1001 Bewegung

1001 Bewegung

Michaela Preiner

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16.

Dezember 2011

Tanztheater – was ist das eigentlich? Wann wird Tanz zu einem Ereignis für das Publikum? Welche Rolle spielt die Musik? Was geschieht mit Tänzern, die gemeinsam auf der Bühne agieren? Was ist eine Choreografie? Ist das gesprochene Wort stärker wahrnehmbar als der bewegte Körper? Lassen sich Texte auch mit Tanz in Einklang bringen?

Tanztheater – was ist das eigentlich? Wann wird Tanz zu einem Ereignis für das Publikum? Welche Rolle spielt die Musik? Was geschieht mit Tänzern, die gemeinsam auf der Bühne agieren? Was ist eine Choreografie? Ist das gesprochene Wort stärker wahrnehmbar als der bewegte Körper? Lassen sich Texte auch mit Tanz in Einklang bringen?

Tanzquartier Wien Hommage an das Zaudern (c) Sebastian Bolesch

Hommage an das Zaudern (c) Sebastian Bolesch

Laurent Chétouane stellte mit seiner Produktion „Hommage an das Zaudern“ im Tanzquartier in Wien all diese Fragen und verlangte dabei vom Publikum die Bereitschaft, sich auf diese Hinterfragung auch einzulassen. Sein „Stück“ ist kein herkömmliches, welches auf einer bestimmten Handlung basiert. Vielmehr konnte man an diesem Abend die einzelnen Bausteine näher betrachten, die ein Tanzstück erst zu einem solchen machen. Als da wären – allen voran – Tänzer. Joris Camelin und Rémy Héritier folgten, so hatte es den Anschein, ganz ihren eigenen Bewegungsmustern, die sie teilten, teilweise aber auch wie Rivalen gegeneinander ausspielten. Sie machten klar, dass es nicht nur die Arbeit am Tanz an sich ist, sondern auch die Darstellung der Persönlichkeit, ja die Behauptung der eigenen Persönlichkeit gegenüber dem anderen, die eines der Rädchen darstellt, mit denen eine Vorstellung erst zu einer solchen wird.

Dann darf nicht vergessen werden – Tanz benötigt – zumindest meist – Musik. Hier unterstützte Jan Burkhardt die beiden Tänzer auf sehr subtile Art und Weise. Er brillierte am Piano nicht mit waghalsigen Stücken, sondern reduzierte die Melodien auf das allernotwendigste Maß. Anschläge, die lange Pausen nach sich zogen und der Stille breiten Raum gaben, machten umso deutlicher, welch starke Kraft von der Musik tatsächlich ausgeht. Ganz deutlich sichtbar wurde die Magie, welche sie auf Tänzer ausübt, denn, egal in welcher Stimmungslage sie sich vor dem Erklingen der Melodien befunden hatten, ob nun in sich gekehrt oder rivalisierend: Mit dem Erklingen der ersten Töne begannen sich beide sofort zu bewegen, zu tanzen, sich dem Rhythmus hinzugeben. Diese schlichte Visualisierung machte schlagartig klar, was es auch heißt, von etwas besessen zu sein. Sich einer Sache beinahe schon ausgeliefert hingeben zu müssen.

Aber auch der Spracheinsatz auf einer Bühne wurde näher betrachtet. Beide Protagonisten hatten jeweils einen kurzen Text vorzutragen. Der Inhalt spielte dabei nicht wirklich eine Rolle. Vielmehr war es der Vortragsstil an sich – einmal statisch und rein narrativ, das andere Mal durch Bewegungen begleitet, der unterschiedliche performative Qualitäten verdeutlichte. „Gewinner“ gab es keinen bei diesem Vergleich.

Interessant war, dass gleich zu Beginn der Vorstellung beide Tänzer sich mit kurzen Sequenzen einer klassischen Choreografie vorstellten, um jeweils nach diesen Sequenzen in sich zusammenzusacken und auf dem Boden liegen zu bleiben. Klassischer Tanz ermüdet und raubt die eigene Persönlichkeit, war die Botschaft, die beim Publikum ankam. Wer dies nicht will, der steigt um auf modernes Tanztheater und bemüht die Fantasie der Zuseherinnen und Zuseher. Ganz ähnlich wie Prinz Gholam, das Künstlerduo Wolfgang Prinz und Michel Gholam, froren auch Camelin und Héritier ihre Postionen ein, zeigen im „Standbild“ was sonst nur im Bruchteil der Zeit als Bewegung wahrgenommen werden kann und machten so klar, dass gerade die choreografische Arbeit im Kleinen, an jeder einzelnen Position, schließlich eine Summe ergibt, in welcher diese Aufbauarbeit eine andere Dimension erhält.

In Chétouanes Choreografie geben die Arme den Bewegungsmodus und die Richtung vor. Ihren zu Beginn zackigen Bewegungen scheinen die Tänzer zu folgen und nicht umgekehrt. Es ist nicht leicht, den Titel der Vorstellung „Hommage an das Zaudern“ als solchen mit dem Geschehen auf der Bühne in Zusammenhang zu bringen – außer, man nimmt all das, was man sieht, als Möglichkeit, als Versuch, sich ein Stück zu erarbeiten; und dazu gehört wohl auch oftmaliges Innehalten, Überlegen, Abwägen, Zaudern. Der Weg ist das Ziel – dieses Konfuzius zugeschriebene Zitat, über dessen Richtigkeit gerne diskutiert wird – würde diese Performance wohl etwas besser charakterisieren. Eingebettet war die Vorstellung in den Zyklus „Scores N° 4: under protest, in welchem 6 verschiedene Produktionen sich in unterschiedlicher Art und Weise mit dem gesellschaftspolitischen Moment von Körper und Bewegung auseinandersetzten.

Laurent Chétouane blieb dabei ganz in dem ihm vertrauten Umfeld der Bühne. Sie ist aber wiederum zugleich nichts anderes als ein Stellvertreter jener Realität, mit der wir tagtächlich konfrontiert sind. Gegenüber dieser hat aber gerade die Bühne den großen Vorteil, dass uns dort Strukturen besser klar werden können, wie an diesem Abend exemplarisch vorgezeigt wurde.Tanztheater – was ist das eigentlich? Wann wird Tanz zu einem Ereignis für das Publikum? Welche Rolle spielt die Musik? Was geschieht mit Tänzern, die gemeinsam auf der Bühne agieren? Was ist eine Choreografie? Ist das gesprochene Wort stärker wahrnehmbar als der bewegte Körper? Lassen sich Texte auch mit Tanz in Einklang bringen?

Tanzquartier Wien Hommage an das Zaudern (c) Sebastian Bolesch

Hommage an das Zaudern (c) Sebastian Bolesch

Laurent Chétouane stellte mit seiner Produktion „Hommage an das Zaudern“ im Tanzquartier in Wien all diese Fragen und verlangte dabei vom Publikum die Bereitschaft, sich auf diese Hinterfragung auch einzulassen. Sein „Stück“ ist kein herkömmliches, welches auf einer bestimmten Handlung basiert. Vielmehr konnte man an diesem Abend die einzelnen Bausteine näher betrachten, die ein Tanzstück erst zu einem solchen machen. Als da wären – allen voran – Tänzer. Joris Camelin und Rémy Héritier folgten, so hatte es den Anschein, ganz ihren eigenen Bewegungsmustern, die sie teilten, teilweise aber auch wie Rivalen gegeneinander ausspielten. Sie machten klar, dass es nicht nur die Arbeit am Tanz an sich ist, sondern auch die Darstellung der Persönlichkeit, ja die Behauptung der eigenen Persönlichkeit gegenüber dem anderen, die eines der Rädchen darstellt, mit denen eine Vorstellung erst zu einer solchen wird.

Dann darf nicht vergessen werden – Tanz benötigt – zumindest meist – Musik. Hier unterstützte Jan Burkhardt die beiden Tänzer auf sehr subtile Art und Weise. Er brillierte am Piano nicht mit waghalsigen Stücken, sondern reduzierte die Melodien auf das allernotwendigste Maß. Anschläge, die lange Pausen nach sich zogen und der Stille breiten Raum gaben, machten umso deutlicher, welch starke Kraft von der Musik tatsächlich ausgeht. Ganz deutlich sichtbar wurde die Magie, welche sie auf Tänzer ausübt, denn, egal in welcher Stimmungslage sie sich vor dem Erklingen der Melodien befunden hatten, ob nun in sich gekehrt oder rivalisierend: Mit dem Erklingen der ersten Töne begannen sich beide sofort zu bewegen, zu tanzen, sich dem Rhythmus hinzugeben. Diese schlichte Visualisierung machte schlagartig klar, was es auch heißt, von etwas besessen zu sein. Sich einer Sache beinahe schon ausgeliefert hingeben zu müssen.

Aber auch der Spracheinsatz auf einer Bühne wurde näher betrachtet. Beide Protagonisten hatten jeweils einen kurzen Text vorzutragen. Der Inhalt spielte dabei nicht wirklich eine Rolle. Vielmehr war es der Vortragsstil an sich – einmal statisch und rein narrativ, das andere Mal durch Bewegungen begleitet, der unterschiedliche performative Qualitäten verdeutlichte. „Gewinner“ gab es keinen bei diesem Vergleich.

Interessant war, dass gleich zu Beginn der Vorstellung beide Tänzer sich mit kurzen Sequenzen einer klassischen Choreografie vorstellten, um jeweils nach diesen Sequenzen in sich zusammenzusacken und auf dem Boden liegen zu bleiben. Klassischer Tanz ermüdet und raubt die eigene Persönlichkeit, war die Botschaft, die beim Publikum ankam. Wer dies nicht will, der steigt um auf modernes Tanztheater und bemüht die Fantasie der Zuseherinnen und Zuseher. Ganz ähnlich wie Prinz Gholam, das Künstlerduo Wolfgang Prinz und Michel Gholam, froren auch Camelin und Héritier ihre Postionen ein, zeigen im „Standbild“ was sonst nur im Bruchteil der Zeit als Bewegung wahrgenommen werden kann und machten so klar, dass gerade die choreografische Arbeit im Kleinen, an jeder einzelnen Position, schließlich eine Summe ergibt, in welcher diese Aufbauarbeit eine andere Dimension erhält.

In Chétouanes Choreografie geben die Arme den Bewegungsmodus und die Richtung vor. Ihren zu Beginn zackigen Bewegungen scheinen die Tänzer zu folgen und nicht umgekehrt. Es ist nicht leicht, den Titel der Vorstellung „Hommage an das Zaudern“ als solchen mit dem Geschehen auf der Bühne in Zusammenhang zu bringen – außer, man nimmt all das, was man sieht, als Möglichkeit, als Versuch, sich ein Stück zu erarbeiten; und dazu gehört wohl auch oftmaliges Innehalten, Überlegen, Abwägen, Zaudern. Der Weg ist das Ziel – dieses Konfuzius zugeschriebene Zitat, über dessen Richtigkeit gerne diskutiert wird – würde diese Performance wohl etwas besser charakterisieren. Eingebettet war die Vorstellung in den Zyklus „Scores N° 4: under protest, in welchem 6 verschiedene Produktionen sich in unterschiedlicher Art und Weise mit dem gesellschaftspolitischen Moment von Körper und Bewegung auseinandersetzten.

Laurent Chétouane blieb dabei ganz in dem ihm vertrauten Umfeld der Bühne. Sie ist aber wiederum zugleich nichts anderes als ein Stellvertreter jener Realität, mit der wir tagtächlich konfrontiert sind. Gegenüber dieser hat aber gerade die Bühne den großen Vorteil, dass uns dort Strukturen besser klar werden können, wie an diesem Abend exemplarisch vorgezeigt wurde.

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