Einmal zu den Besten gehören

Einmal zu den Besten gehören

Auf die Posten fertig los! So hieß es im Sommer für 22 Lehrlingsteams der österreichischen Spitzengastronomie.
Am 25. Dezember wurden im Rathaus in Wien die Siegerteams des „Wettkampf der Top-Lehrlinge 2015“ gekürt. In Anwesenheit des französischen Spitzenkochs Jérôme Rigaud und Werner Matt, Doyen der österreichischen Gastronomieszene.

Die Weihnachtsstände vor dem Rathaus locken mit ihrem bunt glitzernden Angebot an Christbaumkugeln, Schmuck und Spielzeug . An einer Ecke duften süßlich kandierte Mandeln und Haselnüsse. An einer anderen locken Germmehlspeisen, die gerade in Fett gebacken werden. Und da ist dann noch dieser allgegenwärtige Punschgeruch den man mag, oder auch nicht. Am 25. November ahnten die wenigsten Besucher am Rathausplatz, dass es in der Bel Etage des großen Amtsgebäudes zumindest am frühen Abend noch hektisch zuging.

Denn bereits zum 8. Mal fand dort die Verleihung der Preise des „Wettkampf der Top-Lehrlinge 2015“ des „Amuse bouche“ statt. Eine Auszeichnung für herausragende Leistungen im Gastgewerbe, die zeigt, dass Kreativität und Fleiß nach wie vor belohnt werden. Um die Besucherinnen und Besucher gebührend zu begrüßen, gab´s zu Beginn ein Spalier des Gastro-Nachwuchses entlang der Festtreppe. Der stilvolle Rahmen des Festsaals im Wiener Rathaus platzte mit 1200 Gästen aus der Top-Gastronomie und Hotellerie beinahe aus allen Nähten.

Und damit es nicht nur beim Lippenbekenntnis eines Gaumenkitzels blieb, verwöhnten Unternehmen der Wiener Spitzengastronomie die Gäste mit wunderbaren Überraschungen im Glas oder am Teller, die wahre Geschmacksexplosionen bereithielten. „Topinamburmousse mit Apfelchutney und hausgeräuchertem Bauchspeck“, eine Kreation des Sternekochs Bernhard Frais vom Imperial Riding School Renaissance Hotel, lockte gleich nach dem Eingang in den Festsaal. Rainer Kratzer vom Grand Hotel Wien präsentierte „In Limonenöl gebeizter Seesaibling mit Kürbiscreme auf gepopptem Wildreis und Blutampfer“. Das Palais Hansen Kempinski verwöhnte mit einer Kreation von Anton Pozek: „Fermentierte Karotte auf Quinoasalat mit Grapefruitgel und –eis dazu Crunch und Marmelade von der Zwiebel“.

Die Nominierten der Amuse Bouche Preisverleihung (c) European Cultural News

Die Nominierten der Amuse Bouche Preisverleihung (c) European Cultural News

 

Die absoluten Stars des Abends jedoch waren jene acht Mannschaften, die nach zwei Ausscheidungsrunden mit insgesamt 22 teilnehmenden Hotels das Finale erreichten.
Dafür ritterten sowohl die Damen und Herren aus der Küche als auch aus dem Service mit frischen Ideen. Die Spannung unter den Teilnehmenden lag in der Luft, als sie das erste Mal auf die Bühne gerufen wurden. Köchinnen und Köche waren dafür ganz in Weiß gekleidet, das Service trug schwarz Schürzen. Eine schöne Idee, nicht nur die Leistungen aus der Küche zu bewerten, sondern auch jene des Personals, das direkt mit dem Gast in Verbindung steht. Das eine ist ohne das andere nicht möglich, wird aber oft in den Hintergrund gedrängt.

Jérôme Rigaud, Starkoch aus Frankreich mit erfolgreichen Stationen im Kreml, auf Mauritius oder im Yachtclub von Monte Carlo, überreichte die Auszeichnungen an die zu Recht stolzen, jungen Mannschaften. Ihm zur Seite Piroska Payer, Organisatorin des Events, die mit Schwung durch den Abend führte. Der Höhepunkt, die Verleihung der drei ersten Plätze, gestaltete sich zum Freudenfest nicht nur für die Siegerinnen und Sieger. Vor allem die Ausbildenden konnten dabei erleben, dass konsequente und ideenreiche Führung von jungen Menschen diese zu Höchstmotivationen anspornt.

Den 1. Platz errangen Vivien Legat (Service) und Rebecca Hohensinner (Küche) vom Interalpen-Hotel Tyrol. „Ich glaube, dass unser Live-Act ganz besonders war“, erklärt Hohensinner mit einem Strahlen im Gesicht ihren Erfolg. „Wir haben das Dessert direkt auf dem Tischtuch ohne Teller angerichtet. Einen American-Cheescake mit Südfrüchte-Variation und Schokolade. Die Idee hab` ich mir aus einem Lokal in Chicago abgeschaut.“ Jakobsmuschel mit Selchspeck und Zitronenmelisse gab´s als Amuse bouche, Petersilwurzelvariation mit in Butter confierten Chamgignons und Birnen wurde als Vorspeise serviert, Saibling mit Semmelkren und Zwiebelaromen bildeten den Zwischengang und confiertes Perlhuhn mit Blumenkohl wurde als Hauptgang gereicht – vor dem überraschenden grande finale. Die überglückliche Jung-Köchin hat große Pläne. „Ich würde gerne in die Schweiz gehen.“ Am liebsten zu Tanja Grandits, die in Basel ihre Aromenküche zelebriert. Aber sie freut sich auch über die Connections, die sie mit der Auszeichnung in die Wiener Gastronomie erhält.

Auf dem 2. Platz landeten Shari Naumann (Service) und Laura Kumer (Küche) vom Werzer´s Pörtschach, das erstmals an diesem Wettbewerb teilgenommen hatte. Das Top-Lehrlings-Team Le Méridien Vienna mit Pia Stadler (Service) und Nikodemus Berger (Küche) durfte sich über den dritten Platz freuen.

Erstmals an diesem Abend wurde auch ein Innovationspreis vergeben, den Bernhard Smola (Service) und Daniel Schüttengruber (Küche) vom  „Arcotel Kaiserwasser“ für einen Räucheract direkt am Gästetisch einheimsten.

Die Veranstaltung, die zu den wenigen großen in Österreich gehört, bei denen sich die Top-Performer treffen, bietet auch immer reichlich Gelegenheit zum Netzwerken, nicht nur unter den Jungen. Werner Matt, Doyen unter den heimischen Spitzenköchen, ließ es sich nicht nehmen, den Event zu besuchen und viele der heutigen Top-Köche wieder zu treffen, die einmal mit und unter ihm gearbeitet haben.

Beim Nachhausegehen haben die Stände am Weihnachtsmarkt schon geschlossen. Gut so, denn nach den lukullischen Höhenflügen im Rathaus würde auch das beste Mitnehm-Angebot wahrscheinlich niemanden mehr von den Gästen reizen. Außer vielleicht das Angebot der Punsch-Stände, an denen der eine oder die andere noch einmal auf den Erfolg angestoßen hätte.

Nur keine Beißhemmung, Taglilie schmeckt köstlich!

Nur keine Beißhemmung, Taglilie schmeckt köstlich!

Bei einem Blütendinner im Garten der historischen Kammermeierei in Schönbrunn wurden neue Geschmäcker erkundet. Johann Reisinger, Wolfgang Palme und Ingrid Greisenegger luden zu einem ganz besonderen kulinarischen Event.

Die Sonne scheint hell am wolkenlosen, blauen Himmel. Der Rasen ist kurz geschnitten und gibt unter den Schritten sachte nach. Der lange Tisch hinter dem Haus im sommerlichen Garten ist festlich gedeckt. Längliche Blumenschalen mit frisch gepflückten Blüten warten auf die Gäste, die erst durch das Gebäude schreiten müssen, vorbei an einer offenen Küche, in der konzentriert gearbeitet wird. Es ist nicht irgendein Haus in dem an diesem Tag von dem Sternekoch Johann Reisinger, assistiert von Berufsnachwuchs, aufgekocht wird. Die ehemalige Kammermeierei Kaiserin Elisabeths in Schönbrunn, umgeben von Obstbaumwiesen des Lehr- und Forschungszentrums für Gartenbau, hat ausnahmsweise seine Pforten für besondere Gäste geöffnet.

Auf Einladung der Tageszeitung Kurier und der City Farm Schönbrunn treffen sich an diesem späten Nachmittag Menschen, die ein Faible für Blumen und gutes Essen haben. Nur wenigen Wienerinnen und Wienern ist die Location bekannt und so muss das akademische Viertelstündchen eingehalten werden, bis schließlich alle eingetroffen sind. „Blütendinner“ nennt sich der ausgefallene Event, den Ingrid Greisenegger, verantwortlich für das „Grüne Welt Journal“ gemeinsam mit Johann Reisinger und Wolfgang Palme auf die Beine, respektive unter die über hundertjährige Linde neben dem noblen Wirtschaftsgebäude gestellt haben. Palme ist nicht nur Leiter des Lehr- und Forschungszentrums für Gartenbau, sondern auch im Vorstand der City Farm Schönbrunn tätig, die es sich zum Ziel gesetzt hat, gärtnern möglichst vielen Kindern, Jugendlichen und auch erwachsenen Interessierten nahe zu bringen. Vom Känguruhapfel bis zur Cherrygurke wird hier alles angebaut, was den Speiseplan gemüsig-bunt gestaltet. Zugleich wird auch dafür gesorgt, dass Sortenvielfalt nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt.

Blumen auf dem Teller sind trendig, aber nichts Neues

In den letzten Jahren hat der Trend zu natürlichem Essen merklich zugenommen und es gibt wohl wenige Berufenere als Johann Reisinger, diesen Trend auch zu vermitteln. Pionier der ersten Stunde, verfolgt er mit Wolfgang Palme seit nun schon 15 Jahren die Idee, gesunde Lebensmittel wieder auf die Tische der Konsumentinnen und Konsumenten zu bringen. Koch und Innovator durch und durch, arbeitet er beständig an neuen Kreationen, immer mit dem Gedanken, das Produkt so naturbelassen wie möglich auf den Teller zu bringen.

Blütenkrüge und Blütensirupe (c) European Cultural News

Blütenkrüge und Blütensirupe (c) European Cultural News

Mit einem Blütenapertif in der Hand, einer herrlichen Mischung aus Rosen-, Lavendel- und Malvensirupen, aufgespritzt mit prickelndem Mineralwasser, lauschen die Gäste unter der schattenspendenden Baummajestät den einleitenden Worten von Wolfgang Palme, der über das Frühstückszimmer von Kaiserin Sissi erzählt, das kurz zuvor alle durchschritten haben. Er erinnert an ihre Vorliebe für kandierte Veilchen und leitet über zu dem, was die Besucherinnen und Besucher in Kürze erwartet. Ein 8-gängiges Gourmetmenü auf der Grundlage von verschiedenen Blüten. Zuvor aber bietet er eine Führung durch die City Farm an, in der gerade der Sommer Einzug gehalten hat.

Brunnenkresse, bis auf die letzte Blüte für das Dinner abgeerntet, empfängt die kleine Gruppe nur mit ihren satten, grünen Blättern. Weiter geht es entlang von wohl geordneten Beeten in denen Artenvielfalt herrscht. Alles, was hier blüht, kann auch gegessen werden. Das Risiko, dass Kinder hier von Blüten naschen, die giftig sind, ist also Null. Es ist ein schönes Gefühl, verschiedene Kräuter wie Borretsch, den es kaum einmal irgendwo zu kaufen gibt, zu erkennen. Hier wird er in der weißblütigen und blaublütigen Variante angebaut, aber der Gestank von Brennesselsud, angesetzt, um Schädlinge natürlich zu vertreiben, trägt dazu bei, dass man sich rasch und mit Freude von dem großen Trog neben den Kräuterbeeten entfernt. Marillen und die ersten kleinen Äpfel liegen als Fallobst auf der Wiese unter den Bäumen gleich nebenan und bieten ein opulentes Mahl für allerlei Gekreuch und Gefleuch. Nach dem Kennenlernen von südamerikanischen und asiatischen Raritäten hat sich der Gaumen schon ein wenig eingestimmt und die Vorfreude auf das Essen an der Tafel wächst. Nach diesem kurzen Ausflug in die Botanik wird es schließlich ernst.

Die blumengeschmückte Tafel lockt verführerisch

„Suchen Sie sich einen Platz wo immer Sie wollen“, mit diesen Worten wird die kleine Gruppe von Reisinger wieder am langen Bankett empfangen. Es macht Spaß, sich plötzlich neben und gegenüber von völlig fremden Menschen niederzulassen, die aber alle, das ist gewiss, eins gemeinsam haben: Die Lust, Neues zu entdecken und die Geschmacksnerven an Ungewöhnlichem zu schulen. „Alles, was sie an Blumenschmuck am Tisch finden, ist zu essen“. Reisinger macht Mut, zuzugreifen, doch es bedarf noch einer kleinen Einschulung seines Kompagnons Palme, um sich wirklich beherzt an den Blüten zu bedienen.

Blütenkost (c) European Cultural News

Blütenkost (c) European Cultural News

Wunderschön auf einer kleinen Schale angerichtet, werden verschiedene Blätter als Einstimmung kredenzt. Gelbes von Melonen und Kürbissen, rote Taglilien, violette Chrysanthemen und noch einiges mehr. Langsam wird unter Anleitung eine kleine, rohe Köstlichkeit nach der anderen in den Mund gesteckt und versucht, die unterschiedlichen Geschmäcker abzuspeichern. Die anfänglich skeptischen Blicke verwandeln sich. Nun ist den Gästen eher das Aha-Erlebnis ins Gesicht geschrieben. Die Knusprigkeit, die Säure oder auch ein liebliches Aroma der unterschiedlichen Blumen verblüffen und überzeugen. „Taglilie ist mein Favorit“ erklärt mir meine Sitznachbarin und kaum ausgesprochen, darf sie sich über den zweiten Gang freuen. „Taglilie gefüllt mit ein wenig aromatisierter Mascarpone, genießen Sie es!“ ist von unserem Koch zu hören.

Taglilien gefüllt mit Mascarpone überraschen die Gäste (c) European Cultural News

Taglilien gefüllt mit Mascarpone überraschen die Gäste (c) European Cultural News

„Es gibt Menschen, die haben eine Art Beißhemmung vor Blüten.“ Wolfgang Palme weiß, wovon er spricht. Für viele Workshopteilnehmerinnen und –teilnehmer in der City Farm Schönbrunn ist es, wenn sie kommen, das erste Mal, dass sie Blüten verkosten. Blumen als Schmuck auf dem Tisch, das ja, aber als Köstlichkeit im Mund? Schon seit der Steinzeit wurden Blüten in verschiedenen Variationen zubereitet und verspeist. Im Laufe der Industrialisierung ging viel von dem Wissen um den essbaren Blütengarten verloren, aber seit den 90er Jahren steigt die Zahl der Kochbücher, in welchen Blüten eine Hauptrolle spielen, jährlich. Auf dem Tisch stehen neben Mineralwasserflaschen auch Krüge mit Leitungswasser. Darin sommerliche Blumenbuketts. Wer feine Nasen und Gaumen hat, spürt die unterschiedlichen Aromen sofort aus dem Wasser heraus. Dezent, ganz fein sind die Blumennoten zu schmecken, wie flüchtiges Parfum, nur, dass man es nicht riechen, sondern schmecken kann. Eingestimmt in die florale Geschmackswelt folgt nun ein Gang nach dem anderen. Die frischen, heißen Roggenfladen mit schwarzem Sesampüree und Erdmandelpaste darf man selbst mit Blüten vom Tisch garnieren. „Je mehr umso schmackhafter, nur rauf damit“, ermuntert Reisinger die Neulinge in Sachen Blütenkost. Die darauffolgenden Ziegenfrischkäseröllchen sind mit einem köstlichen, sauren Blütenpesto bedeckt. Rot schimmert es unter den krossen Kürbiskerncrackern hervor. Diese hat Reisinger aus dem Rückstand erzeugt, der beim Kernölpressen übrigbleibt. Einem grünen Mehl, das wertvolle Mineralstoffe in sich trägt und meistens als Futtermittel Verwendung findet. Welche Verschwendung, kommt einem rasch in den Sinn, während man fröhlich daran herumknuspert.

Lebensmittel, die diese Bezeichnung auch tatsächlich verdienen

Urgetreide vom Meierhof aus Horn mit Fruchtgemüse und Blüten ist jetzt an der Reihe. Eine Zutat, die zu den beliebtesten auf dem Speiseplan von Johann Reisinger gehört. Fruchtig und gemüsig zugleich überzeugt das Gericht, das sich nicht entscheiden kann als noble Gastgeberin oder erdverbundene Magd aufzutreten. Von der Hokkaidoblüte gibt es anschließend nicht nur Blatt und Frucht. Sie ist mit einem wunderbar thymian-würzigen Püree aus der violetten Trüffelkartoffel gefüllt. Die Kürbiswürfelchen daneben warten mit zart gereiften Gölles-Balsamicotröpfchen auf. Gerade so viel, dass sie eine Geschmacksverstärkung ergeben, aber sich dabei selbst nicht in den Vordergrund drängen. Weiter geht es mit mariniertem Seesaibling mit Begonien. Wunderbar, mit wieviel Leichtigkeit Reisinger dieses Gericht serviert. „Wir verwenden für das gesamte Menü nur ganz, ganz wenig Fett“. Mit dieser Aussage erleichtert er das Gewissen vieler Schmausender.

Zwar wird das Essen zelebriert, aber es herrscht doch eine fröhliche Grundstimmung. „Das ist ja keine Beerdigung“ ruft der Meisterkoch dennoch einmal in die Runde. Aber er übersieht dabei, dass der Genuss bei den meisten Anwesenden im Vordergrund steht. Sein Sensorium ganz auf die neuen Geschmackskomponenten einstellen verlangt Aufmerksamkeit. Aber mit dem Süppchen von Speisechrysanthemen bricht dann jeder kommunikative Damm. So er bis dahin noch bestanden hat. Denn nun wird fleißig darüber philosophiert, ob man beim nächsten Friedhofsbesuch nun nicht doch ein Körbchen zum Blüten-Pflücken mitnehmen sollte. Auch ein edles Blütendinner verträgt jede Menge Humor.

Kräuterkapaun mit Ringelblume

Kräuterkapaun mit Ringelblume (c) European Cultural News

Erst der Sulmtaler Kräuterkapaun mit Ringelblume von der Familie Strohmeier bringt die Unterhaltung wieder zurück auf den Boden der Tatsächlichkeiten. Gefüttert mit Kräutern, die dafür sorgen, dass das Geschlechtsorgan des Hahns nicht richtig ausgebildet wird.  An der Seite von frittierten Petersilnudeln präsentiert er sich als prächtiger, gehaltvoller Gaumenkitzler. Sein Fleisch ähnelt in keiner Weise den in einem Monat hochgezüchteten Hühnern aus dem Supermarkt, sondern hat Rasse und Klasse. Die Ringelblume ist ein Attribut an seine steirische Heimat, in der sie auf keiner unkultivierten Wiese fehlt.

Mittlerweile werden nach und nach die Taschenlampenfunktionen der Handys aktiviert. Glühwürmchen sollen damit nicht imitiert werden, aber die Sonne hat einem sternenklaren Himmel Platz gemacht. Der Abend, der eigentlich um 21 Uhr zu Ende sein hätte sollen, geht in die Verlängerung und mit dem Aufstellen von Zitronella-Kerzen wird versucht, den Gelsen, die mittlerweile auch Appetit bekommen haben, eine wirksame Waffe entgegenzusetzen.

Marillentarte mit Lavendel- und Hibiskusblüten (c) European Cultural News

Marillentarte mit Lavendel- und Hibiskusblüten (c) European Cultural News

Den süßen Abschluss bildet eine Marillentarte mit Lavendel- und Hibiskusblüten. Ein herrliches Blütensorbet als Begleitung und ein schöner Klecks von Schlagsahne bilden auf dem Teller ein majestätisches Triumvirat und am Gaumen eine zauberhafte Liaison.

„Das Programm war einfach zu groß, wir haben so viel präsentiert und ich wollte auf keinen Fall die Gäste durch das Menü peitschen.“ Johann Reisinger weiß, dass jede Degustation mit Herausforderungen aufwartet, die neu sind. Aber seine Flexibilität überträgt sich wie selbstverständlich auf die Menschen rund um ihn. Die Weinbegleitung vom Weingut Lamprecht, einem Steirer der biologisch-dynamische Weine erzeugt und alle Produktionsschritte von Hand vollführt, tut sicher ein Übriges dazu, dass die Stimmung locker und fröhlich geworden ist.

Nur ein harmonisches Team schafft solche Höchstleistungen

Unter dem spontan einsetzenden Applaus der Geladenen holt Johann Reisinger seine beiden Adjutanten aus dem Haus. Stefan Broyer und Lukas Marxer sind zwei seiner Schüler, die in der Herta Firnberg Tourismusschule bei ihm gelernt haben. „Sie sind keine Handlanger, sondern das sind junge Leute, die verstanden haben, worum es mir geht. Sie sprechen meine Sprache und tragen meine Idee weiter hinaus in die Wirtschaft“. Der Stolz ist dem Gastgeber ins Gesicht geschrieben. Gemeinsam mit einigen jungen Damen, die für das Service zuständig waren, bildeten sie ein harmonisches Team, das sein gemeinsames Ziel an diesem Tag zu hundert Prozent erreichte.

Hier noch ein „Auf Wiedersehen“, da ein „schön war´s Sie kennengelernt zu haben“, dann geht´s auf den Heimweg. Das Gras unter den Füßen ist ein klein wenig kühler geworden und kitzelt leicht in den Sandalen. Der kleine, nächtliche Spaziergang zur U-Bahnstation in Hietzing entlang der weißgetünchten Schönbrunner Gartenmauer gestaltet sich mit einer neuen, sehr netten Bekanntschaft äußerst kurzweilig. Visitenkärtchen werden ausgetauscht und neben einem ganz unglaublichen Wissenszuwachs aus dem Reich der Kulinarik und Botanik haben sich auch wunderschöne Kontakte ergeben, die in den nächsten Tagen sicherlich eins gemeinsam haben: Sie werden ihrer Familie, ihren Freunden, Kollegen und Bekannten etwas vom Blütendinner im Garten der Kammermeierei in Schönbrunn vorschwärmen.

Essbare Blumen (c) European Cultural News

Essbare Blumen (c) European Cultural News

Der Kochlöffel ist völlig überbewertet

Der Kochlöffel ist völlig überbewertet

18.30 Uhr das Handy klingelt. „Es wird bei mir ein bißl später. Geht es um acht? Ich muss noch was ernten.“ Mit „es“ ist das vereinbarte Interview gemeint, das Johann Reisinger mir geben möchte. Und acht markiert nicht einen Frühstückstermin, sondern den Zeitpunkt kurz vor dem Hauptfilm in den meisten Fernsehsendern. „Klar geht es auch um acht“ ist meine Antwort. Ich bin ja schon froh, dass Johann Reisinger mir sehr kurzfristig eine Zusage für unser Treffen gemacht hat. Reisinger, seines Zeichens der erste Haubenkoch, der in Österreich mit dieser Auszeichnung von Michelin geehrt wurde und Tausendsassa im biologisch-kulinarischen Schlaraffenland, hat einen vollgespickten Terminkalender. Das wird sich an diesem Abend noch mehrfach zeigen.

Reisinger und Palme – die Pioniere des Anbaus von alten Gemüsesorten

Die Schönbrunner Seminare feierten vor Kurzem ihr 15jähriges Bestehen. Sie waren der Anlass für das Gespräch. Denn: Schönbrunn klingt gut, Haubenkoch und altes Gemüse auch. Was aber genau hinter diesem Label steckt, wollte ich im direkten Gespräch erfahren. Wer meint, in Schönbrunn findet man einen langweiligen Seminarraum mit einem Beamer und Menschen, die sich verstohlen nach einer Dreiviertelstunde das Gähnen unterdrücken, der irrt gewaltig. Vielmehr sind die Schönbrunner Seminare alles andere als Lehrstunden, in welchen trockene Inhalte vermittelt werden. Da wird gerochen und gekostet, geschmeckt und verglichen, kurz: Gegessen und getrunken. Wolfgang Palme ist Leiter der Abteilung Gemüseanbau der Gartenbauschule Schönbrunn. Der einzigen Gartenbauschule, in der man auch maturieren kann. In Reisinger fand er vor 15 Jahren einen genialen Partner, der über ein großes Netzwerk in die Gastronomie, aber auch in die Lebensmittelindustrie verfügt. Beiden gemein ist das Unterrichten. Reisinger arbeitet neben seinen Aktivitäten rund um die Vermittlung von gesund produziertem Essen als Lehrer an den Hertha-Firnberg-Schulen in Wien. Dort setzt er seinen Schülerinnen und Schülern das kleine Pflänzchen Begeisterung ein, ohne welches das Kochhandwerk nicht zu erlernen ist. Und er ist wie Palme selbst leidenschaftlicher Produzent von Gemüse. Auch auf einem eigenen Acker im steirischen Feldbach, den er mit Frau und Sohn kultiviert.

Wir treffen uns in einem ehrwürdigen Café am Schwarzenbergplatz. Kommen beide gleichzeitig an. Reisinger direkt vom Ernten, ich vom Büro. Doch bevor ich meinen großen Fragenkatalog auspacke, geht es um so etwas Triviales wie die Bestellung beim Ober. Was bestellt ein Haubenkoch in einem Wiener Caféhaus abends um acht? Eine Mehlspeise, einen kleinen Imbiss? Eingedenk seiner Aktivitäten entschließe ich mich persönlich für einen Kräutertee. Das kann nur Sympathien wecken. „Einen Verlängerten, bitte“ ordert mein Gesprächspartner ohne nachzudenken. Damit habe ich nicht gerechnet. Mein erstes Aha-Erlebnis bei diesem Gespräch. Auch ein Haubenkoch ist nur ein Mensch, der ab und zu auch Lust auf etwas Ungesundes hat.

Unser Treffen soll ein wenig Licht in die nicht alltägliche Passion von Reisinger bringen. Eine Passion, die anfänglich rundum belächelt wurde. Der Anbau von alten Gemüsesorten stieß zu Beginn auf völliges Unverständnis. „Begonnen haben wir bei Null. Sogar im eigenen Hause wurden wir belächelt“ gibt der Vielfaltsverfechter offen zu. „Als wir mit den alten Gemüsesorten begannen, haben die Spitzenköche die Lieferanten damit weggeschickt. Sie wollten nichts verwenden, was ihre Kunden nicht kannten. Alles musste „harmonisch“ schmecken. Bittere Geschmackskomponenten zum Beispiel waren überhaupt nicht erwünscht.“ Heute jedoch findet der drahtige Mann, dem man nicht ansieht, dass er Koch ist, damit überall offene Türen. Nein, das stimmt nicht ganz. Ihm werden heute seine Türen förmlich eingerannt. Ich muss wohl diesen Vergleich bemühen, um deutlich zu machen, wie groß das Interesse und die Nachfrage nach Reisingers Wissen ist. „Die Verantwortlichen in der Gastronomie haben in den letzten Jahren gelernt, dass sich die Küche der einzelnen Häuser voneinander unterscheiden muss. Heute sind sie froh, wenn sie etwas Neues angeboten bekommen. Aber das war ein langer Prozess.“

Die Schönbrunner Seminare

Auf meine Frage, was denn nun die Schönbrunner Seminare eigentlich sind, antwortet er druckreif. Wie auch auf alle anderen Fragen dieses Abends. Man merkt, der Mann ist Kommunikationsprofi – und das, weil er von dem, was wer macht, durch und durch beseelt ist.

„In den Schönbrunner Seminaren präsentieren wir jedes Jahr eine andere Gemüsegruppe. Es nehmen daran ca. 80 Leute teil, die in zwei Seminardurchgängen Platz finden. Die Nachfrage ist aber so groß, dass wir viel mehr Seminare machen könnten, wenn die Zeit dafür reichen würde“.
Der Kostenbeitrag pro Person beträgt 60 Euro und inkludiert neben der Verkostung der einzelnen Rohgemüse auch ein ganzes Menü. „Eigentlich müssten wir für die Seminarteilnahme 1.450 Euro pro Person verrechnen. So viel kostet es, bis so ein aufwändiges Seminar wirklich steht. Eineinhalb Jahre Vorlauf benötigen wir dazu. Aber wir machen es nicht, um damit Geld zu verdienen. Wir betreiben das aus Hobby, Idealismus und aus Verrücktheit.“ Reisingers und Palmes Idee, den Geschmack von so vielen Gemüsesorten wie möglich wieder auf die Teller unserer Küchen zu bringen, ist ihre Hauptmotivation. Und der Erfolg, den die beiden mit ihrer Arbeit bisher erlebten, zeigt, dass sie auf dem richtigen Weg sind. „Es gibt keinen Tag, an welchem wir nicht bestätigt werden, wir stehen eigentlich jeden Tag auf dem Siegerpodest“ minimiert Reisinger seine „Verrücktheit“. Und damit meint er das Interesse nach den gesunden Gemüsen, das sich in den letzten Jahren auf den Handel, auf die Gastronomie und auf die Lebensmittelproduzenten ausgedehnt hat. „Bei den Seminaren in Schönbrunn sitzt alles, was Rang und Namen hat, an einem Tisch. Die Bio-Pioniere Sigi Lassnig und Walter Scharler, aber auch Heinz Reitbauer vom Steirereck und Leute von Rewe. Nicht zu vergessen Sigi Knasmüller, der Krebsforscher – alle kommen sie zu uns.“ Und das, weil das Angebot ein ganz Unglaubliches ist.

„Es gibt zwischen 80 und 120 Sorten Gemüse z.B. Salate, Gurken, Fisolen, Nachtschattengewächse, Kohlgewächse usw. Bisher haben wir jedes Jahr einer bestimmten Gemüsegruppe gewidmet. Heuer zeigten wir anlässlich des Jubiläums ein „best of“ von je 8 bis 12 Gemüsen.“ Und dann spricht der ausgewiesene Fachmann der alten Sorten darüber, wie die Maturaklassen der HBLFA Schönbrunn das Projekt begleiten. Von der Dokumentation der Aussaat, des Ertrags und der Witterung bis hin zur Ernte.

Pflanzensamen und Flugzeugnieten haben etwas gemeinsam

„In den letzten Jahrzehnten gingen zwei Drittel der Samenvielfalt verloren. Das passierte aufgrund von Modernisierungen im Anbau und des Aufkommens der Großkonzerne, die ja Gemüsesorten wünschen, die einen guten Ertrag und eine lange Lagerfähigkeit aufweisen. Dabei verloren wir in den letzten 60-80 Jahren einen Großteil der Sorten und erhielten unser heutiges Plastikgemüse. Gurken und Tomaten, die nach nichts schmecken.“ Wie recht Johann Reisinger hat! Wo sind die Zeiten, in welchen der Biss in eine Paradeis mit einem vollmundigen Gaumenkitzel belohnt wurde? Meine Enkeltochter kennt nur mehr wässrige Tomaten. Und kommt es doch zu jenem Ausnahmefall, bei dem man mit einem wunderbaren Geschmackserlebnis belohnt wird, dann möchte man den Tag am liebsten rot im Kalender anstreichen.

So lecker wird in den "Pur-Seminaren"  gekocht. (Foto: Facebook)

So lecker wird in den „Pur-Seminaren“ gekocht. (Foto: Facebook)

Jetzt habe ich schon mein zweites Aha-Erlebnis des Abends hinter mir. Zwei Drittel von einem Ganzen zu verlieren, das ist auch für Nichtmathematiker eine beeindruckende Größe. Vor allem, wenn man nachdenkt, was das wirklich bedeutet. Selbst Nicht-Gemüseessern müsste es kalt über den Rücken laufen, wenn sie sich über die Folgen der Entwicklung im Klaren wären. Weltweit gibt es rund 400.000 verschiedene Blühpflanzen. Das ist so viel, wie in einem durchschnittlichen Flugzeug an Nieten verbaut ist. Der Vergleich hinkt? Nicht, wenn man sich vorstellt, was passiert, wenn sich Dreiviertel der Nieten nach und nach verabschieden. Ein nietenloses Flugzeug stürzt ab der Niete X, die keiner wirklich vorherbestimmen kann, ab. Ein Ökosystem bricht nach der Xten verlorenen Spezies, die ebenfalls nicht berechnet werden kann, einfach zusammen. Eine der Auswirkungen: Das großflächige Bienensterben in den USA, dem Land, in dem die Monokulturen sich über hektargroße Felder erstrecken, ist nicht nur eine Folge des intensiven Pestizideinsatzes, sondern auch dem Verlust der Artenvielfalt geschuldet. So betrachtet betreiben Reisinger und Palme noch viel mehr als nur eine kulinarische Anreicherung unseres Speiseplanes. Der „Koch“ – wie Reisinger seinen Beruf selbst angibt – erklärt anschaulich, wie so eine Artenvielfalt anhand der Zwiebel aussieht. „Es gibt so viele unterschiedliche Arten mit unterschiedlichen Geschmäckern. Bitter, scharf, fruchtig, süß und mild kann so eine Zwiebel schmecken. Wir können bei einem Seminar 80 Sorten anbieten, die dokumentiert sind, die gruppiert und verkostet werden. Bei der Verkostung geht es darum, am Gaumen die Sensorik des jeweiligen Gemüses wahrzunehmen. Jeder Mensch hat ein unterschiedlich ausgebildetes Geschmacksempfinden. Jeder definiert „bitter“ anders. Viele sagen Rettiche und Rüben würden furchtbar schmecken, aber es gibt Sorten, die schmecken richtig gut. Wir bieten bei den Seminaren einen neuen Zugang, um eben diese Vorurteile abzubauen und Hürden zu überwinden. Bittere Gemüse können fantastisch schmecken“.

„Egal, was man macht, wenn man das lebt, was man gern tut, dann ist das immer ein Erfolg.“

Rohes und Gekochtes als geschmackliches Anschauungsmaterial

Aber es bleibt nicht bei der Rohverkostung. Das wäre zu einfach. Was bis hier mit Wolfgang Palme für ein Seminar gemeinsam projektiert wurde, geht ab nun in Johann Reisingers alleinigen Kompetenzbereich über. Denn er kreiert 8 bis 10 Gänge pro Gemüse. Wobei bei ihm die Devise gilt „weniger ist mehr“. „Aus den süß-fruchtigen Zwiebeln habe ich ein Zwiebelsorbet kreiert. Kleine, bittere Sorten habe ich in eine fruchtige Marinade mit Thymian und Rosmarin eingelegt. Dann gibt es wieder Zwiebeln, die wie Zuckermais schmecken. Mir ist es wichtig, dass beim Gemüse die Garzeiten kurz gehalten werden. Dadurch kommt die „Essenz“ des jeweiligen Gemüses richtig zur Geltung und diese ist wie eine Botschaft. Der Eigengeschmack des Lebensmittels soll nicht verändert werden. Zuviel Salz eliminiert die feinen Geschmacksnuancen. Ich koche meist so, dass ich erst zum Schluss salze.“ Gut, dass der Abend schon fortgeschritten ist und ich ein kleines Abendessen hinter mir habe. Sonst hätte ich spätestens an dieser Stelle zur Speisekarte greifen müssen.

Erfahrungen aus der großen Welt der gesunden Küche

Wenn der Geschmacksprofi einmal in Fahrt ist, dann sprudeln die Informationen aus ihm nur so heraus. Er erzählt von seiner Arbeit in Zusammenhang mit Slow Food. Jener Bewegung, der er seit 1987 angehört. Er berichtet über deren Dachorganisation Terra Madre, die alle zwei Jahre in Italien einen großen Kongress veranstaltet. Das letzte Mal war dieser im Turiner Olympiastadion. Da ging es um die Fragen der Bienen und Lachse, des Mais, des Weizens, der Urgetreide und was man unternehmen kann, um die Artenvielfalt erhalten zu können. Dort treffen sich sowohl Produzenten als auch Köche, aber auch die sogenannten „Hauptakteure“ wie Vertreter von Großkonzernen, Spitälern oder Verantwortliche für die Kantinen von Jugendeinrichtungen, Schulen usw. Und dann informiert der umtriebige Wissensvermittler noch über die Arche Kommission in Österreich. „Wir beschäftigen uns dort mit aussterbenden Lebensmitteln und Tierrassen und die Erhaltung derselben. Es gibt zum Beispiel eine Melanzanisorte, die kann roh wie ein Apfel gegessen werden. Das ist ein Produkt, das absolut schützenswert ist. Wir kümmern uns um Produkte aus einer bestimmten Region. Um diese zu erhalten, gibt es die sogenannten Presidi – das sind Initiativen, die mit Slow Food International gemeinsam betrieben werden, um diese Lebensmittel zu erhalten und letztlich auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern vorzustellen.“

johann_reisinger_brot

Der Mensch hinter dem Wissen

Nach so viel geballtem Fachwissen interessiert mich jetzt aber der Mensch Johann Reisinger. Sein Lebenswerk und wie er zu dem geworden ist, was er heute ist. Als Koch – so kann man seiner Biographie entnehmen – war er ein „Unsteter“. Offenbar immer auf der Suche nach etwas Neuem. „Als Kind war es nicht klar, dass ich Koch werden wollte, aber den Zugang zur Natur, den habe ich schon damals gehabt. Aufgewachsen bin ich als Bauernbub in der Natur pur. Bei uns gab es ein Kräuterweiberl. Ich kann mich gut erinnern, wenn ich blutete, legte sie ein Blatt auf, und die Blutung hörte auf. Der gesundheitliche und der magische Aspekt der Planzen hat mich von da weg fasziniert. So kam ich zum Kochen, aus Interesse an den Produkten. Ich habe dann später in meinem Beruf alles erreicht, was man erreichen kann. Arbeitete in großen Häusern in mehreren Ländern und hatte auch mein eigenes Lokal. Für mich gab es irgendwann nichts Neues mehr. Anstatt nur zu kochen habe ich den Weg der Vermittlung meines Wissens gewählt. Ob in der Schule oder in den vielen Seminaren die ich gebe. Seit Langem schon will ich zurück zu gesunden Dingen. Tees machen, Kräutertinkturen und Salben produzieren, das macht mir einen großen Spaß. Dabei ruft man auch das Ursprüngliche ab. Und ich bin einer, der immer alles hinterfragen muss. Der nichts nimmt, wie es ist, weil es immer schon so war. Der Kochlöffel zum Beispiel. Der ist für mich ein völlig falsch konzipiertes Werkzeug. Er hat eine so kleine Auflagefläche und wenn man in einem Topf umrührt, dann möchte man ja auch gleichzeitig, dass am Boden nichts anbrennt. Da bräuchte man viel eher einen Spatel, mit dem man zugleich schaben kann.“

Diese Denkweise ist es wohl, die Reisingers Berufsweg geprägt hat. „Als ich in Vorarlberg mein eigenes Restaurant betrieb, war es für mich selbstverständlich, dass ich täglich am See die frischen Fische holte und schon bald auch meine eigenen Gemüselieferanten hatte. Es ist wichtig, im Einklang mit der Natur nicht gegen sie zu arbeiten, sie nicht zu zerstören, sondern zu fördern. Dabei entsteht auch eine Energie, die man auch schmeckt, wenn alles in Symbiose lebt. Und das Netzwerken war auch schon immer meins. Tradition und Kulturelles war für mich schon immer wichtig. Das Kulturelle, die Menschen, das soziale Gefüge gehört dazu. Ein Koch ist für mich ein Künstler, weil er etwas vollendet, was da ist. Alles was uns umgibt, lebt, auch die Pflanzen. Oft werden Gemüse und Pflanzen missachtet. Mein Acker, den ich mit meiner Frau und meinem Sohn bepflanze, sieht aus wie ein Dschungel. Es gibt darin so viele unterschiedliche Gemüsesorten. Dazwischen wuchert das Unkraut wie das Franzosenkraut oder die Vogelmiere und wilder Borretsch. Die Vielfalt wird dadurch immer größer. Am besten ist es, nichts zu machen, sondern die Pflanzen selber machen zu lassen. Dann vermehren sie sich auch von selbst und sind resistent gegen Pilze und Fäulnis. Alles muss sich aber erst einmal anpassen und akklimatisieren, das geht nicht von heute auf morgen.“

Jetzt ist es an der Zeit, eine brandaktuelle Frage zu stellen. „Was halten Sie von der veganen Bewegung?“

„Ich finde, diese Entwicklung ist eine Krankheit der modernen Gesellschaft. Wenn man sich dagegen stellt, dass Tiere in irgendeiner Art und Weise mit den Lebensmitteln, die man isst, in Verbindung stehen, dann dürfte man auch kein Obst und Gemüse essen. Denn ohne die Organismen, die auch Lebewesen sind und die im Boden oder der Luft oder wo immer auch verantwortlich für das Wachstum sind, würde nichts gedeihen. Ohne Bienen, also ohne tierisches Leben, gäbe es keine Pflanzen. Wenn ich wirklich vegan leben wollte, müsste ich mich komplett isolieren. Dann blieben zum Essen eigentlich nur die Selbstbefruchter übrig. Mein Credo hingegen ist: Von allem etwas und das in Balance. Man braucht nicht immer Fleisch. Ich liebe einen guten Speck oder ein feines Schweineschmalz, aber ich brauche es nicht. Die Ernährungswissenschaft hat bewiesen, dass Fette für den Körper notwendig sind. Es kommt aber immer auf die Ausgewogenheit an, mit der man sich ernährt.“ Ein klares Statement von einem, der die Vielfalt in jeder Hinsicht zu seinem Lebensmotto erhoben hat. Mit Einschränkungen kann der Kreativkoch nicht gut leben.

Der Anbau von Biogemüsen und alten Sorten hat aber auch seine Grenzen. Das zeigt mir der im Gespräch leicht nachdenklich Gewordene auch auf. „Wir geben zwar Seminare auch für Abnehmer wie Rewe, allerdings haben wir bei der Erzeugungsmenge ein Problem. Man muss feststellen, dass man für die Masse auf großen Anbauflächen nicht gesund produzieren kann. Man muss in einer Vielfalt anbauen, um das Immunsystem der Pflanzen zu stärken. Dabei ist der Boden ausschlaggebend.“ Aber Reisinger wäre nicht Reisinger, würde sein Kopf hier nicht auch ständig nach Lösungen suchen. „Es gibt viele kleinere Organisationen in Österreich, die Gemüse liefern. Oder aber man macht „city gardening“ auf den Dächern, am Balkon, in der Wohnung. Man braucht dazu nicht viel. Eine gute Paradeispflanze gibt den ganzen Sommer über Paradeiser. Ich hatte ein Exemplar, das hat gezählte 1200 Cocktailparadeiser erzeugt. Es gab einen Wettbewerb, da haben die Hobbyproduzenten genau dokumentiert, was sie geerntet haben. Daran haben einige Tausend Personen teilgenommen. Daraus entstand dann das „City-Farming in Schönbrunn.“ Wobei wir wieder bei unserem Gesprächsbeginn angekommen wären.

Zukunftswünsche gibt`s auch noch

Zum Abschluss möchte ich noch wissen, welche Projekte ihn noch reizen würden. Und überraschenderweise beginnt mein Gesprächspartner die Ausführungen über seine Zukunftspläne mit etwas Vergangenem. „Vor Kurzem war ich in Davos und habe auf 1700 Meter im Freien gekocht. Das Seminar hieß „Koch am Feuer“. Dabei haben wir Brot gebacken, Gemüse im Ganzen geschmort. Und das alles in einem Lehmbackofen und in einem Ziegelofen. Dort war ein ganz spezielles, internationales Publikum. Im November und im Dezember habe ich einen ähnlichen Kinderkochkurs im Freien in der Steiermark vor. „Kochen und Backen am offenen Feuer“. Ganz puristisch also. Wahrscheinlich werden wir auch Lebkuchen am Feuer zubereiten. Es soll nichts Spektakuläres sein, einfach nur ohne High-tech auskommen. Und was ich auch noch möchte, ist eine Plattform schaffen, bei der es den Jungen möglich wird, eine ganzheitliche Ausbildung zu bekommen. Eine Ausbildung, in der sich der Koch mit dem Gärtner austauscht. Ein guter Koch muss mit einem Fuß in der Landwirtschaft stehen. Er muss nicht an einem Tag 20 Gerichte anbieten. Drei bis fünf sind das Optimum. Das will ich an meine Schülerinnen und Schüler weitergeben, denn das ist meine Überzeugung.“ Und als ob es noch eines würdigen Abschlusssatzes und eines Resümees bedurft hätte fügt Johann Reisinger nahtlos hinzu: „Egal, was man macht, wenn man das lebt, was man gern tut, dann ist das immer ein Erfolg.“

Kommt ein Fischlein geflogen!

Kommt ein Fischlein geflogen!

Nicht nur Menschen, sondern auch Fische reisen um die Welt!

Ein wunderbarer schlanker Branzino – zu Deutsch Wolfsbarsch – liegt vor mir auf dem Teller. Zwar lacht er mich nicht mehr an, das wäre von dem guten Tier wirklich zu viel verlangt, aber gerade in seinem letzten Stadium, frisch in Olivenöl gebraten, bereitet er mir allergrößte Freude. Dass ich ihn im Herzen von Österreich genießen kann, weitab von seiner Heimat, daran denke ich, während mir sein zartes und saftiges Fleisch auf der Zunge zergeht nur, weil ich bei seinem Erhalt wenige Stunden zuvor erfahren habe, wo er tatsächlich herkommt. Könnte er sprechen, er würde mir wahrscheinlich καλησπέρα! zurufen, so sagt man in Griechenland „Guten Abend!“ Denn die Gewässer vor dem sonnigen Land, in dem die Oliven reifen, waren seine Heimat. In seinen kühnsten Träumen hätte er nicht gedacht, einmal in Wien auf einem Teller zu landen; genauso wenig wie seine Kollegen aus dem Atlantik, dem Pazifischen oder Indischen Ozean, aus Vietnam, Spanien, Holland, Italien, Kanada usw. usw. Sie alle sind dank moderner Fangmethoden und einer ausgeklügelten Transportkette heute bei uns beinahe fangfrisch auch in einem Binnenland wie Österreich erhältlich. Was für unsere Großeltern noch schier undenkbar war, ist für Feinschmecker heute eine Selbstverständlichkeit geworden.

wolfsbarsch

Frische Fische aus dem Ausland schwimmen bei den Fischimporteuren in Wien auf Eis

Dafür sorgen Unternehmen wie „Royal Fisch“ mit Sitz am Grüngroßmarkt. Es sind erst wenige Jahre seit der Gründung der Firma vergangen und wohl der ausgezeichneten Qualität der Fische zuzuschreiben, dass das Unternehmen bereits nach so kurzer Zeit eine weitere Filiale, nämlich in Salzburg, eröffnen konnte. Am Standort in Wien betreten wir das Gebäude durch einen kleinen, fast unscheinbaren Eingang. Dass wir bei einem Fischgroßhändler gelandet sind, erkennen wir nur daran, dass in dem schmalen Gang, von welchem links und rechts einige Büros weggehen, große Karten hängen, auf denen wohl das gesamte Meeresgetier aufscheint, welches auf dieser Welt durch die Ozeane schwimmt. Nachdem wir uns durch eine in den menschenleeren Gang gerufene Begrüßung bemerkbar gemacht haben kommt auch schon ein junger Herr angelaufen, der uns staunend fragt, was wir denn eigentlich wollten. Da haben wir verstanden: Fische schauen, unsere ursprüngliche Idee, ist hier wohl nicht üblich. Und so erklären wir kurz und bündig, dass wir einen Bericht über einzelne Unternehmen des Großgrünmarktes schreiben wollen, um gleich darauf von einer lebhaften Dame in Empfang genommen zu werden. „Wenn der Fisch nicht schwimmen würde, hätten wir es leichter!“, mit diesen einleitenden, launigen Worten umschreibt „ Frau Uschi“ kurz und bündig den Problemkreis rund um den Fang. Ihr Familienname ist Itterspurger „aber meine Kunden kennen meist nur meinen Vornamen“ erklärt sie die in Österreich so gängige Namenskommunikation im Geschäftsleben. „Sie möchten sich sicher ein paar Notizen machen“ hat sie blitzschnell erfasst und begleitet uns in ihr Büro. Als ich noch einmal zaghaft nachfrage, ob wir denn in die Fischhalle selbst dürften, fällt sofort der Begriff HACCP – eine europaweit eingeführte Lebensmittelverordnung – die vom Erzeuger und Verarbeiter größtmögliche Transparenz im Umgang mit den Produkten vorschreibt, um jegliche Gesundheitsgefährdung auszuschließen. Diese Verordnung ist nicht nur schwer auszusprechen, sondern auch dafür verantwortlich, dass wir bei unserem Interviewtermin nicht, wie erhofft, in der großen Halle zwischen den frischen Fischen wandeln dürfen. „Dafür müssten Sie speziell ausgestattet und desinfiziert werden! Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber das sind die Vorschriften!“ werden wir von der Vollblutverkäuferin belehrt. Was bleibt uns anderes übrig, als einzusehen, dass unsere Schaulust im Dienste der allgemein zuträglichen Hygiene geopfert werden muss. Ein Fischgroßhandel ist schließlich nicht mit einem ruck zuck aufgestellten Marktstand im Hafen zu vergleichen, der schon nach wenigen Stunden abgebaut wird und so nicht der Gefahr ausgesetzt ist, verderblichen Fisch an seine Kunden zu verkaufen. Und so bleiben wir artig und brav im funktionell ausgestatteten Büro von Frau Uschi, bei dem wir auch die ein- oder andere Bestellung am Telefon live miterleben und mitbekommen, dass sie ihre Kunden schon nach den ersten gesprochenen Worten wiedererkennt und dementsprechend individuell begrüßt. „Manche Firmen arbeiten im Verkauf nur nach Zeit, das ist für mich nicht machbar. Meine Kunden wollen die persönliche Ansprache und erzählen mir schon das ein-oder andere Mal auch etwas Persönliches. Aber dabei fällt ihnen gleichzeitig auch ein, dass sie noch vergaßen, 1kg Krabben oder die eine oder andere Dose Kaviar mitzubestellen“ macht die energiegeladene Fischspezialistin klar, was ihre Kunden an ihr schätzen – und umgekehrt! Und dann bekommen wir auch erklärt, dass Ihre Kunden auch nicht vor Ort auf den Grüngroßmarkt kommen, um ihre Ware auszusuchen. „Ein Branzino bleibt ein Branzino, eine Forelle, eine Forelle. Was zählt, ist die gute Qualität und die Frische und die ist bei uns selbstverständlich. Deswegen kommen die Küchenchefs nicht zu uns, um die Ware auszusuchen, sondern bestellen ganz einfach per Telefon. Einmal wöchentlich erhalten unsere Kunden Listen mit den frischen Fängen, nach denen sie das Angebot auswählen können. Es kann schon einmal vorkommen, dass eine bestellte Lieferung ausfällt, wenn zum Beispiel ein Sturm das Auslaufen der Boote unmöglich gemacht hat.“ zeigt sie den „worst case“ auf, der zwar selten, aber dennoch vorkommt. Dann weiß zumindest der Küchenchef, der seine Order einige Tage zuvor aufgegeben hat, dass in gewissen Bereichen die Natur noch immer die Oberhand über seine Kochtöpfe hat. „Wir bestellen zweimal wöchentlich und erwarten dann die Lieferungen bei uns meist spät in der Nacht. Dann geht es für unsere Arbeiter in der Halle richtig los, denn wir richten die Fische genauso zu, wie es unsere Kunden möchten. Sie werden geschuppt und ausgenommen und auf Wunsch selbstverständlich auch filetiert“. Ein großes Service, das klarerweise kostet, die Köche aber von viel, viel Arbeit entlastet und somit gerne angenommen wird. Als wir im Unternehmen eintrudelten, waren nur mehr wenige Arbeiter in der Halle, die meisten von ihnen schon zuhause, kein Wunder, wenn ihr Arbeitsbeginn schon 10 Stunden zurück lag!
Frau Uschi, die den Verkauf bei Royal Fisch leitet, ist eine jener Insiderinnen, die schon eine Woche oder noch länger im Vorhinein wissen, was auf den Speisekarten der eleganten Wiener Restaurants aufscheinen wird. Ab wann es wieder Muscheln gibt und ab wann damit zu rechnen ist, dass die frische Scholle wieder vom Menüplan verschwindet. Was wenige wissen – Fisch unterliegt ebenfalls einem saisonalen Angebot, das gewährleistet, dass die Jungbestände sich auswachsen können und deswegen gewisse Sorten nicht ganzjährig erhältlich sind, außer die Köchinnen und Köche greifen auf Tiefkühlware zurück. Wir erfahren, dass Österreicherinnen und Österreicher Garnelen, Makrelen und Lachs bevorzugen. Das erste und letztere wegen der leichten Zubereitung, währenddessen Makrelen vor allem an schönen Sommertagen als „Steckerlfisch“ an den Imbissbuden entlang der Donau und ihren Kanälen reißenden Absatz findet.
Aber nicht nur die Launen der Natur halten für Fischgroßhändler Herausforderungen bereit. „Das Rauchverbot hat uns tatsächlich getroffen, denn Raucher sind gewöhnlich auch kulinarische Genießer und die sitzen länger am Tisch. Fischesser sind ebenfalls Genießer und so machen vor allem Lokale, die einen Raucherbereich haben, weiterhin guten Umsatz mit unseren Produkten, während bei anderen ein Einbruch merkbar war“. Dass das Gesetz des Rauchverbotes in den Gaststätten auch direkte Auswirkungen auf den Fischkonsum der Österreicherinnen und Österreicher hat – wer hätte das gedacht?! Aber Frau Uschi ist ein wahrer Informationsquell, was den Verkauf dieses edlen Produktes anbelangt. Fukushima, aber auch Umweltkatastrophen wie brennende Bohrinseln, bei denen tonnenweise Öl in die Meere strömte, ließen den Umsatz vor allem von heimischem Fisch in die Höhe schnellen. „Hier wissen die Kunden, was sie auf dem Teller haben und können sich hundertprozentig sicher sein, nicht mit Umweltbelastungen konfrontiert zu werden“ erklärt uns die Fachfrau weiter: „Viele Küchenchefs haben deswegen auch Fische aus dem Pazifischen oder Atlantischen Ozean ganz aus dem Programm genommen, da ersparen sie sich einfach viel an Erklärung und Überzeugungsarbeit“. So sieht man: Was des einen Leid ist des anderen Freud. Und so sind in Zeiten der allgemeinen Umweltverschmutzungen heimische Züchtungen wie Welse, Saiblinge, Forellen, Huchen, Hecht und Karpfen gefragt wie nie zuvor. Gut für inländische Fischhändler und für die Fischesserinnen und Fischesser, denn frischer als aus Österreich direkt kann kein anderer Fisch angeliefert werden.
Obwohl das Unternehmen an eine große Zahl namhafter Restaurants frischen Fisch ausliefert – die Abnehmer erstrecken sich immerhin bis Budapest – wird dennoch auch dem allgemeinen Trend Rechnung getragen, der sich immer stärker an Conveniance-Produkten ausrichtet. Conveniance bedeutet schließlich nicht nur Bequemlichkeit für den Endkonsumenten, sondern auch für den Küchenchef selbst. Egal ob Fisch, Fleisch, Wurst, Gemüse oder Obst. Heutzutage gibt es kaum mehr einen Lebensmittelsektor, der von der Industrie nicht mit vorgefertigten Produkten beliefert wird.

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Alles was die See und das Meer so hergibt - Fischlegenden bei Royal Fisch (Foto: Susanna Eckhart)

Bei Royal Fisch kann man zwischen geräucherten und marinierten Fischen bis hin zu Kaviar alles bestellen, was der fischlüsterne Gaumen so wünscht, ohne zuvor stundenlang in der Küche stehen zu müssen. Obwohl es ein großer Irrtum ist, dass Fischzubereitung mit einer langen Kochzeit einhergehen würde. Ganz im Gegenteil – es gibt kaum ein anderes Lebensmittel, das sich so unkompliziert und schnell auf den Tisch bringen lässt wie frischer Fisch. „Nur leider können viele jüngere Leute heute gar nicht mehr kochen“ fügt Frau Uschi unserer Unterhaltung hinzu, die längst in die Feinheiten der Fischzubereitung abgeglitten ist. Wenn man nicht gerade mit so ausgefallenen Exoten wie einem Papageienfisch, einem Barramundi, Barracuda oder einem Mahi Mahi seine ersten Kocherfahrungen mit Fisch auslebt – steht einem stressfreien Koch- und anschließenden Verzehrgenuss überhaupt nichts im Wege. Und selbst bei den angegebenen Exoten benötigt man nicht mehr Kochkenntnisse; allerdings tut es den Nerven gut, wenn man schon das ein oder andere günstige Fischlein in der Pfanne herumgeschubst hat und weiß, wie sie zu behandeln sind, ohne dass man ständig an den eventuellen finanziellen Einsatz denken muss, der sich bei unsachgemäßer Behandlung der exklusiveren Ware plötzlich als eine Fehlinvestition herausstellen könnte.
Da wir aber zum Glück über ausreichende Erfahrungen in der Fischzubereitung verfügen, war der uns nach dem Interview offerierte Branzino schließlich am Teller zuhause bei einer eingehenden Verkostung genauso umwerfend wie die Goldbrasse. Kurz in einem Butter-Ölgemisch auf beiden Seiten angebraten, zuvor hauchfein mit griffigem Mehl bestäubt – gerade soviel, dass sich ein feiner Schleier über die Fische gelegt hat, mundeten sie köstlich. Dazu gab es frischen Petersil und fein geschnittenen Knoblauch, nur kurz gemeinsam in Olivenöl angeschwitzt, und über die am Tisch filetierten Fische gegossen. Welch ein Genuss! Herzlichen Dank noch im Nachhinein! Die lebensfrohe Art von Frau Ittenspurger und ihr schier nicht enden wollender Informationsschatz hat uns sehr beeindruckt und Lust auf noch viel mehr Fisch gemacht. Vielleicht geht ja Frau Uschi demnächst auf Promotion-Tour, um den Fischkonsum in Österreich kräftig anzukurbeln. Gelingen würde es ihr auf Anhieb! 

Die erste „Cookbookfair“ in Paris | La première « Cookbookfair » à Paris

Die erste „Cookbookfair“ in Paris | La première « Cookbookfair » à Paris

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Fröhliche Stimmung auf der Cookbookfair in Paris (C) Tiborphoto.com

Der Wunsch nach einem gesicherten, familiären Umfeld und der Verlust der traditionellen Wiedergabe von Wissen rund um das Kochen, lassen weltweit Menschen in den Buchhandlungen in die Kochbuchregale greifen. Die Cookbookfair trug diesem Trend Rechnung und startete fulminant in ihre erste Auflage.Vom 12. bis 15. Februar 2010 fand die erste internationale Messe rund um Kochbücher im Kulturzentrum Centquatre in Paris statt. Kochbücher  bilden weltweit einen Markt, der expandiert und nicht, wie viele andere in der Krise, rückläufig reagiert. „Wir haben uns Paris ausgesucht, weil es eine der romantischsten Städte der Welt ist. Dass in dieses Datum auch zufällig der Valentinstag fällt, ermöglicht es unseren Besuchern dieses Jahr auch,  hier gleichzeitig ein romantisches Wochenende erleben können“ erklärte Edouard Cointreau. Der Initiator der Messe, der väterlicherseits aus der gleichnamigen Likördynastie und mütterlicherseits von den Familien Frapin und Rémy Martin abstammt, ist auch Gründer des „Gourmand World Cookbook Awards“, der bereits seit 1995 alljährlich vergeben wird. Dieses Mal fand diese Veranstaltung zeitgleich mit der Messe am Eröffnungsabend statt. Edouard Cointreau hat mit seinem Team mit der „Cookbookfair“ aber nicht nur eine Buchmesse initiiert. Vielmehr war es ein groß angelegtes Event für die Sinne, bei dem Spaß, Genuss und Freude nicht zu kurz kommen sollten. Gewiss, das Herzstück bildeten die mehr als 200 Aussteller – Kochbuchverleger aus über 40 Ländern. Begleitend dazu jedoch konnte das Publikum aus einem umfangreichen Vortragsprogramm wählen oder sich bei den Live-Kochshows mit Kochstars aus aller Welt richtig Gusto holen.

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Kochshow mit Sébastien Gaudard und Francoise Bernard (c) Andrea Isker

Wie zum Beispiel bei der zu Herzen gehenden und gleichzeitig lehrreichen Performance von Sébastien Gaudard, der ein leichtes Mousse au chocolat zubereitete. Der lothringische Küchenchef hat gemeinsam mit Françoise Bernard, einer in Frankreich bekannten Kochbuchautorin, ein Buch gestaltet. „Le Meilleur des Desserts“ – zu Deutsch „Die besten Desserts“ in denen er auf die bewährten Rezepte von Frau Bernard zurückgreift, sie aber mit dem modernen Wissen und auch seinem Auge neu interpretiert. Während er das Mousse zubereitete, wurde er von Frau Bernard überrascht, die ihm erklärte, dass Sternanis, das er verwendete, in ihrer Jugend nicht als Gewürz, sondern als Medikament eingesetzt wurde.  Die beiden sind ein schönes Beispiel, wie heute über Kochbücher altes Wissen tradiert und in neuem Gewand präsentiert werden kann. Der „Pentatholon“ – ein von argentinischen Winzern initiierter Weinparcours  – bei dem es ums Kennenlernen, Verkosten und Genießen, ganz ohne falsch verstandene Dünkel geht, war nur einer jener Höhepunkte, bei dem das Publikum mit allen Sinnen verwöhnt wurde. Mehr als 4000 kleine Köstlichkeiten wurden den Besuchern während der Messetage gereicht, die auch die  Möglichkeit hatten, an zahlreichen Fachvorträgen teilzunehmen. „Schon bei der Eröffnung kamen weitaus mehr Besucherinnen und Besucher als wir dachten, sodass einige hundert von ihnen sogar kurz auf den Eintritt warten mussten“, zeigte sich die überraschte Pressechefin sehr zufrieden. Die voll ausgebuchte Messepremiere mit einem Publikumsandrang von über 3000 Besuchern zeigte, dass die Macher der„Cookbookfair“ den Trend rund ums Kochen richtig eingeschätzt haben.

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La joyeuse atmosphère au Cookbookfair à Paris (C) Tiborphoto.com

Dans les librairies du monde entier, les clients potentiels piochent de plus en plus volontiers dans les rayonnages remplis de livres de cuisine. L’envie d’un environnement familial et sécurisant, ainsi que la perte de la transmission du savoir autour de la cuisine par les anciens en sont certainement les raisons principales. La première édition de la « Cookbookfair » tenant compte de cette forte tendance a démarré en trombe. Cette foire articulée autour du livre de cuisine a eu lieu au centre culturel « le 104 » à Paris pour la toute première fois. Contrairement à beaucoup d’autres, le livre de cuisine représente un marché en expansion – même en temps de crise!

« Nous avons choisi Paris, parce que c’est l’une des villes les plus romantiques du monde. Que la date coïncide avec la Saint Valentin est dû au hasard, mais cela permet à nos visiteurs de passer en même temps un week-end romantique sur place » a déclaré Edouard Cointreau. L’initiateur de cette manifestation fait partie d’une très grande famille de viticulteurs. Du coté du père, il s’agit de la dynastie des spiritueux du même nom, coté mère, ce sont les familles Frapin et Rémy Martin dont il est question. Edouard Cointreau est également à l’origine des « Gourmand World Cookbook Awards », un trophée qui est décerné tous les ans depuis 1995. Cette année, la cérémonie des Cookbook Awards s’est déroulée dans le cadre de la soirée d’inauguration de la « Cookbookfair ». Mais ce n’est pas simplement une foire aux livres de cuisine qu’Edouard Cointreau a initiée avec cet évènement, mais il a conçu avec son équipe plutôt une manifestation autour des sens, à laquelle la joie, le délice et le plaisir avaient toute leur place.

Bien sur, les plus de 200 exposants – éditeurs de livres de cuisine de plus de 40 pays – étaient au centre névralgique de l’évènement. Mais parallèlement à cela, le public pouvait participer à de nombreuses conférences ou alors assister aux démonstrations de grands chefs du monde entier qui faisaient vibrer les papilles.

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Démonstration de Sébastien Gaudard en compagnie de Françoise Bernard (c) Andrea Isker

Un bel exemple en était Sébastien Gaudard, qui a préparé deux mousses au chocolat. Sa prestation était aussi intéressante et instructive que chargée d’émotion et de chaleur humaine. Le chef lorrain a conçu le livre « Le Meilleur des Desserts » en collaboration avec Françoise Bernard, un auteur de livres de cuisine connu et reconnu en France. Dans ce livre, Sébastien Gaudard interprète les recettes traditionnelles de Françoise Bernard à sa propre manière, avec le savoir de nos jours, en regardant le tout avec son œil neuf de jeune chef. En travaillant avec Madame Bernard il a eu la surprise d’apprendre que la badiane, ou l’anis étoilé, qui pour lui n’était qu’une épice comme une autre, a été du temps de la jeunesse de son co-auteur utilisée comme médicament.
Les deux complices ont illustré de façon convaincante, comment les livres de cuisine transmettent le savoir des anciennes générations et de quelle façon les auteurs – grâce aux livres – lui donnent une nouvelle vie.

« Le pentathlon », un parcours du vin, organisé par des viticulteurs argentins, où il s’agissait de faire connaissance, de goûter et d’apprécier sans fausse pudeur, n’était qu’un des nombreux points culminants destinés à stimuler les sens du public.
Pendant ces quelques journées que durait la foire, plus de 4000 petits trésors culinaires étaient proposés à la dégustation.
« A la soirée d’inauguration, le public était beaucoup plus nombreux que prévu, tant et si bien que quelques centaines de visiteuses et visiteurs étaient contraints d’attendre dehors avant de pouvoir accéder aux lieux » constate la chargée des relations de presse, surprise, mais très satisfaite. Cette première édition avec ses plus de 3000 visiteurs était un vrai succès et c’était la preuve aussi, que l’initiateur de la « Cookbookfair » avait vu juste en ce qui concerne les tendances actuelles autour de la cuisine.

Texte traduit de l’allemand par Andrea Isker

Einkaufen als Kunst

Einkaufen als Kunst

Heute nehme ich mir einmal die Freiheit, meinen Kunstbegriff radikal zu erweitern. Es soll nicht die Rede sein von Bildern oder Skulpturen, nicht von Architektur oder Bühnenaufführungen. Heute möchte ich einige Impressionen und Reflexionen über etwas anbieten, dass viele von uns tagtäglich, zumindest jedoch einmal pro Woche tun: Einkaufen. Wobei ich mich auf das Beschaffen von Lebensmitteln beschränken möchte. Das allein, will man es zur hohen Schule bringen, schon eine Kunst darstellt.Wurstplatte

Ab in den Supermarkt, rein in die Einkaufswägen. Dabei noch munter mit den Verpackungen herumgeschmissen und zuhause dann lieblos liegengelassen, sorgfältiger weggestapelt oder gleich geöffnet und verzehrt – so sieht heutzutage die durchschnittliche Beschäftigung mit den Produkten aus, die uns unsere Lebenskraft und unseren Lebenssaft geben sollen.

Ist Ihnen dieser lieblose Umgang noch nie wirklich aufgefallen? Wenn nicht, dann beobachten Sie entweder sich selbst oder Ihre Mitmenschen im Supermarktkaufwahn. Zwar gibt es verschiedene Einkaufstypen – jene, die gezielt losmarschieren um das einzukaufen, was sie vorher schon auf einem Zettel niedergeschrieben haben oder sich im Kopf memorierten, oder jene, die nach Lust und Laune in die Regale greifen. Es gibt Menschen, die sich prinzipiell an den Sonderangeboten entlanghanteln und andere wieder, die in rauhen Mengen ihre Lieblingsprodukte kaufen – immer und immer wieder. Aber seltener kommt jene Spezies vor, die Päckchen aus Regalen holen, das Kleingedruckte aufmerksam lesen und – das Produkt dann wieder in das Regal zurückstellen.

Das sind jene, die entweder eine Lebensmittelallergie ihr Eigen nennen dürfen oder die noch gesund bewusst auf der Suche nach Inhaltsstoffen sind, die sie lieber nicht zu sich nehmen möchten. Dazu gehöre ich. Und darüber bin ich sehr froh. Allerdings hat diese Eigenschaft einen kleinen Haken: ist man damit nämlich ausgestattet, vermeidet man im Laufe der Zeit immer mehr den Gang in die großen Konsumtempel. Denn, obwohl die Regale prall gefüllt sind und die Ladeflächen ständig größer werden, schrumpft das Angebot an gesunden, naturbelassenen Lebens-Mitteln immer mehr.

Kartoffelpüree aus der PackungWer glaubt, dass er sich mit einem Fruchtjoghurt einer der gängigen Marken aus dem Kühlregal einen gesunden Gefallen tut, dem sei angeraten, nur einmal bei diesen kleinen, vermeintlichen Leckereien auf die Inhaltsstoffe zu achten. Ganz zu schweigen von jenen Produkten, die als Fertiggerichte – egal ob im Kühlregal oder getrocknet und auf Wasserzugabe wartend – angeboten werden. Das laute Verlesen der Zutaten führt garantiert zu einigen Zungenbrechern, ob der chemisch langen Bezeichnungen einiger Inhaltsstoffe. Probieren Sie es ruhig selbst einmal.

Ehrlich gesagt, ich esse nichts, was ich nicht halbwegs aussprechen kann und wovon ich nicht weiß, was es überhaupt ist. Gerichte mit Nummern, wie jene, die Farbstoffe angeben, esse ich schon gar nicht und das Wort naturidentisch ist eines der größten Bluffwörter der letzten Jahre, das mir schon eine leichte Gastritis verursacht, wenn ich nur daran denke. Leider – oder Gott sei Dank – habe ich kein Chemiestudium absolviert und bin deswegen nicht in der Lage, mir  jene Inhaltsstoffe zu erklären, die auf einem Päckchen Suppe angegeben sind, von so komplexen Mahlzeiten wie asiatischen oder südamerikanischen Leckerbissen einmal ganz abgesehen. Obwohl viele Menschen aufgeklärt sind und darüber Bescheid wissen, dass sich ohne chemische Zusätze Lebensmittel nun einmal nur bedingt halten, schalten die meisten bei deren Beschaffung jedoch offensichtlich ihren Verstand aus. Nach dem Motto – schnell, schnell rein und wieder raus – sowohl in den Supermarkt, als auch in den Magen – nehmen sie zu sich, was sie lieber nicht zu sich nehmen sollten.

Aber hier gibt es offenkundige Parallelen, was das Lebensmitteleinkaufen und den Kunstkonsum betreffen. Je mundgerechter präsentiert, je mehr beworben, umso erfolgreicher. Auf den Inhalt schauen oder diesen gar hinterfragen, ist für die meisten von uns pure Zeitverschwendung. Dass man sich mit solchen Konsumgewohnheiten aber auch um die herrlichsten Genüsse im Leben bringt, ist nur den Wenigsten bekannt. Wenn ich Kunst richtig verstehen möchte, dann genügt es nicht, sich der Sache oberflächlich zu nähern, sie zu konsumieren und wieder zu vergessen. „Kennertum“ ist hier gefragt, und das ist nur zu erreichen, wenn ich tatsächlich auch viel „kenne“. Erst durch die intensive Auseinandersetzung mit einem Thema wird es mir möglich, Zusammenhänge zu erkennen und Verlgeiche zu stellen. Wie schön das Gefühl ist, im Laufe der Jahre immer tiefer in diese Kennerschaft einzutauchen, versteht nur, wer sich selbst auch einem bestimmten Thema lebenslang verschrieben hat. Egal ob in der Kunst oder in einer anderen Thematik. Kein Meister ist vom Himmel gefallen, und das gilt sowohl beim Einkauf und auch dem anschließenden Kochen, als auch in der Kunst.

Einkaufen, nach hoher Schule, bedeutet für mich, sich bewusst machen, was mir und meiner Familie gut tut, was die Jahreszeit gerade hergibt und was regionale Lebensmittelhändler und -erzeuger gerade anbieten. Nicht, welches Sonderangebot von den Lebensmittelriesen unter die Menschheit gebracht werden soll oder welche vermeintlichen diätischen Musts in Form von gesunden Produkten mit Vitamin- und Ballastzusatzstoffen mir in den Regalen und zuvor in der Printwerbung offeriert werden. Vergleichbar ist dies auch mit einem sinnvollen Kunstgenuss. Dazu zähle ich nicht den Gang ins Kino zur Vorführung eines Hollywoodschinkens, dessen Produktionskosten eingespielt werden müssen oder der Besuch eines „Musicals“, welches über Jahre hinweg auf großen Bühnen einem großen Publikum vor Augen und Ohren gebracht wird. Gewiss, auch das kann ab und zu erbaulich wirken, aber es käme wohl niemandem in den Sinn, sich danach als „Kenner“ der Materie zu titulieren. Das Angebot an Kunst ist heute jedoch – vergleichbar mit den Produkten auf dem Gebiet der Lebensmittel – so groß geworden, dass schon eine gehörige Portion Selektismus notwendig ist, um sich das herauszusuchen, womit man sich wirklich beschäftigen möchte. Genauso, wie es notwendig ist, eine Selektion von Kunstgenuss vorzunehmen, ohne restlos überfordert und übersättigt zu werden, ist es notwendig, sich bewusst zu machen, was man eigentlich isst und was einem gut tut und was nicht.

Kartoffeln im KorbMein Nachbar betreibt einen kleinen Lebensmittelladen mit einer kleinen Auswahl an Bioobst und Gemüse, einer größeren Auswahl an Weißgebäck und einer noch größeren Auswahl an griechischen Vorspeisen. Er hat 7 Tage von 9.30 bis 21:30 geöffnet und arbeitet, abwechselnd mit seinem Sohn, im Zweischichtbetrieb. Wie herrlich, am Sonntag für einen ungeplanten Brunch rasch kleine Köstlichkeiten von ihm zu holen, abends noch schnell eine Schachtel Eier und Milch, oder was immer gerade im Haushalt ausgegangen ist. Bewusst lasse ich das eine oder andere im Supermarkt, so der mich überhaupt zu Gesicht bekommt, liegen, um meinen Nachbarn durch einen Einkauf zu unterstützen. Denn wenn ich es nicht mache, und viele andere auch nicht, dann wird es ihn bald nicht mehr geben – und mit der Schließung seines kleinen Ladens würde auch ein riesiges Stück Lebensqualität wegfallen.

Samstags geht es auf den Wochenmarkt, auf einen von zweien in meiner Stadt. Auf den wesentlich kleineren, überschaubareren, da er nur regionale und Bioprodukte anbietet. Vielmehr nicht „er“ sondern die Erzeuger derselben, direkt ab Hof, sozusagen. Es ist schön zu sehen, wie sich ein altes 68er-Kollektiv mit der Produktion von Vollkornbrot offensichtlich große Mühe gibt und den ultimativen Erfolg dennoch mit seiner Schaf- und Ziegenkäseproduktion einfährt. Es ist schön zu sehen, wie Äpfel im Laufe einer Saison immer kleiner und schrumpliger werden, sind sie doch nicht chemisch behandelt und gelagert, sondern dürfen ruhig ihrem natürlichen Ende entgegenwelken. Es tut gut mitzubekommen, wie die Menschen, die kleine Anbauflächen betreiben, von ihren Produkten leben können, stolz auf diese sind und fröhlich ihre Stammkundschaft begrüßen, sich nach dem Befinden erkundigen oder einfach über das Wetter herziehen, das ohnehin nie passt.

Die so angebotenen Produkte sind Lebens-mittel im wahrsten Sinne des Wortes. Sie ermöglichen das Leben jener, die sich um deren Anbau und Produktion kümmern und sie spenden Leben jenen, welche sie verzehren. Es stimmt schlichtweg nicht, dass sich Menschen mit einem kleinen Portemonnaie diese Produkte nicht leisten könnten. Auch mein Portemonnaie ist nicht prall gefüllt, aber ich laufe zu Fuß einkaufen, mit meinem kleinen Einkaufswagen, den ich hinter mir herziehe und brauche so weder Auto noch dazugehöriges Benzin. Ich kaufe nur soviel ein, wie mein Mann und ich, oder gegebenenfalls unser Besuch, innerhalb der nächsten Tage verzehren können, und ich verarbeite alle Lebensmittel in meiner Küche selbst, und, schenke ich den Bekochten Glauben, das auch sehr gut. Ich brauche für meinen Mann und mich am Tag im Schnitt 10 Euro für Lebensmittel und bestreite damit Frühstück, Mittag- und Abendessen. (Feiertage ausgenommen, da gönnen wir uns öfter teurere Produkte) Was ich hier nicht einrechne, ist die Zeit der Lebensmittelbeschaffung und jene des Kochens. Aber das machen die anderen auch nicht.

Mittlerweilen ist es schon so weit gekommen, dass die nächste Generation, also meine Kinder und meine Nichten und Neffen uns liebend gerne besuchen, alleine wegen des frisch gekochten Essens. Das freut mich zwar riesig, lässt aber auch Rückschlüsse zu, was sie sonst tagtäglich zu sich nehmen. Da ich der Meinung bin, dass Erwachsene und ältere Menschen Vorbild für die Jugend sein sollten, nehme ich auch alle immer zu meinen Einkaufstouren mit. Zu Fuß, oder mit der Straßenbahn, versteht sich. Tratsche mit den Händlerinnen und Händlern, frage nach bestimmten Zutaten die ich nicht sehe, die man mir aber fast immer gerne besorgt, verändere ad hoc den Kochplan für die kommenden Tage, wenn es etwas Frisches gibt, das gerade im Überfluss angeboten wird, oder auch etwas ganz Besonderes, dass nur alle heiligen Zeiten einmal den Weg zum Verkaufsstand findet, und freue mich dann zuhause über die Maßen, all die frischen Lebensmittel auszupacken, noch einmal zu begutachten und je nach Anforderung dann zu verstauen. Dass meine jungen Begleiterinnen und Begleiter sich das eine oder andere aussuchen und mitnehmen dürfen, das sie verlockend anlacht, versteht sich von selbst. Ich kann Ihnen meine Freude an diesem Geschehen ja nur dann vermitteln, wenn sie selbst auch Freude daran haben.

Nudeln Es ist zur Kunst geworden, das bewusste Einkaufen. So wie es eine Kunst ist, Gerichte auf das Köstlichste zuzubereiten. So wie es eine Kunst ist, Achtung vor der Arbeit all jener zu haben, die sich mit der Produktion beschäftigen. Es ist zur Kunst geworden, mit dem kleinen Lebensmittelhändler von Nebenan einen kurzen Tratsch zu halten, so wie es zur Kunst geworden ist, bewusst auf eineBasilikum und Tomaten supergünstige Großpackung Karotten zu verzichten und lieber nur zwei Stück beim Biohändler einzukaufen, die zwar teurer sind, dafür aber im Kühlschrank auch nicht vergammeln, ob der Übermenge. Es ist eine Kunst, Vielfalt auf den Tisch zu bringen und sich und den Seinen damit eine Freude zu bereiten. Und Kunst tut mir immer gut – egal in welcher Form und ich glaube, nicht nur mir.

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