Ein wiederkehrendes Opfer in neuem Gewand

Ein wiederkehrendes Opfer in neuem Gewand

Michaela Preiner

Foto: (John Hogg )

5.

August 2022

Dada Masilo, die aus Südafrika stammende Tänzerin und Choreografin, hat sich in den vergangenen Jahren durch Neuinterpretationen von klassischen Balletten einen Namen gemacht. Mit „Swanlake“, „Carmen“ und „Giselle“ setzte sie starke, neuinterpretatorische Duftmarken. Mit „The Sacrifice“ einer Neubearbeitung des „Sacre du Printemps“ wollte sie erforschen, welche Opfer wir heute bereit sind zu bringen.

Wie immer arbeitet Masilo mit ihrem eigenen Ensemble, nutzt dieses Mal jedoch nicht Strawinskys Musik für ihr Ballett. Vielmehr sind es drei Musiker und eine Sängerin, die mit eigenen Kompositionen einen Bogen zwischen afrikanischen Musikstilen und jazzigen Klängen erzeugen. Schon 2021 wurde diese Arbeit in Wien beim Impuls-Tanz-Festival gezeigt, in diesem Jahr nun aber auf der Bühne des Burgtheaters.

Gleich zu Beginn tritt Masilo selbst zu zartem Glockenläuten, Windgeräuschen und einem lieblichen, afrikanischen Gesang mit entblößtem Oberkörper auf. Die junge, zarte Frau und ihre Choreografie stehen im Gegensatz zu jenem ihres Ensembles, das kurz darauf mit fröhlichen Tanzschritten auf die Bühne kommt. Es ist – wie sich rasch herausstellt – eine Art Dorfgemeinschaft. Gemeinsam wird geklatscht und gestampft, aber auch gesungen. Das Solo einer Tänzerin, wird von dieser selbst durch eine Erzählung begleitet, deren trauriger Inhalt aufgrund der Sprachbarriere aber nur zu erahnen ist. Masilo hat sich mit dem musikalischen und tänzerischen Erbe aus Botswana auseinandergesetzt und diese Einflüsse in ihre Arbeit einfließen lassen. Tlale Makhene, Leroy Mapholo und Nathi Shongwe schufen eine musikalische Umrahmung, die von starken Rhythmen bis zu lyrischen Gesangspassagen von Ann Masina eine große, emotional ausdrucksstarke Bandbreite vorweisen kann. Zum Einsatz kamen dabei Rhythmusinstrumente, eine Geige und ein Keyboard.

Erzählt wird eine universelle Geschichte über das Einfügen in eine Gesellschaft, aber auch über Ausbeutung bis hin zu Übergriffen von Männern, die Frauen Gewalt antun. Wie im Sacre du Printemps verliert auch bei Dada Masilo das von ihr getanzte, junge Mädchen, das sich von Beginn an außerhalb der Gesellschaft befand, ihr Leben. Mit langstieligen, weißen Calla-Blüten wird ihr am Ende von der Gemeinschaft, die nun ebenfalls mit entblößten Oberkörpern auftritt, die letzte Ehre erwiesen.

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Foto: John Hogg

Die Verschmelzung von zeitgenössischen Tanzstilen und den botswanischen Tanz-Einflüssen, die musikalische Umrahmung und wohl auch die leicht fassbare Geschichte brachten Dada Masilo Standing Ovations ein.

Dennoch bleibt die Kernfrage offen: Was hat sich in den Augen der Choreografin an Opferbereitschaft im Laufe des Gesellschaftswandels während des letzten Jahrhunderts tatsächlich verändert? Sind wir heute wirklich noch imstande, junge Frauen zu opfern und wenn ja wofür? Die letzte musikalische Reverenz wird Dada Masilo von Ann Masina erwiesen. Sie wiegt die junge Frau beruhigend in einen Todesschlaf, ohne ihr Aufbegehren zu unterstützen und ihr zu helfen, am Leben zu bleiben. Ein zutiefst trauriges Ende, das man so wohl nur im Rahmen einer Tanzvorstellung mit historischen Referenzen zu akzeptieren bereit ist.

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