Was gäbe es Traurigeres, als hier nur zu wohnen!
25. Januar 2015
Im Frühjahr wird der Thalhof in Reichenau an der Rax - nach einer umfassenden Renovierung - dem Publikum vorgestellt. Das Label „wort.spiele“, das die kommenden künstlerischen Aktivitäten umreißt, macht deutlich, dass Literatur im Zentrum des Geschehens stehen wir. Das Duo Anna Maria Krassnigg und Christian Mair wollen den Ort mit seiner bedeutsamen, literarisch-historischen Vergangenheit neu beleben. Anna Maria Krassnigg erläutert im Gespräch wie es dazu kam und welche Pläne für das ehemalige Nobelhotel vorliegen.
Michaela Preiner
Anna Maria Krassnig lehnt an einer Mauer
Foto: ()

Im Frühjahr wird der Thalhof in Reichenau an der Rax – nach einer umfassenden Renovierung – dem Publikum vorgestellt. Das Label „wort.spiele“, das die kommenden künstlerischen Aktivitäten umreißt, macht deutlich, dass Literatur im Zentrum des Geschehens stehen wir. Das Duo Anna Maria Krassnigg und Christian Mair wollen den Ort mit seiner bedeutsamen, literarisch-historischen Vergangenheit neu beleben. Anna Maria Krassnigg erläutert im Gespräch wie es dazu kam und welche Pläne für das ehemalige Nobelhotel vorliegen.

Thalhof Reichenau Werbung

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Wir befinden uns an einem besonderen Ort, dem Thalhof in Reichenau, der sich gerade in der Umbauphase befindet. Können Sie kurz erklären, was es mit diesem Haus oder präziser formuliert dem Häuserensemble auf sich hat?

Hotelrechnung vom Thalhof in Reichenau

Hotelrechnung vom Thalhof in Reichenau

Der Thalhof hat eine besondere Geschichte, die vielfältig und bunt ist. Das Haus steht seit etwa 1670/80 und war ursprünglich ein bäuerliches Gebäude. Aufgrund der Findigkeit, Intelligenz und Strebsamkeit der Besitzer und aufgrund seiner absurd schönen Lage hat er es geschafft, sich als einer der ersten touristischen Hotspots des Landes zu mausern. Ein junges Paar (Anm: Josef und Ursula Rath) hat das Gebäude, das zu einem erklecklichen Teil halb verfallen und halb ausgehöhlt war, gekauft und von unten nach oben – sozusagen von der Wurzel des Gebäudes aus – reanimiert und renoviert. Von den beiden kam dann der wunderschöne Satz: „Was gäbe es Traurigeres, als hier nur zu wohnen“. Liebenswürdigerweise kam ich dann ins Spiel. Sie haben mich schlicht und ergreifend gefragt, ob mich dieser „spinöse“ Ort interessieren würde. Ich habe mich mit Händen und Füßen gewehrt, aber es ging nicht, sich gegen diesen Ort zu wehren.

Grillparzer, Nestroy, Schnitzler sind Namen, die ursächlich mit diesem Ort verbunden sind. Was wird man in Zukunft hier präsentiert bekommen?

Die Antwort hören Sie hier:

 

Und die Referenzen ins Hier und Jetzt?

Wir werden mit Autoren wie Menasse, Schindel, mit jungen Autorinnen und Autoren wie Nino Haratischwili, Mario Wurmitzer zusammenarbeiten – um die Allerjüngsten zu nennen. Wir werden selbstverständlich mit der Schule der Dichtkunst, mit dem Reinhardt Seminar, mit der Filmakademie arbeiten. Das wird soweit gehen, dass es hier nach der Vollrenovierung dieses schönen, opulenten Gesamtensembles „residences“ für Autorinnen und Autoren geben wird. Das heißt, es soll hier nicht nur dramatische Literatur erlebt werden, sondern auch wieder neu entstehen.

Explizit noch einmal nachgefragt. Was ist für Sie das Aktuelle am Theater. Oder warum plädieren Sie dafür, warum sollten sich die Menschen aktuelle Produktionen ansehen – ich verwende den Begriff des Off-Theaters, wie immer man den auslegen möchte. Was ist es, was an diesen Spielorten, die mit kleinerem Etat ausgestattet sind, derzeit tatsächlich brennt?

Die Antwort können Sie hier hören:

 

Sie werden an diesem Ort mit ihrem bewährten Ensemble zusammenarbeiten, mit dem Sie schon seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Wie schaut es jetzt aber konkret wirklich finanziell aus? Inwieweit können Sie überhaupt über das erste Jahr hinaus vorausplanen und was können wir im ersten Jahr jetzt erwarten?

Das Programm, das wir hier zeigen wollen, wird ja nicht oder nicht vorwiegend ein Sommerspielprogramm sein, sondern wir wollen den Genius loci in dieser Form nützen, dass wir den Ort dem Publikum zu allen Jahreszeiten zugänglich machen, zu bestimmten, kuratierten Festivalzeiten. Wir sind gerade dabei zu sehen, ob der Bund, Österreich, das Bundesministerium für Kunst hier auch andockt. Wir sind in Gesprächen mit verschiedenen – ich kann es nicht anders sagen – Mäzenen, also Menschen, die wiederum den Geist dieses Ortes und die Möglichkeit einer solchen Zusammenkunft, wie sie hier gewährleistet werden kann, schätzen und fördern wollen. Und die Aufgabe dieses ersten Jahres wird permanent – und das ist wiederum die Schwierigkeit an solchen Projekten neben der künstlerischen sein, dafür, ich möchte nicht sagen zu kämpfen, zu werben, zu verführen und zu bitten, dass ein solcher Ort möglich ist und hochkarätig möglich ist. Und das sag ich auch ganz offen, da stehen wir am Anfang. Wir stehen an einem Anfang, der sich sehen lassen kann, dank der Unterstützung des Landes, sonst würden wir das auch nicht tun, das wäre unprofessionell, aber um über den Anfang hinauszuwachsen, wird es viele Komplizen brauchen.

Wann soll es jetzt eigentlich konkret losgehen? Gibt´s schon einen fixen Fahrplan?

Ja, es gibt einen Spielplan für die erste Spielzeit, der Ende Jänner, Anfang Februar rauskommen wird. Es wird, so wie es jetzt aussieht, Ende April eine große Eröffnung geben. Eröffnung heißt, das Türen und Tore geöffnet werden sich anzusehen, was hier einfach mit dem Gebäude bereits passiert ist und auf eine sehr sinnliche Weise vorzustellen, was das Gebäude füllen soll. Und danach wird es eine Sommerspielzeit geben. Das Motto der ersten Spielzeit ist „Die Residenz des Flüchtigen“. Das hat sehr, sehr viel damit zu tun, dass man ins Bewusstsein rückt, was dieser Ort überhaupt war und ist. Und dazu gibt es zeitgenössische und auch Thalhofliteratur, die wir beschnuppern werden.

Eine Abschlussfrage. Was wäre eigentlich Ihr Wunschpublikum? Ich weiß, angesiedelt zwischen Wien und Triest!

Zwischen Wien und Triest gefällt mir schon sehr gut, muss ich sagen, wissend um die Utopie, die das bedeutet und es auch immer bedeutet hat, hier. Sonst kann ich nicht umhin, mit dem Spruch zu antworten, dem man mir zum Teil schnippisch, zum Teil belächelnd angekreidet hat, als ich den Salon5 eröffnet habe – da habe ich auch diese Frage bekommen und ich habe gesagt. Von der Palmersverkäuferin zum Architekten. Also das Kenner- oder Kennerinnenpublikum an sich ist nicht das, was wir vorwiegend herziehen wollen oder müssen. Selbstverständlich freuen wir uns über jeden, der literaturbegeistert ist, der theaterbegeistert ist. Aber uns ist jeder Mensch willkommen, der Lust hat, sich über das, was der Alltag uns möglich macht, hinaus Erlebnisse zu haben, geistige Erträge zu sammeln, Lust zu haben, in Diskussionen zu geraten und sich einfach „anzusaufen“ mit spannender Dramatik.

Langversion des Interviews auf Seite 2

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