker die „Welte Mignon“ in liebevoller Restaurierungsarbeit wieder zum neuen Leben erweckte. Das noch weit Phantastischere an der Geschichte ist, dass dazu noch eine große Anzahl an Papierwalzen erhalten ist, auf denen Pianisten der Entstehungszeit der Klavieres Werke eingespielt haben und so Musik konserviert werden konnte – noch bevor das Grammophon seinen Siegeszug antrat. Auf diese Weise ist das Hotel heute im Besitz eines wahren Musikschatzes. Olga Neuwirth ließ sich davon inspirieren und schuf ihr Stück „Kloing“ für computergesteuertes Klavier, Live-Pianisten und Videoeinspielung. Und es wäre nicht ein Stück von Neuwirth, würde es vor Einfällen nicht gleich so strotzen.

Ganz am Anfang, nachdem der Pianist bemerkt hat, dass sein Instrument ein Eigenleben hat, tritt er mit diesem kokett in einen zarten Dialog. Die mittlere Lage, die computertechnisch verstimmt ist, verströmt einen Hauch von Erinnerung und evoziert ein Gefühl von längst vergangenen, schönen Zeiten. Begleitet wird das musikalische Geschehen von einem rasant geschnittenen Film, der immer wieder von Live-Einspielungen unterbrochen wird, in welchen die Tastatur des Klavieres zu sehen ist, auf welcher sich ein wahrer Kampf abspielt. Kurz wiegt Neuwirth ihr Publikum im falschen Glauben, dass es einer Präsentation beiwohnt, in welcher das Miteinander von Mensch und Maschine in trauter Harmonie vorexerziert wird. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, artet die Komposition doch in einen Kampf der beiden aus. Mit zunehmender Dauer hat man den Eindruck, als würde das Klavier sich wie ein lebendiger Organismus gegen Aufgezwungenes wehren und selbst Oberhand gewinnen wollen. Was dann auch vollends durch einen wunderbaren Einfall der Komponistin erreicht wurde. In Zusammenarbeit mit dem Institut für elektronische Musik und Akustik der Musikuniversität Graz gelang eine Sonifikation, also eine Umsetzung eines Erdbebens in eine Partitur. Doch bevor man meinte, die Tasten würden von gigantischen Erdwellen in Bewegung gesetzt werden, durfte Marino Formenti tief in die Klangkiste des 19. Jahrhunderts greifen. Ob romantische Walzer von Schubert, die Regentropfenprelude von Chopin oder einer der ungarischen Tänze von Liszt, immer war es das Klavier, welches im Wettstreit mit ihm das letzte Wort für sich beanspruchte. Dabei gebärdete sich die Elektronisierung als würde sie sich wie ein Pulsschlag durch alle Register fortpflanzen oder auch wie ein wild gewordener Kobold, der imstande war, des Pianisten Spiel ununterbrochen zu stören. Als schließlich die in Notation verwandelten Aufzeichnungen der seismischen Erschütterungen auf den Tasten Platz ergriffen, musste der Pianist w.o. geben. Keine Taste mehr, die von Formenti gedrückt werden hätte können, kein Rhythmus mehr, welcher dieser Urgewalt etwas entgegensetzen hätte können. Wer das Stück als reine Technikkritik begreift, denkt etwas zu kurz. Denn die Umsetzung der seismischen Kurven auf die Tasten des Klavieres sind nur ein Hilfsmittel, um die Urgewalten der Natur zu veranschaulichen, gegen die der Mensch und auch seine noch so ausgeklügelte Technik letztendlich völlig hilflos sind.
Formenti gab sich am Ende nicht nur dem technisierten Klavier geschlagen, sondern auch der Natur selbst, die, so hatte es zumindest den Anschein, den Sieg über jede Technik errungen hatte. Der Mensch bleibt bei Kloing – und das in wunderbar humorvoller Verpackung – ein Spielball zwischen Natur und Kultur.

Der zweite Teil des Abends war Neuwirths Bearbeitung von Songs des weltberühmten Countertenors Klaus Nomi gewidmet. Der jung verstorbene Nomi faszinierte in den frühen 80er Jahren nicht nur Neuwirth. Viele seiner Lieder wie „Simple man“ oder „Eclipsed“ sind heute noch Ohrwürmer und so wunderte es nicht, dass das Publikum der Neuinterpretation, gesungen von Andrew Watts, dankbarst folgte. Die schräge Instrumentalisierung, die ganz ähnlich auch Goran Bregovic mit seinem Wedding- and Funural-Orchestra einsetzt, bewirkte, wie schon in „Kloing“ zuvor, dass der Eindruck entstand, einer musikalischen Erinnerung beizuwohnen. So gesehen hat Neuwirth ihr Ziel sicherlich erreicht – eine Reminiszenz an einen Künstler zu schaffen, der uns leider schon lange nicht mehr mit seiner außergewöhnlichen Musikalität und Stimme erfreuen darf. Die hinterlegten kurzen Filme, auf welchen ein bärtiger Kapitän – stand Captain Iglo Pate? – jedes neue Musikstück einläutete, bewirkten, dass das Bühnengeschehen in einzelne Kapitel unterteilt wurde. Und tatsächlich hatte man gegen den Schluss hin den Eindruck, als hätte man ein dickes, reich bebildertes Buch durchgeblättert und an vielen einzelnen Geschichten teilnehmen können. Der einzige Wermutstropfen war die mittlere Stimmlage, die bei Watts lange nicht mit so viel Brillanz und vor allem Kraft ausgestattet ist wie seine hohe. Dies hielt das Publikum jedoch von heftigen Bravo-Rufen überhaupt nicht ab. Das Klangforum Wien unter dem Dirigenten Clement Power agierte, wie immer, professionellst, tadellos und mitreißend.

Ein ganz besonderer Eröffnungsabend, voll mit Witz, Ironie und musikalischem Tiefgang, bei dem einmal mehr deutlich wurde, dass zeitgenössische Musik primär nicht nur kopflastig, sondern auch extrem unterhaltend sein kann.

Vom Zauber dieser Welt

Vom Zauber dieser Welt

Das Serapionsensemble im Odeon Wien (Foto: N. Albert)

Das Serapionsensemble im Odeon Wien (Foto: N. Albert)

Wer sich Augen- und Ohrenfutter und Balsam für die Seele gönnen möchte, dem sei angeraten, rasch Karten für das Serapions Ensemble im Odeon zu besorgen. Dort wird noch bis 26. Mai die jüngste Inszenierung von Ulrike Kaufmann und Erwin Piplitzs gezeigt. Unter dem völlig offenen Titel „Voilà“ verbirgt sich grandioses Welttheater zum Staunen, Lachen und Weinen.

Als Ausgangsbasis dient unter anderen eine persische Erzählung über die Suche nach dem phantastischen Vogelkönig Simurg. Darin machen sich die Menschen auf die Suche – die schlussendlich immer eine Suche nach sich selbst, dem Göttlichen in sich ist. Ein Märchen oder vielmehr eine Parabel, die von der Musik, dem Tanz, aber auch von den Verwandlungen auf der Bühne lebt, von den großartigen Bildern, den berührenden Gesten und vielen kleinen Aktionen, die emblematisch von großem Theater künden.

Ob asiatische Trommelwirbel, spanische Volkslieder, ob ein italienischer Walzer oder Ederlezi in der Version von Goran Bregovic – egal welcher Erdteil die Musik beisteuert, sie bildet das Grundgerüst, an dem entlang sich das Bühnengeschehen entfaltet. Dem Menschentreiben zur Seite gestellt ist die Gestalt eines Demiurgen, der aber nicht ins Geschehen selbst eingreift, sondern – wie auch in den unterschiedlichen Quellen seines Auftretens selbst – indifferent das Treiben der Menschen begleitet.

Freude und Angst, Gemeinsamkeit und Einsamkeit – der Aufbau und die Zerstörung unserer Welt – alles darf an diesem Theaterabend an uns vorbeiziehen. Die Errungenschaften der Kultur – in einem wunderschönen Tanz mit langen, weißen Fahnen, der Geist und die Verwendung desselben durch den Menschen steht neben einem männlichen Vogeltrio, das mit gekonnten Tierstimmenimitationen das Publikum in die Tiefe eines belebten Urwaldes entführt.

Bewundernswert sind bei dieser Aufführung auch die Kostüme – spannend wandlungsfähig könnten sie auch auf jedem internationalen Laufsteg für Prêt-à-porter-Mode reüssieren.

„Voilá“ – in dem babylonisches Stimmengewirr neben nonverbalen bildhaften Welterklärungsmodellen stehen verzaubert und entführt eineinhalb Stunden in eine Welt, die unsere ist, die wir aber viel zu selten in dieser Vielfalt und Schönheit wahrnehmen. In eine Welt, die wir aus unseren Ideen heraus speisen und die wir durch Gemeinsamkeit – wie an diesem Abend vorgezeigt – noch ganz anders gestalten könnten.

Hier ein kleiner Eindruck was einem bei Voilá erwartet:

Das Serapionsensemble im Odeon Wien (Foto: N. Albert)

Das Serapionsensemble im Odeon Wien (Foto: N. Albert)

Wer sich Augen- und Ohrenfutter und Balsam für die Seele gönnen möchte, dem sei angeraten, rasch Karten für das Serapions Ensemble im Odeon zu besorgen. Dort wird noch bis 26. Mai die jüngste Inszenierung von Ulrike Kaufmann und Erwin Piplitzs gezeigt. Unter dem völlig offenen Titel „Voilà“ verbirgt sich grandioses Welttheater zum Staunen, Lachen und Weinen.

Als Ausgangsbasis dient unter anderen eine persische Erzählung über die Suche nach dem phantastischen Vogelkönig Simurg. Darin machen sich die Menschen auf die Suche – die schlussendlich immer eine Suche nach sich selbst, dem Göttlichen in sich ist. Ein Märchen oder vielmehr eine Parabel, die von der Musik, dem Tanz, aber auch von den Verwandlungen auf der Bühne lebt, von den großartigen Bildern, den berührenden Gesten und vielen kleinen Aktionen, die emblematisch von großem Theater künden.

Ob asiatische Trommelwirbel, spanische Volkslieder, ob ein italienischer Walzer oder Ederlezi in der Version von Goran Bregovic – egal welcher Erdteil die Musik beisteuert, sie bildet das Grundgerüst, an dem entlang sich das Bühnengeschehen entfaltet. Dem Menschentreiben zur Seite gestellt ist die Gestalt eines Demiurgen, der aber nicht ins Geschehen selbst eingreift, sondern – wie auch in den unterschiedlichen Quellen seines Auftretens selbst – indifferent das Treiben der Menschen begleitet.

Freude und Angst, Gemeinsamkeit und Einsamkeit – der Aufbau und die Zerstörung unserer Welt – alles darf an diesem Theaterabend an uns vorbeiziehen. Die Errungenschaften der Kultur – in einem wunderschönen Tanz mit langen, weißen Fahnen, der Geist und die Verwendung desselben durch den Menschen steht neben einem männlichen Vogeltrio, das mit gekonnten Tierstimmenimitationen das Publikum in die Tiefe eines belebten Urwaldes entführt.

Bewundernswert sind bei dieser Aufführung auch die Kostüme – spannend wandlungsfähig könnten sie auch auf jedem internationalen Laufsteg für Prêt-à-porter-Mode reüssieren.

„Voilá“ – in dem babylonisches Stimmengewirr neben nonverbalen bildhaften Welterklärungsmodellen stehen verzaubert und entführt eineinhalb Stunden in eine Welt, die unsere ist, die wir aber viel zu selten in dieser Vielfalt und Schönheit wahrnehmen. In eine Welt, die wir aus unseren Ideen heraus speisen und die wir durch Gemeinsamkeit – wie an diesem Abend vorgezeigt – noch ganz anders gestalten könnten.

Hier ein kleiner Eindruck was einem bei Voilá erwartet:

Goran Bregovic – ein Konzert der Extraklasse im Zenith in Straßburg

Goran Bregovic ist derzeit mit seinem „Orchestre des mariages et des enterrements“ – seinem „Hochzeits- und Begräbnisorchester“ auf Tour in Frankreich. Er entführt sein Publikum bei insgesamt sieben Konzerten in sein musikalisches Universum, das seine Wurzeln in den Musiktraditionen des Balkans hat. Weit darüber hinaus entwickeln sich aber mittlerweilen seine Stücke, geschrieben entweder als Film- oder Bühnenmusik oder aber als Kooperationen mit internationalen Berühmtheiten wie z.B. Iggy Pop. Bregovic verlangt viel von seinem Publikum, wenn er mit zwei Stücken beginnt, die auch vor atonalen Einsprengseln nicht zurückschrecken. Er polarisiert schon in seinem Intro, indem er seine vier Streicher auf der Bühne in einen Wettstreit mit den Bläsern des Orchesters schickt. Mit rhythmisch peitschenden Sequenzen nähern sich diese auf einem Weg durch das Publikum der Bühne, begleitet vom heftigen Klatschrhythmus der Hörerinnen und Hörer, die sofort verstummen, wenn das Streichquartett zu seiner musikalisch differenzierten, Kammermusikantwort ansetzt. Der qualitativ hohe Anspruch zu Beginn des Konzertes findet seinen Widerpart auch am Ende, im letzten Stück“Belly Button of the world“, einem symphonischen Satz aus dem Soundtrack zu Kusturicas Film „underground“, was zeigt, dass Bregovic diesen Bühnenauftritt nicht nur als Ablauf einzelner Stücke versteht, die nur in unmittelbarer Abfolge aufeinander reagieren. In der 2stündigen Bühnenpräsenz, die den Musikern eine extreme Intensität abverlangt, lässt Bregovic sein Publikum ein wahes Wechselbad der Gefühle erleben, wobei seine, meist im 2/4 Takt geschriebenen, bekannten Hits natürlich jedesmal Begeisterungsstürme auslösen. Titel wie Ederlezi, Gas Gas, In the death car oder Kalashnikov sind bei seinen Fans unverzichtbare Bestandteile seiner Auftritte. Bregovic baut sie jedoch so geschickt in seine Performance ein, dass diese Gassenhauer als schöner Kontrast zu den komplexeren, längeren und für größeres Orchester und Chor gesetzten Klangbildern dienen. Die Musik von Bregovic ist nichts für Warmduscher. Sie ist schwarz oder weiß aber niemals

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