Theater für die Allerkleinsten ist ganz schön anstrengend

Der Boden des Raumes ist mit warmem Schaumstoff rot ausgelegt. Im Karree stehen unterschiedliche, kleine Lümmel-Inseln, auf denen es sich die Allerkleinsten mit ihren Eltern gemütlich machen. So lange sie wollen und wie sie wollen. Ob sie beim Theater für Kinder ab 12 Monaten auch aktiv mitmachen oder nicht, bleibt ganz ihnen überlassen.

Sanja und Till lieben Wien

„Baja Buf“ nennt sich die Produktion von Vrum, einem Künstlerkollektiv, das schon seit vielen Jahren mit seinen Jugendproduktionen international unterwegs und nun in Wien angekommen ist. Die kroatische Choreografin und Tänzerin Sanja Frühwald und ihr Mann Till, aus Deutschland stammend, haben sich beim Studium in Salzburg kennengelernt. Seither ist einige Zeit vergangen, eine Familie wurde gegründet, das jüngste Mitglied ist gerade einmal 2 Monate alt. Und nun leben sie in Wien. Nicht nur ein Kompromiss zwischen Kroatien und Deutschland, sondern sie fühlen sich hier sehr wohl, wie sie betonen.

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Sanja Frühwald (c) Petar Borovec

Till agiert in dieser Saison gleich mehrfach im Dschungel. Einerseits ist er in interschiedlichen Rollen in der Pinocchio-Produktion zu sehen, andererseits performt er mit zwei Kolleginnen und einem Kollegen bei Baja Buf. In dieser Inszenierung geht es nicht darum, den Allerkleinsten einen Plot vorzuspielen, was auch nicht funktionieren würde. Vielmehr nehmen Till Frühwald, Ana Mrak,
Raphael Nicholas und Asher O’Gorman Bewegungsmuster ihres quietschfidelen Publikums auf und spiegeln diese. Dabei wechseln sie zwischen dem einen und dem anderen Winzling. Zum Beispiel jenem, der es sich auf dem roten, weichen Kunststoffboden bequem gemacht hat, dann plötzlich zu laufen anfängt und die kleinen Arme weit nach oben reckt. Und dorthin zeigt, wo die hellen Scheinwerfer zu sehen sind.

Spiegeln bedeutet nicht, sich lustig machen

„Uns ist es wichtig, ganz bei den Kindern und ihren Aktivitäten zu sein, sonst würde die Performance nicht funktionieren“. Till hat uneingeschränkt Recht, denn die Gratwanderung zwischen einer subtilen Interaktion und einer reinen Vergrößerung des Bewegungskanons ist schmal.

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Till Frühwald (c) Henrik Pfeifer

„Es geht darum, den Kindern die Bewegung ihres eigenen Körpers aufzuzeigen. Was macht mein Arm, meine Hand? Wie werde ich wahrgenommen?“ Sanja hat ein feines Sensorium für die Allerkleinsten und dirigiert das Geschehen vom Hintergrund aus. „Wir haben das Stück sicher schon 250 Mal aufgeführt. Aber es verändert sich ständig, ist nie dasselbe.“ Dabei gibt es, selbst wenn es auf den ersten Blick nicht wirklich zu erkennen ist, auch eine stringente Choreografie. Mit ihr versuchen die Performenden die Kinder alleine, zu zweit, aber auch zu dritt zu begleiten. Dass es dabei zu höchst atmosphärischen Szenen kommen kann, durfte man bei einer Vorstellung im Dschungel erleben. Als ein kleines Mädchen am Schluss der Dreiviertelstunde zur leisen, aber ins Ohr gehenden Kindermusik begann, diese imaginär zu dirigieren. Ohne Worte, nur durch Blickkontakt und ihrem Gespür hatte sich das Ensemble um die kleine Dirigentin versammelt und tat dasselbe wie sie – es leitete ein imaginäres Orchester durch feine Gesten.

„Das Schönste ist, wenn Kinder die Hand einer er Performer ergreift. Einen größeren Vertrauensbeweis gibt es nicht.“ Sanja Frühwald benennt diese Momente, die nicht oft, aber doch vorkommen, als Highlights ihrer Shows.

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Baja Buf (c) Rainer Berson

„Das ist das lustigste Theater, das ich je gesehen habe“, ruft die fünfjährige Izza während der Vorstellung laut und kugelt dabei auf einem der Kissen herum, dass man alleine vom Zuschauen schon mitlachen muss. Und tatsächlich ist die Wahrnehmung der größeren Kinder und auch die der Erwachsenen, die zusehen, meilenweit von jenen der allerkleinsten Aktivisten entfernt. Für die das zwar auch ein Spaß und manches Mal auch zum am Boden Kugeln lustig, kann aber dann auch wieder ganz schön aufregend sein.

Theater für die Kleinsten ist schweißtreibend

„Es gab Vorstellungen, da waren wir nach einer halben Stunde nass geschwitzt“, erzählt Till und Sanja ergänzt: „Die Kleinen haben einen völlig unverbrauchten Körper. Sie haben Körper, die noch nicht traumatisiert sind. Sie sind biegsam, in alle Richtungen, wohingegen die Erwachsenen diese Bewegungsmuster erst einmal wieder erlernen müssen. Weich zu werden in seinen Bewegungen ist das Allerschwierigste.“ „Und sich von 1 Meter siebzig und noch ein paar Zentimetern auf den Bauch werfen, ist auch etwas Anderes, als von einer Fallhöhe von 50 oder 60 Zentimetern.“, ergänzt Till.

Im Februar gibt es einen zweiten Durchgang von Baja Buf, womit das Haus sich auch unter seiner neuen Leitung für die Allerkleinsten verstärkt offen präsentiert. Mit „Giraffen summen“ der Schall und Rauch agency, einer Inszenierung aus der vergangenen Saison, dürfen die Winzlinge im kommenden Mai Anregungen des Ensembles aufnehmen und weiterentwickeln. Das ist eine andere, aber nichts desto trotz genauso spannende Herangehensweise an Theater für die Allerkleinsten.

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