Zöbing goes Düsseldorf

Mit der Ausstellung des Düsseldorfer Künstlers Christof Hartmann geht die sommergalerieZöbing in ihre 3. Saison. Franz und Eva Mrkvicka zeigen in ihren Ausstellungsräumen Arbeiten auf Papier, auf Stoff aber auch Plastiken. Die Werke stammen aus den letzten 20 Jahren und geben in einer sehr subtilen und ästhetischen Schau einen Einblick in Hartmanns Schaffen.

Ein wenig Verrücktheit gehört dazu, von beiden Seiten. Sowohl was das Galeristenpaar betrifft, als auch den Künstler. Denn die Anreise in den kleinen Ort im Kamptal per Auto dauert immerhin 8 Stunden von Düsseldorf aus. Und keiner der Beteiligten erwartete einen Publikumsansturm, ist Christof Hartmann hierzulande trotz einiger Ausstellungen in Klagenfurt, Graz und Kitzbühel doch nicht wirklich bekannt. Erschwerend kamen noch das Datum und das Wetter hinzu. Zur Eröffnung am 23. Mai, einem Pfingstsamstag, regnete es in Strömen, was tatsächlich einige Interessierte aus Wien davon abhielt, an der Vernissage teilzunehmen. Wie dem auch sei – all jene, die kamen, wurden belohnt. Nicht nur mit den Kunstwerken selbst, sondern auch mit den Erklärungen des Künstlers, der sich allen Fragen persönlich widmete und eloquent Auskunft geben konnte.

Christof Hartmann, ohne Titel (c) European Cultural News

Christof Hartmann, ohne Titel (c) European Cultural News

Auf Papier gesetzte, auf den ersten Blick rasch gefertigte Zeichnungen lassen, so wie sie präsentiert wurden, Rückschlüsse auf gewisse, immer wieder kehrende Bewegungsabläufe zu. Bei anderen Blättern erkennt man das Ringen um die größtmögliche Ausgewogenheit in der Komposition, das perfekte Zusammenspiel der verschiedenen Gestaltungselemente. Diffizile Kompositionen, zusammengesetzt aus unterschiedlichen, oft armen Materialen machen einzelne Werke zu etwas „Exquisitem“, wie es eine Dame an dem Abend ausdrückte. Das ist tatsächlich das, was Hartmann im Sinn hat. Mit der eigenen Kreativität und der Ausführung etwas zu schaffen, was künstlerisch Bestand haben kann und kostbar wird. Sein Ideenfundus wird aus vielerlei Quellen gespeist. Europäische aber auch außereuropäische Kunstwerke, die über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende auf uns gekommen sind wecken sein besonderes Interesse. Die Farben, die Formen im Speziellen erfahren dann bei ihm eine Neuauflage in einem völlig anderen Kontext als dem Historischen. Autolacke, verdünnt mit Nitro und Teerfarben ergeben eine ganz spezielle Farbigkeit, eine Farbskala, innerhalb der sich das Oeuvre von Hartmann ausbreitet. Brillanz hier, ein wenig Glitzer da, einiges matt, Licht saugend. „Die Farbe erinnert mich an mein erstes Auto, einen Fiat“ erzählt eine Dame während eines Gespräches und zeigt, wie individuell die Rezeption von Hartmanns Bildern gestaltet werden kann.

Christof Hartmann, ohne Titel (c) European Cultural News

Christof Hartmann, ohne Titel (c) European Cultural News

„Ich glaube, dass das, was ich in meine Kunst hineingebe, tatsächlich von vielen Menschen auf seelischer Ebene erfasst wird. Es geht nicht um den vordefinierten Inhalt, sondern viel mehr um die Gefühle, die dabei ausgelöst werden und die sich oft mit dem decken, was ich ausdrücken wollte“. Hartmann ist über jede Äußerung zu seinen Arbeiten erfreut, hört aufmerksam zu und ist begeistert, wenn sich Menschen einer intensiven Auseinandersetzung mit seiner Kunst stellen. „Warum ist in diesem Stoffbild der Streifen nicht gerade eingesetzt?“ möchte jemand wissen. „Weil ich das von Hand genäht habe und nicht nähen kann.“ Eine einfache, lapidare Antwort, mit der so wohl niemand gerechnet hat. Manches Mal sind es einfach gewisse Umstände, die ein bestimmtes Resultat nach sich ziehen.

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Die Frage bezog sich auf ein schmales, langes Format in dessen Mitte ein Stoffstreifen eingenäht ist. Schwarze, breite Winkel sind darauf in unregelmäßiger Reihenfolge verteilt, heben sich ab vor einem Blau und einem Grün, das unmerklich ineinander übergeht, ohne jedoch an einem gewissen Punkt seine eigene Autonomie aufzugeben. Eine Stoffbahn, die sich unendlich fortsetzen ließe, würde nicht an einer Seite, an einem Ende die helle Umrahmung enden. Die bunte, eingenähte Bahn macht Anstalten, sich weiter im Raum ausdehnen zu wollen, aber ohne Halt beiderseits, so hat es den Anschein, gibt sie rasch auf. „Es sind Formen, die sich auf afrikanischen Stoffen finden, die ich hier aufgreife“, kommt die künstlerische Erläuterung und knapp danach: „Altgriechisch lernen und einen Nähkurs machen“, will der Düsseldorfer, der neben seinem Kunststudium an der Düsseldorfer Akademie auch Philosophie abschloss. Diese Aussage zeigt, wie breit sein Interessensspektrum angelegt ist. Nicht, dass er die Sprache nicht schon einmal gelernt hätte, aber sowohl seine Sprachkenntnisse als auch seine Nähfertigkeiten findet er unvollkommen. Das eine braucht er, um Philosophisches im Original besser lesen, das andere, um geplante Stoffarbeiten perfekter ausführen zu können. „Dazu brauche ich aber auch noch eine Industrienähmaschine, die dickes Material verarbeiten kann. Ich glaube, das wird ziemlich schwierig werden“. Auch das sind Herausforderungen, von denen man nicht annimmt, dass sie sich einem Künstler stellen.

Die Plastiken, die sich in den Ausstellungsraum einfügen als wären sie immer schon dort gewesen, sind allesamt aus Beton gefertigt. Oder aus einem Materialmix geschaffen. Hartmann hat sich, wie bei den genähten oder geklebten Stoffarbeiten eine eigene Technik angeeignet. „Als ich Kindergärtnerinnen zusah, wie sie in Ton kleine Köpfe formten, Punkti, Punkti, Beistrich, Strich und diese dann mit Gips ausgossen, war mir klar, dass ich so etwas auch probieren müsse.“ Mittlerweile hat er dieser simpel klingenden handwerklichen Fähigkeit Finessen hinzugefügt, die man nicht ohne Weiteres imitieren kann. Bei großen Arbeiten fügt er Armierungen hinzu, um „das Fleisch mit Knochen zu versehen, die das Ganze stabilisieren und festhalten“. Ergänzt muss hier werden, dass der Schaffensprozess ohne eine visuelle Überprüfung vonstattengeht. Die Finger sind das ausführende Organ, das die Negativform in den Ton gräbt. Bei großen Plastiken, die zusammengesetzt werden, hat der Künstler dabei keine Sichtkontrolle. Ob das Ergebnis passt, merkt er erst, wenn der Guss freigelegt wurde. Kleinere Plastiken werden aus Gips gegossen, für größere verwendet er einen Beton aus einer für ihn eigens angefertigten Mischung.

In Zöbing werden einige kleine Köpfe, eine Frauenbüste aber auch ein mittelgroßes Relief, bei dem verschiedene Köpfe aus unterschiedlichen Ebenen den Betrachtenden entgegenragen, präsentiert. In Engabrunn, wenige Kilometer entfernt, sind ähnliche Köpfe hoch oben im Kreuzrippengewölbe der dortigen Wehrkirche aus dem Beginn des 16. Jahrhundert angebracht. „Ganz ohne System und ohne, dass es darüber irgendwelche Unterlagen gibt“, klärt Hartmann auf, der dieses Kuriosum erst einen Tag nach Ausstellungsbeginn besichtigte das er zuvor nicht kannte. Es ist ein Beweis, wie stark sein Schaffen mit historischem Material aufgeladen ist, auch wenn er selbst dieses spezielle gar nicht kannte.

Wenn man das Glück hat, die Ausstellung in Ruhe auf sich wirken lassen zu können, dann erschließen sich einem auch die Parallelen zwischen den einzelnen Werkphasen. Aber auch die Weiterentwicklung. Ein kleines Bild, erst vor wenigen Tagen fertiggestellt, macht deutlich, dass die Farbe an Gewicht gewinnt. Das Schwarz mit dem Hartmann einen Du-Umgang pflegt, wird zurückgedrängt zugunsten einer heiteren, hellen Farbskala. Nur mehr das, was grafisch unbedingt hinzugefügt werden muss, findet sich als feine, schwarze Linien, durch die jedoch das Muster der dahinterliegenden bunten Rechtecke kräftig durchscheint. Afrikanische Stoffe sind eine Inspirationsquelle, aber auch Ausgrabungen und Relikte von historischen Fresken. Die Liste ließe sich fortsetzen, Bilder berühmter Künstlerkollegen gehören selbstverständlich genauso dazu. Figürliches ist auf vielen Arbeiten zu erkennen. Manches Mal Köpfe. Die Perspektive spielt oft eine Rolle, wenn auch nicht gleich auf den ersten Blick erkennbar, sondern subtil, im Abgang. Räumliche Anordnungen von Plätzen oder auch Landschaften, deren Horizont noch ein Stück Himmel sichtbar machen, schälen sich allmählich aus den Seherlebnissen heraus. Einmal erkannt, brennen sie sich ein und geben dem Kunstwerk den eigenen, persönlichen Interpretationsansatz.

Ein wenig Verrücktheit gehört dazu, das wird jeder sagen, der in Zöbing am Kamp Kunstwerken von Christof Hartmann begegnet. Aber was wäre das Leben ohne Experimente, die nicht ausschließlich der ökonomischen Verwertbarkeit untergeordnet sind? Persönliche Begegnungen und damit verbundene Eindrücke, ein Erkenntniszuwachs, in welcher Weise auch immer und eine kunst-volle Umgebung sind das sichere Ergebnis solcher Unternehmungen. Welche anderen Gelegenheiten können damit konkurrieren?

Die von der Kuratorin Michaela Preiner ausgewählte Schau ist noch bis inklusive 2. Juni zu sehen.

Homepage Christof Hartmann

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