Atemberaubende Percussion

Atemberaubende Percussion

Martin Grubinger (Foto: Simon Pauly)

Auf der Bühne ist kein Zentimeter freier Platz. Aufgestellt sind aber nicht Sesselreihen und die großen Instrumente eines Symphonieorchesters, sondern ungezählte Percussion-Instrumente. Im Stefaniensaal in Graz präsentierte der Musikverein sein 3. Solistenkonzert in dieser Saison und lud dazu den österreichischen Shootingstar auf dem Percussion-Gebiet ein. Martin Grubinger hat auf bereits allen nur erdenklichen, großen Bühnen dieser Welt gespielt und ist im Moment mit einem Programm unterwegs, das er zum Teil solistisch, zum Teil mit Kollegen bestreitet. Dass er dabei zugleich auch noch als Moderator fungiert, hebt seine Sympathiewerte immens. Grubinger ist einer, der sich nicht hinter einem steifen Musikformalismus versteckt. Ganz im Gegenteil. Science-fiction-Liebhaber mögen ihn als Außerirdischen bezeichnen, Religiöse als göttlich oder auch des Rhythmus-Teufels Advokat. Nüchtern betrachtet ist er eine absolute Ausnahmeerscheinung in seinem Bereich.

Percussionisten kennt man höchstens von den großen Pop-Bands, aber im Konzertsaal hat es noch keiner außer Grubinger geschafft, sich einen klingenden, international bekannten Namen zu machen.

Das höchst ambitionierte Programm forderte das Publikum, aber vor allem Grubinger und seine fünf Kollegen. Sowohl musikalisch als auch körperlich. Denn unzählige Platzwechsel, verbunden mit Instrumentenwechseln stehen dabei an. Außerordentlich schwierige, komplexe Partituren müssen bewerkstelligt werden, angefeuert von einem Rhythmus-Vollblut, dessen Lieblingsinstrument die Marimba ist. Und die ist häufig im Einsatz. Gleich zu Beginn zeigt Grubinger, dass man als Percussionist nicht unbedingt nur mit Lautstärke überzeugt. Denn der zarte Auftakt, Solo XV für Marimba, eine Uraufführung des Finnen Kalevi Aho (geb. 1949), lässt noch in keiner Weise das spätere Energiefeuer durchblitzen, das noch kommen wird.

Schon da wird aber klar: Grubinger spielt nicht, er IST Musik, auch wenn sich dies reichlich abgedroschen anhört. Alles, was er präsentiert, spielt er so, als hätte er es selbst komponiert. So, als strömte es auf ganz natürliche Weise aus ihm heraus in die Marimba- oder seine Percussion-Schlägel. Während seine Kollegen bei schwierigen Passagen immer wieder leise vor sich hin mitzählen, um nicht aus dem Takt zu geraten, spielt ihr Chef so, als wüsste er nicht einmal, was zählen ist. Seine beredte Mimik unterstreicht zugleich wunderbar die unterschiedlichen Klangcharaktere. Agiert er im hohen Bereich, lächelt er zart, aber beständig, kommt er in Klangtiefen, verdüsterst sich sein Blick und erhält zuweilen etwas Ekstatisches. Es ist dieses ganz Einswerden mit der Musik, dieses darin Aufgehen und zugleich auch Brillieren, das so fasziniert. Abgesehen von einer technischen Fertigkeit, von der man weiß, dass sie nur erreicht wird, wenn eine außergewöhnliche Begabung auf Fleiß trifft.

Mit Maki Ishiis „13 Drums“ präsentierte er einen „Klassiker“ der Schlagzeugliteratur und zeigte, was es heißt, neben allem Herumwirbeln auf den unterschiedlichen Trommeln einen beinahe durchgehenden Ostinato-Rhythmus von der linken in die rechte Hand zu schieben und umgekehrt. Kalevi Ahos Komposition „Sieidi“ umkreist das Thema „heilige Instrumente“ und vereint eine ganze Reihe von Percussion-Instrumenten mit dem Klavier. Grubinger präsentierte mit seinem Ensemble darin Kraftvolles und Sphärisches gleichermaßen und oszillierte zwischen meditativen Klängen und orgiastischen Einschüben.

Nach dem Solostück von Iannis Xenakis „Rebonds b“, bei dem sich eine Pauke im Wettstreit mit Bongos und Tom-Toms befindet, performten die Musiker nach der Pause eine 40-minütige Suite, zusammengestellt von Martin Grubinger sen. Dabei wurde deutlich, welcher Klangreichtum in den Percussion-Instrumenten steckt. Die Reise quer durch zeitgenössische Schlagzeugliteratur, ebenfalls an vielen Stellen mit Klavierbegleitung, bot ein immens abwechslungsreiches Bild – nicht nur musikalisch. Immer wieder kamen Bühnenarbeiter und stellten Instrumente um, oder trugen sie fort, während Grubinger und seine Musiker unbeirrbar weiterspielten. Jazziges, wechselte sich mit Afrikanischem, Lyrisches mit Kraftvoll- Donnerndem und Theatralem ab. All das wurde erst in unserem und im vorigen Jahrhundert komponiert, als die Rhythmusinstrumente erst ihre großen Auftritte in den Konzertsälen erhielten. Wohl auch, weil sie, wie unter anderen Marimbas und Xylophone, auch melodisch zum Klanggeschehen beitragen konnten. Grubinger sen. verarbeitete Material von 10 verschiedenen Kompositionen und betonte damit nicht nur die immense musikalische Bandbreite, die mit diesen Instrumenten wiedergegeben werden kann. Es ist ein Bravourstück für seinen Sohn, der dabei klar machte, dass er nicht nur ein außergewöhnlicher Solist ist, sondern genauso versteht, in einer Gruppe aufzutreten und diese – egal von welchem Instrument auch immer – zugleich auch zu leiten. Mit einem wilden, atemlosen Ritt, harten Unisonoschlägen, rhythmischen Schreien und einer Gesangsbegleitung, die das Testosteron bis in die letzten Reihen des Saales spürbar machten, endete schließlich „Prismatic Final Suite“. Das atemberaubende Konzert wurde von Standing ovations beendet – die sich auch nach jeder der drei Zugaben wiederholten.

Mit Martin Grubinger traten auf: Slavik Stakhov, Rainer Furthner, Leonhard Schmidinger, Alexander Georgiev und Per Rundberg am Klavier.

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Foto ECN

Auf dem Highway to hell mit der Ukulele im Gepäck

Auf dem Highway to hell mit der Ukulele im Gepäck

Ukulele Orchestra of Great Britian • Foto: Allison Burke

Very british kommen sie auf die Bühne. Mit stoischem Gesichtsausdruck nehmen sie Platz und begrüßen erst einmal das Publikum im Festspielhaus St.Pölten. Noch ist nicht die Hölle los – aber zumindest vorausprogrammiert. Das wissen jedoch nur jene, die schon einmal bei einem Konzert der Ukulele Band aus Großbritannien dabei waren.

1985 war der erste Auftritt als reiner Spaß-Gig gedacht. Da er aber dermaßen gut ankam, setzten die Gründer des Ensembles ihre Auftritte kurzerhand mit den „Bonsai-Gitarren“ fort. Heute, nach 35 Jahren, ist ein Großteil der damaligen Mitglieder noch immer dabei. Der Unterschied ist nur, dass sie heute, im Gegensatz zum Beginn, große Häuser wie die Carnegie-Hall oder das Sydney Opera House füllen oder mal schnell bei der privaten Geburtstagsparty der Queen auftreten.

Das Oktett besteht aus 2 Frauen und 6 Männern und hat sich zur Aufgabe gemacht, sein Publikum zu überraschen. Das Ensemble möchte, dass jene, die nicht ganz freiwillig in ihr Konzert kommen und befürchten, eineinhalb Stunden langweilige Ukulele-Klänge über sich ergehen lassen zu müssen, danach zu Fans geworden sind.

Aus diesem Grund besteht das Programm aus einer gelungenen Mischung aus gecoverten Pop- und Rocksongs, aus jazzigen Nummern, Filmmusik und sogar einigen klassischen Stücken. Einer ihrer all-time-hits ist Ennio Morricones Lied aus „The good, the bad and the ugly”, im Gegensatz zum Original kommt es jedoch ohne jegliche künstliche Geräusche und Klänge aus. Alles was zu hören ist, sind Ukuleles und menschliche Stimmen. Und das funktioniert riesig gut. Genauso wie „Hotel California“ von den Eagles oder „I will survive“ von Gloria Gaynor. Mit jedem neuen Stück wird die Stimmung im Saal weiter angeheizt, denn bei diesem breit gefächerten Angebot ist für jeden und für jede etwas dabei.

„Sweet dreams“ von Eurythmics gehört zu jenen anspruchsvollen Ohrwürmern, bei welchen die Briten so richtig zeigen, was sie stimmlich draufhaben, denn die perfekt arrangierten, komplizierten Akkorde kommen rein und dicht zugleich und gehen durch die Ohren wie Samt und Seide. Die Ansage, dass sie sich für den Brexit entschuldigen und sich nicht erklären können, was in Großbritannien derzeit politisch gerade abgeht, nimmt man ihnen aufs Wort ab. Sind sie doch nun seit 35 Jahren im Showbusiness auf der ganzen Welt vertreten. „There is more which unites us then divides us“ – lassen sie an anderer Stelle noch einmal wissen und bekommen dafür langen Applaus.

Der feine britische Humor, den sie mitgebracht haben, sorgt auch für jede Menge Lacher. Vorzugsweise bei ihrer Interpretation von „Every breath you take“ von Police. Sie seien bei einem Besuch im Silicon Valley draufgekommen, dass dies das Lieblingslied von Marc Zuckerberg sei. Wer das gehört hat, kann den Song nie mehr ohne Dauerschmunzeln genießen – probieren Sie es einfach selbst aus!

Bald danach mutiert ein Stück von Georg Friedrich Händel zum 7-stimmigen Kunstwerk. Das clevere Arrangement schafft es, die Grundharmonieabfolge des Barockmeisters mit sieben verschiedenen Nummer 1 Hits zu unterlegen. Nicht enden wollender Applaus belohnte diese tolle Idee und hinreißende Ausführung. Mit AC/DCs „highway to hell“ rockte der Saal schließlich ohne Ende und nach dem finalen Song – „Heroes“ von David Bowie – wurde das Ukulele Orchestra of Great Britain mit Standing ovations bedacht. Ein Abend vollgepackt mit Ohrwürmern, aber auch Unerwartetem sowie jeder Menge Spaß. Great!

Jacques Brel im ungewöhnlichen Bigband-Sound – ein Erlebnis

Jacques Brel im ungewöhnlichen Bigband-Sound – ein Erlebnis

Es war ein Wagnis. Ein großes sogar. Die zarten, so kunstvoll-lyrischen Chansons von Jacques Brel auf Bigbandsound zu polieren. Die Jazz Big Band Graz hat sich mithilfe des Leiters des Brussels Jazz Orchestras – Frank Vaganée – dieser Herausforderung gestellt. Dieser tourte mit seiner Band und dem französisch-belgischen Sänger David Linx vier Jahre lang mit einem Jacques Brel-Programm, das bereits abgespielt erschien. Bis die Einladung nach Graz kam und hier im Schauspielhaus das Publikum begeisterte. Vaganée und Linx folgten dem Ruf in die Steiermark und erarbeiteten mit dem Grazer Ensemble ein musikalisch höchst anspruchsvolles Programm.

Dass rhythmisch aufgeladene Klassiker wie „Amsterdam“ oder „la valse à mille temps“ mit der Klangfülle einer Bigband funktionieren können, konnte man sich noch gut vorstellen. Dass aber auch „les vieux amants“ – die liebenden Alten, oder „quand on n´a que l´amour“ – „wenn man nichts außer Liebe besitzt“, auch mit dieser Sound-Begleitung funktionieren, war schwer vorstellbar. Ganz zu schweigen von „ne me quitte pas“, jenem Lied, in dem Brel das Verlassenwerden von seiner Geliebten mit einem geradezu hypnotischem Sprachmuster hintanzuhalten versucht. Und doch: Die ausgetüftelten Arrangements machten es möglich.

Brel zu imitieren wäre ein von langer Hand geplanter Selbstmord. Brel neu zu interpretieren funktioniert auch nur dann, wenn den Ohren etwas geboten wird, das vertraut und fremd zugleich erscheint. So könnte man am ehesten das Ergebnis des Abends „Brel. Jazz Bigband Graz feat. David Linx mit den weltberühmten Songs von Jacques Brel“ beschreiben. Vieles, was da zu hören war, wurde mit einer neuen, zum Teil gewagten Harmonik unterfüttert. Vieles hat neue, rhythmische Einlagen erhalten, die teils herausfordernd zu spielen sind. Zugleich aber wurde einer der Grundregeln des Jazz beibehalten: Mit einer Reihe von Soli durften sich die einzelnen Ensemble-Mitglieder vorstellen und dabei zeigen, welche Qualität jeder einzelne Musiker vorzuweisen hat. Dabei war es schön zu sehen, welche Freude Linx selbst bei den Auftritten seiner Kollegen hatte. Immer in Bewegung, vom Rhythmus erfasst, dabei jedoch stets den Solisten den Vortritt lassend, stand er während der einzelnen Einschübe an der Seite, um sekundengenau getimt, seinen Einsatz parat zu haben. Frank Vaganée leitete abwechselnd mit Querflöten- und Saxophoneinsatz die Band von der ersten Reihe aus.

Die scharfen Bläsereinsätze bei „Mathilde“ und die Verwandlung von einem wilden Galopp, wie ihn Brel verwendete, in eine schmissige Latin-Variante kann als Musterbeispiel jener gelungenen, kreativen Verwandlung gelten, der die Chansons unterzogen wurden.

David Linx stammt ebenso wie Brel aus Belgien. Schon als Kind übersiedelte er nach New York, seit 20 Jahren jedoch lebt er in Paris. Seine Brel-Interpretationen sind frei von Pathos, aber nicht von Leidenschaft. Sein klares Timbre und seine deutliche Aussprache machen ihn zu einem Idealinterpreten jener französischen Chansons, die um die Welt gingen. Brel, dieser sensible Mensch und Musiker, schaut ihm dabei offenkundig über die Schulter, ohne sich jedoch aber aufzudrängen. „Ich musste meine Lieder wie ein Idiot selbst singen, weil sie keiner haben wollte“, erklärte er einmal in einem Interview und fügte hinzu, dass es ihm nichts ausmachen würde, wenn jemand anderer diese sängen.

Mit Linx ist dieser andere gefunden. Schade, dass Brel selbst diese Session nicht erleben durfte. Er hätte sich wahrscheinlich riesig über die neuen Bigband-Arrangements und die jazzige Vokaliterpretation gefreut. Der gute Soundmix war auch verantwortlich dafür, dass Linx vom Klangschwall der Bigband nie übertönt wurde. So manche musikalische Zwiesprache geriet meisterlich, wie jene mit Uli Rennert am Klavier oder auch jene mit dem feinen Trompetensolo in „Isabelle“ von Horst-Michael Schaffer, der auch die An- und Abmoderation gestaltete. Sich Brel nicht anbiedern, ihn aber auch nicht verleugnen. Das ist wohl jene Mischung, die diesen Abend so interessant, reizvoll und letztlich äußerst gelungen machte.

Pranken wie ein Löwe und Feuer im Blut

Pranken wie ein Löwe und Feuer im Blut

Seine Videos auf Youtube wurden mittlerweile zig-millionfach angeklickt. Nach seiner ersten Amerika-Tour gastierte der Tastenbändiger Peter Bence in der Stadthalle in Graz. Gut ein Viertel seines Publikums stammte aus Ungarn, der Heimat des jungen Pianisten.

Sein Auftritt – im Dunkel und mit bassig-stampfendem Klavierrhythmus unterlegt – erzeugt eine unerwartete Spannung, die sich rasch in ein Aha-Erlebnis auflöst. „Black and white“ von Michael Jackson stellt er – vielleicht sogar programmatisch – an den Beginn seines Konzertes. Dass damit nicht nur Hautfarben gemeint sein können, liegt auf der Hand. „Die Tastatur beträgt nur 5% dieses Möbelstückes“, erklärt er kurz darauf launig und demonstriert, welche Klänge er durch Zupfen und Streichen der Saiten, durch Klopfen auf den Korpus und mit dem Deckel noch erzeugen kann. Seine Arrangements von Pop-Klassikern erinnern zeitweise an große Hollywoodmusik. Aber mit Amerika, dem Land, in dem er nach seiner Ausbildung als klassischer Pianist, Filmmusik studierte, verbindet ihn noch mehr. Einer seiner größten Inspirationsquellen ist John Williams, wie er nach seinem mitreißenden Beginn dem Publikum mit Handmikro erklärt. Danach lässt er ein Medley folgen, in dem nicht nur Star Wars aus der Feder des Filmmusikkomponisten die Halle klanglich füllt. Unglaublich fein seine Harry-Potter-Interpretation, bei der er das kleine Glockenspiel perlend zum Klingen bringt, während er zugleich das musikalische Hauptthema weiter verfolgt.

Peter Bence

Peter Bence

Bence ist einer, der sich nicht einfach hinsetzt und seine Fans im Programmheft – das es gar nicht gibt, nachblättern lässt. Er ist ein Entertainer, der seine Show selbst moderiert, dabei aber nie dick aufträgt. Immer wieder spürt man, dass ihm der Schalk im Nacken sitzt, auch wenn er mit seinem Publikum ins Zwiegespräch kommt.

Kompositorisch schafft er es, den Bogen von den Number-One-Songs so aufzubereiten, dass jede Menge klassisches Inventar darin vorkommt, sich dabei aber nicht aufdrängt. Er lässt Läufe vom Stapel, als ob es kein Morgen gäbe, spielt feine Triller genussvoll aus und hämmert seine Fortissimi, als ob er die Pranken eines Löwen besäße. Markenzeichen ist sein Armrudern, mit dem er kraftvolle Passagen beendet. Dabei prallen seine Hände vom Klavier ab, als würden sie von einem elektrischen Schlag getroffen worden sein.

Mit klassischer Attitüde hat das überhaupt nichts zu tun, vielmehr spürt man, wie elektrisiert Peter Bence von seinem Spiel und der Musik selbst ist. Einem atemberaubenden Klavierspiel, das nur durch eine klassische Ausbildung so zustande gekommen ist. Seine Eigenkompositionen umspannen eine große musikalische Bandbreite. Von Neo-Romantik „Midnight-Medley“ bis hin zu seiner „Fibonacci sequence“, die man mathematisch sicher lupenrein auseinandernehmen könnte. Dass sie auch musikalisch funktioniert, zeigte die Begeisterung des Publikums. „Meine CD wird demnächst erscheinen. Ach, das sage ich schon die ganze Zeit“. Mit dieser Aussage hatte Bence die Lacher auf seiner Seite. In einem Interview machte er aber deutlich, dass er sich für dieses Projekt die Latte sehr hoch gelegt hat und damit ringt, nur das Beste vom Besten einzuspielen.

Eine Lightshow, die jeden normalen Konzertpianisten aus dem Konzept bringen würde und die Einspielung von Loops, Percussionklängen und mehreren Stimmen, zuvor von ihm nur am Klavier aufgenommen, machen seinen Sound zum Erlebnis. Dennoch wäre es falsch, Bence als einen Pop-Künstler zu bezeichnen. Gerade die außergewöhnliche Mischung aus Pop und Klassik, die er für sich entdeckt und kultiviert hat, macht ihn so einzigartig. Dass er damit viele Menschen in Konzertsäle lockt, die sonst einen weiten Bogen darum machen würden, ist ein großes Verdienst. Die Leidenschaft, das Feuer, das in ihm beim Spielen brennt, ist unglaublich ansteckend und dürfte auch viele motivieren, die selbst Klavier spielen oder es  erlernen, ihr eigenes Instrument neu zu erkunden. Nach eineinhalb Stunden Vollpower am Klavier dankte das Publikum zu Recht mit Standing Ovations.

Dass Peter Bence ein Publikum erreicht, das Generationen übergreift, illustriert eine kleine Abschlussanekdote. „Gibt es von ihm auch Noten, das möchte ich auch gern spielen?!“, fragt ein Volksschulmädchen nach dem Konzert ihre Begleitperson, eine ältere Dame, sichtlich ihre Großmutter. „Ich glaube schon“, antwortet diese mit dem Zusatz: „Da musst aber sicher noch ein bisschen üben!“. Worauf die Antwort wie aus der Pistole geschossen kam: „Du aber auch, Oma!“

Klavierspielen bedeutet viel mehr, als nur die Tasten zu drücken

Klavierspielen bedeutet viel mehr, als nur die Tasten zu drücken

Klavierspielen bedeutet viel mehr, als nur die Tasten zu drücken

Von Michaela Preiner

Peter Bence
01.
November 2019
Peter Bence füllt derzeit rund um den Globus die Konzerthallen. Wie kaum ein zweiter Pianist hat er innerhalb kurzer Zeit einen kometenhaften Aufstieg erlebt. Nach der Veröffentlichung einer Interpretation von Michael Jacksons „Bad“ ging sein Video auf den Social Meda-Kanälen ab wie die Post und erreichte innerhalb kurzer Zeit Millionen Likes. Gerechnet hat der sympathische junge Pianist aus Ungarn nicht wirklich damit. Obwohl seine Karriere zumindest zum Teil geschickt geplant war. Als „schnellster Klavierspieler der Welt“ brach er 2012 den vorigen Rekord und spielte 765 Anschläge in einer Minute. Was nicht künstlerisch, sondern rein technisch angelegt war, wurde jedoch von Millionen Menschen wahrgenommen und damit war die erste Stufe auf dem Weg zur internationalen Bekanntheit erklommen.
In den letzten Jahren hat er eine ganze Anzahl von Videos online gestellt, in denen er mit den selbst arrangierten Songs zu sehen ist. Er benützt dabei immer neue Locations, mit unterschiedlichen Klavieren. Die Leidenschaft, mit der er spielt, ist zu seinem Markenzeichen geworden. Und die Verwendung einer Loop-Maschine, die er während seines Spiels zusätzlich bedient. Selten sieht man Pianisten, mit so einem intensiven Körpereinsatz und selten springt der Funke der Freude, die er beim Spielen hat, so schnell aufs Publikum über wie bei Peter Bence.

Heute trainiert er nicht mehr die Geschwindigkeit seiner Finger, um sich mit anderen für das Guinness Buch der Rekorde zu messen. Vielmehr verwöhnt er sein Publikum nicht nur mit den bekannten Hits, sondern auch mit eigenen Kompositionen. Demnächst soll eine CD mit diesen Songs erscheinen, was Bence als weiteren, wichtigen Schritt seiner Karriere ansieht.

Das folgende Gespräch führten wir im Oktober 2019, wenige Tage vor seinem Auftritt in Graz.

Peter Bence

Peter, Sie kommen gerade aus den USA zurück, leben Sie dort noch?

Nein, ich lebte dort 3 Jahre lang, während meiner Studienzeit. Meine aktuelle Tour nach Amerika dauerte 1 Woche und ich gab dort 4 Konzerte in Boston, New York, Philadelphia und Washington. Nächstes Jahr werden es noch mehr werden.

Ihre Karriere ist sehr interessant, weil sie ja ursprünglich klassischen Klavierunterricht hatten.

Ja, das stimmt. Ich begann sehr früh, schon mit 5 Klavier, zu lernen und hörte damit auf, als ich mit der Highschool fertig war, mit 18/19. Das bedeutet, dass ich während meines Lebens bisher hauptsächlich Klassik gelernt und gespielt habe.

Gibt es Musiker in Ihrer Familie?

Ja, meine Eltern studierten Musik und spielen es als Hobby. Mein Ururgroßvater war ein Geiger und der Gründer der hiesigen Musikschule. Ein Onkel ist ein Percussion-Lehrer. Der Cousin meines Vaters ist Klavierlehrer. Musik war bei mir zuhause immer überall.

Ich höre oft, dass die Musik, die man als Kind gehört hat, einen großen Einfluss auf die spätere Karriere hatte.

Ja, das kann ich sehr unterstreichen. Auch was den Geschmack und die Bildung des Gehirns anlangt, um für Musik offen zu sein, ist es sehr wichtig, was und welche Art von Musik man in seinen frühen Jahren hört. Da sind es die Eltern, die einen mit ihrem Musikgeschmack bilden. Das hat einen großen Einfluss auf die eigene Entwicklung.

Wie kam die Wende hin zur Popmusik?

Als ich noch Teenager war, begann ich Filmmusik, vor allem jene von John Williams, zu hören. Ich war ein großer Fan von Star Wars und hörte viel Musik von dem Komponisten. Filmmusik eröffnete mit eine andere Sicht auf viele Dinge. Zu der Zeit begann ich auch Michael Jackson zu hören. Er hat so viele Menschen inspiriert und hatte so einen großen Einfluss, dass ich mir dachte: Vielleicht kann ich die großartige Grundlage der klassischen Musik nützen. Aber ich wollte ein wenig experimentieren und auch versuchen, meine eigene Stimme zu finden – als Komponist, als Performer. Ich wusste, dass es so viele klassische Pianisten gibt, die außerordentlich talentiert sind und der Wettbewerb enorm ist. Da gibt es nur ganz wenig Platz, um da herausragend zu sein, denn meistens spielt man dieselben Stücke immer und immer wieder, vielleicht noch mit einer anderen Interpretation. Ich wollte aber komplett anders sein.
Peter Bence 8

Ihre Karriere scheint sehr gut geplant zu sein.

Auf der einen Seite ist sie natürlich geplant. Ich wusste schon früh, was ich tun wollte und ich hielt daran fest, es zu tun.

Was heißt in diesem Zusammenhang früh?

ich Filmkomponist werden, weil ich so inspiriert war. Deswegen begann ich auch Filmmusik zu studieren in Berkley, Boston und hatte eine Karriere in dieser Richtung im Sinn. Aber es geschah etwas, als ich 22, 23 Jahre alt war. Ich musste ich zurück nach Ungarn. Ich hatte zwar ein Stipendium, aber es war extrem teuer, in Boston zu leben. Aus dem Grund brauchte ich eine kleine Pause. Das war die Zeit, als ich begann, an einigen Videos hier zu arbeiten. Außerdem lernte ich meinen Manager kennen. Ich befand mich damals in einer Art Krise. Ich wusste nicht genau, was ich tun sollte. Es schien mir unmöglich, eine Karriere nur mit Musik zu machen, davon leben zu können. Ich hatte Berkley noch nicht beendet, deswegen arbeitete ich an diesen Videos. Nach ungefähr 2 Jahren – es war 2015, als das Arrangement von Michael Jacksons „Bad“ viral ging, ging es mit der Bekanntheit in der Öffentlichkeit richtig los.

Wie viele Follower hatten Sie damals schon?

Nicht viele, ein paar Tausend auf FB, das war es und vielleicht 1000 Subscriber auf Youtube. Der Zuwachs geschah ganz schnell, über Nacht und er vergrößerte sich exponentiell. Ich hatte 100.000 Ende November damals und jetzt haben wir 7,6 Millionen.

Hatten Sie da nicht einen „wow!“-Effekt?

Ja klar! Ich habe das nie erwartet. Natürlich habe ich die Videos gemacht, um mehr Publikum zu erreichen, aber es war wirklich ein „Wow-Faktor“. Aber man gewöhnt sich an Dinge und mein Mindset ist so, dass ich immer an das nächste Projekt denke. Woran werden wir in den nächsten Wochen und Monaten arbeiten? Und deswegen ist mein Fokus immer auf das Kommende gerichtet.

Wie viele Leute arbeiten denn an Ihren Videos mit?

Sie werden es nicht glauben! Es steht keine große Crew dahinter. Die meisten Videos haben nur wir beide produziert, Sebastian (der Manager von Peter Bence) und ich. Natürlich brauchen wir Stunden, um das Licht richtig zu positionieren und herauszufinden, wie das Video dann aussehen wird usw. Aber wir wollten die meisten Videos bewusst sehr einfach halten. Allerdings wir haben noch einige Projekte vor und experimentieren viel. Vielleicht haben Sie auch das Beatles-Cover auf dem Boot gesehen, das war aufwendiger.

Sie benutzen verschiedene Klaviere bei den Aufnahmen. Warum eigentlich?

Wir suchen immer neue Locations fürs Aufnehmen. Ich möchte nicht immer dasselbe machen, das wird schnell langweilig. Für „Thunderstruck“ haben wir diese nette, blaue Wand gefunden. Da hatte ich sofort das Gefühl, das braucht ein schönes, weißes Klavier. Dann hatten wir die Herausforderung, eines zu finden. Meistens mieten wir die Klaviere für den Dreh.

Das heißt, Sie suchen die Klaviere aus ästhetischen Gründen aus.

Ja, obwohl wir die Videos einfach halten und sie oft aus einem einzigen Take bestehen, möchten wir sie doch ansprechend gestalten.

Welche Songs suchen Sie sich für Ihre Coverversionen aus?

Das Wichtigste für mich ist, dass ich den jeweiligen Song wirklich liebe, ja richtiggehend verliebt in ihn bin. Das muss sein. Dann muss es ein Song sein, der zu transformieren ist. Das Arrangement kann eine Herausforderung sein, aber zumindest sollte der Song in die Sprache des Klaviers übersetzbar sein. Es gibt so viele Songs – zum Beispiel von Bruno Mars – von denen man sagt, ich liebe diesen Song sehr, aber es wäre unmöglich, so einen für Klavier zu adaptieren. Die Struktur der Melodie und des Rhythmus und das Arrangement selbst macht es unmöglich, so etwas auf Klavier zu spielen. Es ist normalerweise ein Prozess, bei dem ich frage: Hört sich das am Klavier gut an? Das ist mein Hauptziel. Es muss am Klavier einfach genial klingen.

Sie haben einen sehr speziellen Sound, denn es hört sich so an, als wären Sie ein ganzes Orchester.

Ich wollte mich nicht limitieren und es ist eine interessante Herausforderung als Arrangeur und Komponist für mich. Deswegen kam ich auf die Idee des „The awesome piano“ – das Album, das herauskommen wird. Was man dort hört, sind 100% Pioano-Sounds. Natürlich ist Technik dabei, weil man Sounds mixen muss, damit es richtig gut klingt. Dann benütze ich auch eine Loop-Station, um den Sound aufzubauen. Aber die Idee ist: Klavierspielen bedeutet viel mehr als nur die Tasten zu drücken und ich wollte zeigen, dass das Klavier ein total cooles Instrument ist. Das ist so etwas wie eine Mission für mich. Es sollte populärer sein und nicht langweilig. Es macht mich sehr glücklich, wenn mir Leute eine Message schreiben, dass Kinder Klavier lernen, weil sie das so cool finden.

Mit dem Klavier Percussion-Sounds zu machen oder Loops zu integrieren, haben Sie aber nicht im Studium gelernt.

Nein, überhaupt nicht, in keiner einzigen Stunde! Als ich klein war, wollte ich Schlagzeug lernen, aber ich hatte nicht die Zeit dazu. Jetzt setze ich das Percussion-Element aber auch ein.

Haben Sie schon Filmmusik geschrieben?

Nein, nur während des Studiums etwas sehr Kleines, aber ich bin ehrlich gesagt noch nicht zu mehr gekommen. Wenn sich vielleicht einmal die Gelegenheit in Zukunft ergibt, um Musik für einen Film zu machen, klar, würde ich das gerne machen. Meine Philosophie ist aber: Ich tue das, was ich liebe jeden Tag und schaue, wo es mich hinführt. Ich habe keine großen Pläne mehr, wie ich sie vielleicht noch vor 2 Jahren hatte. Ich mache einfach die Dinge, von denen ich denke, dass sie richtig sind.

Gibt es Herausforderungen oder Ziele bei bestimmten Songs, die Sie covern möchten, aber auch bestimmten Gründen noch nicht gemacht haben?

Viele Menschen möchten die „Bohemian Rhapsody“, aber ich kann das nicht. Sollte ich das tatsächlich machen, könnte ich nichts Neues hinzufügen. Sie ist ja schon perfekt. Ich würde sie mit dem Klavier nur ruinieren.

Was üben Sie denn jetzt gerade?

Meistens übe ich neue Songs und arbeite am Finish für mein eigenes Album. Es wird viele Songs von mir beinhalten und das ist für mich sehr aufregend. Ich habe noch nichts von meiner eigenen Musik veröffentlicht – na vielleicht 1 oder 2. Ich hoffe, dass ich den Wechsel schaffe und meine Follower und jene, die gerne haben, was ich mache, meine eigenen Songs auch lieben werden. Ich werde einige von diesen Songs in den Konzerten spielen. Leute, die dort hinkommen, hören diese Songs vor allen anderen.

Wie viele Songs haben die schon?

Zu viele, vielleicht 100! Aber ich werde nur 10 nehmen, die ich Wert, aufgenommen zu werden.

Fallen Ihnen die Kompositionen leicht ein?

Ja, schon. Aber normalerweise muss ich an diesen Ideen noch viel arbeiten. Einige klingen fast klassisch, einige in einer Mischung aus Klassik mit ein wenig Jazz, andere mit Loopings und Percussion.
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Spielen Sie auch Jazz?

Ich studierte ein wenig Jazz. Aber das ist nicht meine Sprache. Ich halte mich da eher fern.

Spielen Sie selbst eigentlich noch Klassik?

Ja, für mich selbst schon. Ich spiele hauptsächlich Bach, um mein Gehirn frisch und fit zu halten. Ich höre auch viel Klassik und lasse mich gerne davon inspirieren.

Die Tourdaten von Peter Bence finden Sie hier:
https://peterbence.com/#concerts

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