Das Trio Wanderer spielt mit einer Stimme

Das Abschlusskonzert des Ravel-Weekends in Straßburg am 19.4.2009 wurde vom französischen Trio Wanderer gestaltet und darf sicherlich als Höhepunkt der Veranstaltungsreihe angesehen werden. Die drei Musiker, Vincent Coq am Klavier, Raphael Pidoux am Cello sowie Jean-Marc Phillips-Varjabédian an der Geige,  zeigten, wie ansonsten oftmals spröde und sich in die Länge ziehende Kammermusik so dargeboten werden kann, dass man gar nicht genug davon bekommt.

Eigentlich muss man sich als Musikkritikerin die Frage stellen, wozu man überhaupt einen Artikel über ein Konzert des Trios schreibt, gibt es doch ganz einfache Attribute, die wiedergeben, wie die Künstler spielen: sehr gut, sehr gut, sehr gut. Denn jeder von ihnen trägt das in sich, was einen guten Kammermusiker ausmacht: ein feines Gehör für die eigene, aber noch mehr für die anderen Stimmen, Vertrauen in die Musizierpartner sowie eine ebenso herausragende, solistische Musikalität. Darüber hinaus haben die drei Künstler auch ein gutes Gespür für die richtige Zusammensetzung eines Programmes, bei dem es ihnen gelingt, die Zuhörerinnen und Zuhörer wie selbstverständlich auf eine Zeitreise durch zwei Jahrhunderte mit zu nehmen.

Das Programm begann mit dem Trio Nr. 39 von Joseph Haydn und stellte so etwas wie ein kleines Geschenk oder eine Referenz zum heurigen Haydn-Jahr dar. Obwohl sich in diesem Jahr der Tod Haydns zum 200. Mal jährt, findet seine Musik ungebrochenen Anklang, wie sich auch bei dieser Darbietung zeigte. Bereits mit diesem ersten Stück war klar, auf welchem musikalischen Niveau sich das Trio befindet. Die Übernahme der ersten dargebotenen Melodie von einem Instrument zum anderen, gelang auf Anhieb – ohne Einspielphase – aufs Beste;  Begleitstimmen gebärdeten sich nicht als solistisch unterdrückte Parts, sondern zeigten sich als begleitende Stimmen im wahrsten Sinne des Wortes. Die Musik legte sich schmeichelnd um die Zuhörer wie Samt und Seide zugleich. Im dritten Satz spiegelte sich das Können und die Spielfreude der Musiker gelungen in der Rhythmik des hayden´schen Tanzmotivs wieder. Starke, fast überbetonte Akzentuierungen der der ungarischen Volksmusik entnommenen Melodie, verleiteten förmlich, die Gedanken auf einen Tanzboden zu zwingen und der Spaß am Musizieren sprang in Sekundenschnelle auf das Publikum über. Allein mit diesem Stück hatten die Drei das Publikum im Sturm erobert.

Die zweite Interpretation – Robert Schumanns Klaviertrio op. 80 ließ die beiden Streichinstrumente wie Stimmen eines einzigen klingen. Auch die ein Echo imitierenden Stellen zeigten sich nicht wie von zwei Streichern erzeugt; passend dazu wob das Klavier einen dichten Teppich, von dem sich das Streichergeschehen aufs Trefflichste abheben konnte. Das Trio behielt diese, ihm innewohnende, spezielle Spieltechnik, welche die einzelnen Stimmen ganz natürlich zu einem einzigen Ganzen vereinen, bis zum letzten Satz bei und es gelang ihm darüber hinaus, die Spannung bis zum Schluss – einem frech gezupften Akkord – zu steigern. Dieses noch dazu überaus spannende und zugleich abwechslungsreiche Werk Schumanns hinterließ durch die Wiedergabe des Trio Wanderer das Publikum atemlos.

Eine weitere Lobeshymne gefällig? Das letzte auf dem Programm gestandene Stück, Ravels Trio mit Klavier, kann eigentlich durch keine Interpretation eines anderen Trios übertroffen werden. Die drei Musiker spielten das beinahe schon 100jährige Stück in einer Frische, die zeitgenössisch klang, bzw. aufzeigte, wie visionär Ravel in seinem kompositorischen Können war. Die teilweise extrem anspruchsvollen Passagen, die virtuos und rhythmisch schwer zu meistern sind, wurden mit vollem Einsatz gespielt. Das Stück ist noch dazu geeignet, das Können der Musiker in all seinen Facetten aufzuzeigen. Solistische Stellen innigsten Ausdrucks aller drei Instrumente wechselten mit fingerbrecherischen, bravourösen Passagen, die in einem Gleichklang erklangen, als spielte ein einziger Organismus.

Und auch die beiden anschließenden Zugaben, ein Satz eines Dvorak-Trios sowie, um den Konzertkreis abzurunden, zum Schluss abermals ein Haydn, bekräftigten nur das schon Gesagte.
Zusammengefaßt sei festgehalten, dass die Interpretationen des Trio Wanderer klingen, als ob die Stücke ganz selbstverständlich nur so und nicht anders zu spielen seien. Sie lassen keinerlei Zweifel ob der Richtigkeit ihrer Auslegung, aus dem einfachen Grund, da sie den Eindruck vermitteln, aus einer Natürlichkeit zu entstammen, die nicht überboten werden kann. Jede und jeder, der selbst ein Instrument spielt, weiß aber ganz genau, woher diese „Natürlichkeit“ stammt. Neben einem Übermaß an Musikalität muss sich auch noch eine gehörige Portion an Übung dazugesellen. Doch gerade diese Arbeit ist vergessen, in dem Moment, in welchem man dem Trio Wanderer zuhört.
Weitere Informationen unter www.triowanderer.fr in französischer und englischer Sprache

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