Bluad, Roz und Wossa ergeben einen saftigen, prallen Theaterabend

„Bluad, Roz und Wossa“von Christian Suchy, derzeit am TAG zu sehen, erzählt eine Geschichte mit tragischem Ausgang. Dennoch darf gelacht, aber auch mitgelitten werden.

Ein kleines Grablicht erhellt im Bühnendunkel das Gesicht von Rosslechner. Langsam setzt er einen Schritt vor den anderen, bis er an der Rampe vorne angekommen ist und „Stöllts meine Roß in Stall“ anstimmt. Bald gesellt sich Lorenz, der Pfarrer zu ihm. Diese beiden Männer entwickeln sich im Laufe des Abends zu Drahtziehern einer Geschichte, in der es am Ende eigentlich drei Grablichter bräuchte. Drahtzieher, die bewusst, aber auch unbewusst das Leben von viel jüngeren Menschen zerstören werden.

„Bluad, Roz und Wossa“ heißt das Stück von Christian Suchy, das derzeit am TAG läuft. Der Autor, der gleichzeitig Regie führte, muss, wie man aus den Zeilen des Theaterdirektors Gernot Plass im Programmheft entnimmt, eine ganz besondere Zusammenarbeit mit dem Ensemble gepflegt haben. Schade, dass man nicht als kleine Maus dabei war. Heraus kam jedenfalls auch ein ganz besonderer Abend. Der Ankündigung, dass es sich dabei um eine sehr freie „Romeo und Julia Adaption“ handle, kann man nur insofern beipflichten, als Gift eine maßgebliche Rolle spielt. Das kennt man von Shakespeares Liebesdrama. Ein wenig zu viel und aus ist´s mit dem schönen Leben, doch richtig dosiert schläft man ein Weilchen todesgleich.

Die männlichen Protagonisten in Suchys Stück sind die beiden bereits erwähnten Herren sowie Romeo. Ein beinahe grenzdebiler junger Mann, der von Rosalinde zu dem ihrigen auserkoren wird. Im allerletzten Moment vor der Schande. Denn das Kind, das sie gebären wird, wäre ohne diese Beziehung ein vaterloses. Nichtsahnend stolpert Romeo in dieses Verhältnis, das sich als folgenschwer herausstellen wird. Julia ist das selbe Nicht-Geistes-Kind wie Romeo. Also per se wunderbar seelenverwandt. Dass es sich bei den beiden um ein Geschwisterpaar, gezeugt in Inzest, handelt, ist ihnen bis zu ihrem bitteren Ende nicht klar.

Die Handlung braucht kaum ein Bühnenbild, wenig Requisiten. Romeos (Raphael Nicholas) Akkorden bringt Stimmung und Julias (Elisabeth Veit) jungfräulicher Gesang macht klar, dass die Musikalität die größte Begabung der beiden ist. Dann ist es aber auch schon vorbei mit der Aufzählung von weiteren Pluspunkten, die sie von der Natur erhielten. Veit versinkt mit ihrer Stimme vor allem in schwachsinnigen Angstmomenten grandios wie in einem stecken gebliebenen Jodler und Nicholas ähnelt in seinen Bewegungsmomenten stark jenem verunstalteten Ungetüm, welches einst im Dachstuhl von Notre Dame in den Glockenseilen hing.

Julia Schranz verkörpert eine bis an die Zähne bewaffnete junge Rosalinde, die sich nicht scheut, wenn nötig von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen. Dass diese ihr im entscheidenden Moment dann doch nicht geholfen hat, davon legt ihr kleiner Sohn schließlich ein schreiendes Zeugnis ab. Die Verwicklungen der Verhältnisse zwischen den einzelnen Personen sei an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: Wie in einem guten Krimi lösen sich die Rätsel am Schluss des Abends auf. Bis dahin aber darf ein Feuerwerk an Schauspielkönnen abgefackelt werden. Bis dahin werden Kölner- und Steiererdialekt so in den Raum geworfen, dass einem die Ohren schwirren. Und noch etwas ist schön an diesem Abend der ausgeklügelten Dramaturgie: Schwarz hat kleine weiße Tupfen und Weiß schwarze Einsprengsel. Die Niedertracht von Lorenz (herrlich wie Jens Claßen als Strippenzieher im Hintergrund mit jeder Viertel Stunde mehr an unsympathischem Odeur gewinnt) wird allenfalls durch seine vorhandene Liebe zu seinem Kind gemindert. Die Angst vor der Meinung der Dorfbewohner wiederum nimmt Rosslechner (Georg Schubert) jenen Heiligenschein vom Kopf, dem man ihm anfangs angesichts der fürsorglichen Erziehung seiner Nichte beinahe schon zugestanden hätte.

Was an diesem Abend gezeigt wird, ist saftiges, pralles Theater. Eins von der Sorte, bei dem einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Aber auch eins von der Sorte, bei dem man laut und befreit lachen darf. Dass die Realität die beängstigende Handlung in vielen Varianten noch übertreffen kann, diese Ahnung verfolgt einen bis nach Hause. Das ist vielleicht das größte Verdienst der Produktion. Neben ihrem grandiosen Unterhaltungswert.

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