El rumor del incendio

Die Sprache des Feuers – Theater aus einer anderen Welt

 El rumor del incendio - Die Sprache des Feuers (Photo: Andrea López)

El rumor del incendio - Die Sprache des Feuers (Photo: Andrea López)

Das Ensemble „La gartijas tiradas al sol“ bestehend aus Francisco Barreiro, Luisa Pardo und Gabino Rodríguez gastierte mit seiner Produktion „El rumor del incendio“ zu Deutsch „Die Sprache des Feuers“ anlässlich der Wiener Festwochen im brut im Künstlerhaus. Gegenüber, im herrschaftlichen Wiener Musikverein, versammelte sich gänzlich anderes Publikum als jene Hard-Core-Theatersüchtigen, die sich nicht abhalten ließen, von den politischen Wirrnissen Mexikos der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts beinahe erschlagen zu werden. Obwohl die Veranstaltungen der beiden Häuser an diesem Abend zeitversetzt stattfanden, konnten die beiden Publikumswelten, die unterschiedlicher nicht sein können, in der Konzertpause dennoch auf dem Musikvereinsplatz aufeinandertreffen. Klassikfanatiker auf der einen Seite und jede Menge Studenten zumindest mit dem Wunschpotential, einiges auf dieser Welt zu verändern, auf der anderen. Dass die Weltveränderung ein langer, steiniger Weg sein kann, das wurde an diesem Abend im brut auf alle Fälle klar. Und das Publikum bekam diesen steinigen Weg am eigenen Leib zu spüren. Denn was als Schauspiel-Performance propagiert worden war, verlangte über lange Strecken richtiges Sitzfleisch. Anhand der Erzählung des Lebens von Margarita Urías Hermosillo, einer Mexikanerin, die sich als junge Frau für den Kampf gegen die Regierung einsetzte, versuchten die beiden Männer und ihre Kollegin auf der Bühne ein politisches Panorama Mexikos der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auszubreiten. Nach einem beklemmenden und zu Herzen gehenden Intro, in welchem das Publikum Zeuge der Misshandlungen bei der Vernehmung von Margarita wurde, flachte das theatralische Geschehen leider ab. Der Schrecken über das dunkle Theaterblut, das sich Luisa Pardo ins Gesicht geschmiert und danach noch glaubhaft ein grauenhaftes Waterboarding überstanden hatte, hielt nur kurz an. Sie war von der Polizei unter folter einvernommen worden und kam danach für mehrere Jahre ins Gefängnis.

Anstelle einer weiteren Psychogrammbeschreibung verlagerte sich der Inhalt jedoch auf die endlose Aufzählung der – so hatte es den Anschein – beinahe monatlichen Ablöse von Widerstandskämpfern und Guerillaführern, die gegen die Regierung zu kämpfen begannen. Es nutzte wenig, dass die enzyklopädische Auflistung der beteiligten Parteien durch Spielzeugrequisiten optisch ergänzt wurde. Plastiksoldaten, Flugzeuge, künstliche Urwälder aus Miniaturbäumchen für die Belebung von Spielzeugeisenbahnwelten gedacht, wurden mittels handy-cam auf die Leinwand projiziert, um Guerillaangriffe nachzustellen, Flugzeugentführungen zu veranschaulichen oder angespültes Menschengebein an den Touristenstränden von Guerrero zu zeigen. Zu sehr wurde das optische Geschehen von der akustischen Untermalung mit Zahlen, Daten und Fakten die – zugegebenermaßen grausamer nicht sein hätten können – überlagert. Doch die Grausamkeit und die Not der Menschen wurden immer nur dann spürbar, wenn die Akteurin und die Schauspieler diese personifiziert in Einzelschicksalen auf die Bühne brachten. Und dies war unabhängig von der politischen Seite, der sie angehörten. Ob Guerillakämpfer oder entführter Industrieller – dort, wo der Mensch mit seiner Ohnmacht gegenüber dem Gegner und seinem Leid spürbar wurde, dort zündete der Funke.

Dass Pardo und Rodriguez, die nicht nur für die Inszenierung, sondern auch für den Text verantwortlich zeichneten, sich sehr wohl der Längen bewusst gewesen sein müssen, lässt über die Absicht derselben nachdenken. Tatsächlich drängten sich am Ende des Stückes zwei Ideen in den Vordergrund: Gewalt gebiert Gewalt und erzeugt, wie in Mexiko heute mehr als deutlich zu erkennen, eine dementsprechende Endlosschleife. Eine Endlosschleife in Echtzeit, gegen welche die eineinhalb Theaterstunden nicht einmal ein Augenzwinkern bedeuten. Und dass wir in Mitteleuropa schon bei unserer Geburt einen Lottosechser gezogen haben, sollte nach diesem Abend auch mehr als deutlich geworden sein. In einem Land wie Österreich zu leben, in welchem sich zwar im Moment ein Untersuchungsausschuss allerlei korruptem Verhalten annehmen muss, ist gegenüber vielen Teilen der Welt – und vor allem auch in Latein- und Südamerika – ein Geschenk, das nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Als Theaterkritikerin steht man vor einem Dilemma. „Die Sprache des Feuers“ – der Titel kann nicht nur im Hinblick auf die Gewaltakte in Mexiko gedeutet werden, sondern ebenso auf die intensive Liebe, die Margarita mehrfach im Leben begegnete, wird in der südamerikanischen Rezension zwangsläufig anders aufgenommen werden als bei uns. Hier die herkömmlichen Mittel einer europazentrierten Theaterkritik aufzugreifen hieße die Augen davor zu verschließen, dass dieses Stück mehr als Theater ist. Es ist ein Informationsvehikel und eine Bewältigungsstrategie, mit der die Generation nach Maragaria Urías Hermosillo versucht, sich selbst aus der Vergangenheit heraus zu verstehen und unter Umständen auch neu einzunorden.

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