Erklär mir die Welt im Tanz – Cie Blicke im Pôle-Sud in StraßburgCie Blicke à Pôle-Sud à Strasbourg

Erklär mir die Welt im Tanz – Cie Blicke im Pôle-Sud in StraßburgCie Blicke à Pôle-Sud à Strasbourg

Michaela Preiner

Foto: ( )

6.

Februar 2010

Ein großes, dreieckiges Segel überspannt beinahe die halbe Bühne. Unter ihm liegen drei Körper, die sich langsam rollend fortzubewegen beginnen. Ihre Bewegungen erinnern an jene, die man im Wasser macht, wenn man sich entspannt treiben lässt oder auch vorwärtskommen möchte. Nach langen, fast ewig währenden Momenten finden die drei Körper zueinander, verknäueln sich zu einem […]

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Enrico Tedde mit seiner CIE Blicke im Pôle-Sud (C) Raoul Gilibert

Ein großes, dreieckiges Segel überspannt beinahe die halbe Bühne. Unter ihm liegen drei Körper, die sich langsam rollend fortzubewegen beginnen. Ihre Bewegungen erinnern an jene, die man im Wasser macht, wenn man sich entspannt treiben lässt oder auch vorwärtskommen möchte. Nach langen, fast ewig währenden Momenten finden die drei Körper zueinander, verknäueln sich zu einem Wesen und lösen sich schließlich voneinander, um aus diesem imaginären Urmeer einzeln aufzutauchen. Begleitet war ihr Schwimmen nur von Atemgeräuschen, die wie von Ferne erklangen und den Eindruck des Unterwasserszenarios noch verstärkten. Aufgetaucht aus diesem schwere- und emotionslosen Zustand befinden sie sich staunend in dieser Welt, die von Beginn an mit Unbillen auf sie reagiert.

Enrico Tedde war mit seiner Gruppe Cie Blicke und dem neuen Stück „l´eterna girandola“ in Strasbourg im Pôle-Sud zu Gast. Was er gemeinsam mit Jordi Puigdefabregas und Mariangela Siani auf die Bühne brachte, war großes, getanztes Welttheater. Und dies mit effektvollen Bühnenmitteln, wie der danach folgenden fantastischen Projektion von Flüchtlingen in Booten, denen die Gischt des Meeres um ihren Leib peitsche. Das von Siani gesungene italienische Lamento ließ sofort an die Bootsflüchtigen denken, die in diesen Tagen zu Hunderten an die italienischen Küsten gespült werden. Die emotionale Betroffenheit, die sofort einsetzte, übertraf alle Gefühle, die entstehen, wenn man diese Dramen in den Nachrichten am Fernsehschirm sieht.

Die Musik von Giorgio Tedde, dem Bruder Enricos, verstärkte und unterstütze seine Bilder auf beeindruckende Art und Weise. Auch wenn es das Tanzstück nicht gäbe, so könnte Giorgio mit dieser Arbeit bei jedem Festival für zeitgenössische Musik reüssieren. Nicht nur akustische Hintergrundbeschallung, wie die schon beschriebene Meeresgischt zog das Publikum tief ins Geschehen, sondern auch Choräle oder asiatische Ritualgesänge deuteten an, in welchem sozio-geographischen Umfeld sich die jeweilige Szene bewegte. Vom Schwimmen der Tänzer und der Tänzerin in der „Ursuppe“ unseres Planeten, das gefühlsmäßig tatsächlich lange, lange währte, über die Erhebung aus dem Wasser und der raschen Erkenntnis, allen Unbillen der Welt ausgeliefert zu sein, entwickelte Tedde eine gut nachvollziehbare Choreografie. Der Tänzer und Choreograf, der 6 Jahre lang mit Pina Bausch zusammenarbeitete, legt mit seiner neuesten Arbeit den Finger tief in emotionale aber auch psychologische Wunden.

Immer wieder schoben sich christliche Bilder ins Geschehen, ja Tedde ließ das Stück sogar in einer Art Heilsversprechen ausklingen. Ein Akt, den man heute selten auf den zeitgenössischen Bühnen – welcher Gattung auch immer – findet. Das Großartige an dieser Produktion liegt in der Vielfalt der getanzten Themen und deren Verschränkungen. Unglaublich poetisch erzählt Tedde auch die Geschichte vom Mann, der versucht, so viel Hab und Gut zusammenzuraffen, wie ihm nur möglich ist. Kleine weiße Polster stehen dafür metaphorisch und er hat seine liebe Not, sie alle von der Bühne aufzuheben, ohne dass ihm dabei einer wieder ausrutscht, um sie dann vor sich wie einen Schatz aufzutürmen. Als kurz darauf ein anderer Mann diese Polster spielerisch und voller sichtbarer Freude einen nach dem anderen in die Luft wirbelt, zerbricht für den Polstersammler sichtbar eine Welt. Außer sich läuft er über die Bühne, unfähig, sich lange auf seinen Beinen zu halten, die immer wieder einknicken. Erschreckt, ob dieser Reaktion versucht nun der Unruhestifter wiederum ihm rasch ein Kissen unter seinen Kopf zu schieben, genau in dem Moment, in welchem er die Erde berührt. Eine schönere, tänzerische Metapher für die unterschiedlichen Wertigkeiten, die Menschen gegenüber Hab und Gut zeigen, hätte Enrico Tedde wohl nicht finden können.

Das Wasser bleibt durchgehend wie ein roter Faden das Thema des Stückes. Sowohl als bedrohendes und todbringendes Element, wie durch die Bootsszenen gezeigt wird, aber auch als Leben Spendendes und Reinigendes. Dass Mariangela Siani als Frau dafür eine grüne Wasserschüssel aus Plastik auf dem Kopf tragen musste und kniend den Akt des Wäschereinigens darin erduldete, kann auch als Hinweis dafür gelten, dass es nach wie vor in vielen Gesellschaften Frauen sind, die die Last der niedrigen Arbeiten tragen müssen. Liebe, Rivalität und Einsamkeit ergänzen die mit vielen Metaphern gespickte Vorführung. Diese menschlichen Emotionen sind eingebunden in einen größeren Zusammenhang, der sich am Ende erschließt. Tedde verwandelt dabei gemeinsam mit Puigdefabregas die Segel in mit langen Holzstöcken in Stoffbahnen, die so in Bewegung gehalten werden, als handle es sich dabei um chinesische Glücksdrachen, die alljährlich zum chinesischen Jahreswechsel die Straßen Asiens bevölkern. Als der asiatische Gesang kippt und sich in einen christlichen Choral verwandelt, verwandelt sich die Idee des religiösen, asiatischen Mythos in das christliche Kernthema der Auferstehung. Die weißen Bahnen agieren nicht mehr als Segel oder Drachen, sondern als Leichentücher, die ihre Bestimmung verloren haben und sich in die Lüfte erheben. Sianis Freudentanz, der sich darunter abspielt, verstärkt die Botschaft.

Ein versöhnliches Ende einer zeitgenössischen Tanzperformance, die in ihrer poetischen Form schöner nicht sein könnte.

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Enrico Tedde avec CIE Blicke au Pôle-Sud (C) Raoul Gilibert

Une immense voile triangulaire est tendue au dessus de la scène et en couvre pratiquement la moitié de la surface. Trois corps sont allongés sous la voile. Ils commencent doucement à bouger, à rouler. Leurs mouvements rappellent ceux que l’on fait dans l’eau quand on se laisse dériver ou alors quand on cherche à avancer lentement. Après un laps de temps qui semble durer une éternité, les trois corps se rejoignent, forment une espèce d’être roulé en boule et finissent par se séparer pour faire surface. Un à un ils émergent de cette sorte d’océan originel. Des bruits de respiration lointains tout en renforçant l’image du scénario sous-marin ont accompagné cette nage étrange. Une fois que les personnages ont repris conscience après avoir été dans un état sans émotions, dans un état d’apesanteur, ils sont étonnés de se trouver dans un monde qui se montre immédiatement hostile à leur égard.

Enrico Tedde et sa troupe « Cie Blicke » ont été invités par « le Pôle-Sud » à Strasbourg. Ce qu’il nous a montré en collaboration avec Jordi Puigdefabregas et Mariangela Siani était un „teatro mundi“ dansé.  Tout ceci était corroboré par des moyens scéniques très efficaces et une projection fantastique de réfugiés sur des bateaux, les corps fouettés par l’écume de la mer. Le « lamento » italien chanté par Siani faisait penser tout de suite aux réfugiés qui échouent par centaines sur les côtes italiennes ces jours-ci. Les émotions qui naissaient immédiatement dépassaient de loin tout ce que l’on peut ressentir en voyant les images de ces drames sur un écran de télévision aux informations du soir.

La musique de Giorgio Tedde, le frère d’Enrico, soulignait les images et les rendait encore plus frappantes. Cette musique vit par elle-même, tant et si bien que Georgio Tedde aurait du succès en participant à n’importe quel festival de musique contemporaine. Le fond acoustique, comme par exemple le mugissement de l’écume comme décrit précédemment, mais aussi les chœurs ou les chants rituels asiatique emportaient le public et permettaient de situer les différentes scènes dans leur contexte socioculturel.

En partant de ce « magma originel » dans lequel nageaient les danseurs qui ont fini par en sortir pour se retrouver face à l’adversité du monde, Tedde a créé une chorégraphie bien compréhensible. Le danseur et chorégraphe qui a travaillé pendant 6 ans avec Pina Bausch, met le doigt sur des blessures profondes, aussi bien psychologiques qu’émotionnelles. Des images chrétiennes apparaissaient fréquemment au cours de l’action. Tedde allait même jusqu’à finir sa pièce avec une sorte de promesse de rédemption. Une chose que l’on ne voit que très rarement sur les scènes contemporaines, quel qu’en soit le genre. La diversité des thèmes dansés et leur tissage entre eux donnaient à cette production une dimension exceptionnelle. Tedde raconte l’histoire de l’homme qui cherche par tous les moyens à accumuler autant de biens que possible sous forme de petits coussins blancs avec beaucoup de poésie. Cet homme a toutes les peines du monde de ramasser tous ces coussins sans en perdre un seul. Il finit par les entasser devant lui comme un trésor. Quand peu de temps après un autre homme se saisit des coussins pour les lancer en l’air les uns après les autres avec une joie manifeste, un monde s’écroule pour le collectionneur de coussins. Hors de lui, il court sur la scène, cherchant désespérément à tenir sur ses jambes qui refusent de le porter. Effrayé par la réaction qu’il a provoquée, le « perturbateur » essaie mettre rapidement un coussin sous la tête du malheureux. Il le fait exactement au moment où celle-ci est sur le point de toucher terre. Une métaphore dansée, merveilleuse qui illustre parfaitement à quel point les valeurs qu’attribuent les hommes aux biens et à la propriété varient. Tedde n’aurait pu trouver mieux.

L’eau reste une sorte de fil conducteur à travers toute la pièce. Aussi bien comme un élément menaçant qui peut tuer, comme le montrent les scènes avec les réfugiés sur leurs embarcations, que comme source de la vie, comme un élément purifiant. Que Mariangela devait porter une bassine verte en plastique sur la tête et faire la lessive à genoux dans le bassin en question signifie que même de nos jours ce sont toujours les femmes dans de nombreuses sociétés à qui incombent les tâches ingrates. Amour, rivalité et solitude complètent cette représentation pleine de métaphores. Toutes ces émotions humaines sont englobées dans un contexte plus large qui se ferme à la fin. A l’aide de longs bâtons en bois, Tedde transforme avec Puigdefabregas les voiles en bandes: Ils les bougent de telle sorte qu’elles ressemblent aux dragons porte-bonheur chinois qui peuplent les rues asiatiques à l’occasion des fêtes du nouvel an.

Quand le chant asiatique bascule pour devenir chorale chrétienne, l’idée du mythe religieux asiatique se mue en sujet principal du christianisme, la résurrection. Les bandes blanches ne sont plus ni voiles, ni dragons, mais ce sont des linceuls qui, ayant perdu leur fonction initiale s’envolent dans les airs. La danse de joie que Siani effectue juste en dessous souligne ce message.

Une fin conciliatrice d’une performance de danse contemporaine qu’on ne pouvait rêver mieux.

Texte traduit de l’allemand par Andrea Isker

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