Schrill, schriller – TAG!

Schrill, schriller – TAG!

Dominic Oley schuf mit „Kissing Mr. Christo“ am TAG eine schrille Farce auf den mediendurchtränkten Zeitgeist, in welchem Gefühle, wenn überhaupt, nur vor der Kamera ausgepackt werden dürfen. Er präsentierte parallel dazu eine aberwitzige Fahrt auf einer sprachlichen Hochschaubahn, die mit so vielen technischen Finessen ausgestattet war, dass man, an deren Ende angekommen, sich ob der Überfülle an Ideen und wahnwitzig raschen Dialogen schwindelig fühlte.

„Das ist – Ihr Herzblatt.“ Wer kennt nicht diesen Ausspruch kurz vor Ende jener Flirtshow, die Rudi Carell von 1987 bis 1993 moderierte! Nach ihm waren es noch weitere fünf Moderatoren und eine Moderatorin, welche für die TV-gerechte Zusammenführung von paarungswilligen Menschen die Wortspenden beisteuerten, bis das Format 2005 eingestellt wurde.

Ein Revival der besonderen Art gibt es derzeit im TAG, dem Theater an der Gumpendorfer Straße, zu sehen. Jedoch nennt sich die dortige Revue nicht „Herzblatt“, sondern „Kissing Mr. Christo“. Dominic Oley – Autor, Regisseur, Schauspieler und Musiker in einer Person – schuf den Text und war auch für die Regie verantwortlich und kann sich für beides ordentlich auf die Schulter klopfen.

Wie durch seinen Titel leicht durchschimmert, lässt Oley Alexandre Dumas Romanfigur Edmont Dantès, den späteren Grafen von Monte Christo, wieder auferstehen. In Kurzform schildert der Autor das Geschehen rund um den Rachsüchtigen, der nach seiner Flucht aus dem Kerker, in den er unschuldig eingesperrt war, zu großem Reichtum gelangt. Oley bringt Dantès samt seiner Roman-Entourage wie in einem animierten Comicstrip aus dem 18. Jahrhundert auf die Bühne. Dabei verquickt sich das Geschick des Romanhelden mit dem jener beiden jungen Frauen, die sich zur Disco-Disco-Amour-Bye-bye – Show gemeldet haben. Einer Show für gerade Geschiedene, zeitnah Zertrennte und endlich Entliebte. Bei dieser geht es aber nicht darum, dass sich beide wieder finden, sondern viel mehr um den höchstmöglichen Grad an gewaschener Schmutzwäsche, an der sich das Publikum erfreuen darf. Als Moderatoren fungieren Bruce (Jens Claßen) und George (Georg Schubert), zwei alternde TV-Marktschreier.

Was sich vielleicht etwas kompliziert anhören mag, ist auch tatsächlich kompliziert. Denn die Verschränkung von Vergangenem und Heutigem lässt sich zwar anhand der jeweils getragenen Kostüme erkennen, die Fülle von Figuren jedoch – insgesamt sind es 13 Charaktere, die vom 5-köpfigen Ensemble gespielt werden – erfordern hohe Konzentration. Wenn diese einmal nicht vorhanden ist – auch nicht schlimm, das schrille Revuekarussell dreht sich bis zum Schluss unaufhörlich und bietet beinahe im 5-Minuten-Takt ein Bonmot nach dem anderen. Was auf den ersten Blick wie leichte Unterhaltungskost aussehen mag, ist jedoch eine bitterböse, gescheit verpackte Medienschelte aber auch eine Art Abgesang auf jene postmoderne Prämisse, nach welcher es keine großen, identitätsstiftende Geschichten mehr erzählt werden können.

Die Läuterung und die Erkenntnisse von Dantès lässt er ins Heute vermelden, was tatsächlich zum Schluss „in einer versöhnlichen und nachdenklichen Stimmung“ ausklingt. Ein direktes Zitat aus Wikipedia im Artikel über den Grafen von Monte Christo, das eins zu eins auf die Bühne übertragen wird.

Zuvor jedoch fechten die untreue und kampfeswillige Eve (Elisabeth Veit) und die naive, verlassene Adolfa (Michaela Kaspar) ihre Kämpfe vor dem Fernsehschirm zur Belustigung der Moderatoren und des Publikums aus. So lange, bis Adolfa die Frage gestellt bekommt, ob sie sich denn nicht an Eve rächen möchte. Just in diesem Moment erscheint Dantès und das Spiel um den Grafen von Monte Christo nimmt seinen Lauf. Das wunderbare Bühnenbild von – wie könnte es anders sein – Alexandra Burgstaller, verwandelt sich alsbald vom Showgepränge in ein finsteres Verlies in dem sich Dantès ( Raphael Nicholas) und Abbé Ferreira (Georg Schubert) mit langen grauen Haaren und Bärten Trost zusprechen und Fluchtpläne schmieden. Einzigartig, wie in dieser Szene die beiden Männer von einer Sekunde auf die andere wie aus dem Nichts erscheinen – sehr zum Gaudium des Publikums und danach ihr weiteres Geschick in Mickey-Maus-Sprache wie im Zeitraffer präsentiert wird. Aus Dumas Edmont wird natürlich Eddy, dem Raphael Nicholas ein umwerfendes französisches Diktum einhaucht und Michaela Kaspar, die zuvor glaubwürdigst die Naivität von Adolfa hervorkehrte, bezaubert an seiner Seite nun als Mercedes. Oley wirft mit sprachlichen Einfällen so um sich, als gäbe es keine Grenzen. Da belehrt der Abbé Eddy im finsteren Kerker dieser solle doch an seiner Einstellung arbeiten, worauf Eddy sich fragt, ob er nun tatsächlich mit seinem „schlecht sitzenden Unterbewusstsein“ spricht. Aber dem lange nicht genug, mündet die finale Aufforderung Abbés an Dantès seinen Schatz zu heben in der Anweisung, diesen flüssig und Kapital daraus zu machen. Die sehr vorausssehende Antwort: „Was – Ich soll den Kapitalismus erfinden? Damit wird die Sache bestimmt nicht besser!“ von Dantès dreht die derzeit hochaktuelle Kapitalismusdebatte an einen vom Autor neu erdachten historischen Beginn. Welch köstlicher Einfall! Nach der Flucht von Dantès taucht dieser als Graf von Monte Kapitalisto auch direkt wieder in der Fernsehshow auf und gibt bereitwillig zum weiteren Fortgang des Geschehens auf alle Fragen Auskunft. Zwischendurch dürfen Bruce und George, wie schon zuvor die Damen und Dantès ausgiebig über Sex reden, oder vielmehr nicht reden, sich über Schuld und Nicht-Schuld unterhalten. Dürfen Albert, der sich mit dem Grafen duellieren will und Haydee, die Sekretärin von Monte Christo, sich wie in jener perpetuierenden Schleife benehmen, die in den 90er Jahren in einer Filmkomödie das Murmeltier ewig grüßen ließ. Nach Beendigung des Romangeschehens gibt Eddy noch den sinnvollen Hinweis: „Wirklich das Leben zu lieben ist nur für jemanden möglich, der bereit ist, sein Leben für das Leben aufs Spiel zu setzen!“ Ganz schön unverdauliche Kost in einer Welt, in der es für alles und jedes eine Versicherung gibt und alles und jedes von Babybeinchen an schon Jahre im Voraus geplant werden muss. Da stimmt auch das Ende, bei welchem sich alle aussöhnen, nicht wirklich versöhnlich. Und auch Eves Schlussbemerkung, dass die gute Zeit vor uns liege, weil die schlechte schon hinter uns liegt, nimmt man ihr leider, leider nicht wirklich ab.

Schrill, schriller – TAG – so lautet der Komparativ und der Superlativ für diese neue Produktion des Theaters an der Gumpendorferstraße.

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Hobbydiner mit Amoklauf

Hobbydiner mit Amoklauf

Der diskrete Charme der smarten Menschen – so ist das neueste Stück von Ed. Hauswirth übertitelt. Bekannt von seiner Tätigkeit im Theater im Bahnhof, für die er schon mit dem Nestroypreis dekoriert wurde, folgte er diesmal einer Einladung ins TAG in die Gumpendorferstraße. Beinahe hätte ich mich im ersten Satz verschrieben, denn „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ von Luis Buñuel liegt meiner Generation und damit auch mir noch so auf der Zunge, dass eine neue Fortschreibung des Titels erst einmal gewöhnungsbedürftig ist.

Was hat jetzt die neue Produktion mit dem Filmklassiker gemein? Nicht viel, außer der Grundidee, eine Gruppe von Freunden zu einem Essen zusammenkommen zu lassen und ein paar Versatzstücke aus dem Drehbuch wie zum Beispiel der Umstand, dass einige dieser regelmäßigen Treffen nicht stattfinden können, weil die Gastgeber indisponiert sind. Ansonsten kocht Hauswirth sein eigenes schmackhaftes Süppchen – das dem Publikum am Premierenabend wohl bekommen ist.

Drei Männer und drei Frauen – je einer und eine davon Single – zelebrieren ein Abendmahl coram publico, ohne zu vergessen, dieses dabei einzubinden. Dafür schuf Alexandra Burgstaller ein Wohnzimmer mit metapherschwangerem Ausblick auf ein Meer voller Panzerkreuzer und einem halb versunkenen Fischerboot. An der festlichen Tafel wird aufgetischt, dass einem das Wasser im Mund zusammenlaufen kann und zu den Gerichten wird auch deren Rezeptur aus Surplus mitgeliefert. Was herauskommt, wenn sich sechs Menschen zum gemeinsamen Trendschmaus heutzutage treffen, ist ein Concours, in dem jeder jede mit seinen Kochkünsten überbieten möchte – und koste es die letzten Nerven. Ausgenommen ist dabei Jean-Pierre, der es sich mit einem typisch österreichischen Gericht – einer Rindsuppe – sehr leicht macht. Jens Claßen mimt den smarten und stets auf sein Machoimage bedachten Ehemann mit souveräner Lässigkeit. Georg Schubert in der Rolle des Verführers Fernando gelingt ein adäquates Pendant, das selbst in seinen traurigen Rückschaumomenten auf eine einstens intakte Familie nicht gänzlich von seinen Gefühlen überschwemmt wird. Als dritter im Bunde agiert Raphael Nicholas, dem man den Softie mit Hoppala-Kind und drei parallelen Berufen gerne abnimmt.

Der Abend beginnt mit einer Rückschau in die Jugend der Anwesenden, in ihre Träume von damals, die mit den heutigen so gar nichts mehr gemein haben. Was einst hoffnungsvoll begann ist heute vielfach nur mehr Krampf. „Wie freue ich mich doch auf meine künftigen beruflichen Termine“ sinniert Julia Schranz als Délphine mit hörbar genervt-bitterem Unterton in der Stimme und klopft dabei so wild auf die Tischplatte, dass ihre Hand dabei schmerzen muss. Sie hat an diesem Abend aber nicht nur diesen Lacher auf ihrer Seite. Als untreue Ehefrau, die mit Fernando einen Quicky absolviert und dabei beinahe von ihrem Ehemann erwischt wird, hüpft sie mit heruntergelassenem Slip um den Esstisch, um ihren Wäsche-Faux-Pas vor ihrem Mann zu verbergen. Einmalig, wie sie im Anschluss daran ihr Coqu-au-vin präsentieren muss. Noch ihren überbordenden Hormonausschüttungen ausgesetzt, bemüht sie sich nach Kräften, ihre Nicht-Kochkünste zu beschreiben, gänzlich verunsichert auch nur bei der geringsten Frage ihrer Freundin Bulle. Elisabeth Veit (Bulle)und Michaela Kaspar (Stéphane) spielen ihr Können als verlassene Alleinerzieherin und als Nicht-Mutter voll und ganz aus und dürfen, wie auch Julia Schranz, ihre Nervenkrisen offen austragen. Hauswirth geizt nicht mit männlichen und weiblichen Stereotypen, weiß aber als Ausgleich, wie man Pointen am Laufband produziert.

Dabei gibt`s einen Schnelldurchgang durch zeitbezogene Themen wie Politikverdrossenheit, die Umsetzung des europäischen Rauchverbotes, die Besprechung der politischen Unkorrektheit von Ulrich Seidl in der Besetzung seines letzten Filmes, Diskussionen über den Wert der Familie bis hin zur ausgesprochenen Schadenfreude anlässlich der bevorstehen Paartherapie, bei der Bulle ihrem Ex noch einiges unterreiben wird wollen. Selbst die dunklen Momente des Abends, in welchen Fernando zum Amok-Heckenschützen mutiert, würzt der Autor, der zugleich auch für die Regie verantwortlich zeichnet, mit einer großen Prise Humor.

Das Leben als Genussevent, in dem es gilt, die bitteren Momente tunlichst unbeschadet zu überstehen – das Leben als permanente Herausforderung, die uns Entscheidungen zwischen Scheinbar-Gut und Scheinbar-Böse abverlangt – das Leben als Theater, in dem der Schein über dem Sein regiert – all das wird an diesem Abend vergnüglichst abgehandelt.
Eine „Salonkomödie“ mit herausragender Besetzung und dem Potential, zum Dauerbrenner zu avancieren.

Es plasst mal wieder im TAG

Es plasst mal wieder im TAG

Manches Mal erlebt man Theateraufführungen, die ambivalente Gefühle auslösen. Nach diesen „denk“würdigen Vorstellungen ist es ratsam, nicht gleich die Computertastatur zu bemühen, sondern ein paar Tage Zeit verstreichen zu lassen, um eine Rezension zu schreiben, die nicht nur dem ersten Impetus folgt. Das funktioniert aber nur dann, wenn das Medium, für das die Theaterkritik verfasst ist, dies auch zulässt. Die European Cultural News sind ein solches und dank der Flexibilität der Veröffentlichungszeit – die nicht zuletzt aufgrund der Unabhängigkeit dieses Kulturjournals nach wie vor gewährleistet ist – kann man sich ab und zu tatsächlich den Luxus leisten, mehr als eine Nacht oder einen Tag über Gesehenes nachzudenken. Die Premiere im TAG, die am 30. Oktober über die Bühne ging, war ein solches Ereignis.

Dort läuft derzeit eher derbe Kost. Wie schon bei einigen Stücken zuvor hat sich Gernot Plass abermals an eine Neufassung eines Shakespearewerkes gemacht. Auf dem Programm steht Heinrich IV, zugegebenermaßen kein leichtes Unterfangen, hat doch das Königsdrama im Original Längen, Besetzungen und Szenenwechsel, die in einem finanziell nicht gerade üppig dotiertem Theater mit kleinem Ensemble kaum zu bewältigen sind. Dennoch stemmt das TAG diese Aufgabe wie immer mit seiner herausragenden Schauspieltruppe. Horst Heiss, Georg Schubert, Raphael Nicholas, Jens Claßen, Michaela Kaspar und Elisabeth Veit geben darin in ca. 2 Stunden spielerisch Vollgas. Mit bis zu sieben Rollen Parallelbesetzung und einem Text, der keine Sekunde Unaufmerksamkeit verträgt, leisten sie alle Schwerstarbeit. Der Autor schleudert ihnen dabei ihre Stichworte wie die Waffen eines Messerakrobaten zu – ein Falsches und das Spiel gerät unweigerlich aus dem Lot.

In einer beweglichen Szenerie aus versifften, dreiviertelmannshohen Betonwänden, blutdurchtränktem Boden und schwarzen, rückenlehnenlosen Bänken, intelligent in Szene gesetzt von Alexandra Burgstaller, lässt Plass dem Drama nur insofern seinen zeitgeistigen Lauf, als er es mit einer Fäkalsprache ausstattet, die teils Tourette-syndromartige Ausmaße annimmt. Scheiße, Arschloch, Ficken, Ärsche, Schweine und so weiter und so fort rhythmisieren den Text permanent und bescheren ihm eine sprachliche Sickergrube nach der anderen. Diese stilistische Inflation und das extreme Tempo bewirken aber, dass den Figuren nur wenig Raum für eine psychologische Darstellung geboten wird und das Publikum einige Mühe hat, die Dialoge durchgehend Sinn erfassend zu verstehen. Einzig der König, von Horst Heiss dramatisch in seiner finalen Krankheit verkörpert, sowie Falstaff – dem Georg Schubert als Lebemann ein facettenreiches Profil verleiht – werden in ihren Handlungsmotivationen ausreichend erklärt. Die Abkehr des Königssohnes von seinem ehemaligen Saufkumpanen am Ende des Abends wird zwar optisch schlüssig in Szene gesetzt, psychologisch muss man in den Dialogen aber schon tief graben, um diese Wandlung zu verstehen.

Was sich einerseits als Manko erweist, ist andererseits jedoch bewusstes Kalkül. Eine präzise Charakterstudie für alle Figuren abzuliefern, käme einem Epos gleich, das an mehreren Abenden gespielt werden müsste. Aber time is money, oder wie der König zu Beginn sagt: Die Ökonomie muss in die Köpfe! Und ökonomisch ist der Text von Plass allemal. Kein Wort zuviel, eher deren zu wenig, was für das Publikum eine gewisse Herausforderung darstellt. Hätte man den Text vorab, der Abend wäre sicherlich ein größerer Genuss. Denn, und das steht fest, Plass lässt seine Protagonistinnen und Protagonisten niemals auch nur ein einziges unüberlegtes Wort deklamieren. Sätze wie: „Auf dem Schlachtfeld ist alles weniger komplex“ ,„Theater ist nicht einfach“ oder „mein altes Selbst ist wie eine Dreckschicht von mir abgefallen“ klingen simpel, sind es im Kontext aber ganz und gar nicht und sie sind auch das Salz in der Plass´schen Literatursuppe. Was der Autor von Beginn an gut nachvollziehbar ansetzt, ist die Idee, seinen Heinrich den Wunsch artikulieren zu lassen, einmal „gegen etwas Großes zu kämpfen. Wir befreien Jesus! Unser neues Ziel ist Palästina!“ Der ewigen Kämpfe zum Machterhalt seiner Sippe schon überdrüssig tut er das, was bis heute politisch gang und gäbe ist. Er verlagert den Feind einfach nach außen, um mit diesem Schachzug die innenpolitische Lage besser kontrollieren zu können. Dass es nicht mehr dazu kommt, verdankt er nicht nur seiner todbringenden Krankheit, sondern in dieser Bühnenfassung auch seinem Sohn. Dieser erstickt ihn unter dramatischem Rotlichteinsatz, um endlich selbst an die Macht zu gelangen. Das ist nicht nur eine Plass´sche Überschreibung des Originaltextes, sondern auch eine Handlungsabweichung, die eigentlich nicht zwingend notwendig ist.

Von Anfang bis zum Ende schlüssig sind jedoch das Bühnenbild (Alexandra Burgstaller)und die Kostüme. Farblich schwelgen sie in den unterschiedlichsten Grauschattierungen. Eine Ausnahme dabei stellt ein grellroter Bademantel dar, der vom lebensgierigen Falstaff am Beginn zum machthungrigen Prinzen (Raphael Nicholas) am Schluss wechselt. Eine schöne Metapher für die außergewöhnliche Stellung der beiden Charaktere sowie ein Zeichen für die Verbundenheit der beiden Männer, auch wenn der Thronfolger diese in Abrede stellen möchte. Eine gelungene Idee ist auch das Erscheinen des personifizierten Gerüchtes in gelber Abendrobe. Die Verlebendigung und Sichtbarmachung eines Kommunikationsmusters hat richtig Klasse. Gernot Plass führt, auch schon bekannt, bei seinen Werken selbst Regie und das sehr stimmig und mit einigen Überraschungen. So öffnet sich unversehens der Boden zum Showdown zwischen dem Prinzen und seinem Widersacher Percy und zum Vorschein kommt ein Wasserbassin. Darin darf überaus bühnenwirksam im grauen Wasser ein Kampfplantschen abgehalten werden, dass es nur so spritzt. Das erinnert an barocke Bühneneffekte und macht zugleich unglaublich Spaß beim Zusehen. Theater at it´s best – das gibt es an diesem Abend ja mehrfach, zumindest punktuell. Dies rührt daraus, dass die Inszenierung dem Text selbst um einiges überlegen ist – ein ziemliches Paradoxon, bedenkt man, dass beides von einer Person stammt.

Die Stücke von Gernot Plass tragen eine starke, wiedererkennbare Handschrift. Für „Neueinsteiger“ in sein Werk mag dieser Heinrich eine wahre Theatersensation sein. Regelmäßige TAG-Besucherinnen und Besucher aber werden von seinen Verbalinjurien sicher nicht überrascht sein, ganz im Gegenteil. Schade, denn dem Autor sind auch Theaterfassungen zuzutrauen, in welchen seine feine sprachliche Klinge, gespickt mit einer Flut von intelligenten Querverweisen, auch tatsächlich als solche wahrgenommen werden kann.

Fazit: Ein aufgrund der schauspielerischen Leistungen und der ideenreichen Inszenierung sehenswerter Abend mit einem durchaus großen Diskussionspotenzial, den dieser Text bereithält.

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TAG bei European Cultural News

Von der Bier- auf die Schlachtbank

Von der Bier- auf die Schlachtbank

Veilingen, ein kleines Nest im Nirgendwo, verödet zusehends. Die heiß ersehnte Umfahrung hat dem Dorf die allerletzen Einnahmequellen in seinem Gasthaus genommen. Geblieben ist nichts als gute Luft und Langeweile. Und so sitzen die Veilinger sonntags auf Bierbänken vor ihren Humpen und lauschen den selbst komponierten Klängen der Lieder von „Elvis“, einem gescheiterten Zahnarzt.

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Die Plaisieranstalt zu Gast im TAG in Wien (Foto: © Barbara-Palffy)

In VLAD, der derzeitigen Koproduktion der Plaisieranstalt mit dem TAG, gibt es jedoch ein probates Mittel, um die Langeweile zumindest im Theatersaal zu vertreiben: Musik. Die kommt aber nicht von Elvis, sondern wird bühnengerecht von allen performt, zu rockigen Klängen von Alexander Kaschte. Mit ihr wird die tiefschwarze Komödie von Raoul Biltgen in grelles Licht getaucht und die Botschaft hinter der Botschaft zumindest eine Zeit lang kaschiert.

Der Plot ist rasch erzählt: Jenni, die Dorfschöne, findet eines Morgens ihre beiden Kaninchen tot auf. Bald ist der Schuldige gefunden – das Muttersöhnchen Hansi – dessen Liebe sie verschmäht, aber dieser bestreitet vehement. Vielmehr legt er eine falsche Spur und bald glaubt das ganze Dorf, dass es sich um die Tat eines Vampirs gehandelt haben könnte. Rasch wir ein Vampirjäger engagiert, der sich jedoch als Niete herausstellt, ja ganz im Gegenteil statt den vermeintlichen Vampir zu vertreiben, erst einen richtigen anlockt. Und nun ist das Dorf in wahrer Aufruhr.

Was bis dahin als rockige Landoper, im Sinne eines Verschnittes des Rocky-Horror-Show,
erschien, wandelt sich plötzlich in ein sozialkritisches Stück in dem die Gemeinschaft – inklusive Pfarrer – Jenni opfern will, nur um die eigene Haut zu retten. Mit Parolen wie „Veilingen darf nicht Rumänien werden“ oder „Bürgerwehr statt Blutsauger“ platziert Biltgen mehr als deutliche Zeitbezüge, die nicht überhört werden können. Subtil schleicht sich seine Gesellschaftskritik ins Geschehen, übertüncht von Klamauk und Rockklängen, so subtil, wie es das Böse und Niederträchtige auch im richtigen Leben tut. Und unversehens, von einem Augenblick auf den anderen, sind alle mitschuldig.

Eine Bombenbesetzung, Maya Henselek als Jennifer – kindisch-lasziv, Georg Schubert – wortgewaltig und mit Macherqualitäten ausgestattet, Christian Himmelbauer – schmierig liebesblöd, Erika Deutinger – mutterliebesblind und obrigkeitsgehorsam, sowie Raoul Biltgen und Giuseppe Rizzo in mehreren Rollen überzeugend, spielt vor dem filmisch- und computeranimiertem Hintergrund als gälte es, Preise für das beste Ensemble abzuräumen.

So locker und flockig der Abend über die Bühne geht – zum Schluss ist der bittere Geschmack des immergleichen Rudelverhaltens nicht mehr von der Zunge zu bekommen.

Sollen wir jetzt Menschsein spielen?

Sollen wir jetzt Menschsein spielen?

Mitte März gastierte eine Koproduktion der „Théâtres de la ville des Luxembourg“ und dem Salon5, der damit wieder ein kräftiges Lebenszeichen von sich gibt, auf Einladung des TAG in der Gumpendorfer Straße. Unter dem Titel „Wär ich doch früher jung gewesen“ erlebte das Wiener Publikum eine einfühlsame und geistreiche Hommage an den dänischen Schriftsteller Hans Christian Andersen.

04 Waerichdochfrueherjunggewesen c Christophe Olinger

Wäre ich doch früher jung gewesen - Foto: (c) Christophe Olinger

Es gibt viele Rezepte, um gutes Theater zu machen, aber auch wenn man diese befolgt, ist das Ergebnis nicht immer exzellent. Manches Mal ist es das Ensemble, das Schwächen zeigt, manches Mal die Inszenierung selbst, manches Mal das Licht, das einfallslos gehandhabt wird und manches Mal eine zu schräge oder unauffällige Musik. Kurzum – die vielen Bausteine, die einen guten Abend ausmachen und sich gegenseitig bedingen, sind auch besonders leicht störanfällig. Abende, die Lob rundum verdienen, sind schon alleine deshalb nicht besonders häufig. Umso erstaunlicher ist es, wenn man in ein und demselben Haus hintereinander gleich 2 Inszenierungen erlebt, die rundum geglückt sind – auch wenn die hier besprochene keine eigene Produktion ist.

Im TAG – das vor Kurzem erst mit einer herausragenden Hamlet-Neuinterpretation mit großer Besetzung brillierte – konnte man nun einen intimen, reizvollen und bezaubernden Abend erleben. Die Rolle des dänischen Schriftstellers verkörperte Luc Feit, am Cello begleitet von André Mergenthaler, der dafür sorgte, das Publikum in ganz unterschiedliche Klanglandschaften eintauchen zu lassen. Eines vorweg – die beiden Protagonisten sind ein harmonisches, sich gegenseitig nicht nur respektierendes, sondern exzellent ergänzendes Paar. Mergenthaler übernimmt sogar – wenn er alleine auf der Bühne ist – das theatralische Geschehen, indem er die Musik durch seine eigene Mimik noch unterstützt und ausschmückt. Luc Feit besticht rundum. Es hat den Anschein, als ob es kein schauspielerisches Register gäbe, das er nicht imstande ist zu ziehen. Ein Komödiant vom Scheitel bis zur Sohle, zeigte er in diesem Stück, dass jedes noch so kleine Textfragment dazu geeignet ist, sich zu Großem aufzuschwingen, wenn dies von einem Könner der Schauspielkunst in die Hand genommen wird.

Der Abend besteht aus einer Aneinanderreihung von Andersen-Gedichten und Märchen – bekannten und weniger bekannten, aber auch kleinen Literaturfitzelchen wie jenem, in welchem Feit eine alte, wie es heißt „sehr geizige“ Frau mimt, die jede Nacht lautes Katzenmiauen imitiert, um sich als Tierbesitzerin zu präsentieren. Im hinteren, linken Bühneneck von einem scharfen Lichtkegel angestrahlt, miaut er mit großer Grimasse so herzzerreißend und komisch zugleich, dass Andersens skurrile Idee, die Motivation der verwirrten Dame auf deren Geiz zurückzuführen, in diesem kurzen Augenblick so verdichtet wird, dass es keine Steigerung der Anschaulichkeit mehr gibt.

Die Regie von Johannes Zametzer sprüht nur so von kleinen, witzigen Einfällen, die sich auch in der speziellen Inszenierung der Requisiten zeigt. Ob es ein ganzes Heer von kleinen Blechfröschen ist, die munter zu springen beginnen, ein mit Trockeneis auf die Bühne gerollter Aluminium-Reisekoffer, der dabei kurzfristig zum Star avancieren darf, oder ein mit Helium gefüllter, großer Ballon, an dem ein leerer Kleiderhaken hängt, gedacht als Aufbewahrungsort für des Kaisers neue Kleider – immer ist es ein gewisses Augenzwinkern, welches die Dinge und ihren Einsatz auf der Bühne begleitet und dadurch das Geschehen so sympathisch unterstützt. Erreicht wird dadurch ein besonderer Zauber, der den ganzen Abend über anhält. Dabei darf man nicht nur tief in die kreative Gedankenwelt von Hans Christian Andersen eintauchen, sondern auch noch mitfühlen, wie er selbst von Zahnschmerzen und Depressionen geplagt wird. Mit einem schauspielerischen Parforceritt der Sonderklasse klang der Abend aus. Dabei schlüpfte Luc Feit in die Rolle eines Sparschweines und einer Puppe, zweier Sofakissen, einer Uhr, einer Reitgerte und eines Schaukelpferdes und entließ die Zuseherinnen und Zuseher nach diesem Bravourakt nicht nur bester Laune, sondern auch ein ganz kleines bisschen wehmütig, denn es dürfte wohl niemanden gegeben haben, bei dem sich keine persönlichen Kindheitserinnerungen eingestellt hatten. Kein Wunder, dass dieser Schauspieler nicht nur auf der Bühne, sondern vor allem auch in vielen Kino- und Fernsehfilmen bisher reüssierte.

Der einzige Wermutstropfen, der das Gastspiel in Wien begleitete war, dass leider nur zwei Vorstellungen am Programm standen. Zu wenig, um vielen Menschen die Möglichkeit dieses zauberhaften Theatererlebnisses zu genießen.

Allen, die Lust bekommen haben auch wieder einmal in die Welt der Märchen einzutauchen, sei der 2. Teil der „Grimm-Andersen-Connection“ empfohlen.  Vom 13.-15.4. findet im Salon5 im Brick 5 „Grimm leuchtet“  statt, in der unbekanntere, aber nichts desto trotz bildgewaltige und manches Mal auch bizarre Märchen der Gebrüder zum Leben erwachen werden.Mitte März gastierte eine Produktion des „Théâtres de la ville des Luxembourg“ im TAG in der Gumpendorfer Straße. Unter dem Titel „Wär ich doch früher jung gewesen“ erlebte das Wiener Publikum eine einfühlsame und geistreiche Hommage an den dänischen Schriftsteller Hans Christian Andersen.

04 Waerichdochfrueherjunggewesen c Christophe Olinger

Wäre ich doch früher jung gewesen - Foto: (c) Christophe Olinger

Es gibt viele Rezepte, um gutes Theater zu machen, aber auch wenn man diese befolgt, ist das Ergebnis nicht immer exzellent. Manches Mal ist es das Ensemble, das Schwächen zeigt, manches Mal die Inszenierung selbst, manches Mal das Licht, das einfallslos gehandhabt wird und manches Mal eine zu schräge oder unauffällige Musik. Kurzum – die vielen Bausteine, die einen guten Abend ausmachen und sich gegenseitig bedingen, sind auch besonders leicht störanfällig. Abende, die Lob rundum verdienen, sind schon alleine deshalb nicht besonders häufig. Umso erstaunlicher ist es, wenn man in ein und demselben Haus hintereinander gleich 2 Inszenierungen erlebt, die rundum geglückt sind.

Im TAG – das vor Kurzem erst mit einer herausragenden Hamlet-Neuinterpretation mit großer Besetzung brillierte – konnte man nun einen intimen, reizvollen und bezaubernden Abend erleben. Die Rolle des dänischen Schriftstellers verkörperte Luc Feit, am Cello begleitet von André Mergenthaler, der dafür sorgte, das Publikum in ganz unterschiedliche Klanglandschaften eintauchen zu lassen. Eines vorweg – die beiden Protagonisten sind ein harmonisches, sich gegenseitig nicht nur respektierendes, sondern exzellent ergänzendes Paar. Mergenthaler übernimmt sogar – wenn er alleine auf der Bühne ist – das theatralische Geschehen, indem er die Musik durch seine eigene Mimik noch unterstützt und ausschmückt. Luc Feit besticht rundum. Es hat den Anschein, als ob es kein schauspielerisches Register gäbe, das er nicht imstande ist zu ziehen. Ein Komödiant vom Scheitel bis zur Sohle, zeigte er in diesem Stück, dass jedes noch so kleine Textfragment dazu geeignet ist, sich zu Großem aufzuschwingen, wenn dies von einem Könner der Schauspielkunst in die Hand genommen wird.

Der Abend besteht aus einer Aneinanderreihung von Andersen-Gedichten und Märchen – bekannten und weniger bekannten, aber auch kleinen Literaturfitzelchen wie jenem, in welchem Feit eine alte, wie es heißt „sehr geizige“ Frau mimt, die jede Nacht lautes Katzenmiauen imitiert, um sich als Tierbesitzerin zu präsentieren. Im hinteren, linken Bühneneck von einem scharfen Lichtkegel angestrahlt, miaut er mit großer Grimasse so herzzerreißend und komisch zugleich, dass Andersens skurrile Idee, die Motivation der verwirrten Dame auf deren Geiz zurückzuführen, in diesem kurzen Augenblick so verdichtet wird, dass es keine Steigerung der Anschaulichkeit mehr gibt.

Die Regie von Johannes Zametzer sprüht nur so von kleinen, witzigen Einfällen, die sich auch in der speziellen Inszenierung der Requisiten zeigt. Ob es ein ganzes Heer von kleinen Blechfröschen ist, die munter zu springen beginnen, ein mit Trockeneis auf die Bühne gerollter Aluminium-Reisekoffer, der dabei kurzfristig zum Star avancieren darf, oder ein mit Helium gefüllter, großer Ballon, an dem ein leerer Kleiderhaken hängt, gedacht als Aufbewahrungsort für des Kaisers neue Kleider – immer ist es ein gewisses Augenzwinkern, welches die Dinge und ihren Einsatz auf der Bühne begleitet und dadurch das Geschehen so sympathisch unterstützt. Erreicht wird dadurch ein besonderer Zauber, der den ganzen Abend über anhält. Dabei darf man nicht nur tief in die kreative Gedankenwelt von Hans Christian Andersen eintauchen, sondern auch noch mitfühlen, wie er selbst von Zahnschmerzen und Depressionen geplagt wird. Mit einem schauspielerischen Parforceritt der Sonderklasse klang der Abend aus. Dabei schlüpfte Luc Feit in die Rolle eines Sparschweines und einer Puppe, zweier Sofakissen, einer Uhr, einer Reitgerte und eines Schaukelpferdes und entließ die Zuseherinnen und Zuseher nach diesem Bravourakt nicht nur bester Laune, sondern auch ein ganz kleines bisschen wehmütig, denn es dürfte wohl niemanden gegeben haben, bei dem sich keine persönlichen Kindheitserinnerungen eingestellt hatten. Kein Wunder, dass dieser Schauspieler nicht nur auf der Bühne, sondern vor allem auch in vielen Kino- und Fernsehfilmen bisher reüssierte.

Der einzige Wermutstropfen, der das Gastspiel in Wien begleitete war, dass leider nur zwei Vorstellungen am Programm standen. Zu wenig, um vielen Menschen die Möglichkeit dieses zauberhaften Theatererlebnisses zu genießen.

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