Frauen – verfolgt euer Ziel!

Laut einer Studie des Wirtschaftsministeriums würden 55% aller jungen Frauen zu Hause bleiben, wenn der Mann genügend verdienen würde. Diese Zahl stammt nicht etwa aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, sondern sie ist gerade einmal drei Jahre alt. Dass noch immer der Großteil der weiblichen Jugendlichen Lehrberufe wählt, die traditionell von Frauen besetzt sind wie z.B. Verkäuferin oder Friseurin, ist nichts Neues. Änderungen hin zu qualifizierteren und auch besser bezahlteren Jobs geschehen nur ganz langsam. Nicht viel anders sieht es bei der Wahl der Studienfächer von Frauen aus. Im Semester 2012/13 weisen die Studierenden im Bereich Naturwissenschaften und Informatik an den österreichischen FHs auch nur einen Frauenanteil von 23 Prozent auf. Es gibt wahrscheinlich mannigfache Gründe, warum das so ist. Ganz gewiss ein wichtiger ist das Fehlen von Role-Models, also von Vorbildern in diesem Bereich.

Das Theater Drachengasse kann hier im Moment gehörig Abhilfe schaffen. Unter dem zugegebenermaßen etwas sperrigen Titel „Curie_Meitner_Lamarr_unteilbar“ werden dort gleich drei vorbildhafte Frauen aus dem vorigen Jahrhundert zum Leben erweckt, die an der Entwicklung im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich erheblichen Anteil hatten. Die zweifache Nobelpreisträgerin und Entdeckerin der Radioaktivität Marie Curie, die österreichische Atomphysikerin Lise Meitner und die österreichische Hollywoodschauspielerin Hedy Lamarr, die 2014 ihren 100. Geburtstag gefeiert hätte. Vor allem Letztere ist im allgemeinen Bewusstsein nicht als technische Pionierin verankert, hat aber tatsächlich das Frequenzsprungverfahren entwickelt, welches heute als eine der Grundlagen für Bluetooth und WLAN gilt.

Das Portraittheater, mit dem das Theater Drachengasse abermals in Kooperation ging, lässt in einer 90-minütigen Show das Publikum nicht nur an den verschiedenen Entdeckungen und Erfindungen – wie in Lamarrs Fall – teilhaben, sondern gewährt auch ganz persönliche Einblicke in die Lebensgeschichten der drei Frauen. Verantwortlich für die Kurzweil und die gehörige Portion Unterhaltung des Abends ist Anita Zieher, die nacheinander in alle drei weiblichen Rollen schlüpft. Mit ihrem Studienabschluss in Politikwissenschaft und Publizistik sowie ihrer Ausbildung zur Schauspielerin ist sie selbst ein Multitalent, das wie geschaffen ist, anderen Frauen – und vor allem Mädchen – Mut zu machen. Sie kämpft als Mme. Curie gegen die Missachtung ihrer Arbeit an, in der sie zeitweise nur als „Helferin“ ihres Mannes tituliert wurde, ein Umstand, den auch Lise Meitner zu spüren bekam. Bei ihr war es nicht ihr Ehemann – Meitner war nie verheiratet – sondern Otto Hahn, der Entdecker der Kernspaltung, dem sie mit ihren Berechnungen die physikalisch-theoretische Grundlage beisteuerte. Im Gegensatz zu ihm wurde sie bei der Verleihung des Nobelpreises eben für diese bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckung nicht berücksichtigt. Zieher brilliert in beiden Rollen, kehrt vor allem die Besessenheit der Frauen zu ihrem Beruf schlüssig hervor und schafft es in der klaren Regie von Sandra Schüddekopf die naturwissenschaftlichen Leistungen so zu erklären, dass auch völlige Dummies auf diesem Gebiet ihre Aha-Erlebnisse haben. Unterstützt wird Zieher dabei von den drei Mädchen Johanna Braendle, Carla Götze und Marielies Willensdorfer, die in Videoeinspielungen im Stil von unterhaltsamen Wissenschaftsmagazinen die jeweiligen Entdeckungen anschaulich mit praktischen Beispielen unterfüttern.

Mit Hedy Lamarr schließlich verlässt Zieher die trockene wissenschaftliche Umgebung von Laboren mit technischen Apparaturen und taucht ein die glitzernde Welt von Hollywood. Lamarr, mit bürgerlichem Namen Hedwig Eva Maria Kiesler war sechs Mal verheiratet, ein Star mit einem Einkommen von Millionen von Dollar und eines der ersten Sexsymbole. Gemeinsam mit ihrem Nachbarn dem Komponisten Georg Antheil entdeckte sie, wie schon beschrieben, das Frequenzsprungverfahren. Zwar gelang es den beiden ein Patent zu erhalten, aber erst nach dessen Ablauf wurde ihre Erfindung in der Waffentechnologie gewinnbringend sowohl in der Kuba-Krise als auch im Korea-Krieg umgesetzt. Wie sehr sie sich auch über sich selbst lustig machen konnte, erfährt man mit ihrem Ausspruch, wonach jedes Mädchen glamourös aussehen könnte. Es müsste nur still stehen und dumm schauen.

Durch das geschickte Bühnenbild und vor allem auch die perfekte musikalische Untermalung von Rupert Derschmidt, in die sich auch zum Teil technische Klangphänomene mischen, erlebt man eine plausible Zeitreise, die sich vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis hin in dessen Mitte ausdehnt.

Neben dem technischen Verständnis, das die drei Frauen vereint, war es auch die Liebe zu ihren Vätern und ihr unbeugsamer Wille, das zu verfolgen und zu erreichen, wofür sie „brannten“. Ihr Selbstverständnis, als Frau neben ihren Kollegen in einer technisch dominanten Berufsumgebung anerkannt zu werden, war ebenfalls ein gemeinsamer Charakterzug, oder besser ausgedrückt ein unumstößliches Anliegen. Curie_Meitner_Lamarr_ unteilbar ist ein Theaterabend mit vielen Ansprüchen. Informativ soll er sein, unterhalten soll er und Mut soll er machen – all das ist dem Team vom Portraittheater tatsächlich geglückt.

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