Tradition feiert man richtig mit Innovation

100 Jahre Österreichischer Komponistenbund. Eröffnungskonzert im Radiokulturhaus

Onur Dülger & Liina Leijala bei der Aufführung von „celloacoustic“ im Radiokulturhaus mit dem Webern Ensemble. (Foto: Markus Sepperer)

Onur Dülger & Liina Leijala bei der Aufführung von „celloacoustic“ im Radiokulturhaus mit dem Webern Ensemble. (Foto: Markus Sepperer)

Mit einem Konzert am Montag dem 10.6. eröffnete der Österreichische Komponistenbund (ÖKB) seine einwöchigen Feiern anlässlich des 100jährigen Jubiläums. Im großen Sendesaal des Radiokulturhauses war an diesem speziellen Abend der Blick aber ganz und gar nicht nach rückwärts, sondern weit in die Zukunft gerichtet. Kamen doch insgesamt fünf Werke von jungen Komponisten zur Aufführung, die derzeit alle, bis auf Onur Dülger, noch ihre Kompositionsstudien in Österreich absolvieren. Den Auftakt machte Alexander Kaiser mit seinem Werk „Interferenzen“. Dafür stand ihm ein abstraktes Werk von Gerhard Richter aus den 80er Jahren als Ausgangsmaterial für seine kompositorischen Ideen Pate. Um die Seh- bzw. Hörgewohnheiten auf den Kopf zu stellen, setzte Kaiser die musikalische Umsetzung des fertigen Bildes an den Beginn der Komposition, um danach Schritt für Schritt an den Anfang seiner Entstehung, die er in einer Dokumentation gesehen hatte, zurückzugelangen. Zwischen dem kraftvollen Beginn und dem hauchfeinen Ausklang des Stückes lag eine klar nachvollziehbare Klangstruktur, aus welcher man unterschiedliche „Arbeitsschritte“ gut heraushören konnte. Ein Ensemble des Konservatorium Wien Privatuniversität unter Giuseppe Montesano interpretierte – wie auch alle anderen jungen Klangkörper an diesem Abend – ausgesprochen professionell. Besonders gefordert war der Schlagwerker – man hätte ihm zwei zusätzliche Arme gewünscht.

Mit „Späte Faust“ /Material für einen Scelsi-Kommentar spielte ein Ensemble für Neue Musik der Universität Mozarteum Salzburg unter Marino Formenti ein Werk des jungen Deutschen Hendrik Rungelrath. Die Komplexität der Arbeit erläuterte der Dirigent mit dem Entdecken von immer neuen Facetten während der verschiedenen Aufführungen, die das Ensemble schon gespielt hätte. Hauchdünne Streicherfäden wechselten mit kräftigen Tutti, getupfte Bläserklänge standen dunkel zusammengebrauten Klangwolken gegenüber. Kräftige Klavierakkorde wiederum kontrastierten mit feinsten Hauch- und Flirrmotiven der anderen Instrumente. Das überraschende Ende im Pianissimo verlieh dem Stück einen Notizcharakter. Rungelrath brach mit diesem Werk auch eine Lanze für den außergewöhnlichen italienischen Komponisten Giacinto Scelsi, der bislang keine große Bekanntheit erringen konnte.

Der aus Korea stammende SukJu Na präsentierte ein Werk, dessen Titel im Programmheft lediglich mit zwei Klammern <> angegeben war. Sie stehen für ihn symbolisch für unseren Begriff von Wellen und genau dieses Phänomen untersuchte er in seiner Arbeit, die ein Ensemble der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz unter der Einstudierung von Andreas Eberle zur Aufführung brachte. „Ich bin tagtäglich von Klangwellen umgeben, die sich überschneiden, ergänzen oder auch für sich alleine stehen und wollte aus diesen Impressionen eine Komposition machen“, erklärte er seine kompositorische Inspiration anschaulich vor der Wiedergabe. Mit einem Quintett, in welchem jedem Instrument wellenartige Tonräume zugeschrieben waren und vor allem die Flöte eine herausragende Rolle spielte, gelang ihm diese Herausforderung. Sowohl von den Klangfarben her als auch von der Dynamik zeichnete er Bewegungen nach, die der Betitelung gerecht wurden.

Ein ganz anderes Szenario wurde im Stück von Onur Dülger aufgebaut. Der aus Istanbul Stammende beeindruckte mit „celloacoustic“ nicht nur ob des spannenden Cellokonzertes, das von Liina Leijala mit dem Webern Ensemble unter der Pultführung von Jean-Bernard Matter intensivst gespielt wurde. Vielmehr waren es seine elektroakustisch ergänzenden Einspielungen, die das Werk zu einem sofort Wiedererkennbaren werden ließen. Die Celloverfremdungen schufen neue Klangerlebnisse, die mit einer großen Farbenpracht ausgestattet waren. Die Möglichkeit wiederum, über die im Raum bis zur letzten Reihe angeordneten Lautsprecher Klangströme fließen zu lassen, war schlichtweg grandios. Eine beachtliche Komposition, noch dazu, wo der Komponist, selbst am Pc und am Mischpult agierend, anfänglich Schwierigkeiten mit der Technik hatte.

Als Abschluss präsentierte ein Ensemble der Anton Bruckner Universität Linz unter Alexander H. Quasnicka Daniel Hochreiters „Veins III“. Dies ist der letzte Teil eines Zyklus, in welchem Hochreiter auf das komplexe Gebilde von Venen Bezug nimmt. Dabei gelingt ihm trotz der Differenzierung der einzelnen Stimmen der Eindruck eines stetigen Flusses, einer stetigen Bewegung. Immer wieder blitzen aus dem Klangvolumen kurze, harmonische Versatzstücke von einzelnen Stimmen auf, werden einzelne Motive von anderen Instrumenten aufgenommen.

Der erste Abend präsentierte nicht nur junge Nachwuchskomponisten, sondern vereinte auch erstmals von allen fünf Musikhochschulen unseres Landes Ensembles, die sich mit zeitgenössischer Musik auseinandersetzen. Ein kräftiges Lebenszeichen aus allen produktiven Musikrichtungen – schade nur, dass sich das Publikumsinteresse in Grenzen hielt.

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Österreichischer Komponistenbund100 Jahre Österreichischer Komponistenbund. Eröffnungskonzert im Radiokulturhaus

Onur Dülger & Liina Leijala bei der Aufführung von „celloacoustic“ im Radiokulturhaus mit dem Webern Ensemble. (Foto: Markus Sepperer)

Onur Dülger & Liina Leijala bei der Aufführung von „celloacoustic“ im Radiokulturhaus mit dem Webern Ensemble. (Foto: Markus Sepperer)

Mit einem Konzert am Montag dem 10.6. eröffnete der Österreichische Komponistenbund (ÖKB) seine einwöchigen Feiern anlässlich des 100jährigen Jubiläums. Im großen Sendesaal des Radiokulturhauses war an diesem speziellen Abend der Blick aber ganz und gar nicht nach rückwärts, sondern weit in die Zukunft gerichtet. Kamen doch insgesamt fünf Werke von jungen Komponisten zur Aufführung, die derzeit alle noch ihre Kompositionsstudien in Österreich absolvieren. Den Auftakt machte Alexander Kaiser mit seinem Werk „Interferenzen“. Dafür stand ihm ein abstraktes Werk von Gerhard Richter aus den 80er Jahren als Ausgangsmaterial für seine kompositorischen Ideen Pate. Um die Seh- bzw. Hörgewohnheiten auf den Kopf zu stellen, setzte Kaiser die musikalische Umsetzung des fertigen Bildes an den Beginn der Komposition, um danach Schritt für Schritt an den Anfang seiner Entstehung, die er in einer Dokumentation gesehen hatte, zurückzugelangen. Zwischen dem kraftvollen Beginn und dem hauchfeinen Ausklang des Stückes lag eine klar nachvollziehbare Klangstruktur, aus welcher man unterschiedliche „Arbeitsschritte“ gut heraushören konnte. Ein Ensemble des Konservatorium Wien Privatuniversität unter Giuseppe Montesano interpretierte – wie auch alle anderen jungen Klangkörper an diesem Abend – ausgesprochen professionell. Besonders gefordert war der Schlagwerker – man hätte ihm zwei zusätzliche Arme gewünscht.

Mit „Späte Faust“ /Material für einen Scelsi-Kommentar spielte ein Ensemble für Neue Musik der Universität Mozarteum Salzburg unter Marino Formenti ein Werk des jungen Deutschen Hendrik Rungelrath. Die Komplexität der Arbeit erläuterte der Dirigent mit dem Entdecken von immer neuen Facetten während der verschiedenen Aufführungen, die das Ensemble schon gespielt hätte. Hauchdünne Streicherfäden wechselten mit kräftigen Tutti, getupfte Bläserklänge standen dunkel zusammengebrauten Klangwolken gegenüber. Kräftige Klavierakkorde wiederum kontrastierten mit feinsten Hauch- und Flirrmotiven der anderen Instrumente. Das überraschende Ende im Pianissimo verlieh dem Stück einen Notizcharakter. Rungelrath brach mit diesem Werk auch eine Lanze für den außergewöhnlichen italienischen Komponisten Giacinto Scelsi, der bislang keine große Bekanntheit erringen konnte.

Der aus Korea stammende SukJu Na präsentierte ein Werk, dessen Titel im Programmheft lediglich mit zwei Klammern <> angegeben war. Sie stehen für ihn symbolisch für unseren Begriff von Wellen und genau dieses Phänomen untersuchte er in seiner Arbeit, die ein Ensemble der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz unter der Einstudierung von Andreas Eberle zur Aufführung brachte. „Ich bin tagtäglich von Klangwellen umgeben, die sich überschneiden, ergänzen oder auch für sich alleine stehen und wollte aus diesen Impressionen eine Komposition machen“, erklärte er seine kompositorische Inspiration anschaulich vor der Wiedergabe. Mit einem Quintett, in welchem jedem Instrument wellenartige Tonräume zugeschrieben waren und vor allem die Flöte eine herausragende Rolle spielte, gelang ihm diese Herausforderung. Sowohl von den Klangfarben her als auch von der Dynamik zeichnete er Bewegungen nach, die der Betitelung gerecht wurden.

Ein ganz anderes Szenario wurde im Stück von Onur Dülger aufgebaut. Der aus Istanbul Stammende beeindruckte mit „celloacoustic“ nicht nur ob des spannenden Cellokonzertes, das von Liina Leijala mit dem Webern Ensemble unter der Pultführung von Jean-Bernard Matter intensivst gespielt wurde. Vielmehr waren es seine elektroakustisch ergänzenden Einspielungen, die das Werk zu einem sofort Wiedererkennbaren werden ließen. Die Celloverfremdungen schufen neue Klangerlebnisse, die mit einer großen Farbenpracht ausgestattet waren. Die Möglichkeit wiederum, über die im Raum bis zur letzten Reihe angeordneten Lautsprecher Klangströme fließen zu lassen, war schlichtweg grandios. Eine beachtliche Komposition, noch dazu, wo der Komponist, selbst am Pc und am Mischpult agierend, anfänglich Schwierigkeiten mit der Technik hatte.

Als Abschluss präsentierte ein Ensemble der Anton Bruckner Universität Linz unter Alexander H. Quasnicka Daniel Hochreiters „Veins III“. Dies ist der letzte Teil eines Zyklus, in welchem Hochreiter auf das komplexe Gebilde von Venen Bezug nimmt. Dabei gelingt ihm trotz der Differenzierung der einzelnen Stimmen der Eindruck eines stetigen Flusses, einer stetigen Bewegung. Immer wieder blitzen aus dem Klangvolumen kurze, harmonische Versatzstücke von einzelnen Stimmen auf, werden einzelne Motive von anderen Instrumenten aufgenommen.

Der erste Abend präsentierte nicht nur junge Nachwuchskomponisten, sondern vereinte auch erstmals von allen fünf Musikhochschulen unseres Landes Ensembles, die sich mit zeitgenössischer Musik auseinandersetzen. Ein kräftiges Lebenszeichen aus allen produktiven Musikrichtungen – schade nur, dass sich das Publikumsinteresse in Grenzen hielt.

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