Das ewige Kreuz mit dem Glauben

Der Verein „Wiener Achse“ unterstützt seit seiner Gründung im Jahr 2012 junge Kulturschaffende bei der Realisierung ihrer Projekte. Mittels Crowdfunding finanziert, feierte Dominik Bartas zweites Bühnenstück „Die Pfarrschule“ als jüngstes unter ihnen am 17. Jänner seine Uraufführung und ist noch bis Ende des Monats im Brick5 zu sehen.

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Der zu Beginn in pechschwarzer Dunkelheit liegende Theatersaal offenbart erst nach einigen Augenblicken einen blassen Lichtkegel auf eine innig, ja schon fast verzweifelnd betende Frauengestalt. Das als Prolog vorangestellte Gebet erlaubt nicht nur tiefe Einblicke in den Charakter des Mädchens, sondern umreißt bereits die Kluft, die sich in jedem der tiefgläubigen Personen des Stückes manifestieren wird: Den Zwiespalt zwischen brennender Sehnsucht und geißelnder Moral, sowie jenem zwischen der Gerechtigkeit Gottes und dem ganz eigenen, persönlichen Verständnis davon.

Die eingangs betende Maria (herrlich naiv: Iris Maria Stromberger), floh, einer schweren Dürre wegen, aus ihrer Heimatregion gen Norden, um ihre Familie in fester Anstellung als Köchin eines Pfarrers (autoritär: Bálint Walter) monetär unterstützen zu können. Dabei hat sie mit den immer heftiger aufkommenden Gefühlen für den „hübschen Diener“ Gottes zu kämpfen. Letzterer fühlt sich jedoch von Marias eintreffendem, 17-jährigen Neffen Victor (erstmals auf der Bühne: Pipo Fuhs) angetan und hadert mit seinem Glauben: „So wie ich die Hände falte, beginnt mein Zweifel zu nagen.“  Diese vermeintliche Ferne zu Gott wird jedoch in einer pointierten Auseinandersetzung mit der Grande Dame des Ensembles, Juliane Gruner als Engel, als „kleinkarierte Trauer“ und „biedere Verzweiflung“ entlarvt. Gruner gibt als Engel in dieser Rolle und in einer weiteren Szene als Bischof, der die Existenz Gottes auf dessen Wunderwirken begründet, eine beeindruckende Leistung und bringt einen Hauch von großem Theater auf die Off-Bühne in der Fünfhausgasse.

Als Victor mit Mario (überzeugend kindlich-verspielt: Giamo Röwekamp) einen Freund kennenlernt und sie beschließen, als Mutprobe in die Krypta des Klosters einzubrechen, um aus dem legendenumwobenen und Wünsche erfüllenden Kelch zu trinken, wird die Kluft zwischen Sehnsucht und Moral in den einzelnen Personen immer größer.

Regisseur Aram Haus lässt Bartas Geschichte auf einer dreieckigen, einfarbig-grauen Bühne (Bühnenbild: (C) – Stefan Mlinar) spielen. Die Assoziation an die Dreifaltigkeit und Omnipräsenz Gottes ist mehrere Male gegeben: Etwa in der Waschszene mit einem auf die Wand projizierten Dreieck. Der Pfarrer unterrichtet in dieser Schlüsselszene den anwesenden Engel über seine Zweifel und entkleidet sich, wohl etwas überflüssig, da dies dem Stück keinen erkenntlichen Mehrwert leistet, komplett. Der herrliche, bitterböse Dialog wäre auch ohne diesen Regieeinfall ausgekommen. An Fahrt verliert die Produktion leider durch die teilweise holprigen Szenen-Übergänge. Auch verfällt das Stück oftmals in allzu augenscheinliche Klischees, wie etwa jenes des durch seine homosexuellen Begierden gemarterten Priesters.

Für die Sehnsüchte, das innigliche Wünschen und das Herbeisehnen eines Wunders hält Haus jedoch immer wieder erheiternde Ausformungen bereit – beispielsweise wenn „Give me a sign“ oder „My lonleyness is killing me“ zu Britney Spears’ bekanntem Popsong gejohlt wird. Die einfühlsame Personenregie veranschaulicht die beklemmenden zwischenmenschlichen Spannungen besonders intensiv und authentisch. Erwähnenswert ist hier vor allem die packende Schlussszene, in der Maria, nichtsahnend von dem Kuss, mit dem der Priester seine menschliche Schwäche und Hingabe zu Victor bezeugt hat, in den Urlaub abreist und den völlig überforderten Jungen mit dem nicht minder im Zwiespalt befindlichen Priester zurücklässt. Das zum klerikalen Umfeld passende Kostümbild lieferte Anna Kreinecker. Sehr dezent gehalten, unterstreicht es eingehend den düsteren Charakter des Stücks.

Die Figuren gleichen vielerorts ohnmächtigen Statisten, die in demütig-verzweifelter Hoffnung auf eine wunderhafte Fremdeinwirkung in ihr Leben wohl nie gelernt haben, Letzteres selbst in die Hand zu nehmen. Der stete Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Moral und Sehnsucht fordert seine Opfer, wenn Maria z.B. gedemütigt und in Selbstaufgabe zu Boden fällt, um dem Priester ihre Liebe zu gestehen.

Auch wenn das Beten und Wünschen, wie es im Stück heißt, oftmals einem Erzwingen gleichkommen, sind „selig also die, die das Wünschen nicht verlernt haben“. Der Bischof prophezeit Letzteren vergeltend das „Himmelreich“ und dem Publikum somit zugleich eine Debatte über Vernunft vs. Glaube sowie die Theodizee. Eine innere Bestandsaufnahme in Sachen „hoffen auf ein Wunder in der eigenen, oftmals bitteren Realität“ steht dann wohl auch an der Tagesordnung.

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