Himmel und Hölle: Let there be LED-light!

Himmel und Hölle: Let there be LED-light!

Michaela Preiner

Foto: ( )

12.

März 2015

Ein starker, mit Botschaften voll gepackter Auftritt, bei dem allerdings die Dramaturgie stärkere Eingriffe tätigen hätte können. Die Botschaft, so gewollt, hätte dadurch unverklausulierter übermittelt werden können.

Teresa Vittuccis „Lunchtime“ und Milan Loviškas „In the cold light of darkness something`s gonna die a.k.a. ugly piece of shit“ als LED-Fingerübungen beim Imagetanz 2015

Unheimliche Körper – diesem Leitmotiv folgt das diesjährige Festival für Choreografie und Performance des Brut. Ein Thema, unter dem sich die verschiedensten künstlerischen Ausdrucksformen zusammenfassen lassen. So auch in jenen Produktionen, die an einem Abend hintereinander im Brut im Konzerthaus präsentiert wurden.

Teresa Vittucci, in Wien geboren und hier tänzerisch ausgebildet, eröffnete den Abend mit „Lunchtime“. Einer Performance, die, wie es im Programm angekündigt war, sich „mit dem herben Beigeschmack einer Sättigung auf Kosten anderer“ beschäftigte. Sehr interessant, denn, liest man diesen Text und setzt sich dann in den dunklen Saal, erlebt man weitaus mehr, als die Fokussierung auf Sättigung und Konsum. Klar, Ankündigungstexte sollen auch verklausulieren, eine Meta-Ebene ansprechen oder, oder. Ich bin allerdings ein Fan von: Da weiß ich, was ich kaufe. So gesehen waren diese Zeilen in denen auch die „Konsumgesellschaft an den Füßen des Kapitalismus saugt“ etwas irreführend oder, auch so könnte man es sehen, ein wenig weit hergeholt. Denn, was Vittuccis Performance tatsächlich ausmacht, ist ihre enorm starke Bühnenpräsenz in drei ganz unterschiedlichen Sequenzen, in denen es eher handfest zugeht.

Zu Beginn betritt sie den Raum mit einer grauen Langhaarperücke, einem knappen, falschen Pelzjäckchen und einem rüschenbesetzten Rock und beginnt hinter einem Rednerpult mit einer theatralischen Ansprache über die Genesis. „Und Gott sprach, es war Licht“ – und auf die Sekunde genau leuchtet in diesem Moment ein Spot auf sie. Es ist der erste Gag von vielen, die manches Mal hammerdick, manches Mal aber auch subversiv, oder, um es mit „more touch“ auszudrücken, subkutan daherkommen. Wenig später nimmt sie Kontakt mit dem Publikum auf, geht durch verschiedene Reihen, schnüffelt an dem einen oder der anderen, um schließlich mit einem Plastiksack auf die Bühne zurück zu kommen. Aber anstelle des nun zu Erwartenden gibt es abermals eine Verkündigung, die sich mit dem Sinn des Lebens beschäftigt. Wehe denen, die gehandicapt sind, denn laut Predigerin Vittucci ist es ein funktionsfähiger Körper, der „purpose and function“ zugleich garantiert.
Abgang und Cut.
Silberne Glitzerpants zieren nun das zweite Vittucci-alter-ego, das den Raum betritt. Man meint, sie sei gerade aus der High-School entlassen, während sie über ihre Liebe zum Tanz schwadroniert und darüber, dass sich Herpes über herumgereichte Wasserflaschen überträgt. Das auf der Bühne zurückgelassene Sandwich, das sie aus dem weißen Plastiksack hervornestelt, mutiert durch ihre Handhabung zum ungustiösen Lustobjekt, das schließlich auf dem Bühnenboden landet. Es ist aber immer noch appetitlicher als jener gebrauchte Tampon, den die Künstlerin in ihrem Mund steckt und auslutscht. Dass es kein Blut ist, mit dem er getränkt ist, versteht sich von selbst. Allein die Gesten und das Bild, das hier erzeugt wird, sind so stark, dass es schwer wird, Ekelgefühle zu unterdrücken. Lullys barockes „Dies irae“, zu dem sie dabei tanzt, knüpft direkt an die erste Szene an, und lässt die soeben erlebte Blut- und Lebensmittelschlacht als einen Frevel der Menschheit erkennen. Die kurze Publikumsbeschimpfung, in der dieses sprachlosen Kindergartenkindern gleichgesetzt wurde und die zuvor über die Rampe kam, wird durch diesen Auftritt völlig überlagert. Der Chor, der das Jüngste Gericht besingt, macht klar: Das was der Mensch hier treibt, kann nur durch Rache gesühnt werden. Auch wenn er so naiv ist, wie Vittuccis Spätpubertierende.
Licht aus und Cut.
Die letzte Szene ist fluoriszierenden Schläuchen und blauem LED-Licht geweiht. Durch die Dunkelheit erscheint der Körper von Teresa Vittucci wie ein Alien, der sich langsam auf das Publikum zubewegt. Während sie zum Pop-Song „Let the show begin“ singt, leuchtet das blaue, kleine Lämpchen aus ihrem Mund. Die Konturen ihres Slips sind durch fluoriszierende Schläuche markiert. Vorbei der Schöpfungsgedanke und jener von einer Sinnerfüllung des Lebens, vorbei jene Gesellschaft, die außer Fressen und Nonsens keine Aufgabe mehr zu erfüllen hat. Gepriesen sei die nächste Generation der Mutanten. Der Abgang in violette Nebel – wie in einer kitschigen Romanverfilmung – holt alle wieder auf den Boden der Realität. Zumindest jener des Theaters. Ein starker, mit Botschaften voll gepackter Auftritt, bei dem allerdings die Dramaturgie stärkere Eingriffe tätigen hätte können. Die Botschaft, so gewollt, hätte dadurch unverklausulierter übermittelt werden können.

Vom Himmel in der Diritissima in die Hölle

Milan Loviška, der in Wien lebt und arbeitet, präsentierte mit „In the cold light of darkness something`s gonna die a.k.a. ugly piece of shit“ an diesem Abend eine Performance, die zwar mit starken emotionalen Reizen spielte, aber dennoch weitaus weniger Botschaften enthielt als das Vorgängerstück. Der lange Titel erinnert an Robyn Orlins wuchernde Überschriften, wenngleich sich der junge Tänzer und Choreograf in dieser Inszenierung auch nicht um politische Botschaften bemühte. Vielmehr war sein Auftritt, für den Jakuf Królikowski einen harten Beat unterlegte, reines Augenfutter. Der Plot ist schnell erklärt: Eine männliche Figur bedient sich des Angst einflößenden Tributes einer Axt. Zusammen mit einer gewitzten Lichtführung – auch hier kann man sagen LED sei Dank – und einer hervorragenden Choreografie schuf Loviška eine animalisch-höllische Szenerie, die einem Horrortrip glich. Schreie, die ab und zu den Raum erfüllten, taten ein Übriges, um ein Kopfkino in Gang zu setzen, das eigene Ängste hervorholte. So stark die Optik auch fesselte, das Fehlen einer Meta-Ebene reduzierte die Arbeit auf eine rein unterhaltende. Die nur 17-minütige Nummer, in Verbindung mit der ausgeklügelten Lichtregie und dem Gänsehautfaktor, würde auch gut in einen Nachtclub passen. Vielleicht sogar besser als auf die Bühne eines Festivals.

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