Vom scheuen Reh zur selbstbestimmten Frau

Der Salon5 unter Anna Maria Krassnigg gastiert nun schon im dritten Jahr am Thalhof in Reichenau an der Rax. Mit „Der Fels und die Wellen – Virginia Woolf in ihren eigenen Worten“ präsentierte sich die Tirolerin Petra Gstrein in einem von ihr selbst verfassten Stück.

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Petra Gstrein als Virgina Woolf (Foto: Lisa Lesourd)

Dabei geht sie anhand von Briefen und anderen Aufzeichnungen der Autorin der persönlichen Entwicklung dieser Ausnahmeschriftstellerin nach. Die Tatsache, dass Gstrein in der sehr intimen Inszenierung sämtliche Register ihres schauspielerischen Könnens zeigen kann, aber auch ihre physische, große Ähnlichkeit mit Virginia Woolf, geben diesem Stück einen besonderen Kick. Mit einigen wenigen Möbeln – einem Ohrstuhl, einem Hocker, einem Stehpult, einem Tischchen samt Sessel und einem Perserteppich – erzeugt Antoaneta Stereva eine extrem passende Atmosphäre. Die Efeuranken, die sich des Raumes dabei bemächtigen, verweisen gleichzeitig auf die Vergangenheit, in der sich die Geschichte von Virginia Woolf abspielt.

„Ich finde es höchst interessant, wie konsequent die Schriftstellerin ihren Weg gegangen ist“, findet Gstrein, die in ihrer flüssigen Text-Assemblage eine unglaubliche Reifung der hochdekorierten Autorin aufzeigt. Agiert sie zu Beginn noch kühl und abwesend, in keiner Weise für eine Ehe bereit, so zeigt sich ihr wahres Temperament erst in der Zwiesprache mit Vita, ihrer Freundin, mit der sie, neben ihrer Ehe mit Leonard Woolf, eine romantische Affäre verband.

Einfach grandios, wie Gstrein die anfängliche Sanftheit und Schüchternheit gegen einen furiosen Auftritt austauscht, in dem Woolf ihre Freundin der Untreue bezichtigt. Einfach spannend zuzusehen, wie dabei jeder Blick, jede auch noch so kleine Geste am richtigen Fleck sitzt und dabei zugleich die Verletzbarkeit von Woolfs Seele transportiert wird. Wie sich die junge Schauspielerin dabei in Rage redet, mit funkelnden Augen ihr imaginäres Gegenüber beinahe tötet, wie sie versucht, sich mit spöttelnder Intelligenz und geschliffener Sprache gegen eine Verletzung zu wehren, die ihr – im wahrsten Sinne des Wortes – den Boden unter ihren Füßen wegzuziehen droht, all das hat große Klasse. Davon möchte man gerne öfter mehr sehen.

Petra Gstrein erarbeitete ihre Rolle mit Susan Batson, einem amerikanischen Urgestein im Bereich Schauspiel und Ausbildung sowie Giles Foreman, der dem Stück den letzten Regieschliff verpasste. Gstrein bietet diesen Abend auch in Englisch und Französisch an, wobei die deutsche Fassung auch einige englische Passagen enthält.

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Der Fels und die Wellen im Thalhof (Foto: Christan Mair)

Filmische Einspielungen zeigen einen Felsen inmitten einer Brandung. Christian Mair hat hier eine schöne Metapher für Woolf gefunden, in der das permanente Fließen ihrer Gefühle, das Sich-Offenbaren und die Drohung, im Gefühlswirrwar doch noch unterzugehen, gleichnishaft visualisiert werden.

Die Volte, die Gstrein am Schluss ihres Soloabends als gealterte Virginia Woolf macht, kommt unerwartet. Eine nach wie vor hoch reflexive, aber abgeklärte Frau, welche die Liebe in vielen Facetten kennenlernte, kehrt in Gedanken  an den Ursprung aller Liebesfähigkeit zurück– zu ihrer Mutter. Heftiger Applaus zeigte, dass Petra Gstreins Soloabend beim Publikum extrem gut ankam und damit auch einen gelungenen Auftakt zu den noch kommenden, sommerlichen Kulturveranstaltungen am Thalhof bot.

Weitere Informationen zum breit gefächerten Kulturangebot, das neben weiteren Inszenierungen auch Diskussionsveranstaltungen anbietet, finden sich auf der Homepage vom Salon5.

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