Ein Fest für alle Pyrotechniker

Ein Fest für alle Pyrotechniker

Ein Fest für alle Pyrotechniker

Ein Fest für alle Pyrotechniker

FAUST / Burgtheater Wien (Foto: Matthias Horn)

Im Burgtheater erlebt derzeit eine überarbeitete Fassung von Martin Kušejs „Faust“ – eine Übernahme aus dem Münchner Residenztheater – ihre Wiener Aufführungsserie. Ein Muss für all jene, die pyrotechnische Herausforderungen lieben. Ein ebensolches für all jene, die schauspielerische Glanzleistungen erleben wollen.

Die Regie, die Goethes Sinnsucher hier in einem kalten, existenzialistischen Environment darstellt, weist einige Höhepunkte auf, stellt aber auch Fragen, die heute vermeidbar sein sollten.
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FAUST / Burgtheater Wien (Foto: Matthias Horn)
Ein großer Lastenkran, unter dem sich eine Plattform befindet, auf der getanzt, geboxt und geliebt wird, sitzt über einem Waschraum und einer Industriehalle samt Treppe in den ersten Stock, die viel begangen wird. Eisen und Stahl sind die bestimmenden Bauelemente, wohl kann man sich in keinem der Räume fühlen. Egal ob unter Dach oder im Freien. (Bühne Heidi Hackl) Bibiana Beglau als Mephisto glänzt von der ersten Auftrittssekunde an. Dabei grinst sie aus einem Spiegel und beobachtet Faust, der dabei ist, über sein Schicksal zu hadern. Die großgewachsene Schauspielerin verbringt augenscheinlich viel Zeit an Fitnessgeräten. Selten war es einem vergönnt, das athletische Muskelspiel einer Frau auf der Bühne derart bewundern zu können. Mit ihrem androgynen Auftritt – verstärkt durch viele Kostümabwandlungen – ist sie eine absolute Idealbesetzung. Sie überragt Faust, gespielt von Werner Wölbern um einiges – nicht nur wenn sie hochhakiges Schuhwerk trägt. Sie windet sich in tierischem Gehabe, einer Schlange gleich, als sie Faust ihre Dienste anbietet. Sie spottet mit scharfer Zunge, leidet und fickt was das Zeug hält und ist sich dennoch schmerzlich bewusst, dass sie als gefallener Engel aus jenem paradiesischen Zustand vertrieben wurde, den es wahrscheinlich gar nicht gibt. Zumindest lässt der Regisseur dies offen.
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FAUST / Burgtheater Wien (Foto: Matthias Horn)
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FAUST / Burgtheater Wien (Foto: Matthias Horn)
Dabei sind es immer wieder auch heitere Momente, welche dem versinnbildlicht Bösen einen humorigen Touch verleihen. Dann zum Beispiel, wenn Mephisto blutüberströmt in einer Schlachterschürze Faust aus seiner linken Flanke eine tödliche Kugel herausmetzgert, die plötzlich in hohem Bogen aus dessen Leib springt. Egal, welcher Charakterzug gefragt ist, Beglau setzt alle Facetten des Verführers vorbildhaft um.

Kušejs Faust ist einer, der sich, nach einem gescheiterten Suizidversuch, selbstgefällig über Situationen und Menschen stellt. Völlig verblendet schiebt er jegliche Schuld von sich, die er durch sein Tun verursachte und treibt mit seinem rastlosen Verlangen nach mehr Live-Kicks sogar den Teufel zur Verzweiflung. Weder Gretchen, die er geschwängert ins Unglück stürzte, noch ihre Mutter und ihr Bruder, die er auf dem Gewissen hat, lösen in ihm Gewissensbisse aus. Den teuflischen Ränken und Kusejs Regieeinfall verdankt er auch, dass an ihm offenbar der halbe Weltfriede zu hängen scheint. Dass sich dieser notabene durch sein Zutun jedoch in sein Gegenteil verkehrt, liegt auf der Hand. Maskierte Freiheitskämpfer, Selbstmordattentäter in Form jugendlicher Körperbomben, oder Immobilienhaie begleiten sein Tun. Keiner von ihnen überlebt Fausts Machtspiele.

So mancher Bühnenauf- oder – abgang wird mit viel Rauch, Schüssen und Feuer begleitet, sodass man dabei geblendet die Augen zuhalten muss. Szene für Szene nehmen die Grausamkeiten und Frivolitäten zu – wobei sich hier einige seltsame, wohl geschlechterbedingte Blickwinkel auftun, die es zu hinterfragen gilt.

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FAUST / Burgtheater Wien (Foto: Matthias Horn)
Dass die Statisterie in Goethes Osterspaziergangszene kreuz und quer kopulieren muss, ist der künstlerischen Freiheit geschuldet und akzeptiert. Schließlich ergibt sich daraus die bereits angedeutete Szene, in welcher Faust tödlich angeschossen wird, durch teuflische Kunst jedoch wieder zum Leben erwacht. Warum das Ensemble während der Orgie jedoch gesittet Strumpfhosen und andere Beinkleider trägt, ist weniger erklärbar. Ist dies gewerkschaftlichen Vorgaben geschuldet oder, was schwerer wiegen würde, dem Mut an der eigenen Courage? Dass sich Gretchen nach ihrer Entjungferung nackt und Scham rasiert dem Publikum präsentiert, während Faust artig seine weiße Feinrippunterhose anbehalten darf, gilt es jedoch nicht nur aus feministischer Sicht anzuprangern. Die weiteren Kopulationsszenen, hauptsächlich zwischen Mephisto und Marthe (Alexandra Henkel), Gretchens Nachbarin, geben ebenfalls Kunde einer männlichen Sexualphantasie. Sie sind aber weder schockierend noch aufregend. Es kommt nicht oft vor, dass der männliche Regieblick sich so stark in einer Inszenierung offenbart. Aber schließlich ist Goethes Faust ja auch rund um einen Mann konstruiert – darf man entgegenhalten. Regietechnisch sollte aber mitbedacht werden, dass Sex und Gewalt – diese beiden emotional aufpeitschendsten Domänen im Bereich der darstellenden Kunst – sich unzensiert wesentlich schärfer und näher an der Wirklichkeit im Fernsehen und den Social-Media-Kanälen verfolgen lassen. Da wirkt so manche Sex-Szene auf der Bühne rasch gekünstelt.

Einen höchst gelungenen Widerpart zur mephistophelischen Schauspielleistung findet man in jenem von Andrea Wenzl als Gretchen. Ihr Monolog, in dem ihr Wahnsinn sichtbar wird, ist tatsächlich aufpeitschend und berührend und vor dem weiß gekachelten Raum auch gut in Szene gesetzt. Zuvor konnte dieser als Reinheitsmetapher des unschuldigen Mädchens verstanden werden, die von jenem Dunkel umgeben war, in dem sich alle anderen gewalt- und jederzeit lustbereit tummelten.

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FAUST / Burgtheater Wien (Foto: Matthias Horn)
Der Abend wartet mit zwei interessanten und spannenden Interpretationen auf: Das ist zum einen die Figur des Faust selbst, der sich als skrupelloser Machttyp zeigt. Zum anderen ist es Kušejs mehrfach zur Schau gestellte Religions-Dialektik. Sein Mephisto lässt eine tiefsitzende Gottesverachtung, zugleich aber auch Gottesfurcht erkennen. Letztere ist Faust hingegen gänzlich abhandengekommen. Am Stückende bekundet der Teufel – dank neu hinzugekommener Sätze – letztlich jedoch seinen Wunsch nach Leere. Jenem Zustand, in dem sich weder Gutes noch Böses je wiederholt, sondern à priori einfach nicht stattfindet. Die Leere ist ein Terminus, der sich ausgiebig in Sartres Werk nachlesen lässt. Eine intellektuelle Verschränkung findet man in dessen Text über den österreichisch-stämmigen André Gorz, über den er sagte: „… diese Stimme, die sucht und nicht weiß, was sie sucht, die will und nicht weiß, was sie will, die in der Leere spricht, im Dunkeln, vielleicht, um durch Worte den Worten einen Sinn zu geben… Oder vielleicht, um ihre Angst vor sich selbst zu verbergen…“ könnte als Ideengerüst für diesen Faust gedient haben.

Dennoch trifft den Teufel göttlicher Glanz oder zumindest ein göttlicher Lichtstrahl bei seinem Wunsch nacht dem Nichts. Sowohl er als auch Faust an seiner Seite müssen ihre Augen kurz bedecken, während sie bei ihren letzten Sätzen himmelwärts blicken. Die Mischung aus Faust Teil 1 und 2 wurde auch durch viele Striche möglich, dennoch dauert die Aufführung 3 Stunden, inklusive Pause. Das Publikum reagierte am Tag nach der Premiere mit höflichem Applaus. Ein Buhrufer meldete sich mit zwei kurzen Unmutsbekundungen ebenfalls zu Wort. Martin Kušej wird es verkraften.

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Faust – der große Verlierer

Faust – der große Verlierer

Urfaust - Volkstheater Wien

v.l.: Denis Petković, Nanette Waidmann, Günter Franzmeier © Christoph Sebastian

Seine Begierden sind stärker als er, sein Handeln hormongesteuert. Seine Erkenntnis, Unheil sonder gleichen über seine Liebste gebracht zu haben, wirkt schließlich todbringend. Im Urfaust von Johann Wolfgang von Goethe, in dieser Spielzeit am Volkstheater in Wien zu sehen, endet die Gretchentragödie anders als gewohnt. Und sie beginnt anders als gewohnt.

In blutverschmiertem Kleid fragt sich die junge Frau, was denn aus ihr geworden sei. Sie fragt nicht, wer an ihrem Unheil Schuld hat, sondern wie sie sich verändert hat. Erst nach diesem Vorgriff in die Geschichte darf das Spiel seinen bekannten Lauf nehmen. Nanette Waidmann in der Rolle der Ver- und Entliebten brilliert an diesem Abend mehrfach. Besonders dort, wo sie rein aufgrund ihrer Mimik innersten Gefühle nach außen kehrt. Unterstützt von einer genialen Lichtregie, bringt sie im Erkennen ihrer Liebesgefühle ihr Gesicht zum Leuchten, dass es bis in die letzten Rangplätze hinauf strahlt. Ein Theatermoment mit höchstem Erinnerungswert ganz abseits des gesprochenen Wortes.

In nur einer Stunde durchleben Faust und Gretchen die höchsten Wonnen der Liebe genauso wie die tiefsten Täler des menschlichen Daseins. In Enrico Lübbes Inszenierung, die schon 2009 in Chemnitz nur Lorbeeren einheimste, agiert jedoch eine andere Besetzung als in Deutschland. Ein großer, offener Quader, auf der ansonst freien, hellen Bühne deutet sowohl die räumlichen als auch die psychischen Behausungen der AkteurInnen an. Die kurze Aufführungsdauer wird durch eine rigorose Textstreichung genauso erreicht wie durch den Verzicht auf Umbauten und verleiht der Geschichte ein rasantes, den Atem raubendes und den medialen Sehgewohnheiten der  Jetztzeit geschuldetes Tempo. Schlag auf Schlag wechselt eine Szene die nächste ab. Das literarische Substrat hält dieser Hetzjagd jedoch erstaunlich gut stand.

Dies hat vor allem auch mit den starken Bildern zu tun, die an diesem Abend aus den Konstellationen der Beteiligten auf der Bühne und ihrer Spielintensität entstehen. Nicht zuletzt ist dies auch den Kostümen und der minimalen aber effektvollen Ausstattung geschuldet. Nacktheit, viel Theaterblut und eine Waffe reichen, um die Emotionen im Publikum anzustacheln. Denis Petković als Faust mutiert vom Pullover tragenden, bebrillten Nerd zum tief bewegten, sich selbst seine Schuld eingestehenden jungen Mann. Sein verzweifelter Versuch, Gretchen aus ihrem Kerker zu holen, in dem sie blutbesudelt und geistig umnachtet wie ein lebendes Monument am Boden verankert sitzt, misslingt kläglich. Zu oft rutscht er an ihren blutnassen Extremitäten ab – ein einprägsames, metaphorisches Bild der Schuld, die auf der jungen Frau mit dem Tod ihrer Mutter und der Tötung ihres Sohnes lastet. Faust richtet in höchster Verzweiflung und in letzter Konsequenz die Waffe, die ihm Mephisto anbietet, gegen sich selbst und nicht gegen den Teufel. Mit seinem Freitod schiebt er die Verantwortung seines Tuns nicht an ein auferlegtes Schicksal, nicht an böse Mächte, sondern übernimmt sie kompromisslos.

Es sind aber nicht nur die Rasanz und die Bilder, die beeindrucken. Günter Franzmeier als Mephisto wird in der Inszenierung Faust, Gretchen und der berechnenden Marthe (Heike Kretschmer) so subtil zur Seite gestellt, dass sein Einfluss als böse Intuition und schleichendes Gift beinahe physisch spürbar wird. Das Böse oszilliert in dieser Inszenierung sowohl zwischen extrinsischen als auch intrinsischen Einflüssen, gegen die sich die ProtagonistInnen nicht wehren können. Nichts an Franzmeiers Mephisto ist sympathisch, nichts entschuldbar, aber alles abstoßend menschlich. Gerade in jenen Augenblicken, in welchen man sich zu fragen beginnt, was denn nun die Moralvorstellungen aus Goethes Zeit mit den unsrigen zu tun haben, tritt Valentin (Robert Prinzler), der Bruder Gretchens, auf die Bühne.

Ganz in Machopose, mit schwarzer Lederjacke und dunklen Haaren mit langen, seitlichen Kotletten, vertritt er all jene Menschen, die uneheliche Kinder als Schande für die gesamte Familie ansehen. Mit einem Schlag verknüpfen sich Assoziationsketten hin zu jenen Gesellschaften, in denen Frauen für außereheliche Beziehungen auch heute noch bitter büßen müssen, wenn diese aufgedeckt werden. Jene, welche die frühen 70er Jahre erlebten, die für die Kostüme und auch die Musik Pate standen, können sich selbst noch an die letzten miefigen und verlogenen Zeiten erinnern, in denen Frauen, die Kinder abgetrieben haben, kriminalisiert worden waren. Deep Purples „Child in time“ begleitet das Drama vom Anfang bis zum Schluss und hebt es zugleich streckenweise in eine psychedelische Sphäre, in der Traum und Wirklichkeit voneinander nicht mehr zu unterscheiden sind und in der all jene Sinne ausgeschaltet sind, die für ein verantwortungsbewusstes und reflektiertes Handeln benötigt werden.

Dieser Urfaust straft alle Lügen, die klassische Literatur für fad und abgeschmackt halten. Ein Paradestück einer guten Regie, gepaart mit ausgezeichneten Schauspielern – einfach sehens- und nachdenkenswert.

Ver/spielt – Die Logik des Bösen oder alles wird gut

Ver/spielt – Die Logik des Bösen oder alles wird gut

text 2012 04 23 VER.spielt dielaemmer c barbara pálffy 6

Michèle Rohrbach in Ver/Spielt (Foto: (c) barbara pálffy)

Die neueste Produktion von DIELAEMMER im Off-Theater in der Kirchengasse aufgeführt, vereint Gestalten quer durch die Geschichte, die ihr Sein im Spannungsfeld von Gehorsam und Auflehnung, von Zwang und freiwilliger Unterjochung verspürten und bis ins Letzte auch auslebten. Faust, Antigone und Eichmann bilden jenes Dreigestirn, in welchem sich die Themen der freien Lebensentwürfe im Gegensatz zu den vorgegebenen der Gesellschaft gut verhandeln lassen.
Felicitas Lukas, als weiblicher Geist, der Großes will und dabei keine Einschränkungen akzeptiert, verkörpert auch die entfesselte Marktwirtschaft, in welcher der Profit oberstes Gebot ist. Und übermittelt dabei auch, dass es offenbar tatsächlich Geister sind, die einmal losgelassen, nicht mehr zu bändigen sind. Michèle Rohrbach in der Rolle der Antigone, aber auch mit kurzen Textausschnitten aus den Verhörprotokollen von Sophie Scholl versehen, stülpt ihr Innerstes nach außen, verbrennt selbst in ihrem Hass vor jeglicher Reglementierung und gräbt mit ihrer Prinzipientreue tiefer und tiefer ihr eigenes Grab. Karl Wenninger schließlich verkörpert den Nazi-Teufel Eichmann, der sein Tun bis zuletzt rechtfertigt und seine perfekte Tötungsmaschinerie wie ein präzises Uhrwerk aufzog.

Den Dreien zur Seite gestellt ist der Chor, der im Auftritt des Milgram-Experimentes sowohl den Widerstand als auch die Mitläuferschaft von Menschen wiedergibt, die anderen Leid zufügen sollen.

Es ist an diesem Abend nicht nur die Idee, die beschriebenen Themen als ewig menschliche darzustellen, die eine gute Basis bildet. Vielmehr ist es auch der Hinweis, dass es ganz bestimmte Situationen gibt, in denen alle Alarmglocken schrillen sollten, wenn es heißt, sich einer bewussten Manipulation entgegenzusetzen. „Du darfst nicht, das ist Ihnen nicht erlaubt, du hast keine Wahl“ wären Sätze, die nur Gehirnbesitzer nicht in Wallung bringen sollten. Gehirnbenützer hingegen sind dazu aufgerufen zu hinterfragen und gegebenenfalls Widerstand zu leisten. In welcher Form – das bleibt dem Individuum selbst überlassen.

Das Spiel in der Inszenierung von Alex. Riener, im nüchternen Raum zwischen dem an zwei Seiten platzierten Publikum und seinen offenen, laufenden Kostümwechseln, wird unterstützt durch die Musik von Wolfgang Frisch (Sofa Surfers) bleibt nicht im abstrakten Geschehen, sondern wendet sich zu Recht zum Schluss auch ans Publikum mit der Gewissensfrage, wie es um die eigene Entscheidung aussieht.

Spritzig und beklemmend zugleich – eine gelungene Gänsehautmischung.

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Michèle Rohrbach in Ver/Spielt (Foto: (c) barbara pálffy)

Die neueste Produktion von DIELAEMMER im Off-Theater in der Kirchengasse aufgeführt, vereint Gestalten quer durch die Geschichte, die ihr Sein im Spannungsfeld von Gehorsam und Auflehnung, von Zwang und freiwilliger Unterjochung verspürten und bis ins Letzte auch auslebten. Faust, Antigone und Eichmann bilden jenes Dreigestirn, in welchem sich die Themen der freien Lebensentwürfe im Gegensatz zu den vorgegebenen der Gesellschaft gut verhandeln lassen.

Felicitas Lukas, als weiblicher Geist, der Großes will und dabei keine Einschränkungen akzeptiert, verkörpert auch die entfesselte Marktwirtschaft, in welcher der Profit oberstes Gebot ist. Und übermittelt dabei auch, dass es offenbar tatsächlich Geister sind, die einmal losgelassen, nicht mehr zu bändigen sind. Michèle Rohrbach in der Rolle der Antigone, aber auch mit kurzen Textausschnitten aus den Verhörprotokollen von Sophie Scholl versehen, stülpt ihr Innerstes nach außen, verbrennt selbst in ihrem Hass vor jeglicher Reglementierung und gräbt mit ihrer Prinzipientreue tiefer und tiefer ihr eigenes Grab. Karl Wenninger schließlich verkörpert den Nazi-Teufel Eichmann, der sein Tun bis zuletzt rechtfertigt und seine perfekte Tötungsmaschinerie wie ein präzises Uhrwerk aufzog.

Den Dreien zur Seite gestellt ist der Chor, der im Auftritt des Milgram-Experimentes sowohl den Widerstand als auch die Mitläuferschaft von Menschen wiedergibt, die anderen Leid zufügen sollen.

Es ist an diesem Abend nicht nur die Idee, die beschriebenen Themen als ewig menschliche darzustellen, die eine gute Basis bildet. Vielmehr ist es auch der Hinweis, dass es ganz bestimmte Situationen gibt, in denen alle Alarmglocken schrillen sollten, wenn es heißt, sich einer bewussten Manipulation entgegenzusetzen. „Du darfst nicht, das ist Ihnen nicht erlaubt, du hast keine Wahl“ wären Sätze, die nur Gehirnbesitzer nicht in Wallung bringen sollten. Gehirnbenützer hingegen sind dazu aufgerufen zu hinterfragen und gegebenenfalls Widerstand zu leisten. In welcher Form – das bleibt dem Individuum selbst überlassen.

Das Spiel in der Inszenierung von Alex. Riener, im nüchternen Raum zwischen dem an zwei Seiten platzierten Publikum und seinen offenen, laufenden Kostümwechseln, wird unterstützt durch die Musik von Wolfgang Frisch (Sofa Surfers) bleibt nicht im abstrakten Geschehen, sondern wendet sich zu Recht zum Schluss auch ans Publikum mit der Gewissensfrage, wie es um die eigene Entscheidung aussieht.

Spritzig und beklemmend zugleich – eine gelungene Gänsehautmischung.

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