Der Dreigreizl-Macher

Der kleine Ort Zöbing im Kamptal hat eine neue Kulturattraktion zu bieten. In den Sommermonaten besteht dort die Möglichkeit, die sommergalerie Zöbing zu besuchen. Mit insgesamt 5 Ausstellungen von Mai bis September bespielen Franz Stanislaus Mrkvicka und seine Frau Eva Maria den ehemaligen Stadl des Hauses Dr. Hiesingerstraße 23 mit zeitgenössischer Kunst. Gleich nebenan, im Haupthaus, hat der Künstler F.S. Mrkvicka sich selbst sein Atelier eingerichtet – sein zweites – neben jenem im Passau, dem Hauptwohnsitz der Familie. Als nun zwischen Passau, Wien und Zöbing Vaszierende haben sich die Mrkvickas mit diesem Wohnsitz einen Traum erfüllt und empfangen Menschen, die Freude an der Kunst und Lust haben, im direkten Gespräch mit den Betreibern mehr über die ausgestellten KünstlerInnen zu erfahren. Das Besondere an diesen Ausstellungen ist, dass Familie Mrkwicka diese nicht kommerziell betreibt und Geschäftsabschlüsse mit den jeweiligen KünstlerInnen direkt auszumachen sind.

Franz und Eva Mrkvicka der SommergalerieZöbing

Franz Stanislaus & Eva Maria Mrkvicka die Macher der Sommergalerie Zöbing (Foto: European Cultural News)

Alois Jurkowitsch, 1948 in Suben am Inn geboren, wurde die Ehre zu teil, die Galerie mit seinen Werken zu eröffnen. „Fluss, Ufer, Stock“ nennt er seine Ausstellung in der 2 große Werkgruppen zu sehen sind. Einerseits seine in den 80er Jahren entstandenen Schwarz-Weiß-Fotos, in welchen er dem Lauf der Pram folgte und jene noch unverbauten Stücke fotografisch festhielt, die der Regulierungswut der 60er Jahre noch nicht zum Opfer gefallen waren. Darin zu sehen sind scheinbar verwunschene Wasserbiotope sowie naturbelassene Uferböschungen, deren Reiz mithalf, das Bewusstsein der Menschen zu jener Zeit zu schärfen und so gegen die Verbauung aufzutreten, dass diese schließlich fallen gelassen wurde. „Ich kann nicht sagen, inwieweit meine Fotos mitgeholfen haben, dass der Verbauungsplan fallen gelassen wurde“ relativiert der bescheiden wirkende Künstler die Auswirkungen der Wanderausstellung, die mit seinen Fotos in den betroffenen Gemeinden gezeigt wurde. Aber dennoch merkt man, dass er sichtlich stolz auf diese Arbeit ist, die sich über ein ganzes Jahr hingezogen hat und für die er auch mehr als einmal im wahrsten Sinne des Wortes seine Zelte unter freiem Himmel aufgeschlagen hatte.

Neben diesen zweidimensionalen Werken sind es aber andererseits seine handfesten Stöcke, die den Ausstellungsraum mit Leben füllen. In den letzten 12 Jahren hat sich der Künstler auf die Fertigung von individuellen Gehhilfen konzentriert, die mannigfaltig eingesetzt werden können. Ob als „Haglsteka“ (oberösterreichische Bezeichnung für Gehstock = Hakenstecken), Spazierstöcke, Wanderstäbe, Jagdstöcke, Hirtenstäbe, Pilgerstöcke, Bischofstäbe, Blindenstöcke, Bettelstäbe, Häuptlingsstöcke oder Zauberstäbe – die Stöcke von Alois Jurkowitsch können je nach Lust und Laune für den individuellen Bedarf eingesetzt werden. Und Individualität ist auch das Kennzeichen jedes einzelnen Stockes. Das Rohmaterial besteht aus Wurzelstöcken, die der Künstler während seiner Spaziergänge im Laufe eines Jahres markiert, um sie zum gegebenen Zeitpunkt – in den drei Wintermonaten bei abnehmendem Mond – aus der Erde zu graben, mit nach Hause zu nehmen und dort über ein Jahr zum Trocknen aufzuhängen. Wie einst der große Jugendstiltischler Michael Thonet, biegt er über Dampf die Rohlinge so zurecht, dass unebener Wuchs verschwindet. Danach schält, beizt, poliert, brennt, schnitzt und dekoriert er, je nach Ausgangslage, die Stecken bis ein Stock-Kunst-Werk entsteht, das seinen ästhetischen Anforderungen genügt. Auf das richtige Maß werden die Stöcke erst dann gekürzt, wenn interessierte KäuferInnen kund tun, wofür der Stock benötigt wird. Kommt er als Gehstock zum Einsatz, so wird er auf die ergonomisch richtige Länge der jeweiligen Körpergröße des Trägers oder der Trägerin gestutzt. Wird der Stock als Gehilfe im Hochgebirge eingesetzt, so kann dieser sogar über die Körpergröße hinausragen, denn das Abstützen im steilen Gelände beim Bergabgehen erfordert ein wesentlich längeres Maß als ein Spaziergang auf asphaltieren Gehwegen in der Stadt. Ebenso kommen auch unterschiedliche Gehstockspitzen zum Einsatz, wobei Jurkowitsch hier besonders auf die Kundenwünsche eingeht. Ob ausgediente, noch von Hand geschmiedete Schraubenzieher – die sogar als Waffe gegen unerwünschte Angreifer eingesetzt werden können – oder Stoppeln aus Hartgummi, die den leichten Stoß beim Aufsetzen des Stockes im Arm abfedern – der Stockkünstler arbeitet mit Materialien die nicht nur praktisch sind, sondern auch das Gesamtbild des Stockes ästhetisch unterstützen.

Den Beginn machte ein Stock für seine Mutter, die nach einer Hüftoperation auf „einen grauslichen Krankenkassenstock“ angewiesen war, so O-Ton Jurkowitsch. Dass sie diesen aber nur dann benutzte, wenn er seine Mutter besuchte, erfuhr er erst von seinem Bruder. Zu groß war für sie die Autorität des Doktors, der ja unter Umständen an dem personalisierten Gebrauchskunstwerk ihres Sohnes Beanstandungen hätte vornehmen können. Mit diesem ersten Stock wurde jedoch bei ihm eine Leidenschaft geweckt, die weit über die Fertigung an sich hinausgeht. „Mittlerweile kann ich ja nicht einmal mehr normal spazierengehen“ erklärt der Spezialist in Sachen Stock-Kunst. Vor allem Bahndämme und Straßenhänge mit lehmigen, fruchtbaren Böden sind seine favorisierten Sammelgebiete. Zwischendrin sieht man ihn aber auch auf Zwetschgen- Apfel- oder Kirschbäumen herumklettern, wenn er dort einen besonders gelungen Krückenwuchs an einem Ast entdeckt hat. Eine Besonderheit stellen jene Wurzelstöcke dar, die von ihm über Jahre des Wuchses hinweg in der freien Natur schon getrimmt werden. So entstehen durch das Umwickeln mit Kordeln Spiralstöcke, bei welchen das eingesetzte Fremdmaterial im Laufe der Jahre überwachsen wird und eine wunderbare natürlich-künstliche Verzierung erkennen lassen. Unter dem Label „Dreigreizl Stockmanufaktur“ hat Jurkowitsch mittlerweile bereits eine erkleckliche Fangemeinde. So zählt er eine Geomantie-Schule zu seinen Abnehmern, die ihren AbsolventInnen als Abschlussgeschenk jeweils einen seiner Stöcke überreichen. Aber es gibt auch Kunden, welche diese aus reiner Kunstsammelleidenschaft kaufen und ihre Sammlung ständig erweitern. Für diese Menschen fertigt Alois Jurkowitsch auf Wunsch auch Stockständer an, in denen die jeweilige Sammlung präsentiert werden kann. Schnell auszugehen droht ihm sein Rohmaterial nicht, nennt er doch derzeit einen Lagerbestand von 1400 Stockrohlingen sein Eigen. Die „Dreigreizln“ – also jene drei Kreuze, die Jurkowitsch mit einem Brenneisen als seine Signatur in das Holz brennt – erhalten die Stöcke erst dann, wenn sie vollkommen fertig gearbeitet sind und auf die Übergabe an die jeweiligen BesitzerInnen warten.

Mit einer massenhaften Belebung des Stadtbildes mit stöckeschwingenden SpaziergängerInnen ist wahrscheinlich nicht zu rechnen. Wie der Zufall es aber will, könnten die Jurkowitschen StockbenützerInnen dennoch in freier Natur aufeinandertreffen und sich dabei auf den ersten Blick als KünstlerstockbesitzerInnen erkennen. Über einen Bericht dieser Art würde sich der Künstler bestimmt mächtig freuen.

Hier einige Impressionen der Ausstellung

Informationen

Die Ausstellung ist nur noch diese Woche bis zum 2. Juni 2013 zu sehen.
Interessenten wenden sich darüber hinaus an:
Alois Jurkowitsch, Tel. +49 171 1294273
lois.jurkowitsch@gmail.com

Nächste Ausstellung in der sommerGalerie Zöbing:
Albert Dambeck, 8. Juni 17 Uhr – bis zum darauffolgenden Sonntag

Dr. Hiesingerstraße 23
561 Zöbing am Kamp
+43 (0) 680 4018740
fs-mrkvicka@t-online.de

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