Harmageddon findet in Wien statt

Harmageddon findet in Wien statt

von | 18. März 2019 | Theater

Michaela Preiner

„Opernball“ (Foto: Barbara Palffy / Volkstheater)

18.

März 2019

Im Volx Margareten wird dem Publikum auf intelligente und exzellente Art und Weise vor Augen geführt, wozu religiöse Verblendung und rassistisches Gedankengut führen können. Mit der Dramatisierung des Romans „Opernball“ von Josef Haslinger, der 1995 erschien. Die Textfassung für die Inszenierung wurde vom Regisseur Alexander Charim und der Chefdramaturgin des Volkstheaters Heike Müller-Mertin erstellt.
Haslingers Plot, in welchem er einen Terrorakt und die Hintergründe dazu in der Wiener Staatsoper beschrieb, blieb dabei erhalten. Die Streichung von Figuren macht Sinn, wenngleich die Schauspieler – allesamt männlich – dennoch in unterschiedliche Rollen schlüpfen müssen. Und dies in einem extrem hohen Tempo, mit teilweisen Kostümwechseln.

Das Bühnenbild von Ivan Bazak, der auch die Kostüme gestaltete, kommt mit einer sichtbaren Drehbühne, die jedoch nur punktuell in hoch dramatischen Szenen eingesetzt wird, einem Schreibtisch, wenigen Sesseln und Bildschirmen aus den 90er-Jahren aus. Charim belässt damit das Geschehen in der Entstehungszeit des Romanes. Aufgrund der vielen Terroranschläge rund um den Globus, die seit dem Erscheinen von Haslingers Roman stattfanden und noch immer stattfinden, ist der Aktualitätsbezug dennoch höchst brisant.

Auch was den Hintergrund, die rechtsradikalen Strippenzieher des Anschlages, betrifft. Neonazis, aber auch ewig Gestrige aus höchsten Kreisen der Exekutive, benützen einen jungen, religiös verblendeten Mann (Sebastian Klein), der vom Gift des Rassismus bereits durchdrungen ist, um neben den Opernballgästen auch die gesamte anwesende Regierung bei dem Opernball-Anschlag zu töten und selbst bei Neuwahlen an die Macht zu gelangen.

Was im Jahr 1993 noch utopisch klang, hat heute eine Aktualität erlangt, für die das Wort Betroffenheit nicht ausreichend ist. Haslingers gekonnte Verknüpfung von großem Weltgeschehen und persönlicher Motivation, die vor Totschlag und Mord nicht zurückschreckt, wird auch in dieser Inszenierung klar und deutlich herausgearbeitet. Dass dies packend geschieht, dafür sorgt das Ensemble in einer großartigen Besetzung.

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Weiße Tücher, welche für die letzte Reise der Frau geschwungen Bernhard Dechant brilliert darin als Terrorgruppenmitglied, der seine Kameraden letztlich bei der Polizei verpfeift, aber auch als dessen Vater. Stimm- und ausdrucksstark bietet er Joe, alias „Der Geringste“, dem Anführer der Gruppe, so lange Paroli, bis er dafür mit seinem Leben bezahlen muss. Sebastian Klein als Gymnasialzögling macht in einer höchst anschaulichen Szene mit Stefan Suske als Abt von Kremsmünster deutlich, wie Letzterer durch seine Autorität den späteren Terroristen beeinflusste und im Jugendlichen jene todbringenden Gedanken pflanzte, die schließlich zur Vergiftung der Opernballbesuchenden führte.

Thomas Frank leistet Großartiges in der Rolle als Revierinspektor, der Todesangst erlebt, als er von Demonstranten umzingelt wird und sich letztlich unberechtigte Vorwürfe macht, im Vorfeld zu wenig unternommen zu haben, um den Anschlag verhindert zu haben. Aber auch als Fritz Amon, brutalem Gruppenmitläufer, nimmt man ihm jeden einzelnen Satz ab. Lukas Watzl, einzig überlebendes Terrorbandenmitglied, klärt am Ende Rainer Galke in der Rolle des Journalisten über die Zusammenhänge in der Gruppe auf.

Dieser musste miterleben, wie sein Sohn, gerade clean von einem Heroinentzug, ein Opfer des Massakers wurde und setzt alles daran, die Hintergründe dafür aufzudecken. Selbst ein Getriebener in seiner Karriere als Kriegsberichterstatter, findet er sich unversehens am Opernball und bemerkt noch kurz zuvor, dass auch sein Fernsehsender in die kriminellen Machenschaften verstrickt ist.

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„Opernball“ (Fotos: Barbara Palffy / Volkstheater)
„Opernball“ ist eines jener Theaterhighlights, in dem tatsächlich alles stimmt. Text, Regie und die Besetzung der Rollen. Schade, dass es nur im kleinen Saal des Volx Margareten zur Aufführung gelangt. Dies ist wohl zugleich ein trauriges Zeichen dafür, dass große Publikumsströme zu diesem must-see nicht erwartet werden.
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