Dada im 7ten

Dada im 7ten

Im Theater Spielraum wurde das Publikum anlässlich einer Matinée Zeuge, dass dada lebt. Koloman Haslinger und Freunde stellten für das Publikum eine dada-Collage zusammen, die Lustiges, Spitzfindiges, Nachdenkliches und einfach nur Wortschönes präsentierte.

Kennen Sie den: „Was braucht es, um mitten in Wien in eine dadaistische Situation zu geraten? Eine rote Ampel!“ Dadaisten verstehen diese Frage ad hoc. Aber der Witz funktioniert nur in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Möglicherweise noch in einigen nordeuropäischen Ländern. Das war`s dann. Sie haben ihn nicht verstanden? Also, noch einmal, mit einem kleinen Zusatz: „Was braucht es, um mitten in Wien in eine dadaistische Situation zu geraten? Eine rote Ampel, und weit und breit keine Kinder, weit und breit keine Autos, Fahrräder, Mopeds und sonstiges Gefährt, aber 10 Leute, die stoisch auf das Umschalten auf Grün warten.“ Das ist dada im Alltag. Zumindest für jene, die eine dadaistische Ader haben. All jene, die damit nicht einverstanden sind, dürfen sich die Zeit sparen und können getrost aufhören, den Artikel hier weiterzulesen.

Was brauchte es am 15. März, einem Sonntagvormittag, um ein dada-Vollbad zu nehmen? Eine Eintrittskarte ins Theater Spielraum. Dort versammelte sich ein Teil jener, von einem Theatermann geschätzten 200 Österreicherinnen und Österreicher (also nicht 400 sondern 200 insgesamt, muss man ja mal korrekt wiedergeben, die Zahl), die sich bei dada „einen Ast abhauen“, „sich krumm und schief lachen“ oder – auch diese Sorte von dada-Mensch gibt es – ernsthafte literarische Studien betreiben wollen. Andächtig, laut lachend lauschten sie der von Koloman Haslinger zusammengestellten Performance „Dada im 7ten“, um anschließend, einem wunderbar kindischen, dadaistischen Regieeinfall sei Dank, mit zusammengeknülltem Papier, sprich Papierkugeln um sich zu schießen.

Zur Begrüßung lockte ein Nachbau von Marcel Duchamps Urinal das Publikum in den Saal. Jenes emblematische Kunstwerk, das mittlerweile von vielen als das Wichtigste des 20. Jahrhunderts bezeichnet wird. (Zu Recht, muss man ja mal korrekt hinzufügen.) Im Laufe der Vorstellung füllte es sich – dada sei´s gedankt, nicht mit dem dafür vorgesehenen Inhalt, sondern mit zusammengeknüllten Papierkugeln auf denen wiederum die kurz zuvor vorgetragenen dada-Texte standen. „Alles für den Müll“also? Auch das ist sicher Ansichtssache. An diesem Vormittag unterhielten neben dem Regisseur Lieselotte Geistlinger, Monika Posch, Christoph Hatzenberger, Maria Auer, Waltraud Zechmeister, Nigel James, Magdalena Pfeifer und Manfred Loydolt die Zuseherinnen und Zuseher mit einem Potpourri von dada-Texten, die zum Teil in die Wiener Mundart übertragen wurden. Individuelle weiß-schwarze Outfits – von der Krawatte bis zu den Schuhen – sorgten dabei für eine vorgetäuschte Beruhigung der Szenerie, die noch zusätzlich durch musikalische Spenden von Daniela Krammer am Saxophon und Martin Metelka am Klavier aufgefrischt wurde.

Da wurden so wichtige Dinge erörtert wie die Geschichte des Hahns, der sich das Hühnchen aus dem Ei pickt, um Gesellschaft zu haben. Es wurde über den Hasen berichtet, der ein Schwein war, oder war er doch ein Fisch, ein Dampfschiff gar oder ein Floh? Man lauschte, welche Schönheit doch dem B innewohnt oder erfuhr, dass Hannoveraner keine Hundekrankheit bekommen. Schale, Scholle, Schule und Rolle brachten einen der Performer schier zum Wahnsinn und dass Banalität jedes Bürgers Zier ist, wurde an diesem an Wissensvermittlung so reichen Vormittag auch klar. Wer sich bei wohlgeformter Lyrik behaglich fühlt, dürfte bei dem Satz „und auch die Seifenblase ist zum Teil mit Himmel gefüllt“ förmlich in einem solchen, siebenten geschwebt sein. Geschichtsbewusste horchten bei dem Befehl „Die Hahnenfeder ab, ihr Garibaldis!“ auf und mit dem Bericht „I hättat gsogt“ wurde bei dem einen oder der anderen eine Erinnerung wach, die man lieber ganz vergessen hätte.

Dada bedeutet auf Französisch eigentlich „Steckenpferd“. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde unter diesem Begriff im Cabaret Voltaire in Zürich jedoch eine neue Weltanschauung begründet, die antiklerikal und antifaschistisch ausgerichtet war. Dass diese noch lange nicht tot ist, bewies nicht nur Dada im 7ten, sondern davon zeugt auch jede rote Ampel auf dieser Welt, bei der weit und breit keine Kinder, weit und breit keine Autos, Fahrräder, Mopeds und sonstiges Gefährt zu sehen sind, aber 10 Leute, die stoisch auf das Umschalten auf Grün warten.

Theater kann auch Frühstück

Theater kann auch Frühstück

Das Theater Spielraum lockt zu seinen sonntäglichen Matineen auch mit einem köstlichen Frühstück

Café und Frühstück

Frühstück im Theater Spielraum (Foto: European Cultural News)


Gemütliche Rohrsessel. Eine unaufgeregte, angenehme Atmosphäre. Ein köstlicher Kaffee und ein umfangreiches Frühstück. Die Rede ist nicht von einem hippen Lokal mit Frühstücksangebot wie es derzeit in Wien so modern ist. Vielmehr findet sich das alles an ausgewählten Sonntagvormittagen im Theater Spielraum in der Kaiserstraße.

Plus: Einem interessanten kulturellen Angebot. Die Palette reicht von Lesungen über Diskussionen, Vorstellungen neuer Produktionen bis hin zu – wie Anfang März – der Aufführung der „Ursonate“ von Kurt Schwitters. Nicole Metzger und Gerhard Werdeker, die das Theater im Siebenten leiten, haben mit diesen Matineen offenbar den Publikumsgeschmack getroffen.

Fümms bö wö tää zää Uu, pögiff, kwii Ee. Rinnzekete bee bee nnz krr müü? Ziiuu ennze, ziuu rinnzkrrmüü rakte bee bee. Sie haben nichts verstanden? Sollten Sie auch nicht. Denn der Urheber dieser Nonsenszeilen, Kurt Schwitters, beabsichtigte mit seiner Komposition dies auch gar nicht. Schwitters war einer der Hauptvertreter des Dadaismus, der aus einer verständlichen Reaktion auf den Ersten Weltkrieg entstand. Das, was war, das, was die herrschende Klasse der Welt zugemutet hatte, konnte weder in Worte gefasst, noch kommentiert werden. Und die Welt war nach diesem Krieg nicht mehr dieselbe wie vorher. Die Dada-Bewegung, die in einem kleinen Café, dem Café Voltaire in Zürich, ihren Ausgang nahm, zielte gerade auf das Kontra gegenüber allen bisherigen gesellschaftlichen und vor allem künstlerischen Konventionen ab.

Und doch steckt hinter Schwitters Ursonate viel mehr als nur Nonsens. Sie ist ein „durchkomponiertes“ Lautgedicht, das auf den bis dahin üblichen Sonatensatz aufbaut. Kunstvollst arrangiert, mit starken rhythmischen Passagen, haben noch heute manche Menschen Mühe, bei einer der seltenen Aufführungen auch zu lachen. Viele haben im Hinterkopf das Etikett „hehre Kunst“, dass es ihnen verbietet, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen. Philipp Maurer und Kolomann Haslinger gelang es bei ihrer Präsentation jedoch, das Publikum richtig zu erheitern. In der Regie von Eva Ortmayr waren es nicht nur die lautmalerischen Sensationen, die das Zwerchfell reizten. Da schlüpfte doch Maurer tatsächlich kurzfristig in die Rolle eines Priesters, der lautgewaltig seine Predigt hielt, während Haslinger neben ihm mit permanenten Gebetsbeugungen seine Murmellitanei darbot.

An anderer Stelle entwickelte sich ein hitziges Streitgespräch, bei dem Maurer, mit grauem Rauschebart und schwarzer, eng anliegender Lederhose, seinem Gegenüber mit Drohgebärden gefährlich nahe kam. Interessant war auch die Beobachtung, dass auch Nonsensworte durch die Mimik und Gestik und den stimmlichen Ausdruck durchaus in der Lage sind, eine Botschaft zu kommunizieren. Ganz abgesehen von jener Einlage, in der Maurer Verdis „la donna è mobile“ zum Besten gab, selbstredend mit einem unverständlichen Kauderwelsch und sich Haslinger prompt mit einem kleinen Tänzchen anschloss.

In der Fassung von Maurer und Haslinger wurde die Ursonate um ca. 30 Prozent gekürzt, was eine Aufführungsdauer von etwas mehr als 30 Minuten ergab. Ein kluger Schachzug, durch den keinerlei Langeweile aufkam. Im anschließenden Publikumsgespräch wurde auf die literarische dada-Nachfolge der Wiener Gruppe mit H.C. Artmann und Ernst Jandl hingewiesen und auch das Umfeld der Ursprungsbewegung ein wenig beleuchtet.

Was ist dada nun aber genau? Eine Kunst? Eine Philosophie? Eine Politik? Eine Feuerversicherung? Oder: Staatsreligion? Ist dada wirklich Energie? Oder ist es Garnichts, d.h. alles?

All diesen „wichtigen“ Fragen geht das Theater Spielraum noch einmal nach. Mit seinem Programm Dada im 7.ten am 15. März. Erwartet werden insgesamt 10 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die das Publikum mit dadaistischen Collagen verwöhnen. Achtung: Es darf gelacht werden!

Und Frühstück gibt’s mit vorheriger Reservierung auch.

Link: Theater Spielraum

Das Selbst ist ein herrliches Geheimnis

Das Selbst ist ein herrliches Geheimnis

Das Selbst ist ein herrliches Geheimnis hinter tausend einem Elend und niemals darstellbar …

Grafitti von Jef Aerosol am Musilhaus in Klagenfurt Christine Lavant

Christine Lavant: Grafitti von Jef Aerosol am Musilhaus in Klagenfurt (c) Neithan90

Mit diesem Satz begann der Abend „Verrückung“ im Theater in der DrachengasseAgnes Heginger (Komposition, Gesang, Stimme), Maria Frodl (Violoncello, singende Säge) und Martina Spitzer (Rezitation) hatten sich dafür einen posthum veröffentlichten Text von Christine Lavant ausgesucht, in dem ihr tiefes Elend, aber auch völlig groteske Situationen während eines Aufenthaltes in einer Irrenanstalt, thematisiert wurden. Die Literatin, deren Sprache zu Beginn des vorigen Jahrhunderts zur absoluten Avantgarde gehörte, ist im Laufe der letzten Jahrzehnte fast in Vergessenheit geraten. Gerade mit diesem Text hat sich das weibliche Triumvirat eine Besonderheit in ihrem Werk vorgenommen, steht er doch abseits von tagespolitischem Geschehen und damit völlig herausgerückt aus der Zeit. Die „Ver-rückung“, die darin beschrieben wird, ist nicht eine, die in Lavant selbst stattfand. In diesem Text wird klar, dass es nicht diese hilfesuchende Frau war, die sich selbst zur Behandlung einliefern ließ, die als verrückt bezeichnet werden kann. „Man kann sich nicht verstecken hier – es gibt zu viele Gegner“ diese Aussage lässt tief in ihre Beweggründe blicken, die als Flucht vor der Realität außerhalb der Anstaltsmauern charakterisiert werden kann. Dass es dort jedoch nur Menschen gab, die den Wahnsinn real in sich trugen und nicht spielen mussten – wie Lavant es zumindest streckenweise tat – darauf war die sensible Frau nicht wirklich eingestellt.

Die Inszenierung lebt gleichberechtigt von der Lesung des Textes durch Martina Spitzer, die es versteht, mit ihrer Stimme aber auch ihrer Mimik zu fesseln. Aber auch von Agnes Heginger, die einige der Gedichte musikalisch umsetzte und damit viele emotionale Momente so interpretierte, dass die Sprache Lavants dabei ein passendes Äquivalent fand. Ob dadaistisch-lautmalerisch an der Grenze der rationalen Nachvollziehbarkeit, oder ihren Gott innig beschwörend ihr doch zu helfen, immer unterlegte Heginger das Wortmaterial Lavants mit Tönen, die wie dazu gewachsen schienen. Sie bibberte, zitterte und schrie dabei mit dem Cello um die Wette, mit dem ihr Maria Frodl tatkräftig zur Seite stand. Der Einfall, neben dem klassischen Streichinstrument auch eine singende Säge einzusetzen, kann als zusätzliche Metapher gesehen werden. In ihr wird klar, dass es lediglich der veränderte Kontext, in dem sie eingesetzt wird, ist, der bestimmt, ob ein Objekt oder auch Subjekt nun als „passend“ oder eben realitätsver-rückt empfunden wird.

Die geglückte Textauswahl beschert dem Publikum ein kurzweiliges emotionales Wechselbad. Man wird Zeuge Lavants‘ Selbsteinlieferung, erschaudert, wenn sie ihre Situation schildert, in der sie von Weinkrämpfen geschüttelt im Badezimmer eingesperrt verbringt, lacht ob des religiösen Wahns einer Mitinsassin und wird Zeuge einer absurden Konsultation durch den gerichtlich eingesetzten Psychiater, „in dessen Glatze sich das Licht spiegelte“. Doch trotz oder vielleicht gerade aufgrund der gekonnt inszenierten Kurzweiligkeit rückt man Stück für Stück an Lavants Sprachgebäude heran und bekommt große Lust, sich näher damit zu befassen.

Ein schöneres Kompliment kann man den Akteurinnen wohl nicht machen!Das Selbst ist ein herrliches Geheimnis hinter tausend einem Elend und niemals darstellbar …

Grafitti von Jef Aerosol am Musilhaus in Klagenfurt Christine Lavant

Christine Lavant: Grafitti von Jef Aerosol am Musilhaus in Klagenfurt (c) Neithan90

Mit diesem Satz begann der Abend „Verrückung“ im Theater in der DrachengasseAgnes Heginger (Komposition, Gesang, Stimme), Maria Frodl (Violoncello, singende Säge) und Martina Spitzer (Rezitation) hatten sich dafür einen posthum veröffentlichten Text von Christine Lavant ausgesucht, in dem ihr tiefes Elend, aber auch völlig groteske Situationen während eines Aufenthaltes in einer Irrenanstalt, thematisiert wurden. Die Literatin, deren Sprache zu Beginn des vorigen Jahrhunderts zur absoluten Avantgarde gehörte, ist im Laufe der letzten Jahrzehnte fast in Vergessenheit geraten. Gerade mit diesem Text hat sich das weibliche Triumvirat eine Besonderheit in ihrem Werk vorgenommen, steht er doch abseits von tagespolitischem Geschehen und damit völlig herausgerückt aus der Zeit. Die „Ver-rückung“, die darin beschrieben wird, ist nicht eine, die in Lavant selbst stattfand. In diesem Text wird klar, dass es nicht diese hilfesuchende Frau war, die sich selbst zur Behandlung einliefern ließ, die als verrückt bezeichnet werden kann. „Man kann sich nicht verstecken hier – es gibt zu viele Gegner“ diese Aussage lässt tief in ihre Beweggründe blicken, die als Flucht vor der Realität außerhalb der Anstaltsmauern charakterisiert werden kann. Dass es dort jedoch nur Menschen gab, die den Wahnsinn real in sich trugen und nicht spielen mussten – wie Lavant es zumindest streckenweise tat – darauf war die sensible Frau nicht wirklich eingestellt.

Die Inszenierung lebt gleichberechtigt von der Lesung des Textes durch Martina Spitzer, die es versteht, mit ihrer Stimme aber auch ihrer Mimik zu fesseln. Aber auch von Agnes Heginger, die einige der Gedichte musikalisch umsetzte und damit viele emotionale Momente so interpretierte, dass die Sprache Lavants dabei ein passendes Äquivalent fand. Ob dadaistisch-lautmalerisch an der Grenze der rationalen Nachvollziehbarkeit, oder ihren Gott innig beschwörend ihr doch zu helfen, immer unterlegte Heginger das Wortmaterial Lavants mit Tönen, die wie dazu gewachsen schienen. Sie bibberte, zitterte und schrie dabei mit dem Cello um die Wette, mit dem ihr Maria Frodl tatkräftig zur Seite stand. Der Einfall, neben dem klassischen Streichinstrument auch eine singende Säge einzusetzen, kann als zusätzliche Metapher gesehen werden. In ihr wird klar, dass es lediglich der veränderte Kontext, in dem sie eingesetzt wird, ist, der bestimmt, ob ein Objekt oder auch Subjekt nun als „passend“ oder eben realitätsver-rückt empfunden wird.

Die geglückte Textauswahl beschert dem Publikum ein kurzweiliges emotionales Wechselbad. Man wird Zeuge Lavants‘ Selbsteinlieferung, erschaudert, wenn sie ihre Situation schildert, in der sie von Weinkrämpfen geschüttelt im Badezimmer eingesperrt verbringt, lacht ob des religiösen Wahns einer Mitinsassin und wird Zeuge einer absurden Konsultation durch den gerichtlich eingesetzten Psychiater, „in dessen Glatze sich das Licht spiegelte“. Doch trotz oder vielleicht gerade aufgrund der gekonnt inszenierten Kurzweiligkeit rückt man Stück für Stück an Lavants Sprachgebäude heran und bekommt große Lust, sich näher damit zu befassen.

Ein schöneres Kompliment kann man den Akteurinnen wohl nicht machen!

Pin It on Pinterest