Wie schön, dass mir der Blumentopf auf den Kopf gefallen ist!

Wie schön, dass mir der Blumentopf auf den Kopf gefallen ist!

Wie schön, dass mir der Blumentopf auf den Kopf gefallen ist!

Von Michaela Preiner

„Herr Jemineh hat Glück“ (Foto: Heinz Zwazl)

12.

Februar 2018

Es gibt Menschen, die haben immer Glück in ihrem Leben! Oder einfach nur die richtige Einstellung?

Herrn Jemineh passiert in seinem Leben so allerhand. Er fällt über die Treppe, er stolpert über ein Seil und fällt ins Meer, ein Elefant wirft ihn um und schließlich landet auch noch ein Blumentopf auf seinem Kopf. Da muss man schon eine gehörige Portion Optimismus in sich tragen, um sich nicht als Pechvogel zu fühlen. Herr Jemineh ist zum Glück mit dieser wunderbaren Charachtereigenschaft ausgestattet und kann jedem Missgeschick, das ihm widerfährt, eine gute Seite abgewinnen.

Im Dschungel Wien ist zurzeit das Stück „Herr Jemineh hat Glück“ für Kinder ab 5 Jahren zu sehen. Das Besondere daran ist, dass neben zwei Profitänzern (Akos Hargitay und Karin Steinbrugger) und den beiden Live-Musikern (Igor Gross – Schlagzeug und Matija Schellander – Kontrabass) sechs Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren als „Bewegungschor“ mit auf der Bühne zu sehen sind. Sie sind Mitglieder der Tanz*Hotel Junior*Company und haben sich in ihrer Freizeit dem Breakdance, dem Ballett und der Akrobatik beschäftigt. Als Lohn winkt, wie bei diesem Stück, ein Auftritt vor großem Publikum.

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„Herr Jemineh hat Glück“ (Foto: Franzi Kreis)

Bert Gstettner, Leiter des Tanz*Hotels, ist nicht nur für die Theaterfassung des bekannten, gleichnamigen Kinderbuches von Heinz Janisch, sondern auch für die Inszenierung und die Choreografie zuständig. Er schafft mit einem Esstisch, zwei Sesseln und vielen, großen Plastikblumentöpfen nicht nur ein höchst wandelbares Szenario. Die Töpfe werden auch in unterschiedlichster Weise in die Choreografie einbezogen. Dienen sie zu Beginn dem jungen Ensemble als Sitzgelegenheit, aus der nur die kleinen Füßchen wie zarte Pflänzchen herausragen, wird mit ihnen später durch den Raum gerollt oder auf ihnen die Bühne überquert.

Der farbenfrohe grüne Hut und die grüne Krawatte von Herrn Jemineh charakterisieren den fröhlichen Mann, der aus allen Situationen als Glückspilz entsteigt, wunderbar. Zarte Pas de deux mit seiner Liebsten, aber auch Auftritte der Kinder, in welchen sie selbst singen und zugleich tanzen, Slapstick-angehauchte Szenerien, die das Publikum zum Lachen bringen und eine stimmige, musikalische Begleitung, bei der sogar Mini-Tontöpfe zum Einsatz kommen, lassen die „Erzählungen“ von Herrn Jemineh wie im Flug vergehen.

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„Herr Jemineh hat Glück“ (Foto: Franzi Kreis)

Eine feine, einfühlsame Inszenierung, die eine Stunde Theaterglück bereithält.

Bravo! an Alina Faltyn, Jasa Frühwald, Vanessa Fülöp, Adam Heis, Julian Voglmayr und Leo Wacha.

Weitere Termine auf der Seite des Dschungel Wien.

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Pinguine, Raubkatzen und ein Känguru

Pinguine, Raubkatzen und ein Känguru

Pinguine, Raubkatzen und ein Känguru

Von Aurelia Gruber

„An der Arche um Acht“ (Foto: Copyright: Reinhard Werner/Burgtheater)
11.
Jänner 2018

Es gibt weltberühmte Kinderbuchautorinnen und -autoren. Astrid Lindgren ist eine solche, aber auch Erich Kästner fällt einem sofort ein, wenn über dieses Thema gesprochen oder geschrieben wird. In jüngster Zeit muss ein Name im gleichen Atemzug genannt werden: Ulrich Hub.

In Wien werden derzeit gleich zwei Kinder- bzw. Jugendstücke von ihm gespielt. An der Arche um acht ist im Kasino am Schwarzenbergplatz, der Burgtheaterdependance, zu sehen. „Ein Känguru wie du“ wird im Dschungel Wien gespielt. Wer sich informieren möchte, wie großartig aktuelle Stücke für junges Publikum sein können, sollte sich beide Vorstellungen nicht entgehen lassen. Egal ob mit oder ohne Nachwuchsbegleitung. In beiden Stücken werden brisante Themen behandelt.

An der Arche um acht

In „An der Arche um acht“ müssen drei Pinguine vor einer neuerlichen Sintflut, weil Tier und Mensch Gott auf die Nerven geht, in eine Arche fliehen. Nicht nur, dass sie dabei einen von ihnen als blinden Passagier verstecken müssen, es dürfen ja nur immer Pärchen in das Schiff! Sie kommen dabei auch gehörig ins Grübeln, wie das denn nun mit Gott eigentlich so ist: Wo lebt er, hat ihn je jemand gesehen? Ist er eine Erfindung, oder tun die Pinguine gut daran, sich an Gebote zu halten, um am Ende ihres Lebens nicht bestraft zu werden?

Julia Burgers Regie lässt viel Raum nicht nur für Ulrich Hubs sprachliche Finessen, sondern das Publikum darf sich auch über jede Menge Klamauk freuen. Hans Dieter Knebel, Tino Hillebrand und Marta Kizyma watscheln als Pinguine mit entsprechendem Outfit amüsant über Styroporeis und fischen gleich zu Beginn so manchen Unrat aus dem arktischen Meer. (Bühne Claudia Vallant, Kostüme Sabine Ebner) Ihr Versteckspiel im großen Überseekoffer gleicht einer atemberaubenden Farce, bei der kein Lachmuskel unbeansprucht bleibt.

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„An der Arche um Acht“ (Foto: Copyright: Reinhard Werner/Burgtheater)

Brigitta Furgler ist als weiße, schon etwas vergessliche Taube eine Idealbesetzung und Bernhard Moshammer begleitet das Geschehen nicht nur als alter Mann, dem man assoziativ auch göttliche Eigenschaften zuschreiben könnte. Er agiert mit einer Art auditiver Wundertüten-Kiste und sorgt damit für jede Menge Musik. Hubs Kunst liegt darin, nicht nur darin aufzuzeigen, dass es viele unterschiedliche Meinungen zum Thema Gott und Religion gibt. Vielmehr ist es die einfache und zugleich höchst prägnante Sprache, die der Autor verwendet, um auch komplexe, philosophische Gedankengänge zu beschreiben, die fasziniert. Die Tatsache, dass Humor dabei ein tragender Baustein ist, dass es keinerlei erhobenen Zeigefinger gibt, die Pinguine aber auch nicht aus ihrer Eigenverantwortung entlassen werden und Fatalismus letztlich keinen Platz hat, ist dabei ebenso wichtig. Die Dialoge weisen so viele Ebenen auf, dass sie für Kinder und Erwachsene gleichermaßen geeignet sind. Egal, welcher Religion man angehört, oder ob man atheistisch oder agnostisch denkt, die Grundfragen von Ethik und Moral und der Verantwortung für das eigene Tun bleiben letztlich immer dieselben. Auch für die drei Pinguine.

Ein Känguru wie du

Im Stück „Ein Känguru wie du“ verfolgt Ulrich Hub ein gänzlich anderes Thema, wenngleich um nichts weniger brisant. Django, ein großes Känguru, fühlt sich im Boxring richtig wohl. Sein Handicap: Es ist schwul und hat keinen Freund. Deswegen lässt es sich darauf ein, mit dem weißen Tiger Pascha und dem schwarzen Panther Lucky in den nahen Zirkus mitzukommen. Die beiden Raubkatzen glauben fälschlicherweise, dass ihr Trainer ebenfalls schwul ist und suchen nach einem geeigneten Partner für ihn, um endlich eine richtige Familie gründen zu können.

Im Vorfeld der Uraufführung gab es einige Turbulenzen, musste doch das Theater in Baden-Baden das Stück vom Spielplan nehmen. Nicht, weil es lautstarken Gegenwind gegeben hätte, sondern weil das Publikum in stillem Protest schlichtweg ausblieb. Dies führte man darauf zurück, dass Elternvertretungen ihre Kinder nicht mit dieser Thematik konfrontieren wollten. In Wien blieb diese Reaktion aus. Vielmehr wissen hier die Verantwortlichen von Publikumsgesprächen zu berichten, in welchen klar wird, dass Kinder weder eine Scheu haben, über dieses Thema zu sprechen, noch dass es in ihrem Lebensalltag keinen Platz hätte. Erzählen sie doch von Verwandten oder erwachsenen Freunden, die es mit dieser sexuellen Ausrichtung schwer haben, oder freuen sich darüber, wenn diese einen Partner fürs Leben fanden.

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Ein Känguru wie du (Foto: ISKRA Foto Max Gruber)

Die Inszenierung von Nika Sommeregger, Gründerin des teater Iskra, bleibt an Ulrich Hubs rasantem Erzähltempo. Da werden Kunststücke vollführt – Sitz!, Platz! Männchen machen! Pfötchen geben! Da flanieren die beiden Raubkatzen arbeitsbefreit am Strand und wundern sich, warum die Menschen in Panik davonlaufen. Da treffen sie auf das boxende Känguru und haben höchsten Erklärungsnotstand, als sie draufkommen, dass es schwul ist und sie selbst jedoch mit jeder Menge Vorurteile behaftet sind. Ganz so, wie auch ihr Trainer, der Zirkusdirektor.

Die Schimpftirade, die er gegen das Känguru loslässt, findet sich so an jedem x-beliebigen Stammtisch landauf und landab. Einfach großartig, wie die Kinder im Publikum sich darüber amüsieren und die Verlogenheit und Angst der Erwachsenen in dieser Suada spielend durchschauen.

Auch der wunderbar verklausulierte Verweis auf die monegassische Prinzessin, die alljährlich einen Pokal für den besten Zirkusauftritt vergibt und damit extra mit dem Moped angeschauscht kommt, macht mehrfach Spaß. Die fantasievollen, zum Teil gehäkelten Kostüme und der Zirkusvorhang mit Mehrfacheinsatz (Ausstattung Peter Ketturkat, Karin Bayerle) reichen völlig aus, um in Gedanken die unterschiedlichen Szenerien zu bereisen.

Die Bedenken Erwachsener, Kinder wären mit dem Stück überfordert, oder das Argument, die darin vorkommenden Ausdrücke wären nicht kindgerecht, gelten nicht. Wer auch nur einmal im Pausenhof einer Volksschule den Kindern aufmerksam zugehört hat, weiß, dass Warmduscher noch eine der harmlosesten Beschimpfungen ist, die dort verwendet werden. Gewiss, es gibt Unterschiede, was die Pausengespräche betrifft, je nach dem sozialen Umfeld der Kinder. Aber zu glauben, das Thema Homosexualität würde vor den Toren der Schulen Halt machen, ist reichlich naiv.

Dass ausgerechnet das schwule Känguru mit Tatkraft und Führungsqualität schließlich die alles entscheidende Zirkusvorstellung rettet, bei welcher der Zirkusdirektor vor Lampenfieber versagt, entspricht ganz und gar nicht den stereotypen Vorstellungen von homosexuellen Männern. Wie wunderbar, dass Ulrich Hub hier den Charakter der Menschen in den Vordergrund stellt und wissen lässt, dass es schließlich nicht darauf ankommt, ob Mann auf Mann, Frau auf Frau oder wie oder was oder wen überhaupt steht.

 

  • Weitere Infos für „Ein Känguru wie du“ auf der Homepage des Dschungel Wien.
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Die Welt ist ein unfairer, wunderschöner Ort

Die Welt ist ein unfairer, wunderschöner Ort

Die Welt ist ein unfairer, wunderschöner Ort

Von Elisabeth Ritonja

„365 picture+“ (Foto: Reinhard Winkler)
17.
November 2017
„Dreihundertfünfundsechzig+“ ist ein subjektiv-objektiver Rückblick auf das Jahr 2016, nicht nur aus der Sicht der jungen Generation.
,Insgesamt 12 Jugendliche aus Wien, Graz und Linz arbeiteten an dem Text, für den sie 2016 ein Tagebuch führten und darin höchst Subjektives, aber auch Einträge zu weltpolitischen Ereignissen notierten. Die Regisseurin Claudia Seigmann verfasste gemeinsam mit Claudia Tondl (im writers-room-Einsatz auch bei der Seestadt-Saga des Schauspielhauses) die dramatische Fassung, bei der ein Chor mit acht jungen Menschen, sowie drei Schauspielerinnen und einem Schauspieler auf der Bühne des Dschungel Wien stehen.

Obwohl: „Die Bühne“ gibt es nicht, denn das Publikum nimmt auf Hockern dort Platz, wo normalerweise gespielt wird. Der Chor agiert entweder inmitten der Besucherinnen und Besucher, oder auf einem kleinen Podest an einer Seite, später auch auf den von den Sitzbänken leergeräumten Rängen.

Wen oder was hast du 2016 neu kennengelernt? Bei welchem sportlichen Ereignis hast du mitgefiebert? Wo warst du 2016 auf Urlaub? An welches Ereignis kannst du dich noch genau erinnern?

Schon im Foyer dürfen sich die in Gruppen eingeteilten Zuseherinnen und Zuseher anhand von Fragen auf Kärtchen selbst Gedanken machen, woran sie sich eigentlich erinnern und kommen darauf, dass das, was sie persönlich erlebt haben,  spontaner aus dem Gedächtnis abgerufen werden kann als durch Medienereignisse kommunizierte Vorkommnisse. Kurz darauf im Saal fühlt man sich ertappt, denn  kein einziges, vorgelesenes Datum ist in der Erinnerung so abgespeichert, dass man es sofort mit einem Großereignis in Verbindung bringen kann. Und doch waren es viele: Der Flüchtlingsstrom aus Syrien, der durch den Bau neuer Zäune hintangehalten werden sollte, das Kind in Aleppo, das mit staubigem Gesicht im Krankenwagen transportiert wurde, der Anschlag auf das Kulturzentrum Bataclan, jener in der U-Bahn in Brüssel oder jener in Nizza, die österreichische Bundespräsidentenwahl oder jene von Herrn Trump in Amerika.

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„365 picture+“ (Foto: Reinhard Winkler)

Gekonnt wechselt dabei der Chor, ausgestattet mit kleinen Choreografien, mit den Auftritten der Profis ab. Im abgedunkelten Raum erhält der Auftritt Letzterer durch kleine Taschenlampen, mit denen sie sich selbst beleuchten, eine zusätzliche Dramatik. Dafür sorgt auch der höchst subtil eingesetzte Sound von Bernhard Fleischmann. Zurückhaltend dort, wo er poetischen Aussagen einen zusätzlichen Feinschliff verleiht, spannend da, wo die dramatischen Ereignisse die Jugendlichen an unserer Welt schier verzweifeln lassen. Die Musik drängt sich dabei niemals in den Vordergrund, sondern unterstützt die unterschiedlichen emotionalen Stimmungen passgenau.

Bauchschmerzen, Schularbeiten, Geburtstagsgeschenke und Überlegungen zur eigenen Zukunft, Erlebnisse in den Sommerferien und Schulpausen schieben sich zwischen Berichte dramatischer Weltvorgänge. So entsteht ein vielfältiges Kompendium der Befindlichkeit einer Generation, die aufgrund einer ausufernden Informationsflut nicht mehr das Privileg genießt, unbeschwert aufwachsen zu können. „Wieso passiert eigentlich so viel? Wieso passiert immer mehr und mehr?“, bringt eine der jungen Frauen die mediale Überflutung auf den Punkt. Die Angst vor Terroranschlägen steht der Freude eines erlebten Fallschirmsprunges gegenüber. Das Glück über die bestandene Matura wird vom politischen Rechtsruck überschattet, der den Jungen unerklärlich ist.

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„365 picture+“ (Fotos: Reinhard Winkler)
Ab und zu darf aber auch gelacht werden. Über den 94-jährigen Herrn Joseph zum Beispiel, der jeden Samstag im Tabakgeschäft nach neuen Journalen fragt, dann aber doch immer dieselben Zeitungen kauft. Oder über den Sieg beim Armwrestling in der Schulpause, bei welchem der Schiedsrichter wegen Hausabschreibungspflichten ausgefallen war. Oder über die Aussage, dass Mädchen muskulöse Jungs muskellosen bevorzugen.

„Dreihundertfünfundsechzig+“ bietet auch viele Ebenen des Nach-denkens an. Über unsere eigenen Erinnerungen und Erfahrungen, die wir rasch zuschütten, über die differenzierte Wahrnehmung ein und desselben Vorkommnisses bei Alt und Jung, Mädchen oder Burschen, über die zunehmende Medienflut genauso wie über den Wunsch, Erlebtes festzuhalten. Eine gelungene Koproduktion mit Wien Modern, die am Premierenabend hauptsächlich von erwachsenem Publikum – fünfzig+ – beklatscht wurde.

Das Ensemble: Christina Maria Ablinger, Wolfgang Fahrner, Daniela Graf, Sarah Scherer.

Der Chor: Florian Haneder/Lino Eckenstein, Anna Kassmannhuber, Lena Lammer, Lorenz Manzenreiter, Atsut Moja Calle, Viktoria Rauchenberger, Christine Tielkes, Hanna Wirleitner.

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Am Anfang war ein Ei

Am Anfang war ein Ei

Am Anfang war ein Ei

Von Michaela Preiner

Hüpfen (Foto: Rainer Berson)

18.

Oktober 2017

Noch bevor jemand die Bühne betritt, hüpft ein Ei von rechts nach links, von links nach rechts und wieder zurück. Quer über jene weißen Projektionsbahnen, die den Bühnenraum begrenzen.

Die Kleinen, die mit ihren Eltern in den Dschungel Wien gekommen sind, sind mucksmäuschenstill. Zu quietschen beginnen sie erst, als Elda Maria und Gat die Bühne betreten und mit ihren knielangen Krinolinen, die sie über ihren Trikots tragen, versuchen, das Ei zu fangen. Krinolinen werden jene durchsichtigen Reifröcke genannt, die von den feinen Damen bis ins 19. Jahrhundert unter ihren Kleidern getragen wurden, damit diese voluminöser aussahen.

„Da!“, „Da!“, „Nein, da!“ rufen die beiden jungen Tänzerinnen, während sie mitten unter den Kindern versuchen, das Ei zu fangen und tatsächlich findet es sich schließlich – zum bunten Ball mutiert – in einem Versteck. Nun geht das Tanzstück mit dem animierenden Titel „Hüpfen“ für Kinder ab 3 erst richtig los. Elda Maria und Gat springen und hüpfen mit dem Ball, dass es eine wahre Freude ist. Wenn sie sich hinter die hellen Projektionsbahnen begeben, erscheinen sie als wunderschönes schwarz-weißes Schattenspiel, so als wären sie Scherenschnitte, wie sie im Biedermeier die Wohnzimmer zierten. Nur sehr seltsam, dass der Ball auch ein Eigenleben entwickelt. Immer wieder zieht er die Mädchen hinter sich her. Gegen diese Macht können sie sich nicht wehren und was es damit auf sich hat – wird erst am Ende der Vorstellung klar.

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Hüpfen (Foto: Rainer Berson)

Bis dahin erfahren die beiden aber eine kontinuierliche Verwandlung und erleben eine ganze Reihe von Situationen, die den Kindern nur zu bekannt sind. Dabei dürfen sie Lach-Blödsinn machen, wie ein lautes Fürzchen von sich geben, oder die hüpfenden, jungen Schwänchen aus Tschaikowskis Schwanensee imitieren. Sie fordern ihr Publikum auf, laut zu trampeln und in ein Indianergeschrei einzustimmen, während sie selbst als rassiges Pferd und Reiter über die Bühne springen. Auch Rivalitäten werden sichtbar – wer ist die Stärkere, wer die Beliebtere, wer bekommt mehr Applaus? Sich selbst behaupten, gegen die andere wehren, um dann zu bemerken, dass es alleine doch nicht wirklich lustig ist, auch das zeigen Elda Maria und Gat in ihrer Choreografie deutlich. Dass dabei der Tanz, inklusive perfekter Bodengymnastik in vielen Facetten zum Hauptcharakteristikum des Stückes wird, erfreut nicht nur die jungen Zuseherinnen und Zuseher.

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Hüpfen (Foto: Rainer Berson)

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Bis hin zu jener Szene, in welcher die beiden Mädchen mit bunten Kreiden am Boden Trennlinien auftragen, um das eigene Revier zu markieren. Nun scheint die Freundschaft an ihrem Ende angekommen zu sein. So schnell wie Kinder aufeinander böse sind, so schnell finden sie aber auch wieder zusammen – zu sehen auch in einer der letzten Szenen des Stückes. Als beide schließlich nebeneinandersitzen und sich gegenseitig mit den bunten Kreiden  bemalen, ist nicht nur die Freundschaft wieder im Lot, sondern der Bühnenboden in ein fröhliches Chaos verwandelt. Das junge Publikum steht zum Schluss auch noch selbst im Rampenlicht – Näheres muss aber schon selbst erfahren werden! Und wie löst sich das Ballrätsel?

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Hüpfen (Foto: Rainer Berson)

Mit dem Bild des Balles, der die beiden Tänzerinnen hinter sich herzieht und der Verwandlung von „braven“ Mädchen aus dem 19. Jahrhundert hin zu selbstbewussten und fröhlichen Menschen, die sich gegenseitig mit Farbe anmalen, spannen die Macherinnen Elda Maria Gallo und Gat Goodovitch einen großen Bogen von der Entwicklung einer autoritären Erziehung, in der Kinder zum Spielball der Erwachsenen wurden, hin in unsere Zeit. Diese gelungene Metaebene verstehen nur die Erwachsenen, wie auch die Metapher der vielen bunten Eier, die schließlich unter dem Staunen der Kleinen am Ende auf den Leinwänden auftauchen. Vergnügen bereiten diese Darstellungen aber auch ohne tiefgründiges Hintergrundwissen. Ein Zuschau-, Zuhör- und Mitmachspaß der Lust aufs Hüpfen macht, egal wie alt man ist.

Von und mit Elda Maria allo und Gat Goodovitch.
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Spannung, Spaß und jede Menge Tiefgang

Spannung, Spaß und jede Menge Tiefgang

Spannung, Spaß und jede Menge Tiefgang

Von Michaela Preiner

Feustel, Kunisch, Schuchter, Engelhardt, Elsenwenger, Franz, Gabriel (Foto: Rita Newman)

13.

Oktober 2017

In der jüngsten Inszenierung des Theater der Jugend„Der fantastische Mr. Fox“ – darf das junge Publikum vor Freude kreischen, den Atem anhalten und sich Gedanken über unsere heutigen Tierfabriken machen.

David Wood schuf eine zeitgenössisch adaptierte Fassung, in der nicht nur die Schlauheit des Fuchses, wie im Original bei Roald Dahl, gefeiert wird. Wood legt dabei auch seinen Finger in die Wunde der heutigen Massentierhaltung und macht auch auf den drastischen Rückzug von Flora und Fauna aufmerksam.

Dennoch ist es dem Regisseur Stefan Behrendt gelungen, jede Menge Unterhaltung und Spaß über den Bühnenrand schwappen zu lassen. Von Beginn an bringt nicht nur die Fuchsfamilie, sondern auch Herr Dachs und sein Sohn, Vater Hase, ein Wiesel und ein Maulwurf die Kinder herzlich zum Lachen. Leider müssen sie aus ihrem gemütlich eingerichteten Bau fliehen, da Mr. Fox für seine nächtlichen Raubzüge die drei abscheulichen Bauern Boggis, Bunce und Bean gegen sich aufbringt. Diese wollen es sich nicht länger gefallen lassen, dass der Fuchs ihre Tiere reißt und beschließen, ihn zu töten.

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Jakob Elsenwenger als Mr. Fox, Soffi Schweighofer als Ellie Fox, Claudia Waldherr als Lottie Fox, Aline-Sarah Kunisch als Mrs. Fox (c) Rita Newman

Mit der Musik von „Mission Impossible“ umzingeln sie den Fuchsbau und holen ihre Arbeiter zu Hilfe. Das Einzige, was ihnen dabei gelingt, ist, dem Fuchs seinen Schwanz abzuschießen. Und so kommt es bei dessen Jammerei, als seine Frau ihn verarztet, zu allerlei höchst amüsanten Dialogen. Einfach köstlich ist auch jene Szene, in welcher die drei tollpatschigen Bauern sich in bester Slapstick-Manier ihre Schaufeln um die Ohren hauen. Mit Szenen wie dieser legt das Theater der Jugend-Team den Grundstein zu lustvollen Theatererinnerung bei den Jüngsten.

In einem höchst illustrativen Bühnenbild (Christian Blechschmidt) befinden sich die flüchtenden Tiere schließlich nicht nur – wie bei Dahl – inmitten der Ställe und Keller der Bauern – sondern in einer Hühnerfabrik. Dabei geht David Wood in seiner Fassung so weit, den Fuchsnachwuchs zu Vegetariern werden zu lassen.

Jakob Elsenwenger als Mr. Fox, Markus Feustel als Huhn (c) Rita Newman

1 TdJ Der fantastische Mr. Fox Jakob Elsenwenger als Mr. Fox Soffi Schweighofer als Ellie Fox Claudia Waldherr als Lottie Fox Aline

Jakob Elsenwenger als Mr. Fox, Soffi Schweighofer als Ellie Fox, Claudia Waldherr als Lottie Fox, Aline-Sarah Kunisch als Mrs. Fox (c) Rita Newman

Pascal Groß als Bunce, Lukas Gabriel als Bean, Rafael Schuchter als Boggis (c) Rita Newman

Das Ensemble glänzt – wie immer – mit hoher Spielfreude und darf mehrfach auch direkten Publikumskontakt suchen. „Der fantastische Mr. Fox“ ist ein Paradebeispiel, wie Kinder- und Jugendtheater heute aussehen kann: spannend, unterhaltend und gleichzeitig informativ.

Es spielen: Jakob Elsenwenger als schlauer und höchst eitler Mr. Fox, Aline-Sarah Kunisch – seine kluge Frau, Claudia Waldherr und Soffi Schweighofer – ihre rivalisierenden Töchter, Frank Engelhardt als Dachsvater, Zeitungsherausgeber und –reporter, sowie Markus Feustel – sein verliebter Sohn.
In Doppelrollen glänzen Rafael Schuchter (Boggis und Hase), Pascal Groß (Bunce und Ratte), Lukas Gabriel (Bean und Wiesel), sowie Felicitas Franz als zerstörerisch-heimtückische Mabel und Frau Maulwurf, mit dunkler Brille und Nerzmantel.

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Über Gott und die Welt

Über Gott und die Welt

Über Gott und die Welt

Von Michaela Preiner

Gott und die Welt (Foto: Theresa Pewal)

23.

September 2017

Worüber reden Freunde, wenn sie zusammenkommen? Über Gott und die Welt und kommen dabei gerne vom Hundertsten ins Tausendste.

Gabi Wappel von der „schallundrauch agency“ ist es gelungen, ein Stück für Kinder ab 6 auf die Bühne des Dschungels zu bringen, in dem über gaaaaanz viel geredet wird, über Gott und die Welt eben. Und das ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen.

Denn sie selbst, René Friesacher, Elina Lautamäki und Martin Wax erzählen nicht nur von diversen, meist humorigen Kindheitserinnerungen, sondern auch von ihren Ausflügen und Erkundungen der monotheistischen Religionen und des Buddhismus in Wien anlässlich der Stückvorbereitung. Sie überlegen sich, wie man mit Gott Kontakt aufnehmen kann, was sie selbst an Gottes oder Göttinnen Stelle alles unternehmen würden und berufen sogar ein Konzil ein. Mithilfe des Publikums wird dort über so schwierige Fragen demokratisch abgestimmt wie jener, ob René, wie er behauptet, wirklich Gott gesehen haben kann, ob Gott schwimmen kann, am Anfang wirklich der Urknall stand oder das Butterbrot immer auf die Butterseite fällt.

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Gott und die Welt (Fotos: Theresa Pewal)

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Keine einzige Minute, in der das Quartett auf der Bühne agiert, ist langweilig oder theoretisch. Da wird Tante Käthe, die immer wusste, wo es die meisten Schwammerl und Blaubeeren im Wald gab, mit einer rot karierten Decke hervorgezaubert. Da ist Gabis kräftig gebaute Oma mit einem grauen Wollplaid präsent und auch ihr Opa nimmt in Form eines Gehstockes am Geschehen teil.

Der Kater Iwan darf nicht fehlen, unter dem sich Gabi aus ihrem Bett schälen musste, wollte sie nachts das Klo besuchen. Und – selbstverständlich wird gesungen, getanzt, gegroovt und geklatscht, dass die Kinder dabei zum Teil vor Freude quietschen. Als ob das alles nicht genug wäre, treten die vier auch noch zu den epischen Klängen der Filmmusik von Robin Hood als Retter und Retterinnen unserer Welt auf. Mit fliegenden Capes, auf denen das Peace-Zeichen aufgemalt ist, verwandeln sie dabei das Theater in eine Super-Dolby-Sourround-Manege, dass einem die Luft wegbleibt.

„Gott und die Welt“ ist zum einen ein wunderbares Beispiel, dass unterschiedliche Glaubensanschauungen völlig friktionsfrei nebeneinander bestehen, gelebt und diskutiert werden können. Und zum anderen zeigt das Team auch auf, was modernes Kindertheater par excellance ausmacht: In ihm werden lebendige Geschichten aus dem Alltag in einer perfekten Taktung erzählt und die Kinder miteinbezogen. Eine leicht fassbare Musik mit Ohrwurmcharakter und Tanzeinlagen – bis hin zu einem auf der Spitze getanzten Solo von Martin Wax – und nicht zuletzt jede Menge Humor machen das Theaterereignis zu einem Erlebnis.

Weitere Vorstellungen auf der Dschungel-Homepage oder direkt bei der schallundrauch agency.

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