Gemeinsam statt einsam

Gemeinsam statt einsam

Michaela Preiner

Foto: ( )

13.

August 2016

„Future read in concrete and stone“ nannte sich die Performance von Bojan Djordjev in der Reihe (8:tension) des ImpulsTanz Festivals.

Es war die letzte Performance in einer Reihe von insgesamt 13 Präsentationen. Aus ihnen wird am Sonntag durch Jurywahl der von den Casinos Austria gesponserte Prix Jardin d´Europe sowie der FM4 Publikumspreis vergeben. Am letzten Abend des ImpulsTanz Festivals 2016.

Geschichte als Ballast und als Zukunftsidee

Bojan Djordjev, der sein Stück am liebsten in einem „white cube“ oder einer „black box“ angesiedelt sehen möchte, hatte mit der Herausforderung der opulenten Räume des Kasinos am Schwarzenbergplatz zu kämpfen. Kurzerhand verhängte er den architektonischen Schmuck des 19. Jahrhunderts auf der Bühnenwand mit dunkelgrauen Stoffbahnen. Dabei hätte es diesen Eingriff gar nicht gebraucht.

Nach einer mehr als 30minütigen, rein mündlichen lecture, die er von einem Platz inmitten des Publikumsranges gab, wurden drei Filme auf den Bühnenboden projiziert. Zu sehen waren Aufnahmen von drei Denkmälern, die im sozialistischen Ex-Jugoslawien in den 60er und 70er Jahren zur Erinnerung an den 2. Weltkrieg und die Partisanenkämpfe errichtet worden waren. Mehr als 30 davon gibt es, aber außer den Einheimischen sind diese Monumente wenig bekannt, da sie sich abseits der Städte mitten in landschaftlichem Surrounding befinden.

Djordjevs letzte Arbeiten thematisierten das kulturelle, politische und theoretische Erbe der Linken. Ein Ansatz, der auch in dieser Produktion zum Ausdruck kam. Darin sieht er die Mahn- und Ehrenmäler nicht nur als historisches Erbe, sondern auch als Orte, mit denen in einem künstlerischen Kontext an einer neuen politischen Zukunft gearbeitet werden kann. Mit seiner Aussage, dass die neue Lebensform dem Kommunismus gehörte, ist er nicht alleine in der Kunstszene.  „Theatre is a place where we can feel our communism future“, stellte er zu Beginn in den Raum.

Bojan Djordjev Future read in concrete and stone (c) Thomas Lenden

Bojan Djordjev Future read in concrete and stone (c) Thomas Lenden

Lass uns ein Monument fühlen

Nach Ende der theoretischen Erklärungen erschienen die drei Filmprojektionen am Boden. Das Publikum wurde gebeten, auf die Bühne zu kommen und teilte sich dort rasch in drei Gruppen. Diese wurden von Fremdenführerinnen und Fremdenführern über das jeweilige Bauwerk informiert, um das sich die Menschen versammelt hatten. Die darauffolgende Idee, das jeweilige architektonische Charakteristikum in ein fühlbares Körpererlebnis umzusetzen, wurde von den Zusehenden gerne aufgenommen. Eine Gruppe schloss sich zu zwei Blöcken zusammen, die mit Zug und Gegenzug die Kräfte des Bauwerkes erkundeten. Eine andere ballte sich auf engstem Raum zusammen, um danach einen Kreis zu bilden und die Arme nach oben zu strecken. Damit wurde der Architektur gehuldigt, die einen hohen, oben offenen Turm wiedergibt. Die dritte Gruppe marschierte, geleitet vom ihrem Führer, wohl geordnet von der Bühne ab und unternahm einen gemeinsamen Gang durch das Haus. Unterwegs wurde mittels Stille-Post von einem Ohr zum anderen Informationen über die Denkmäler weitergegeben.

Was bei allen Gruppen im Vordergrund stand, war das rasche Bilden einer Gemeinschaft. Dies wurde durch die körperbetonten Aktionen gefördert und beschleunigt. Ein anschließendes Picknick, bei dem sich alle an Äpfeln, Wasser und Salzstangerln laben durften, währenddessen sie die Bühne gemeinsam sitzend am Boden bevölkerten, beendete den ersten Teil der Aktion. Am abschließenden Rundtanz, der sich nach und nach auch auf die Straße vor dem Kasino verlagerte, nahmen nun Menschen aus allen unterschiedlichen Gruppen teil. Am Ende der Performance hielten sich auf dem Gehsteig vor dem Kasino noch immer an die 30 Tanzende die Hände, wie lange sie wohl noch in der Nacht tanzten?

Der große Graben zwischen Theorie und Praxis

Djordjev gelang mit seiner Arbeit eine höchst subtile, wenngleich auch extrem effiziente Verkörperlichung einer politischen Idee. Die Verschränkung des Gestern mit dem Heute, aus der er ein neues Lebensgefühl propagierte, funktionierte im Kontext dieser Kunst-Performance hervorragend. Die Architektur verwendete er einerseits als Vehikel für die Verlebendigung einer idealisierten Gesellschaftsidee. Andererseits beließ er sie in ihrem üblichen narrativen Kontext als Objekte, mit deren Hilfe historische Ereignisse erklärt werden können. Der Theatermacher und Performer zeigte zugleich auch eine ganz simple Erkenntnis auf, die aber gerade im Kontext des Theaters und der Performance von immenser Bedeutung ist: Theorie, die rein über eine Reflexionsebene erarbeitet wird, löst in den Menschen nur einen Bruchteil an vorhandener und möglicher kreativer und lebensbejahender Energie frei. Außer vielleicht in jenen immer wieder kolportierten, ominösen 3%, die zu abstrakten, philosophischen Gedankengängen leichten Zugang haben.  Die Arbeit, die über den Körper geht, hinterlässt andere Spuren nicht nur emotionaler, sondern auch reflexiver Natur. Und dass gemeinsam statt einsam ein zusätzlicher Faktor ist, der bei der Erarbeitung von Utopien eine große Rolle spielt, durften die Tanzwilligen im Kasino am eigenen Leib erleben.

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