Mir wäre es lieb, das Stück hätte keine solche Brisanz
18. November 2015
Monadologie XVIII "Moving Architecture" von Bernhard Lang und Silke Grabinger ist ein Stück über Flucht und Emigration.
Michaela Preiner
Monadologie XVIII "Moving Architecture" (c) European Cultural News
Foto: ()

Wien Modern präsentiert gemeinsam mit dem Tanzquartier eine außergewöhnliche Zusammenarbeit. Der Komponist Bernhard Lang und die Tänzerin und Choreografin Silke Grabinger zeigen ihre Gemeinschaftsarbeit Monadologie XVIII „Moving Architecture“.

Die Idee dahinter ist komplex, die Ausführung ebenso. „Im Moment liegen die Nerven noch blank“, erklärte der Komponist wenige Tage vor der Premiere. Das hängt damit zusammen, dass die Anforderung an die Teilnehmenden extrem hoch sind. Nicht nur der Tänzer und die Tänzerin, sondern auch die Musikerinnen und Musiker sind besonders gefordert. Stehen sie doch ebenso im Rampenlicht und bleiben nicht im Bühnengraben verborgen. Eine völlig neue Erfahrung für das Ensemble Phace, das sich dieser Herausforderung stellt.

„Es gibt nicht viele Ensembles für moderne Musik, die dieses komplizierte Stück aufführen würden.“ Bernhard Lang ist realistisch und voll des Lobes für den außergewöhnlichen Klangkörper. Und schwärmt gleichzeitig von der extra aus New York eingeflogenen Sängerin Daisy Press, einer ausgewiesenen Expertin für Avantgarde-Musik. „Sie hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz und wird das Publikum unglaublich treffen“, sagt Lang voraus.

Das Stück wurde bereits in New York zwei Mal aufgeführt. Das hat damit zu tun, dass es einen direkten Bezug zum Austrian Cultural Forum hat. Jenem von Raimund Abraham konzipierten Bau, der 2002 bei seiner Eröffnung ob seiner ungewöhnlichen Form für Furore sorgte. Andreas Stadler, Leiter des ACF bis 2013, hat Lang und Grabinger anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Baus mit einer Gemeinschaftsarbeit betraut.

„Wir haben gesagt: Das probieren wir – und dann haben wir uns in der Zusammenarbeit „gefunden“, erinnert sich Bernhard Lang. Choreografie und Komposition entstanden parallel, eines beeinflusste das andere – eine sehr ungewöhnliche Entstehungsgeschichte. „Wir wollten nicht zuerst die Komposition machen und danach die Choreografie“, so Grabinger. „Diese Vorgänge sind gleichwertig und gemeinsam passiert. Wir haben uns gefragt, wie es funktionieren kann, dass Bernhard quasi auch eine Choreografie bzw. ich eine Notation mache, die Bernhard in seine Partitur integrieren kann. Ein wichtiger Punkt ist, dass die Bewegungen auf den Gesten der Musikerinnen und Musikern basieren, die ich von den Proben abgenommen habe. Ich habe mich dabei gefragt: Wie bewegt sich eigentlich ein Musiker, eine Musikerin, wenn sie nichts tun? Es ist interessant, welch lustige, interessante und unterschiedliche Gesten es da gibt. Daraus konnte ich einen eigenen Bewegungskatalog erarbeiten.“

Das ACF hat 22 Stockwerke. Lang hat die Originalpläne von Abraham auf seine Partitur übertragen und zeitlich umgesetzt. Es handelt sich um ein nach oben hin verjüngendes Haus, dessen Stockwerke immer kürzer werden. „Das Stück fängt lang an, die folgenden Teile werden dann immer kürzer. Das bedeutet, dass ich die architektonische Projektion auf mein Stück übertragen habe.“ Auf die Frage, woher denn die Idee dazu kam, erklärt der Komponist: „Die Idee der Umsetzung von architektonischen Proportionen in Musik kommt aus der Renaissance. Guillaume de Failly hat das zum Beispiel verwendet. Er hat eine Motette nach dem Grundriss des Florentiner Doms komponiert. Das hat Bruckner auch gemacht. Man nimmt an, dass die 9. nach den Grundrissen vom Stephansdom gebaut ist.“

 

„Das Haus ist ja hoch und nicht breit und ich habe versucht, in der Choreografie Bewegungen zu verwenden, die nicht in die Breite, sondern in die Höhe verweisen“, ergänzt die Choreografin ihre Vorgehensweise. Musikalisch werden Fragmente von Bob Dylan´s „Like a Rollling Stone“ zu hören sein. „Ich bin ein alter Mann“, kokettiert Lang mit seinem Alter, „ich arbeite immer mit Wiederholungen und Loops. Die ergeben dann einen ganz eigenen Rhythmus und Beat.“ Erst vor wenigen Tagen war bei Wien Modern sein DW16 Songbook I zu hören. Aufgeführt vom Klangforum Wien. Auch in diesem Werk hat sich Lang intensiv mit Popsongs, unter anderen auch von Dylan, beschäftigt. „Das ist so etwas wie eine Reminiszenz an meine Jugend, an die Rockmusik, die ich noch im Kopf hab. Ich wollte Klassik und das Zeitgenössische zusammenbringen.“

Monadologie XVIII „Moving Architecture“ ist ein Stück über Flucht und Emigration.  „Aktueller kann es gar nicht sein, aber es wäre mir lieb, das Stück hätte keine solche Brisanz!“, alle, die sich mit dem derzeitigen Geschehen im Nahen Osten und Europa beschäftigen, werden diese Lang-Aussage unterstreichen. Im engeren Sinne zeichnet das Werk das Leben von Rose Ausländer anhand ihrer Gedichte nach. Sie musste vor den Nazis von Europa nach Amerika fliehen und hat darin die erste Zeit in der neuen Heimat beschrieben. Das ACF wurde 1942 gegründet und war  während und nach des 2. Weltkrieges Anlaufstelle für viele Menschen aus Europa. „Rose Ausländer ist dem Terrorregime entkommen und hat trotzdem zu einer versöhnten Menschlichkeit gefunden“, Bernhard Lang fasst in einem Satz zusammen, welche Hauptaussage dem so komplexen Werk zugrunde liegt.

Weitere Informationen auf der Seite von Wien Modern oder dem Tanzquartier.

 

 

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