Goran Bregovic – ein Konzert der Extraklasse im Zenith in Straßburg

Goran Bregovic ist derzeit mit seinem „Orchestre des mariages et des enterrements“ – seinem „Hochzeits- und Begräbnisorchester“ auf Tour in Frankreich. Er entführt sein Publikum bei insgesamt sieben Konzerten in sein musikalisches Universum, das seine Wurzeln in den Musiktraditionen des Balkans hat. Weit darüber hinaus entwickeln sich aber mittlerweilen seine Stücke, geschrieben entweder als Film- oder Bühnenmusik oder aber als Kooperationen mit internationalen Berühmtheiten wie z.B. Iggy Pop. Bregovic verlangt viel von seinem Publikum, wenn er mit zwei Stücken beginnt, die auch vor atonalen Einsprengseln nicht zurückschrecken. Er polarisiert schon in seinem Intro, indem er seine vier Streicher auf der Bühne in einen Wettstreit mit den Bläsern des Orchesters schickt. Mit rhythmisch peitschenden Sequenzen nähern sich diese auf einem Weg durch das Publikum der Bühne, begleitet vom heftigen Klatschrhythmus der Hörerinnen und Hörer, die sofort verstummen, wenn das Streichquartett zu seiner musikalisch differenzierten, Kammermusikantwort ansetzt. Der qualitativ hohe Anspruch zu Beginn des Konzertes findet seinen Widerpart auch am Ende, im letzten Stück“Belly Button of the world“, einem symphonischen Satz aus dem Soundtrack zu Kusturicas Film „underground“, was zeigt, dass Bregovic diesen Bühnenauftritt nicht nur als Ablauf einzelner Stücke versteht, die nur in unmittelbarer Abfolge aufeinander reagieren. In der 2stündigen Bühnenpräsenz, die den Musikern eine extreme Intensität abverlangt, lässt Bregovic sein Publikum ein wahes Wechselbad der Gefühle erleben, wobei seine, meist im 2/4 Takt geschriebenen, bekannten Hits natürlich jedesmal Begeisterungsstürme auslösen. Titel wie Ederlezi, Gas Gas, In the death car oder Kalashnikov sind bei seinen Fans unverzichtbare Bestandteile seiner Auftritte. Bregovic baut sie jedoch so geschickt in seine Performance ein, dass diese Gassenhauer als schöner Kontrast zu den komplexeren, längeren und für größeres Orchester und Chor gesetzten Klangbildern dienen. Die Musik von Bregovic ist nichts für Warmduscher. Sie ist schwarz oder weiß aber niemals

grau. Sie fährt genauso ins Herz wie in die Beine, aber sie verursacht auch nichtabreißen wollende Ströme von Bildern im Kopf. Bilder, welche entweder durch die verschiedenen Filme bekannt sind, die Bregovic vertont hat, Bilder aber auch, die sich ohne filmisches Vorbild aufdrängen. Bilder von kahlen Hochebenen Serbiens mit flötenspielenden Hirten, Bilder von ausgelassenen Feierlichkeiten mit Tänzern, die sich bis zum Umfallen verausgaben, Bilder von kleinen Trauerzügen, die sich vom Dorfkirchlein hin zum Friedhof bewegen oder Bilder von sich fraternisierenden und Mut zutrinkenden Soldaten. Der 1950 in Sarajevo Geborene, Sohn einer serbischen Mutter und eines kroatischen Vaters, bezeichnet sich selbst als Yugoslawen. Nach abenteuerlichen Erfolgen mit seiner eigenen Popband in den 70er und 80er Jahren, die ihn hauptsächlich auf die Bühnen des ehemaligen Ostblocks brachten und seinem endgültigen Ausstieg aus diesem harten Geschäft, zwang der Balkankrieg Bregovic zu einem Neubeginn. Sein ehemaliger Musikerkollege, Emir Kusturica, erteilte ihm den Auftrag zur Vertonung seines Filmes „Zeit der Zigeuner“, was Bregovic ab diesem Zeitpunkt eine neue, musikalische Ausdrucksmöglichkeit bot. Seither entstanden über 20 filmische Vertonungen für verschiedene Regisseure und zum Glück für seine Konzertbesucher versteht es der Künstler, Ausschnitte aus diesen Arbeiten gekonnt in seine Auftritte einzubauen. So webt er für sein Publikum farbenfrohe, blumige Teppiche aus Landschaften und Menschen des Balkans. Er zeigt sie in ihrer Klarheit und Einfachheit ebenso, wie in ihrer überbordenden  Ausgelassenheit und nicht endenwollenden Melancholie. Aus einfachen Melodien entwickelt er komplexe Klanggebilde, die jedoch, auch ohne visuelle, filmische Begleitung alleine für sich stehen können und die Zuhörerinnen und Zuhörer in ihren Bann ziehen. E- und U-Musik sind bei Goran Bregovic nicht mehr voneinander zu trennen und reichen sich in seinen Stücken vielmehr gegenseitig die Stafetten. Sie bekunden das große Talent dieses Musikers, der sich nicht nur vom Popstar hin zum international anerkannten Komponisten und Interpreten seiner Werke enwickelt hat. Vor allem hat sich seine Arbeit, und das mag wohl das Besondere und Vorbildhafte daran sein, unter der Bewahrung seiner regionalen Wurzeln zu einer Musik verändert, die ein wesentlich breiteres, europäisches Fundament aufweist. Was einige ehemalige Staaten Yugoslawiens noch immer verzweifelt versuchen – nämlich ihre europäische Anerkennung – ist Bregovic mit seiner Musik bereits exemplarisch gelungen. Hörenswert!

Weblinks:

Homepage Goran Bregovic mit Konzertdaten

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