Jacques Brel im ungewöhnlichen Bigband-Sound – ein Erlebnis

Es war ein Wagnis. Ein großes sogar. Die zarten, so kunstvoll-lyrischen Chansons von Jacques Brel auf Bigbandsound zu polieren. Die Jazz Big Band Graz hat sich mithilfe des Leiters des Brussels Jazz Orchestras – Frank Vaganée – dieser Herausforderung gestellt. Dieser tourte mit seiner Band und dem französisch-belgischen Sänger David Linx vier Jahre lang mit einem Jacques Brel-Programm, das bereits abgespielt erschien. Bis die Einladung nach Graz kam und hier im Schauspielhaus das Publikum begeisterte. Vaganée und Linx folgten dem Ruf in die Steiermark und erarbeiteten mit dem Grazer Ensemble ein musikalisch höchst anspruchsvolles Programm.

Dass rhythmisch aufgeladene Klassiker wie „Amsterdam“ oder „la valse à mille temps“ mit der Klangfülle einer Bigband funktionieren können, konnte man sich noch gut vorstellen. Dass aber auch „les vieux amants“ – die liebenden Alten, oder „quand on n´a que l´amour“ – „wenn man nichts außer Liebe besitzt“, auch mit dieser Sound-Begleitung funktionieren, war schwer vorstellbar. Ganz zu schweigen von „ne me quitte pas“, jenem Lied, in dem Brel das Verlassenwerden von seiner Geliebten mit einem geradezu hypnotischem Sprachmuster hintanzuhalten versucht. Und doch: Die ausgetüftelten Arrangements machten es möglich.

Brel zu imitieren wäre ein von langer Hand geplanter Selbstmord. Brel neu zu interpretieren funktioniert auch nur dann, wenn den Ohren etwas geboten wird, das vertraut und fremd zugleich erscheint. So könnte man am ehesten das Ergebnis des Abends „Brel. Jazz Bigband Graz feat. David Linx mit den weltberühmten Songs von Jacques Brel“ beschreiben. Vieles, was da zu hören war, wurde mit einer neuen, zum Teil gewagten Harmonik unterfüttert. Vieles hat neue, rhythmische Einlagen erhalten, die teils herausfordernd zu spielen sind. Zugleich aber wurde einer der Grundregeln des Jazz beibehalten: Mit einer Reihe von Soli durften sich die einzelnen Ensemble-Mitglieder vorstellen und dabei zeigen, welche Qualität jeder einzelne Musiker vorzuweisen hat. Dabei war es schön zu sehen, welche Freude Linx selbst bei den Auftritten seiner Kollegen hatte. Immer in Bewegung, vom Rhythmus erfasst, dabei jedoch stets den Solisten den Vortritt lassend, stand er während der einzelnen Einschübe an der Seite, um sekundengenau getimt, seinen Einsatz parat zu haben. Frank Vaganée leitete abwechselnd mit Querflöten- und Saxophoneinsatz die Band von der ersten Reihe aus.

Die scharfen Bläsereinsätze bei „Mathilde“ und die Verwandlung von einem wilden Galopp, wie ihn Brel verwendete, in eine schmissige Latin-Variante kann als Musterbeispiel jener gelungenen, kreativen Verwandlung gelten, der die Chansons unterzogen wurden.

David Linx stammt ebenso wie Brel aus Belgien. Schon als Kind übersiedelte er nach New York, seit 20 Jahren jedoch lebt er in Paris. Seine Brel-Interpretationen sind frei von Pathos, aber nicht von Leidenschaft. Sein klares Timbre und seine deutliche Aussprache machen ihn zu einem Idealinterpreten jener französischen Chansons, die um die Welt gingen. Brel, dieser sensible Mensch und Musiker, schaut ihm dabei offenkundig über die Schulter, ohne sich jedoch aber aufzudrängen. „Ich musste meine Lieder wie ein Idiot selbst singen, weil sie keiner haben wollte“, erklärte er einmal in einem Interview und fügte hinzu, dass es ihm nichts ausmachen würde, wenn jemand anderer diese sängen.

Mit Linx ist dieser andere gefunden. Schade, dass Brel selbst diese Session nicht erleben durfte. Er hätte sich wahrscheinlich riesig über die neuen Bigband-Arrangements und die jazzige Vokaliterpretation gefreut. Der gute Soundmix war auch verantwortlich dafür, dass Linx vom Klangschwall der Bigband nie übertönt wurde. So manche musikalische Zwiesprache geriet meisterlich, wie jene mit Uli Rennert am Klavier oder auch jene mit dem feinen Trompetensolo in „Isabelle“ von Horst-Michael Schaffer, der auch die An- und Abmoderation gestaltete. Sich Brel nicht anbiedern, ihn aber auch nicht verleugnen. Das ist wohl jene Mischung, die diesen Abend so interessant, reizvoll und letztlich äußerst gelungen machte.

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