Bei drei Dingen kann man nicht sparen: Bei Klopapier, Zahnpasta und beim Meinl am Graben

Bentlyfahren im TAG (Foto: Stephan Musil)

Bentlyfahren im TAG (Foto: Stephan Musil)

Zupf, zupf, schrt, schrt, schrt – ping. Hauchfeine Töne, hervorgebracht auf mit Decken verhüllten Percussioninstrumenten oder das leise, rhythmische Rasseln von Bierkapseln in einem kleinen Sack – das Platzen von Luftpolsterfoliennoppen und das metallern-exakte Klappern einer alten Schreibmaschine. All diese Töne und noch viele mehr unterlegen den Text von „Bentley fahren“, dem neuen Stück von Bruno Pellandini, das am 21. Mai im TAG uraufgeführt wurde. In kleiner, aber feiner Besetzung.
Johanna Orsini-Rosenberg als Ernestine Poschenreiter, durch ihres Ehemannes Gnaden einst der Geld-Society angehörig, findet sich nach dessen plötzlichen Tod in Schulden schwimmend wieder. Das Bühnenbild zeigt nichts vom einst noblen Villenhaushalt, sondern vielmehr von seinen Auflösungserscheinungen. Was blieb, vom einstigen Überkonsum, sind gerade noch ein großer Haufen Plastiksackerln, ein kleiner Tisch, auf dem eine fast leere Ginflasche steht, drei Stühle und eine alte Schreibmaschine. Das Personal wurde nolens volens entlassen, nur einer weigert sich zu gehen. Paul Skrepek als Gärtner bleibt an Ernestines Seite. Nicht sosehr aus Empathie und Hilfsbereitschaft, vielmehr mangels anderer Alternativen.
Zum Glück versteht er sich prächtig aufs Kochen, Schreiben, Einkaufen und Reparieren. Famoserweise braucht er auf der Bühne dazu nicht viel mehr als einige billige Requisiten wie leere Plastiksäcke, einen Stück Duschschlauch, kleine Spieldosen – made in China, Bierkapseln und Briefpapier. Damit zaubert er ein Geräuschuniversum, welches das gesprochene Wort seiner Bühnenkollegin differenziert akustisch illustriert. Während Orsini-Rosenberg bei der Premiere noch so manche Textklippe nicht ganz gefahrlos umschiffte, bot ihr Skrepek einen soliden phonetischen Anker. Mehr noch – ein Klangfarbenkorsett, an dem sie sich nicht nur festhalten konnte, sondern das Pellandinis Text mit einer zusätzlichen sinnlichen Ebene ausstattete. Einer Ebene, die beim reinen Lesen fehlen könnte.

Die unterhaltsame Geschichte vom finanziellen Ruin und – wider Erwarten – unverdienten, aber umso erhoffteren abermaligen wirtschaftlichen Aufstieg erhält gerade durch die rhythmische Ergänzung von Paul Skrepek einen ganz besonderen Esprit. Während sich Ernestine Poschenreiter mehr oder weniger geistreich über ihr Schicksal beklagt und sogar in Erwägung zieht, sich nach Jahrzehnten des Müßigganges wieder in die Tiefen eines normalen Arbeitsalltages hinabzubeugen, klingelt, trommelt, zupft, schneidet und trötet ihr Gärtner, dass es eine wahre Freude ist. Arbeiten will eben gelernt sein, Musikmachen offensichtlich auch.

Wie gr0ß der Standesunterschied der beiden ist, verdeutlicht die Empörung Ernestines, als ihr Gärtner mit einem Hofer-Sack vom Einkauf zurückkommt. Dort hat er die letzten 20 Euro in Lebensmittel investiert, unwissend, dass dies in den Augen seiner Chefin ein großer Fehler war. Flugs wird ihm von ihr eine Rechnung aufgemacht, nach welcher sich im Jahr alleine durch die Gratis-Sackerln beim Meinl am Graben 200 Euro einsparen ließen. Na dann! Wenn der Gärtner zu Wort kommt, dann begleitet sich Skrepek selbst an der zweihalsigen Gitarre. Seine musikalischen Ergüsse, die zwischen Austro-Popverschnitten, Wienerliedern und Nestroy-Couplés angesiedelt sind , erfordern keinen elaborierten Musikgeschmack, machen aber Spaß.

Der Plot, der einem modernen Märchen gleichkommt, in welchem nicht ist, was nicht sein darf, erhält durch einen Briefverkehr zwischen der Nicht-Mehr-Millionärin und einem unbekannten Doch-Nicht-Russen namens Stolpitzky durch die geschliffenen Sätze von Ernestine einen Hauch Intellektualität. Darin entblättert sie sich von Brief zu Brief, bis schließlich nichts mehr bleibt als der vulgäre Ruf nach dem vermeintlich brieftaschenprallen Retter.

Wie sich die drohende Armut schließlich im letzten Moment doch noch verkrümelt, sei nicht verraten. Dass aber Spaß an diesem Theaterabend ganz vorne auf der Rampe steht schon. Was darüber hinaus bleibt, ist kein sozialkritisch-bitterer Nachgeschmack, sondern das Klingeln und Klimpern, das Scheppern und Krachen, das Winseln und Flöten eines Klang gewordenen Textes, der noch lange nachhallt.

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