Schaut, hört und fühlt!

Schaut, hört und fühlt!

Elisabeth Ritonja

Foto: ( )

7.

Oktober 2013

Sadeh 21 im Tanzquartier in Wien ein Tanzabend, der nicht nur tänzerische Höchstleistungen lieferte, sondern bei dem alle, die nicht nur sehen und hören, sondern auch fühlen konnten, mit großen Emotionen beschenkt wurden.

Die Batsheva Dance Company war mit Sadeh21 zu Gast im Tanzquartier Wien

Die erste große Produktion dieser Saison des Tanzquartiers in Wien hatte es in sich. Mit gleich 16 TänzerInnen der Batsheva Dance Company aus Israel war fulminantes Tanztheater angesagt. Und das in gleich mehrfacher Bedeutung. Nicht nur die Anzahl der Tänzerinnen und Tänzer war erstaunlich, Quantität alleine macht noch keine gute Performance. Was an diesem Abend aber auch an Qualität mitgeboten wurde, verschlug einem zeitweise den Atem.

Es ist kein Leichtes, Sadeh21 zu charakterisieren. So vielfältig sind die Auftritte, so abwechslungsreich die Bilder und so ausdrucksstark einzelne Passagen, dass aus dem facettenreichen Ganzen erst im Nachhinein auch gedanklich ein schlüssiges Konzept gebastelt werden kann. Auf der anderen Seite braucht es gar keine große Gedankenanstrengung, wenn man die Aufführung als etwas nimmt, das mitten aus dem Leben entnommen scheint, ja in vielerlei Hinsicht unser menschliches Leben an sich charakterisiert.

Da treffen Menschen aufeinander, zu zweit, zu dritt oder auch in größeren Gruppen. Sie interagieren miteinander, wie soziale Wesen es eben tun, freuen sich, lieben sich und kämpfen gegeneinander. Da bleiben Menschen wie einsame Inseln ganz auf sich alleine gestellt, während um sie herum eine geschäftige Betriebsamkeit herrscht. Sie jedoch scheinen wie herausgelöst aus all dem Menschentumult. Dieses Gefühl der Einsamkeit in der Masse produzierte Ohad Naharin, langjähriger Choreograf und künstlerischer Leiter der Company nicht nur einmal an diesem Abend. Mit einer speziellen Dramaturgie, die, wie mit Zwischenschnitten eines Filmes, von einem Moment auf den anderen das meist enorme Tempo komplett aus den Bewegungsabläufen nahm und die Tänzerinnen und Tänzer einfrieren oder sich in Slow Motion bewegen ließ, erzeugte er diesen starken Eindruck. Diese unglaublich poetischen Momente zogen sich leitmotivisch durch all die unterschiedlichen Szenen und divergenten musikalischen Elemente.


Dazwischen aber pulsierte das pure Leben, vollgepackt mit lebendigem Tanz der Extraklasse. Gemischt mit akrobatischen Elementen und Figuren aus dem klassischen Ballett präsentierte sich das junge Ensemble von seiner besten Seite. Ohne jegliche Ablenkung von Requisiten nutzte es die Bühne, die in der Tiefe durch eine helle Wand etwas gekürzt war, voll aus. Schon in den ersten Auftritten – Soli – in welchen alle ihre herausragende körperliche Verfassung zeigen konnten – wurde der Bühnenraum von links nach rechts oder auch umgekehrt komplett durchtanzt. Auch die Kostüme lenkten in keiner Weise von der intensiven Körperperformance ab – im Gegenteil. Die knappen Shorts und T-Shirts betonten die durchtrainierten Körper und vermittelten durch ihre gedämpfte farbliche Gestaltung, aus der nur einige wenige kräftige Farbtupfer ins Auge stachen, eine elegante Aura. Aus der fließenden Choreografie, in welcher das Zusammenkommen und das Auseinandergehen der Menschen zu einem sensiblen getanzten Netz geflochten wurde das niemals abriss, gab es immer wieder abseits dieses wogenden Geschehens atemberaubende Szenen. Ob allein oder zu zweit – im Vordergrund dabei stand immer eine extreme Körperlichkeit. Dabei spielten vor allem auch Elemente aus der Bodengymnastik eine wichtige Rolle. Gekonnt – von avantgardistisch bis fast zur kitschigen Schmerzgrenze eingesetzt – unterstützte Maxim Waratt mit seinem Soundtrack die Performance. Eine krachende Geräuschkulisse gleich zu Beginn und ein die Luft zerschneidendes, weibliches Lamento am Ende der Aufführung ließ niemanden im Publikum kalt. Dazwischen gab´s aber auch Klassisches bis hin zur eposhaften Filmmusik aus Mulholland Drive von David Lynch. Ein Druck auf die Tränendrüsen, der seine Wirkung nicht verfehlte.

Die geschlechtergetrennten Auftritte im letzen Teil des Abends, bei welchen jugendliche, unbeschwerte Weiblichkeit einer kumpanenhaften, beinahe schon martialischen Männlichkeit entgegengesetzt wurde, zeigten noch einmal geballt die beeindruckende Homogenität der Truppe. Nach einem starken Bild, in welchem hinter den ausgelassenen, feiernden Mädchen die Männer in schwarzen Frauenkleidern wirbelnd ihr Unwesen trieben, endete die Vorstellung in einem Massenexodus. Ob sich die Tänzerinnen und Tänzer im freien Fall ins Bühnenoff stürzten, um sich zu entleiben, oder ob es sich um Sprünge ins Wasser handelte – beide Interpretationsmöglichkeiten blieben dabei offen. Die anschließende Verweigerung, bei den Ovationen noch einmal auf der Bühne zu erscheinen evozierte letzte, große Gefühle. Ein Abend, der nicht nur tänzerische Höchstleistungen lieferte, sondern bei dem alle, die nicht nur sehen und hören, sondern auch fühlen konnten, mit großen Emotionen beschenkt wurden.

Tänzerinnen und Tänzer:
Stehanie Amurao, William Barry, Ariel Cohen, Omri Drumlevich, Chen-Wei Lee, Eri Nakamura, Ori Moshe Ofri, Shamel Pitts, Oscar Ramos, Nitzan Ressler, Ian Robinson, Or Schraiber, Maayan Sheinfeld, Bobbi Jene Smith, Maya Tamir, Adi Zlatin.

Links:

Tanzquartier
Batsheva

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