Die Live!Speaker speaken wirklich live!

Sie schwärmt über einzelne Bilder und erklärt mir, dass sie froh ist, an diesem heißen Tag hier vor den schönen Seelandschaften stehen zu dürfen. „Sehen Sie selbst, das Wasser ist so wunderbar gemalt, man meint fast, an einem richtigen See zu stehen!“ Auch gefinkeltere Fragen, wie jene, ob es zwischen Manet und Turner eine Querverbindung gäbe, bringen sie nicht aus der Ruhe, ja sie schlägt wunderbare rhetorische Brücken, wenngleich ich auch nicht auf fundiertere Informationen dränge. Ich bin positiv überrascht, eigentlich beeindruckt. Ich spüre, wie ich mich darüber freue, dass eine junge Frau, die, wie ich erfahre, Studentin der Politikwissenschaften ist, sich derart für Kunst begeistern kann und die Gabe hat, diese Begeisterung auch auf andere zu übertragen. Der erste Eindruck, der ja angeblich immer der entscheidende ist, war toll. Jetzt bin ich angestachelt und probiere mein Glück ein zweites Mal. Ein etwas größeres Mädchen mit dunklen Haaren fällt mir im Cezanneraum auf, da es immer wieder geschickt den geführten Besucherströmen ausweicht, um bei den Erklärungen der Führer nicht aufdringlich im Weg zu stehen. Ob sie mir denn bei einer Frage weiterhelfen könne, möchte ich, um einen leichten Gesprächseinstieg bemüht, wissen. „Selbstverständlich, gerne, was möchten Sie denn wissen“, kommt es knapp, freundlich und ganz unprätentiös zurück. Ich deute auf ein Bild von Rousseau, auch Der Zöllner genannt, und frage, ob es einen Einfluss zwischen ihm und den europäischen Naiven des 20. Jahrhunderts gäbe. Zwar erhalte ich keine eindeutige Antwort auf diese, zugegeben weit über das Ausstellungsthema hinausgehende Frage, aber immerhin hält sich meine Speakerin tapfer mit klugen Erklärungen zur Kunst Rousseaus über Wasser und – was rhetorisch gescheite Menschen tun – kontert noch mit einer Gegenfrage. Zwar ist ihr ihre Nervosität leicht anzumerken, aber ihr Lächeln und ihre Erklärungen sind so charmant, dass man ihr innerlich nur nettes Publikum wünscht welches dazu beitragen kann, ihr Selbstvertrauen zu stärken. Schließlich erzählt sie mir, dass sie von einem Mann gefragt wurde, was denn das Metaphysische an der Kunst sei und dass sie auf ihre Gegenfrage, um das Thema eingrenzen zu können, keine konkrete Antwort bekam. Da erkenne ich, wie schwer es die jungen Frauen – und zwei Männer – hier haben und wie mutig sie sind. Mein Gegenüber ist noch dazu Schülerin, was ich, aufgrund ihrer Versiertheit nicht angenommen hatte. Unser Gespräch entwickelt sich prächtig und ich muss mich richtig losreißen, da ich die Zeit völlig übersehen habe. Ich bin genug informiert und im Bilde über die Live!Speaker, die aufgrund einer Initiative vom Verein der Freunde der Nationalgalerie und des Sponsorings und der Zusammenarbeit mit der Zeitschrift Brigitte sich an den Wochenenden den Fragen des interessierten Publikums stellen. Eine großartige Idee die von den jungen Mademoiselles fulminant ausgeführt und umgesetzt wird. Allen, die ungern alleine in eine Ausstellung gehen sei hier mitgeteilt: Rein in die Ausstellung „Die schönsten Franzosen kommen aus Paris“ und ran an die Live!Speaker.

Link: Brigitte.de

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