Nichts ist wichtiger als der Selbstbetrug

Leonidas lebt selbstgefällig. Er hat es sich gerichtet, mit einer guten Partie und einer angesehenen Stelle im Staatsdienst. Bis er eines Tages einen Brief erhält.

Eine blassblaue Frauenhandschrift, Theater Spielraum (c) Barbara Palffy

Eine blassblaue Frauenhandschrift, Theater Spielraum (c) Barbara Palffy

Das Theater Spielraum ist jenes Theater, in dem in den letzten Saisonen immer wieder Stücke gezeigt wurden, die verblüffende Parallelen zu unserem Zeitgeschehen aufweisen. Diese sind auch im Werfel-Text vorhanden, in dem der Autor anhand seiner Hauptfigur die Untiefen eines charakterschwachen Menschen beleuchtet, der zu einem leichten Spielball der politischen Mächte wird. Nicole Metzger hat den Text für die Bühne bearbeitet und auch selbst inszeniert.

Leonidas mal drei

Tristan Jorde und Max G. Fischnaller geben den jungen und 50-jährigen Leonidas, der zuweilen auch gleichzeitig auf der Bühne steht. Damit gelingen Metzger sehr anschaulich jene Rückblenden, die Werfel in seiner Erzählung immer wieder anführt. Mit Robert Stuc kommt noch Leonidas verarmtes Alter-Ego hinzu, vor dem sich dieser wie der Teufel vorm Weihwasser fürchtet. Es ist genau diese Angst vor einem sozialen Abstieg, welche die Hauptfigur in dem Stück so agieren lässt, wie sie agiert.

Eine blassblaue Frauenhandschrift, Theater Spielraum (c) Barbara Palffy

Eine blassblaue Frauenhandschrift, Theater Spielraum (c) Barbara Palffy

Wegschieben, was unbequem ist, unauffällig im Strom schwimmen, dann kann einem möglichst wenig passieren. Würde einem nicht sein eigenes Ego ab und zu im Weg stehen. Mit Dana Proetsch hat Tristan Jorde eine junge Ehefrau an seiner Seite, die sich, mehr ihrer Intuition geschuldet denn ihrem Intellekt, nahe an jener Realität befindet, die ihr Ehemann wegschieben möchte. Katharina Köller tritt als souveräne Jüdin Vera Wormser auf, die es sogar zustande bringt, ihr eigenes Leid zugunsten der Rettung eines jungen Mannes, hintanzustellen.

Das Gestern und das Heute auf einer Bühne

Harald Ruppert schuf eine räumliche Situation, die auch die Rückblenden ermöglicht, ohne dass dafür Umbauten notwendig werden. Die unprätentiöse Erzählweise, handwerklich gut im Spiel des Ensembles umgesetzt, folgt jener von Franz Werfel. So fließt das Geschehen wie ein stetiger, ruhiger Fluss jenem Kulminationspunkt entgegen, an dem sich die Schuld von Leonidas nicht mehr verdrängen lässt.

Mit „Eine blassblaue Frauenhandschrift“ geht das Theater Spielraum konsequent seinen eingeschlagenen Weg weiter. Dabei zeigt es sowohl „Klassiker“ des Theaters als auch solche der Literatur, die eigens für das Theater Spielraum adaptiert werden. Der kritische Blick auf soziale Entwicklungen aber auch auf die charakterlichen Schwächen einzelner Menschen steht bei diesen Inszenierungen immer unaufdringlich im Mittelpunkt. Wer ihn wahrnehmen will, kann dies tun. Wer sich aber nur einen gepflegten Theaterabend gönnen mag, ganz in Tuchfühlung mit dem Ensemble, kommt ebenso auf seine Kosten.

Webseite des Theater Spielraum

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