Ich will Präsident werden!

Ich will Präsident werden!

Passender hätte der Termin nicht gewählt sein können; der neue österreichische Bundeskanzler Christian Kern wurde vor Kurzem angelobt und die entscheidende Stichwahl zur Bundespräsidentenwahl ist in Sichtweite und wirft ihren langen Schatten voraus.

Der Salon5 hat im alten Rathaus „Barack Obama“ und „Donald Trump“ zum Stelldichein gebeten. Unter dem Motto: „How to become Mr. President“ zielte diese Veranstaltung natürlich auf die Stichwahl am 22. Mai ab. Auf der einen Seite hielt David Wurawa die Siegesrede von Barack Obama aus dem Jahr 2008 und Horst Schily präsentierte die bereits legendäre Rede von Donald Trump aus dem Jahr 2015, bei der er seine Kandidatur bekannt gab. Als Gesprächspartner der Gastgeberin Anna Maria Krassnigg war Rainer Nowak, Chefredakteur der Presse, direkt von der Hofburg in das Alte Rathaus geeilt, um die Reden zu analysieren und die derzeitige innenpolitische Situation zu diskutieren.

Die Parallelen zwischen der Wahl von Obama und Christian Kern sind augenfällig. Beide proklamieren auf ihre Weise den Wechsel im politischen Spiel und wollen über die eigene Partei hinaus verbinden. Beide werden als eine Art politischer Heilsbringer empfunden und gehypt. „Es muss sich etwas ändern im politischen System“, ist die Botschaft der beiden. „Change“ und „yes we can“ könnte auch in der Rede von Kern stehen. Beide treten in Zeiten an, in denen die Gesellschaft in verschiedene Lager gespalten ist. Obama hatte von Anfang an die Tea-Party-Bewegung und die Mehrheit der Republikaner gegen sich. Die Frage, ob die ÖVP einem SPÖ-Kanzler den Erfolg und den Turnaround gönnt, ist nicht unberechtigt. Mit Norbert Hofer ist ein Politiker in der Stichwahl, der ähnlich wie die Tea-Party und jetzt auch Donald Trump sehr stark polarisiert und mehr die Gegensätze betont als die Gemeinsamkeiten. Nowak geht davon aus, dass gegen die Simplifizierer und Ausgrenzer nur die Werte der Aufklärung helfen können. Diese müssten konsequent gezeigt werden und man dürfe den Rechtsstaat nicht aufweichen, so seine Meinung.

Der Abend war sehr aufhellend und aufrüttelnd zugleich. Gerade für politisch Interessierte wurde mehr als deutlich, dass Demokratie, Toleranz und Offenheit nicht selbstverständlich sind. Die politische Stimmung kann sich innerhalb nur weniger Jahre extrem verändern. Außerdem zeigte sich klar, dass einzelne Politiker zwar Initialzündungen geben können, allerdings immer in ein politisches System eingebunden sind, welches seine eigenen Spielregeln und ab und zu auch Bremsen für Reformen und Veränderungen eingebaut hat.

Das Format „Reden“ des Salon5 erwies sich einmal mehr als brandaktueller, künstlerisch-intellektueller Beitrag zum aktuellen Zeitgeschehen in Österreich.

Offener Brief an meinen Sohn

Offener Brief an meinen Sohn

Wien, Juli 2015

Lieber Christopher,

es ist eine komische Zeit. Ich schwanke derzeit zwischen Resignation und unendlicher Wut. Du weißt, ich habe immer voller Innbrunst von meinem Haus Europa gesprochen. Mir waren die Würde des Einzelnen, die Menschenrechte und der demokratische Diskurs immer sehr wichtig. Ich stritt und debattierte, diskutierte und disputierte über Politik, Gesellschaft und die Menschlichkeit.

Die Mitmenschlichkeit, der Blick für die Underdogs und die Unterstützung der Schwächeren war allgegenwärtig. Ich wollte dir ein Vorbild sein, wenn es darum geht, die Menschen und deren individuelles Schicksal in den Vordergrund zu stellen. Ich weiß nicht, ob ich immer selbst nach der Maxime gehandelt habe. Ich weiß nicht, ob ich dir immer ein Vorbild in dieser Sache war. Ich habe stets mein Bestes gegeben. Und ich hoffe, du hast diese Haltung wahrgenommen und für dich durchdacht und vielleicht sogar als Richtschnur für das eigene Handeln in Betracht gezogen. Diesen Brief schreibe ich dir aus diesem Grund, denn ich habe den Eindruck, in der Zwischenzeit geht es nur noch um juristische Verträge und das Denken der kleinbürgerlichen Bürokraten. Den Schäubles und Gabriels dieser Erde, die ihre Prinzipien über das Menschliche stellen. Das Schicksal des Rentners, der weinend vor der geschlossenen Bank in Griechenland sitzt, der übrigens dein Großvater sein könnte, lässt diese Bürokraten kalt und sie erzählen dir und mir was von der Alternativlosigkeit. Dabei ist ihre größte Angst der Kontrollverlust und die Angst, sich eingestehen zu müssen, dass es ihnen ums Prinzip und nicht um die Menschen geht.

Die Fratze des Nationalismus, gegen die ich stets den Humanismus und den Internationalismus ins Felde führte, zeigt sich in seiner ganzen Hässlichkeit. Sie konnte nicht mit Toleranz und Menschlichkeit gebannt werden, mir kommt die Wut hoch und fühle ich mich im Zweifel hin- und hergetrieben wie eine steierische Klapotetz im Wind. Immer wieder geht es mir durch den Kopf, ob ich zu wenig aktiv war. Ob ich das Feld diesen menschenverachtenden Bürokraten überlassen habe. Vielleicht hielt ich die Demokratie und die Verheißungen des deutschen Grundgesetzes für immerwährend. Ich habe sie als Selbstverständlichkeit hingenommen. Die Angst treibt mich um, dass ich alles verlieren könnte und dass du in einem autoritären, faschistoiden Technokraten-Staat leben musst. Sollte dies passieren, dann verspreche ich dir, werde ich bis zum Tode dagegen kämpfen, denn dafür hab ich dich weder gezeugt noch großgezogen und bis heute begleitet. Du hast eine Zukunft in Freiheit und Menschlichkeit nicht nur verdient, sondern, wie es die großen Aufklärer bezeichneten, ist dies ein unveräußerliches Menschenrecht und dafür setze ich mich bis zu meinem Tode ein. Auch wenn es nicht immer bequem sein wird, ich kämpfe dagegen an, dass bin ich dir schuldig.

Vergiss nie die Bilder der Menschen in Not, vergiss nicht die Tränen von Flüchtlingen, die in den Tod abgeschoben werden und bei uns in Österreich in Zelten schlafen müssen. Vergiss nie die Not der zu kurz Gekommenen. Akzeptiere nie ein Gesetz, das die Menschlichkeit verletzt. Akzeptiere keine Sachzwänge und keine Alternativlosigkeiten. Bei allem deinem Handeln wünsche ich mir, dass Mitmenschlichkeit, Freiheit und Solidarität dir als Leitmotive dienen und dir Grundlagen deiner Überlegungen und Handlungen sind. Widersprich den nationalistischen Bestrebungen und widerstehe den emotionalen Aufrufen an die deutschen, griechischen, finnischen, französischen und wie auch immer gearteten Arbeiter und Steuerzahler, mit denen unmenschliches und unsolidarisches Verhalten gerechtfertigt werden soll. Widerstehe dem wohligen Gefühl der Masse, mach nicht mit bei Massenspektakeln, die die Ausgrenzung anderer zur Folge haben.

Ich hoffe, dass du nie eine Gewissensentscheidung treffen musst, wie sie deine Urgroßväter in der Nazizeit treffen mussten. Ich hoffe, du wirst nie zurückblicken und dir denken: Wieso hat mein Vater sich nicht gewehrt, warum hat er seinen Mund gehalten und nichts getan. Solltest du je das Gefühl haben, dass ich den Pfad der Menschlichkeit verlassen habe, dann konfrontiere mich damit und erinnere mich an diesen Brief im Juli 2015 und gehe mit mir hart ins Gericht und schone mich nicht, auch wenn ich vielleicht schon alt und gebrechlich bin. Solange ich bei Sinnen bin, mach mich verantwortlich für mein Tun oder Lassen. Mein Sohn das wünsche ich mir von dir.

Mit ganz viel Liebe im Herzen

Dein Vater

Ein Leben unter Technokraten und Bürokraten

Ein Leben unter Technokraten und Bürokraten

Immer wieder lesen Sie und ich von den glücklichsten Ländern dieser Welt und es wird nach Erklärungen gesucht, warum die Menschen in Land A glücklicher sind als in Land B, obwohl doch die Umstände sehr ähnlich seien.

Die Vermessung und Beurteilung des Glücks anhand von Bruttoinlandsprodukt, Gini-Koeffizient, OECD-Studien und WHO-Untersuchungen sind en vogue und Vertreter der positiven Psychologie beglücken uns mit der Glücksformel, in die Sie nur Ihre Daten einfügen müssen und schon können Sie ganz objektiv messen, wie glücklich Sie wirklich sind.

All diese Faktoren sind nicht zu unterschätzen. Ihr Freundeskreis, die soziale und politische Situation in Ihrem Umfeld spielen eine große Rolle bei Ihrem Wohlbefinden und lassen sich schon sehr viel schwerer messen, wiegen und beurteilen. Ob Sie genetisch bedingt ein Optimist oder eher ein Pessimist sind ist noch schwerer objektiv zu beurteilen. Glück ist und bleibt ein subjektives Empfinden.

Gesellschaft, Glück und Überwachung

Allerdings sollten wir die gesellschaftlichen Bedingungen nicht ganz aus dem Auge verlieren. In einem eher staatlich paranoiden Umfeld, wie wir es zur Zeit in weiten Teilen der Welt vorfinden, gedeiht das individuelle Glück nur schwer. Zur Terrorismusbekämpfung ist den Regierenden fast jedes Mittel recht. Ob die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland, der neue Staatsschutzgesetzesentwurf in Österreich, sie sind für mich Instrumente zur absoluten Kontrolle der BürgerInnen und ein Zeichen des Misstrauens der Politelite gegenüber den Mitbürgern.

All diese Kontrollgesetze haben in der Demokratie nichts zu suchen. Das Volk soll die Politik kontrollieren und nicht die Regierungen das Volk. Anlasslos und ohne Verdacht werden immer mehr Daten erhoben und den Ermittlungsbehörden in den letzten Jahren ständig neue Befugnisse erteilt. Ohne richterliche Anordnung ist der Exekutive immer mehr erlaubt, das Bankgeheimnis und die Privatsphäre längst auf dem Altar der inneren Sicherheit geopfert.

Verstehen Sie mich nicht falsch, der Großteil der europäischen Länder ist nicht autoritär geführt. Auch die EU ist kein autoritärer Staatenverbund, sondern wird als transnationale Institution immer stärker von Bürokraten bestimmt, die sich keinem Wählervotoum und keiner Kontrolle stellen müssen. Den Geheimdiensten ähnlich, sind sie nur schwer kontrollierbar und besonders schwer durchschaubar. Vermeintliche Sachzwänge und volkswirtschaftliche Notwendigkeiten sind oft genug Begründung genug für intransparente und kaum nachvollziehbare Entscheidungen.

Wir werden von der NSA bespitzelt, unsere Unternehmen ausgeforscht und dies alles noch mit Unterstützung der europäischen Geheimdienste. Immer mehr Kontrollwahn-Ideen sprießen ins Kraut und die Bevölkerung bleibt total entspannt wie in einem Karibik-Urlaub nach mehreren Joints.

Angst als Politikstrategie

Ständig lesen wir von einer Terrorgefahr, von Flüchtlingsströmen, die für Europa nicht beherrschbar sind und sonstigen gar düsteren Zukunftsaussichten. Dies fördert die Sorge und macht empfänglich für das hohe Lied der Sicherheit, Ruhe und Ordnung. In kleinen Dosen wird uns das Gift der Kontrolle verabreicht, wie dem Erbonkel das Arsen und ehe wir es richtig merken, sind wir dem Tode geweiht und müssen feststellen: Wir waren die eigenen Totengräber der Freiheit, der Selbstbestimmung und der Grundrechte. Jener Grundrechte, die ich voller Stolz als Errungenschaft der Aufklärung hochhielt und für die ich stritt, die ich verteidigte und für die ich bereit war, einzustehen.

Grundrechte werden geopfert

Diese Grundrechte sollen nun eingetauscht werden gegen eine suggerierte Scheinsicherheit, die ein Zeichen einer erzkonservativen Bewahrungsmentalität ist, die jegliche Kreativität im Keim ersticken muss, um die Kontrolle über das Dasein zu behalten. Welch traurige Perspektive in einem potenzierten Orwell´schen Staat zu leben, der genau vorgibt, was machbar und duldbar und was nicht akzeptabel ist.

Bürokraten übernehmen die Macht

Die Bürokraten und Angsthasen haben die Initiative übernommen und wir haben ihnen kampflos den Staat überlassen, weil wir dachten, diese Langweiler fände niemand cool. Wir hatten recht, cool findet sie immer noch keiner, aber sie haben den Kampf gewonnen und können uns jetzt mit ihren Gesetzen, Verordnungen und transnationalen Institutionen das glückliche und selbstbestimmte Leben verunmöglichen. Ihre Konzepte sind weder sexy noch scheinen die Menschen sehr zufrieden mit ihrer Leistung zu sein, aber wir haben versagt, Alternativen aufzuzeigen und uns einzumischen.

Facebook und Co gehen uns nichts an

Unsere Antwort auf Facebook, Google und Co ist, wenn es hoch kommt, die Verweigerung. Wir lassen uns von diesen multinationalen Konzernen nicht in die Seele blicken. Wir machen nicht mit bei all diesen modernen Erscheinungen, wir verweigern uns und finden uns dabei noch intellektuell überlegen, weil wir diesen Konzernen nicht auf dem Leim gehen. Verweigerung ist allerdings ein reaktives Verhalten, wo doch ein pro-aktives unabdingbar ist. Einmischen, mitmachen, diskutieren, nerven und die Chancen sehen, dass wird von Intellektuellen, Kreativen und kritischen Geistern erwartet. Kritik und aufzeigen was ist, reicht nicht mehr.

Verweigerung ist kontraproduktiv

Wir müssen an den gesellschaftlichen Diskussionen teilnehmen und diese nicht aus der Position des Besserwissers und „Schon-immer-Wissers“ führen. Wir sollten unseren Standpunkt deutlich machen. Wir sollten aufzeigen, wie wir uns die Gesellschaft der Zukunft denken können, ohne dem Allwissenheits-Syndrom aufzusitzen. Wir dürfen der österreichischen Regierung so ein Staatsschutzgesetz nicht durchgehen lassen. Ein Gesetz, mit so windelweichen Begriffen und Wörtern beschrieben, dass Rechtsunsicherheit per se schon eingebaut ist. Mit Formulierungen wie zum Beispiel „wahrscheinlichen verfassungsgefährdenden Angriffen“ in die man alles und jedes hineininterpretieren kann.

Das Recht auf Privatsphäre

All den Befürwortern, die ja meist nichts zu verbergen haben, muss man entgegentreten und sie fragen ob es ihnen recht wäre, wenn ihr Nachbar wüsste wann sie wo waren, oder wie viel Geld sie verdienen und auf dem Bankkonto haben oder eben auch nicht haben, nur weil er Polizist oder Verfassungsschützer ist und schnell mal nachschauen will, wer so in seiner Umgebung wohnt? Wir müssen fragen, ob sie einer Regierung trauen, die bis heute nicht erklären kann, wie es gelang, den Zentralrechner des Deutschen Bundestages mit einem Trojaner zu verseuchen? Wir müssen fragen, ob sie die gesammelten Daten einer Organisation anvertrauen, die nicht fähig ist, herauszufinden, ob und in welchem Umfang die Wirtschaft bespitzelt wurde? Dies sind die Fragen, die wir stellen müssen. Wir müssen klar machen, warum nicht jeder Zweck die Mittel heiligt.

Wenn wir weiter so tun als ob uns die ganze Sache nichts anginge, dann werden wir eines Tages aufwachen und feststellen, dass alles was uns recht und teuer war nichts mehr gilt und mit Füßen getreten wird. Einmischen, diskutieren, überzeugen und Widerstand leisten ist gerade zu ein Muss in heutiger Zeit.

Der lange Schatten von Stanley Kubrick

Der lange Schatten von Stanley Kubrick

Es ist der erste warme Frühlingsabend in Wien. Welcher Teufel muss mich geritten haben, in das Theater in der Josefstadt zu fahren, um dort auf der Probebühne „Clockwork Orange“ anzusehen? Der Abend ist eigentlich viel zu sonnig, um sich mit Gewalt, freiem Willen und psychiatrischen Experimenten der 60er Jahre zu beschäftigen. Sei es drum. Ich fahre also mit dem Lift die 2 Etagen zur Probebühne hoch und als ich den Raum betrete, erwartet mich ein Bühnenbild, das schon anzeigt, dass es heute darum geht, wie ein junger Mann auf die schiefe Bahn gerät. 3 junge Menschen in der existentialistischen Uniform, also alles in Schwarz gehalten, empfangen mich dort im Dunklen. Wie sich später zeigt ist Alex der Einzige, der einen roten Pulli trägt und nicht ganz in schwarz gewandet ist.

Stanley Kubricks Film läuft schon fleißig in meinem Kopfkino und ich bin gespannt, was ich hier von den Studierenden des Max Reinhardt Seminars dargeboten bekomme. Wie wird mit dem Gewaltexzessen von Alex umgegangen? Wie wird das Therapieexperiment, das auf Konditionierung beruht, dargestellt? Wird deutlich, dass es um den Kampf zwischen freiem Willen und dem Funktionieren in der Gesellschaft geht? All diese Fragen gehen mir durch den Kopf und dann geht die Party mit Stroboskop-Licht und einer Mischung aus Technomusik und einem Sound, der an die frühen Stücke von Kraftwerk erinnert, los. Die Stimmung ist ausgelassen und der Abend nimmt seinen Lauf, die Handlung ist mir bekannt und so kann ich mich auf andere Dinge konzentrieren wie die einzelnen schauspielerischen Leistungen und die Regieeinfälle von Felix Hafner.

Meo Wulf, du bist so ein guter Alex, wenn du spielst wie du spielen kannst und nicht so spielst wie Raphael von Bargen, der herausragend spielt, wenn er spielt, wie er eben spielt. Deine Kolleginnen und Kollegen füllen ihre anspruchsvollen Rollen hervorragend aus, Andrej Reiman als Pfarrer einfach sensationell oder Ricarda Bistram als Innenministerin und Wärterin, die an den Drill Instructor in Full Metal Jacket erinnert, ist ein Genuss. Auch Carolin Knab oder Enrique Fiß, genauso wie Markus Bernhard Börger bieten Großartiges in den vielen Rollen, die sie spielen müssen.

Die besten Momente hat dein Stück, Felix Hafner, in den Situationen, in denen ich nicht an Kubricks Film und dessen Einfluss auf deine Inszenierung denken muss. Aber Kubricks langer Schatten ist immer wieder seh- und spürbar. Jetzt warte ich mit Spannung auf den Schluss. Hast du dich für das amerikanische Ende oder für die 21 Kapitel-Version des Romanes von Anthony Burgess entschieden? Zu meiner Enttäuschung hast du die Nixon- und nicht die Kennedy Variante, wie sie der Autor beschrieb, gewählt. Dabei ist gerade dieses 21. Kapitel die optimistische Alternative, die dem Menschen eine moralische und ethische Fortentwicklung attestiert. Aber vielleicht ist es im Moment mit all den Krisen, Kriegen und Katastrophenmeldungen einfach eine pessimistische Zeit in der es mehr um die menschlichen Abgründe geht, als um Lern- und Entwicklungsfähigkeit. Eines steht allerdings fest: Die Thematik ist 2015 noch so brandaktuell wie 1962.

Das Theater in der Josefstadt verlasse ich trotz alledem optimistisch und mit der Sicherheit, dass in Österreich und dem deutschsprachigen Raum mit solchen Absolventinnen und Absolventen des Max Reinhardt Seminars einer interessanten Theaterzukunft nichts im Wege steht.

Griechenland ist abgebrannt

Griechenland ist abgebrannt

„Irgendwann bleib i dann durt, geh von daham für immer furt.“ Dieses Lied der steirischen Band STS spiegelte das Lebensgefühl vieler junger und nicht mehr ganz so junger Aussteiger, Träumer und Tramps wider. Der protestantische Arbeitsethos wurde darin kritisch hinterfragt und die relaxte und entspannte Lebensphilosophie des Griechenlandurlaubs zum wünschenswerten Dauerzustand erhoben.

30 Jahre nach Erscheinen dieses Songs bleibt von der Leichtigkeit dieses Seins nicht mehr viel übrig. Das Ideal des streb- und arbeitsamen Menschen hat sich weiter unaufhörlich seinen Weg gebahnt und auch viele Sinnsuchende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts längst eingeholt. Hartz IV-Reformen und die sogenannte Schuldenkrise zeigen die kalte Realität der wirtschaftlichen Notwendigkeit. Auch Griechenland ist längst nicht mehr das Land der Glückseligen und schon gar kein Ort mehr, an dem Otto Normalverdiener entspannt den kapitalistischen Notwendigkeiten entkommen kann. Finanzminister Schäuble und Bundeskanzlerin Merkel haben die Vorstellungswelt der schwäbischen Hausfrau zur Wirtschaftsdoktrin erhoben, ohne zu beachten, dass diese sich nicht auf Volkswirtschaften anwenden lässt. Griechenland ächzt unter den Belastungen, die die Troika der Bevölkerung aufgezwungen hat und vor allem die deutschen und österreichischen StaatsbürgerInnen sind der Meinung, dass dies den Griechen recht geschehe, da sie ja über ihre Verhältnisse gelebt hätten, was nicht hinnehmbar sei.

Natürlich gibt es in Griechenland viel Reformbedarf. Ein gerechtes Steuersystem, das vor allem auch tatsächlich die Steuern einheben kann, ist unabdingbar, wenn das Land wieder auf die Beine kommen will. Die Reichen und Superreichen haben ihr Geld jedoch längst außer Landes gebracht und Österreichische und Schweizer Banken haben dieses nur zu gerne angenommen.

Wenn man allerdings sieht, dass fast 90% der Griechenlandhilfen auf den Konten der europäischen Großbanken gelandet sind, dann versteht man, dass es sich dabei um eine Banken- und keine Griechenrettung handelte. Dass die Tsipras-Regierung versucht, die sozialen Verwerfungen zu beenden, ist nur mehr als verständlich. Keine moderne Gesellschaft kann es hinnehmen, dass die Gesundheitsversorgung diesen Namen gar nicht verdient. Tsipras wurde gewählt, um die völlig ineffektive Austeritätspolitik von Merkel & Co – übrigens ein Begriff aus dem Altgriechischen, der mit Herbheit, Strenge und Ernst übersetzt werden kann – nicht länger hinzunehmen. Der Umgang mit der neuen linken Regierung in Griechenland ist alles andere als solidarisch oder gar vernünftig. So lange Sozial- und Christdemokraten Griechenland in Korruption, Chaos und Schulden führten, war für den deutschen Finanzminister die Rettung eine europäische Notwendigkeit. Kaum war die Syriza gewählt, änderte sich der Ton erheblich und Schäuble & Co sprachen von einem möglichen Grexit und dass Europa einen Austritt Griechenlands aus dem Euro sehr wohl vertragen würde. Dass die privaten Geldgeber, die ihre Kredite zum Großteil längst an den Staat weitergereicht hatten, in der Zwischenzeit auch kein Problem mehr mit einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands haben, wundert nur naive Zeitgenossen.

Die wahre griechische Tragödie der Sparpolitik auf Kosten der Ärmsten der Armen macht mehr als deutlich, dass es mit der europäischen Solidarität nicht weit her ist. Man sieht an der Krisenpolitik der letzten 7 Jahre auch überdeutlich, wie viele demokratische Grundregeln dem goldenen Kalb der Marktkonformität geopfert werden. Die „marktkonforme Demokratie“, wie sie von Angela Merkel ungeniert bezeichnet wird, zeigt ihre ekelhafte Fratze immer deutlicher und sollte uns alle aufschrecken. Denn der Markt braucht längst keine Demokratie mehr. So lange PolitkerInnen glauben, man müsse alles tun, um Märkte zu beruhigen und die Anleger und Investoren nicht zu verschrecken, steht es schlecht um Solidarität und Demokratie. Denn dabei werden die Menschen und ihre Lebensrealitäten immer weniger registriert oder gar berücksichtigt. Dies führt quer durch alle Bildungsschichten im Moment zu einer Politik- und Demokratieverdrossenheit, die wir nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten. Frustration und das Gefühl, nicht mehr gehört zu werden, ebnen Populisten und populistischen Bewegungen alle Wege, was schädlich für eine solidarische und freiheitliche Gesellschaft ist.

In Griechenland wird es mehr als deutlich, wie wichtig der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft eines Landes und darüber hinaus aber auch in ganz Europa ist. Ohne eine weitere Vertiefung der europäischen Beziehungen wird es nichts werden mit einem Leben in Frieden, Freiheit und Demokratie. Immer mehr Staaten auch in Europa gebärden sich zunehmend rigide und autoritär. Eine veränderte Politik in Griechenland mit Wachstumsimpulsen und einem Marshall-Plan wäre die richtige Antwort auf die Herausforderungen vor denen Griechenland steht. Dies würde deutlich machen, dass man die Lehren aus der einseitigen Sparpolitik gezogen hat. Auch wenn Deutschland als Exportweltmeister von dieser Sparpolitik als eines der wenigen Länder in Europa profitiert, müssen Staaten wie Frankreich, Italien und Spanien darauf drängen, dass die Leistungsbilanzdifferenzen in Grenzen gehalten werden. In Deutschland müssen die Löhne steigen, um den Export zu bremsen und die Binnennachfrage zu stärken, die zu verstärkten Importen aus dem europäischen Ausland führen und damit einen Wachstumsimpuls für ganz Europa ermöglichen würden. Europa und auch Deutschland würden durch einen höheren Euro und ein stabileres Wirtschaftsklima gewinnen und auch die sozialen Sicherungssysteme würden durch eine stärkere Wirtschaft mit mehr Einnahmen rechnen können, womit allen geholfen wäre. Aber die nationalen Egoismen scheinen im Moment noch zu groß zu sein, um einen solchen Weg zu beschreiten. Ich hoffe nur, dass wir nicht in naher oder ferner Zukunft den Preis für dieses wiedererstarkte Nationalbewusstsein auch wirtschaftlich zahlen müssen. Die Gefahren für ganz Europa sind groß und nur eine kritische Überprüfung der Sparpolitik kann diesen Trend brechen.

Auch das Jammern und die Drohungen anlässlich des Moskaubesuches von Tsipras zeigen mehr als deutlich, dass es Europas Mächtigen nicht um Demokratie und ein solidarisches Miteinander geht, sondern um eine Demütigung der griechischen Regierung. Wie einst den Kolonien, wird ihr vorgeschrieben, was machbar und was besser zu unterlassen sei. Tsipras will die 400 Millionen Euro, die die griechische Wirtschaft die Sanktionen gegenüber Russland kosten, nicht länger hinnehmen. So hoch ist der Betrag, der den Griechen jährlich durch den Nicht-Verkauf von Südfrüchten an Russland entgeht. Er hat mit Moskau auch technische Großprojekte ins Auge gefasst, um die wirtschaftliche Basis zu erweitern und zu stabilisieren. Denn nur wenn Investitionen in langfristige und nachhaltige Projekte gelingen, hat die griechische Volkswirtschaft die Chance, stabile Rahmenbedingungen für die Bevölkerung zu bieten. Letztlich muss der griechische Ministerpräsident die sozialen Ungleichgewichte in seinem Land verringern, wenn er eine politische Überlebenschance haben will. Die Interessen Russlands treffen sich hier mit den griechischen hervorragend. Es könnte ein Weg aus der Rezession sein, wenn die EU nicht bereit ist, eine Art Marshall-Plan, wie Deutschland ihn nach dem Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern erhielt, für Griechenland aufzulegen. Eine souveräne Regierung versucht hier, ihre Interessen gegenüber der EU durchzusetzen, was völlig legitim und nachvollziehbar ist. Die Alternative hieße: Noch größere Verschuldung und letztlich die völlige Abhängigkeit von den Vorgaben der EU. Mehr als verständlich, dass Tsipras und seine Regierung nach jeden Strohhalm greifen, auch wenn das den meisten EU-Staaten nicht so richtig ins Konzept passt.

Im Umgang mit Griechenland zeigt sich letztlich, wie gefährlich eine EU-Politik, die auf eine dogmatische Sparpolitik reduziert wird, sein kann. Die Erfahrungen machen mehr als deutlich, dass eine reine Austeritätspolitik bei einer Konjunkturschwäche tödliche Auswirkungen haben kann. Vor allem wie die Werte einer Demokratie wie Solidarität oder die Anerkennung der Meinung Andersdenkender in der sogenannten Schuldenkrise mit Füssen getreten werden, erschreckt mich zutiefst. Deutschland und die EU verfahren mit Griechenland nach dem Motto: Solange du die Füße unter meinen Tisch steckst, machst du, was ich sage. Einer der dümmsten Erziehungssprüche, die ich kenne, mit fatalen Folgen für gegenseitigen Respekt und Achtung. Respekt und Achtung sind aber die Währung der Demokratie und der Solidarität. Ein fairer Blick und weniger Propaganda würde ich mir in der Griechenlanddebatte wünschen. Denn dann wären die Griechen und deren Regierung vielleicht auch bereit, über ihre eigenen Fehler nachzudenken und diese zu ändern.

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