OP-Art in der Schirn

Von der unablässigen Faszination der Augentäuschungen

OP Art Schirn Kunsthalle

OP-Art in der Schirn

Eines gleich vorweg: Die Ausstellung lebt von den gezeigten Werken und einer gelungenen Installation in einer „Black box“. Eine zeitgerechte Aufarbeitung dieses Themas könnte zwar anders aussehen, aber die Auswahl der Arbeiten erweist sich als so glücklich, dass diese jedes weitere Manko wettmacht. Die Kunsthalle Schirn in Frankfurt zeigt vom 17. Februar bis 20. Mai 2007 eine Auswahl an OP-Art. Sowohl Bilder als auch kinetische Objekte dürfen ihren Reiz auf jeden Besucher ausüben, egal ob jung oder alt. Schon die überdimensionale Drehscheibe im Eingangsbereich, eine Arbeit von Marina Apollonio, besonders von Kindern und Jugendlichen kurzfristig gerne spielerisch in Besitz genommen, zeigt an, worum es in der Ausstellung geht. Die bewusste Täuschung des Auges, hervorgerufen durch oftmals mathematisch akribisch nachrecherchierte Phänomene, die von den verschiedenen Künstlern bildlich umgesetzt wurden. Namen wie Bridget Riley, Francois Morellet, Alberto Biasi oder Victor Vasarely bürgen hierbei für höchste Qualität. Es gibt aber auch Arbeiten von nicht ganz so bekannten Größen zu bewundern, die jedoch der weltbekannten Künstlerriege durchaus Stand halten.

Frühtrunk

OP-Art in der Schirn - Grüne Intervalle

Schon bei den ersten Objekten von Jesus Rafael Soto ist man verwundert über die eigene Unzulänglichkeit des Auges, scheinen doch Stäbe, die am Boden fest montiert sind, allein aufgrund ihrer Farbgebung zu schweben. Feinste Metalldrähte wiederum irritieren und lassen die Aufmerksamkeit immer wieder zwischen der bemalten Hintergrundtafel und einem objekthaft aufgezogenen Drahtvorhang hin und her springen. Diese Arbeit von Soto ist eine der wenigen, die eine Balance zwischen der Erfahrung der optischen Täuschung und jener einer lyrischen Aussage und Interpretation zulässt. Zwar sind noch andere Arbeiten, vor allem bewegte Installationen, oder durch Lichteffekte verblüffende Werke zu sehen, welche über die optischen Täuschungen hinaus auch verschiedene emotionale Bereiche ansprechen. Die wenigsten lassen jedoch einer eigenen Interpretation freien Raum. Dieses Phänomen der OP Art liegt im Ansatz dieser Kunstrichtung begründet, welche nicht Erfahrung, Emotion, Erinnerung oder assoziative Ableitungen in den Vordergrund stellt, sondern physikalische Phänomene des Sehens berücksichtigt und bewusst damit spielt.

Dass die OP Art, eine spezielle Ausformung der Konkreten Kunst, ihre philosophische Unterfütterung von der analytischen Philosophie und vom kritischen Rationalismus eines Karl Popper her ableiten kann, liegt auf der Hand, wird aber in der Ausstellung nicht extra beleuchtet. Auch der radikalkonstruktivistische Ansatz eines Paul Watzlawick, der davon ausgeht, dass wir keine objektiven Realitäten wahrnehmen können, wird in der OP Art durch die hervorgerufenen optischen Täuschungen erlebbar. So stehen auch die sinnlichen Reizerfahrungen in der Ausstellungsvermittlung an erster Stelle. Rasch stellt sich eine kindliche Freude an den unerwarteten, optischen Phänomenen ein. Eine Freude, die sich die komplette Schau hindurch aufrecht erhält und in der Inszenierung der Black box kulminiert, in welcher Lichtinstallationen gezeigt werden, die durch ihren Bewegungsablauf Staunen und Irritation hervorrufen. Das bewegte Spiegellabyrinth von Davide Boriani – seine Camera stroboscopica – weckt Erinnerungen an kindliche Jahrmarktbesuche, ist für Lichtreiz empfindliche Personen aber nicht zu empfehlen. An diesem Werk wird auch deutlich, dass Boriani sich nicht damit begnügte, eine künstlerische Position vorzuexerzieren, sondern das Publikum interaktiv mit einbezog. Ein Kunstgriff, der am Beginn einer Entwicklung steht, die Bekanntheit eher durch andere Kunstströmungen wie jene des Happenings oder in seiner zugespitztesten Form des Wiener Aktionismus erlangte.

In unmittelbarer Nachbarschaft des Labyrinthes befindet sich eine der leisesten, und doch überaus beeindruckenden Lichtinstallationen, nämlich jener von Gabriele Devecchi. Die Arbeit aus dem Ursprungsjahr 1969, in der Schirn neu adaptiert und in Szene gesetzt, arbeitet mit sich bewegenden Lichtstrahlen in einem abgedunkelten Raum. Die Abfolge der dadurch hervorgerufenen scheinbaren Raumverkleinerung und Vergrößerung besticht ungemein. Durch das Betreten des Besuchers werden zusätzliche Schattenspiele ausgelöst, die wiederum effektvoll mit dem Verhältnis der wechselnden Proportionen spielen. Gänzlich anders erscheint dagegen die Arbeit von Luis Tomasello, „Atmosphère chromoplastique“, auf der eine Unzahl von kleinen Würfeln auf eine Fläche so aufgebracht wurden, dass diese nur an einer Seitenkante an der Platte darunter befestigt sind. Der orange-fluoreszierende Farbauftrag jener Würfelflächen, die der Platte zugewandt sind, werfen ihren farbigen Schatten auf die weiße Grundfläche und erzeugen dadurch ein verwaschenes, partielles Leuchten unter den Würfeln, dem man erst durch näheres Betrachten auf die Spur kommt.

Wie schon bei anderen Ausstellungen in der Schirn wahrgenommen, gibt die groß montierte Informationswand zu Ausstellungsbeginn allein ein wenig Information zum Thema. Schade, denn Zwangsbeglückungen zu Führungen oder einem gezielten Katalogkauf sind nicht jedermanns und jederfraus Sache. Allerdings gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm zur Ausstellung, welches tiefer in die Materie eindringen lässt. Empfohlen für all jene Besucher, die im Frankfurter Raum wohnen.

Infos:
www.schirn-kunsthalle.de/index.php?do=exhibitions_detail&id=74〈=de

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