Mehr Ungarisch auf Wiener Bühnen!

Im Pygmalion Theater gab eine neue Theatertruppe mit dem Stück „Puff“ von Gabriel Barylli seinen Einstand. „Ensemble ohne Grenzen“ spielt auf Ungarisch mit deutschen Untertiteln und verblüfft durch schauspielerische Glanzleistungen.

Die Haare auf Papierpapilloten aufgedreht, einen weiten Pullover übergestreift sitzt Maria vor ihrer Nähmaschine. Als es an ihrer Türe läutet, wird sie hektisch. Martin, ein junger erfolgreicher Manager kommt das erste Mal zu ihr – und wie es aussieht, unangemeldet.

Maria (Katalin Szegő) ist eine Prostituierte und Martin (Endre Mácsai) ein Freier. Letzterer erlebt bei diesem Besuch eine wahre Erweckung. Bis es aber so weit ist, darf das Publikum allerhand Privates erfahren und Einblick nehmen in die Welt eines gestressten jungen Mannes, der Liebe nur vom Hörensagen kennt. Gabriel Baryllis Theaterstück „Puff“, das bereits 2011 im Pygmalion Theater zu sehen war, wird dort wieder gespielt. Allerdings in einer neuen Regie, von einem neuen Ensemble und nicht in Deutsch, sondern Ungarisch.

„Ensemble ohne Grenzen“, nennt sich eine kleine Gruppe rund um die Regisseurin Béata Gerendás. Katalin Szegö und Endre Mácsai spielen in „Puff“ die beiden Hauptrollen. Allen Dreien gemein sind ihre ungarischen Wurzeln und dass sie ihre zweite Heimat in Wien gefunden haben. „Ungefähr 30.000 Ungarinnen bzw. Ungarn leben derzeit in dieser Stadt, aber natürlich geht nur ein kleiner Teil von ihnen überhaupt ins Theater“. Béata Gerendás weiß um das Publikumspotential genau Bescheid, trotzdem hat sie sich Wien zu ihrem künstlerischen Mittelpunkt auserkoren. So wird Mácsai gemeinsam mit Eszter Hollósi, der Vierten im Ensemble, demnächst mit einem anderen Programm in der Brunnenpassage zu sehen sein. Einmal im Monat gibt es zusätzlich einen Literaturabend in einem Café. Aber „Puff“ gastiert in Kürze auch beim RS9-OFF Festival Theaterfestival in Budapest, wobei es aus über 70 Produktionen nominiert wurde. Danach geht es auf eine kleine Tour in mehrere ungarische Städte. Ein toller Erfolg für die Neo-Schauspielgruppe und ihre Regisseurin.

Die Komödie von Barylli, die mit einem bitteren Nachgeschmack aufwartet, hält für das Publikum auch jede Menge humoriger Momente bereit. Sie bietet Mácsai und Szegö reichlich Gelegenheit, ihr schauspielerisches Können zu präsentieren. Und das tun sie mit Verve. Die Rollen sind so angelegt, dass sie unterschiedlichste Charaktereigenschaften zeigen können. Szegö changiert dabei zwischen einer unterwürfigen Prostituierten, die ihrem Freier keinerlei Widerpart entgegensetzen möchte und einer Geschäftsfrau, die ihm am Ende alle aufgebauten Illusionen raubt. Sie gibt sich kindlich, als Femme fatale, als lebender Grabstein, der mit jeglichem Seelenmüll zugeschüttet werden darf und als herzenswarme Scheinbar-Vertraute. Mácsai, der in Serbien bereits im Film und Fernsehen arbeitete, brilliert als ausgelaugter Marketingtyp genauso wie als Softie, in dessen Rolle er zum Vergnügen des Publikums ebenso schlüpft. Die Qualität der Schauspielperformance stellt sich als die Überraschung des Abends heraus. Dass das Bühnenbild mit wenig Requisiten auskommen muss und die deutschen Übertitel etwas lichtschwach ausgefallen sind, ist der geringen Finanzausstattung geschuldet.

Die Regie konzentriert sich stark auf die Sichtbarmachung des Gefühlslebens des jungen Mannes. Dabei kommt Gerendás die Ausdrucksstärke des Hauptdarstellers entgegen. Damit das Geschehen nicht unter die Gürtellinie abrutscht, setzt sie auf eine gehörige Portion Witz. Ein unglaublich fragiles, quietschendes Klappbett mit ausgeleierten Federn bietet alles andere als ein lauschiges Surrounding für ein Liebesabenteuer. Als Teegeschirr kramt Maria ein Plastikgedeck hervor aus dem anschließend Lufttee getrunken wird. Kleine Eingriffe mit großer Wirkung.

Noch kann niemand des Ensembles von der Schauspielerei oder dem Regieführen leben. Alle haben Brotberufe, die sie neben ihren Proben und Auftritten verfolgen. Vom Barkeeper über eine Reinigungskraft bis hin zu einer Schauspielpatientin ist alles vertreten. Auf Zukunftswünsche angesprochen meint Gerendás: „Das Einzige was wir wirklich wollen, ist Theater machen.“ Jung, dynamisch, arbeitswütig und sympathisch: Das „Ensemble ohne Grenzen“ hat gute Voraussetzungen, dass sich dieser Wunsch erfüllt, wenn die finanzielle Basis dafür geschaffen werden kann.

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