Aladin und die Wunder seines Smartphones

„Ich bin O.K“, der Kultur- und Bildungsverein der Menschen mit und ohne Behinderung präsentierte mit über 110 Teilnehmenden das orientalisches Märchen, das gekonnt in die Jetzt-Zeit transferiert wurde.

Wie könnte die Geschichte von Aladin und seiner Wunderlampe heute erzählt werden? Der Verein „Ich bin O.K.“, der seit dem Jahr 1979 ein Bildungs- und Kulturangebot für Menschen mit und ohne Behinderung anbietet, präsentiert in seiner neuesten Produktion „Aladins Erkenntnis“ nicht nur die Geschichte von Aladin und seinem dienstbaren Geist Dschinn. Darin werden am Ende des Stückes dem Publikum aber auch allen Beteiligten Ratschläge für ein gelungenes Leben mitgegeben.

Bis es allerdings soweit ist, erlebt die Hauptfigur Aladin (alternativ mit Alex Stuchlik und Mike Brozek besetzt) allerhand selbst hervorgerufene Abenteuer. Sein Geist kommt jedoch nicht aus einer Wunderlampe, sondern einem Smartphone. Stets hurtig und auf Anruf parat, erscheint Johnny K. Palmer in weiß-grauem Bodysuit mit silbern glänzendem Hut, um seinem Herren jeglichen Wunsch zu erfüllen. In giftig-grünlichen Nebel getaucht, ist er ein wahrer Sympathieträger dieser Figur und gibt zusätzlich einige, von ihm selbst komponierte und getextete Songs zum Besten, die sich auf die Wünsche Aladins beziehen.

Die über 110 Tänzer bzw. Tänzerinnen treten in einzelnen Szenen auf, wobei sie durch eine spezielle Farbsymbolik verschiedene lebens- und charakterbildende Bausteine symbolisieren. Wissen, Gesundheit, innere Freiheit, Entwicklung, Fröhlichkeit, Selbstvertrauen, Freundschaft, Bescheidenheit, Liebe, innere Kraft und Kreativität werden so in unterschiedlichsten Choreografien anschaulich gemacht. Ein aufwändiges Bühnenbild (Fam. Röper, Jakob Kraus) und farbenprächtige Kostüme von Carmen Little und Karin Oébster (Kayiko) machen die Inszenierung richtig kostbar.

Dabei steht eines sichtbar im Vordergrund: Die Freude an diesem Projekt, der Spaß, auf der Bühne zu stehen, ob in feinen Abendkleidern oder lustigen Cowboykostümen. Da wird zwischendrin ins Publikum gewinkt und die Leute zum Mitklatschen animiert. Da sitzen die Kleinsten als Elfen und Insekten mit Flügelchen auststaffiert nach ihrem Auftritt auf der Bühne und schauen ernst bis heiter aber unglaublich berührend in die Runde. Da lachen die Herren im Rollstuhl aus vollem Hals, während ihre fahrenden Hilfsgeräte quer über die Bühne sausen, dass man genötigt ist, bei diesem Spass mitzulachen. Aber es werden auch ernsthaft Schritte gezählt, versucht, Anschluss an den Vordermann oder die Nebenfrau zu halten und das ein- oder andere Mal ist der Abgang hinter die Bühne eine richtige Herausforderung. Wo geht’s da eigentlich hinaus? Diese Frage kann man an den Gesichtern ablesen und in diesem Moment zugleich die große Leistung der Menschen mit Downsyndrom nachempfinden, die dieser Bühnenauftritt für sie darstellt.

Die immer stärker werdende Fokussierung auf elektronische Hilfsmittel wie Smartphones beschäftigte die Truppe sehr. Aus diesem Grund wurde auch ein Auftritt eingebaut, bei dem die Menschen sich nur mehr wie Roboter fortbewegen und keine Notiz mehr voneinander nehmen. Die Tänzerinnen und Tänzer von „Ich bin O.K.“ bringen ihre eigenen Ideen zu jeder Produktion mit, wie auch in der letzten Produktion „Getrennt – vereint“. „Bereits während der Proben durften wir in eine Welt eintauchen, die durch ihren ungewöhnlichen Humor und ihre facettenreiche Fantasie geprägt ist.“ Dieses Statement von Hana & Attila Zanin, die die künstlerische Leitung des Vereines innehaben, zeigt, dass dieses Projekt nicht nur mit, sondern vor allem auch aus den Teilnehmenden selbst heraus entsteht. Eine wunderbare Superman-Persiflage in der in einer Videosequenz Aladin in den Weltraum fliegt und das Abheben einer Rakete in die zuvor die Tänzerinnen und Tänzer einstiegen, bringen zusätzlichen Bühnenzauber ins Geschehen.

Am Schluss erkennt Aladin, dass sein eigenes Ich, seine eigenen Fähigkeiten und sein eigenes Können das ist, was ihn wirklich ausmacht. Keine noch so tolle App mit einem dienstbaren Geist, kein Geld der Welt und keine überzogenen Wünsche.

„Ich bin O.K“ möchte die Begeisterung ALLER für Tanz und Theater entfachen und damit zu einer besseren Lebensqualität beitragen! – ist im Programmheft zu lesen. Für 90 Minuten gelingt dies auf eine Art, die herkömmliches Tanztheater nicht bieten kann. Gibt die Aufführung doch auch einen kleinen Einblick in die Welt von Menschen, die mit einer Spontanität und einer Herzlichkeit ausgezeichnet sind, wie wir diese bei Personen ohne Behinderung kaum einmal finden. Auf einer Bühne stehen, im Mittelpunkt des Publikumsinteresses; zeigen, was man durch die eigene Leistung mit seinem Körper ausdrücken kann; erfahren, wie sich tosender Applaus anhört und anfühlt. Das alles bietet der Verein mit seinem Tanzstudio und seiner Dance Company. Und anlässlich eines Auftrittes wie diesem Menschen ohne Behinderung jede Menge neue Erkenntnisse.

Link: „Ich bin O.K.“

 

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