Nichts ist wichtiger als der Selbstbetrug

Nichts ist wichtiger als der Selbstbetrug

Leonidas lebt selbstgefällig. Er hat es sich gerichtet, mit einer guten Partie und einer angesehenen Stelle im Staatsdienst. Bis er eines Tages einen Brief erhält.

Eine blassblaue Frauenhandschrift, Theater Spielraum (c) Barbara Palffy

Eine blassblaue Frauenhandschrift, Theater Spielraum (c) Barbara Palffy

Das Theater Spielraum ist jenes Theater, in dem in den letzten Saisonen immer wieder Stücke gezeigt wurden, die verblüffende Parallelen zu unserem Zeitgeschehen aufweisen. Diese sind auch im Werfel-Text vorhanden, in dem der Autor anhand seiner Hauptfigur die Untiefen eines charakterschwachen Menschen beleuchtet, der zu einem leichten Spielball der politischen Mächte wird. Nicole Metzger hat den Text für die Bühne bearbeitet und auch selbst inszeniert.

Leonidas mal drei

Tristan Jorde und Max G. Fischnaller geben den jungen und 50-jährigen Leonidas, der zuweilen auch gleichzeitig auf der Bühne steht. Damit gelingen Metzger sehr anschaulich jene Rückblenden, die Werfel in seiner Erzählung immer wieder anführt. Mit Robert Stuc kommt noch Leonidas verarmtes Alter-Ego hinzu, vor dem sich dieser wie der Teufel vorm Weihwasser fürchtet. Es ist genau diese Angst vor einem sozialen Abstieg, welche die Hauptfigur in dem Stück so agieren lässt, wie sie agiert.

Eine blassblaue Frauenhandschrift, Theater Spielraum (c) Barbara Palffy

Eine blassblaue Frauenhandschrift, Theater Spielraum (c) Barbara Palffy

Wegschieben, was unbequem ist, unauffällig im Strom schwimmen, dann kann einem möglichst wenig passieren. Würde einem nicht sein eigenes Ego ab und zu im Weg stehen. Mit Dana Proetsch hat Tristan Jorde eine junge Ehefrau an seiner Seite, die sich, mehr ihrer Intuition geschuldet denn ihrem Intellekt, nahe an jener Realität befindet, die ihr Ehemann wegschieben möchte. Katharina Köller tritt als souveräne Jüdin Vera Wormser auf, die es sogar zustande bringt, ihr eigenes Leid zugunsten der Rettung eines jungen Mannes, hintanzustellen.

Das Gestern und das Heute auf einer Bühne

Harald Ruppert schuf eine räumliche Situation, die auch die Rückblenden ermöglicht, ohne dass dafür Umbauten notwendig werden. Die unprätentiöse Erzählweise, handwerklich gut im Spiel des Ensembles umgesetzt, folgt jener von Franz Werfel. So fließt das Geschehen wie ein stetiger, ruhiger Fluss jenem Kulminationspunkt entgegen, an dem sich die Schuld von Leonidas nicht mehr verdrängen lässt.

Mit „Eine blassblaue Frauenhandschrift“ geht das Theater Spielraum konsequent seinen eingeschlagenen Weg weiter. Dabei zeigt es sowohl „Klassiker“ des Theaters als auch solche der Literatur, die eigens für das Theater Spielraum adaptiert werden. Der kritische Blick auf soziale Entwicklungen aber auch auf die charakterlichen Schwächen einzelner Menschen steht bei diesen Inszenierungen immer unaufdringlich im Mittelpunkt. Wer ihn wahrnehmen will, kann dies tun. Wer sich aber nur einen gepflegten Theaterabend gönnen mag, ganz in Tuchfühlung mit dem Ensemble, kommt ebenso auf seine Kosten.

Webseite des Theater Spielraum

Sladeks gibt es immer

Sladeks gibt es immer

Wie wird „Mann“ zu einem Mitläufer? Wann gibt „Mann“ die Eigenverantwortung für sein Leben ab? Welche Mechanismen führen zu roher Gewalt?

Fragen, die sich beim Stück „Sladek oder Die schwarze Armee“ automatisch aufdrängen. Das von Ödon von Horvath Ende der 20er Jahre geschriebene und selten aufgeführte Drama läuft derzeit im Theater Spielraum. Dabei wurde die erste Fassung des Autors verwendet, in der der Mitläufer Sladek am Ende nicht zu Tode kommt, sondern hoffnungsvoll ein neues Leben beginnen kann.
Die Entscheidung, diese Fassung zu nehmen, war insofern richtig, als sich mit ihr zwei Akte verbinden, die einerseits die Möglichkeit geben, eine Gerichtskasperliade aufzuzeigen und andererseits den Charakter des jungen Mannes auch besser erklärbar machen.

Dominic Marcus Singer als Sladek (c) Barbara Pálffy

Dominic Marcus Singer als Sladek (c) Barbara Pálffy

Sladek ist aus seiner verarmten Familie geflohen und fand bei einer älteren Frau, die ihn liebt, Zuflucht. Er ist einer, der stets den Weg des geringsten Widerstands geht. Einer, der sich selbst maßlos überschätzt und zugleich leicht zu manipulieren ist. Einer, der das Leben selbst noch nicht gerochen hat und auf der Suche nach einer Bestätigung seines Egos ist. Die „Schwarze Armee“, eine rechts gerichtete, historische Untergrundgruppierung, die versuchte, nach dem Vertrag von Versaille möglich viele Waffen zu sammeln, um die noch instabile Republik zu stürzen, hat für ihn dabei eine magische Anziehungskraft. Er lässt sich von ihr rekrutieren und gerät in einen Mordfall, den er zumindest mitverschuldete. Dass bei der Gehirnwäsche, die notwendig ist, um Menschen gleichzuschalten, Parolen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, wird an Sladeks Geschichte klar. „In der Natur wird gemordet, das ändert sich nicht“, ist einer von Sladeks immer wieder gerne zitierten Sätze, den er vorzugsweise dann verwendet, wenn er Mord und Totschlag rechtfertigen will. Er zeigt, wie manipulativ Sprache eingesetzt werden kann.

Die Inszenierung von Nicole Metzger und Reinhard Winter setzt nicht auf ein Historienspektakel, sondern ermöglicht es, Vergleiche mit der Gegenwart zu ziehen, ohne dass diese jedoch – bis auf eine musikalische Stelle – in der Aufführung explizit bemüht wird. Dies gelang vor allem durch die zu Recht vorgenommenen Striche zu Beginn des Dramas. Der fehlende Text enthielt viele Verweise auf die politische Situation in Deutschland in der Zeit nach dem Vertrag von Versaille. Ein statisches und – auch wenn dies inkohärent klingen mag – zugleich dennoch sehr wandlungsfähiges und kluges Bühnenbild (Harald Ruppert) lässt vor ein Versammlungslokal, in eine kleine Wohnung, in einen Bunker, auf ein Dampfschiff, einen Gerichtssaal und einen Rummelplatz blicken. Unterstützt wird die Illusion durch realistische Soundeinspielungen (Reinhold Kammerer) wie das Tropfen von Wasser, das Brummen eines Gebläses oder das ferne Tuten eines Überseedampfers.

Das Ensemble überzeugt durchgehend. Allen voran ist Dominic Marcus Singer zu nennen. Er ist die absolute Überraschung des Abends. Der junge Mann hat seine Schauspielausbildung erst im vergangenen Jahr abgeschlossen und ist imstande, jegliche Gemütsregung von Sladek authentisch auszudrücken. Und das bei einer Figur, die alles andere als leicht zu fassen ist. Dabei pendelt er zwischen der Zur-Schau-Stellung seiner vermeintlichen Geistesgröße, jähzornigen Gefühlsausbrüchen, verzweifelten Rechtfertigungsversuchen und ängstlichem Duckmäusertum. Es gelingt ihm in einem Monolog am Ende des Stückes sogar, Sympathien für ihn zu wecken. Darin meint er, dass Kinder nur unter einem guten Stern geboren werden sollten und verweist damit indirekt auf sein eigenes Schicksal, das ihm keine sorglose Jugend bescherte.

Alexander T.T. Mueller in der Rolle des Hauptmanns zeigt, welche Schäden ein dominanter und zugleich cholerischer Charakter bei seinen Mitmenschen anrichten kann. Unglaublich seine Intensität in jener Szene, in der sein Versteck gestürmt wird und er unter Aufbietung seiner ganzen Energie die letzten Reserven seiner Untergrundarmee mobilisieren möchte. Benjamin Turecek tritt in nicht weniger als fünf Rollen auf, die allesamt bereits von Horvath für einen einzigen Schauspieler konzipiert worden waren. Er spielt einen Bundessekretär, einen Untersuchungsrichter, einen Kriminalkommissar, einen Richter und einen Polizist. Bis auf das Wechseln der Kostüme ist es stets ein ähnlicher Charakter, den er zu mimen hat. Autoritär und weisungsgebunden zugleich spürt man bei ihm jene Charaktermelange, die offenbar gesellschaftspolitisch notwendig ist, um einen Staat am Laufen zu halten. Julian Sark und Abraham Thill sind in zwei gänzlich konträren Figuren zu sehen. Ersterer als brutaler Schlägertyp ohne jegliche Skrupel und zweiter als intellektuelles Opfer des Rechtsradikalismus, das selbst im Moment seiner Peinigung noch seinen Intellekt auszuspielen weiß.

Auch Dana Proetsch und Anja Waldherr spielen mehrere Charaktere. Sie treten als leichte Mädchen auf dem Rummelplatz und junge Matrosen an der Reling auf. Proetsch verleiht der alternden und liebende Anna scharfe Konturen. Sie ist die einzige, die ihr eigenes Verhalten reflektieren und mit Verhaltensänderungen reagieren kann. Waldherr ist zusätzlich als Nazi-Domina als auch als verführerisches Barmädchen in ganz konträren Rollen zu sehen.

 

Horvath nannte sein Stück, nachdem die politischen Ereignisse sein Drama überrollt hatten, selbst eine „Historie“. Interessant dabei ist jedoch, dass sich darin eine Grundstimmung findet, die sich in abgewandelter Form, zum Schrecken aller denkenden Menschen, derzeit in Europa wieder breit macht. Eine Stimmung, die durch die prekären Verhältnisse vieler junger Menschen zusätzlich kräftig angeheizt wird. Sladeks gibt es – man muss sich nur die Schlagzeilen der letzten Tage über die Gewaltausbrüche der rechten Szene in Deutschland ansehen – heute noch genauso wie vor nun beinahe schon 100 Jahren. Die Frage ist, ob die Gesellschaft erkennt, welchen Anteil sie selbst an diesem Phänomen hat und wie sie gedenkt, dagegen vorzugehen.

Wie immer leistet das Theater Spielraum mit seiner gut durchdachten Programmatik hierfür reichlich Gedanken- und Diskussionsfutter.

Weihnachtsgeschenke für Kulturfreaks – nichts leichter als das!

Weihnachtsgeschenke für Kulturfreaks – nichts leichter als das!

Kulturfreaks, egal ob sie sich für Literatur, Musik, bildende Kunst oder das Theater interessieren, sind leicht zu beschenken. Hier unsere Last-Minute-Geschenkideen.

Wir haben für Sie ein paar handverlesene Vorschläge, die garantiert große Freude bereiten werden. Und wir geben Ihnen gleich das passende Profil der Beschenkten dazu, damit die Wahl auch sicher punktgenau richtig ist.

1. Für Freundinnen und Freunde der bildenden Kunst, Gleichberechtigunskämpferinnen und –kämpfer, für Fotografie-Interessierte oder einfach Menschen, die sich in ein wichtiges Thema des Feminismus, aber auch der Kunst vertiefen möchten.

Der bei Prestel erschienene 509 Seiten starke Katalog „Feministische Avantgarde“, Kunst der 1970er-Jahre aus der Sammlung Verbund, Wien, beeindruckt nicht nur wegen seines Gewichts. Zugegeben, das Cover ist nicht wirklich weihnachtlich. Es zeigt ein Foto von Ulrike Rosenbach mit dem Titel „Art is a criminal action“, auf dem sie wie ein Revolverheld posiert. Aber der Inhalt ist eine wahre Schatzkiste. Der von Gabriele Schor herausgegebene Band begleitet die gleichnamige Ausstellungstour, die 2017 Halt im Mumok in Wien macht. Zeit genug also, um sich mit dem Buch zuhause intensiv darauf vorzubereiten. Neben drei interessanten Beiträgen von Schor selbst, sowie Mechtild Widrich und Merle Radtke, werden insgesamt 33 Künstlerinnen von unterschiedlichen Autorinnen sowie einem einzigen männlichen Autor vorgestellt. Eine lobenswerte Leistung an sich schon.
Darüber hinaus gibt es vertieften Einblick in jene Zeit, in der Künstlerinnen vehement aus dem Schatten der männlichen Kunstproduktion traten und sich in vielfältiger Weise mit ihrer Rolle aber auch jener der neuen Medien auseinandersetzten.
Preis: Euro 60,70

2. Für Liebhaberinnen und Liebhaber alter Musik, aber auch für all jene, die sich im Winter gerne mit fröhlichen Klängen in den sonnigen, italienischen Süden verzaubern lassen.

Die neue CD des in Wien ansässigen Ensembles Vivante. „Bella è la Donna mia“ heißt sie und vereint darauf Lieder rund um die Liebe. Dem Sextett, bestehend aus drei Männern und drei Frauen, gelingt es, eine Zeit auferstehen zu lassen, in der den Männern gestattet war, Gefühl zu zeigen. Je mehr und intensiver, umso besser. Da wird der Liebreiz des holden Mädchens in allerhöchsten Tönen gelobt, da wird beschrieben, wie das Herz klopft und pocht, wenn Mann an seine Schöne denkt. Da wird fröhlich das Leben gefeiert oder auch der süßen Küsse gedacht. Die beiden Tenöre Tore Tom Denys und Erik Leidal – damit ist auch schon das Besondere an der Besetzung genannt – ergänzen sich stimmlich aufs Allerfeinste. „Bella è la Donna mia“ zeichnet sich darüber hinaus durch die ausgesuchte Zusammensetzung der Instrumente aus. Cembalo, Barockharfe, Viola da Gamba und Barockgitarre garantieren einen exquisiten Hörgenuss. Eine CD, die im Winter Freude auf den Sommer macht und im Sommer eine Tafelrunde im Freien musikalisch wunderbar begleiten kann.
Preis: je nach Bezugsquelle ab Euro 15,99

3. Für alle, die gerne in geselliger Runde frühstücken oder dinieren und sich anschließend gerne im Theater unterhalten lassen

Für diese Menschen haben wir gleich zwei interessante und höchst originelle Vorschläge.

Da gibt es zum einen den Geschenkgutschein des Theater Spielraum zu einer Matinée. An den Matinée-Sonntagen kann man im Theater in der Kaiserstraße um 11 Uhr gemütlich frühstücken – all inclusive gibt´s alles, was das Herz begehrt. Einen Aufschnitt-Teller, Kuchen, Joghurt mit Früchten, Café, Tee, Orangensaft. Um 12 klingelt dann die Glocke zum Einlass für die jeweilige Vorstellung. Meist sind es szenische Lesungen der heiteren Art, gerade richtig, um beschwingt einen Sonntag zu feiern.
Preis: pro Person Euro 17,–

 

Wer Theater nur mit Abendvorstellungen verbindet, der wird mit einer tollen Geschenk-Idee des TAG verblüffen können. TAG-und-Nacht heißt der Gutschein des Theater an der Gumpendorferstraße, der in zwei Varianten erstanden werden kann. All jene, die immer unter Zeitdruck stehen, freuen sich garantiert über eine Theaterkarte in Kombination mit einem Hot-Dog im Lokal Hafenjunge. Ein Bierchen im TAG selbst, vor der Vorstellung, in der Pause oder danach, gehört auch noch dazu.
Oder, etwas nobler, der Gutschein mit einem Abendessen im Lokal Finkh, sowie einem Glas Sekt an der Theaterbar. Das macht in einer kleinen oder größeren Runde besonders Spaß. Nach dem Theater hat man dann auch gleich die Gelegenheit, seine Gedanken über das Dargebotene  auszutauschen.
Preis für die Hotdog-Variante: pro Person Euro 20,–
Preis für die Dinner de Luxe-Variante: pro Person Euro 37,–

4. Für kleine Kinder, die gerne ins Theater gehen oder einmal gehen würden. Mit einer CD und einem  Kinderbuch kann man sich gut drauf vorbereiten oder nachträglich wieder vom Theater träumen!

Kleine Kinder können mit Theatergutscheinen noch nicht wirklich etwas anfangen. Wenn man aber dennoch so ein Erlebnis schenken möchte, hat das Theater Lilarum im 3. Bezirk eine wunderbare Lösung. Die Eltern bekommen Gutscheine geschenkt – einzelne oder gleich im 10-er Pack und für die Kinder gibt es Bücher, Audio-CDs, Ausmalhefte und sogar Hörbücher, die man downloaden kann. Kaufen kann man alles im Shop des Theaters selbst, das Lilarum bietet jedoch sogar eine Lieferung per Post an. Einfacher geht´s wirklich nicht mehr.                                                     Ausmalhefte gibt`s um Euro 2,50 / CDs um Euro 9,90 / Bilderbücher ab Euro 14,90

Und hier noch ein Kehraus-Tipp:

5. Für alle, die gerne stimmungsvoll auf Weihnachten anstoßen und Sinn für Humor haben. 

Der Viennastore verkauft „Weihnachterl“ pro Stück um  8,90 Euro.  7 Stück auf einmal ergeben den Inhalt einer 7/8-Flasche, 8 Stück einen Liter, ja – und 16 Stück nach Adam Riese einen Doppler! Prost! Im Online-Shop bestellen, oder in einer der 3 Niederlassungen einfach selbst abholen. Achtung: Bei dem üppigen Geschenkangebot im Viennastore wird es wahrscheinlich nicht beim Einkauf von Weihnachterln bleiben!

Eines haben unsere Geschenketipps gemeinsam: Sie kommen ohne Amazon-Bestellung aus, schonen die Umwelt und unterstützen nicht nur den heimischen Handel, sondern auch die Kulturlandschaft in Wien. Sie schenken also noch dazu mit rundum gutem Gewissen.

Bezugsquellen:
Katalog „Feministische Avantgarde“ erhältlich im Buchhandel.

CD des Ensemble Vivante „Bella è la Donna mia“ erhältlich im CD-Fachhandel oder hier.

Gutschein für eine Matinée im Theater Spielraum direkt im Theater oder telefonisch unter 01-713 04 60 60 .

Kombi-Gutschein für ein Essen oder ein Hot-Dog mit einem Besuch im TAG hier.

Lilarum-Geschenke finden Sie hier.
Achtung wenn Sie direkt im Theater einkaufen möchten: Öffnungszeiten des Shops Dienstag – Freitag 9-16 Uhr oder bei Vorstellungen.

Und die Weihnachterl erhalten Sie in allen Shops des Viennastore oder auch online.

Die atemlose Jagd nach Geld

Die atemlose Jagd nach Geld

„Das Geld“ von Emile Zola ist derzeit am Theater Spielraum zu sehen. Gerhard Werdeker inszenierte das Spiel um die Hausse und Baisse eines Bankhauses in Paris im 19. Jahrhundert als Parallele zu unserem heutigen börsendominierten Finanzgeschehen.

Reich zu sein hat seine Vorteile. Man hat zwar oft genug versucht, das Gegenteil zu beweisen, doch so recht gelungen ist dies nie.

Dieses Bonmot stammt von John Kenneth Galbraith, einem der ersten Kritiker des Turbokapitalismus. Er war es auch, der – wie man im Programmheft des Theater Spielraum nachlesen kann – widerlegte, dass Reichtum und Intelligenz etwas miteinander zu tun haben müssten. Sieht man sich die Literatur genauer an, so ist diese Aussage nichts Neues, fühlt man aber ins Herz unserer Gesellschaft, so könnte dies wie eine unsittsame Provokation klingen. Gelten doch Reiche, „the upper class“, Wirtschaftskapitäne oder wie immer man finanziell bestens situierte Menschen auch bezeichnen mag, als Vorbilder unserer Konsumgesellschaft.

Das Geld von Emile Zola im Theater Spielraum (c) barbara pálffy

Das Geld von Emile Zola im Theater Spielraum (c) barbara pálffy

Das Theater „Spielraum“ zeigt derzeit „Das Geld“ von Emile Zola. Gerhard Werdeker sorgte für die Übersetzung und Dramatisierung des Stoffes. Immer wieder ist man erstaunt, welch wunderbare, aktuelle Bezüge sich in den historischen Werken der Literatur auffinden lassen und vom Team des Theaters auf die Bühne gebracht werden.

„Das Geld“ wartet mit einer großen Besetzungsliste auf – im Roman einer noch wesentlich größeren als im Theaterstück. Die Charaktere, die Werdeker dafür ausgesucht hat, reichen jedoch völlig, um das Geschehen rund um einen Börsenspekulanten, dessen Aufstieg zum Bankdirektor und tiefen Fall darzustellen. Mit dem Geräusch des historischen „Börsentickers“ beginnt das Spiel. Daniel Ruben Rüb schlüpft darin in die Rolle von Aristide Saccard, jenen zu Beginn von allen geächteten Börsenspekulanten, der zu seinem Bruder, dem Minister, keinen guten Draht hat.

Ausgerechnet diese Beziehung ist aber notwendig, um Investoren für ein neues Projekt zu gewinnen. Sein Nachbar, Georges Hamelin (Martin Purth), ist Ingenieur. Dessen schöne Schwester Caroline (Dana Proetsch) hat es Saccard angetan und so lässt er sich von ihr überreden das Geld aufzutreiben für die Pläne ihres Bruders, den nahen Osten mit einer umfassenden Infrastruktur auszustatten und eine Silbermine zu kaufen.

Dass er dafür eine eigene Bank gründen muss, ist ihm bald klar. Aber auch, dass er Investoren im großen Stil braucht. Gunderman, gespielt von Gunter Matzka, hat dieses Geld in Hülle und Fülle. Die Geschichte, die Zola erzählt, hat sich tatsächlich zugetragen und Gunderman ist ein Pseudonym für Rothschild, jenem legendären Banker, der durch kluges Verleihen und besonders kluge Geldanlage zu sagenhaftem Reichtum gelangte.

Er war Gegenspieler der Herren von Bontoux und Feder, die sich mit ihrer Banque l`Union générale auf höchst spekulative Finanzgeschäfte einließen. Sie wurden von Zola im Charakter von Saccard subsummiert. Bis dieser Gunderman in seinem Roman zu einem Aktienkauf seiner Bankanleihen überreden kann, benötigt es noch allerlei Finten, clevere Ideen, aber auch Bestechung und Drohungen. Diese gehen in Richtung Huret (David Czifer), einem Abgeordneten und Vertrauten des Ministers und Jordan (Julian Sark), einem Journalisten der „Hoffnung“. Wunderbar, wie Zola sich hier immer wieder Wortspiele in doppeltem Sinn erlaubte und unglaublich, wie scharfsinnig auch in der Dramatisierung die Verzahnung zwischen den Medien und dem Kapital aufgezeigt werden.

Das Geld von Emile Zola im Theater Spielraum (c) barbara pálffy

Das Geld von Emile Zola im Theater Spielraum (c) barbara pálffy

Mit den Figuren der Gräfin (Claudia Marold) und Dejoie (Gunter Matzka) zeigt Zola sowohl die Mechanismen der ungebremsten Geldgier als auch das Los der Verlierer auf, die doch genau wissen, dass sie am Verlust ihres Geldes maßgeblich selbst beteiligt waren. Mit Siegmund (Maximilian Gruber-Fischnaller) kommt jene Stimme zum Zug, die marxistisches Gedankengut verbreitet. Der rachitische junge Mann, der kurz vor dem Sterben noch die Idee der Abschaffung von Eigentum und Kapital formuliert, bringt in Werdekers Fassung Saccard mehrfach im wahrsten Sinne des Wortes in Bedrängnis. An die Wand gedrückt fühlt sich der Börsenspekulant von diesem Habenichts aufs Äußerste bedroht. Ein wunderbares Bild, das zeigt, wie sehr ein einziger scharfer Verstand das Kapital das Fürchten lehren kann. Auch die Anspielung an „Das Kapital“ von Marx und Engels darf Siegmund an seinem Lebensende noch anbringen. Er übergibt seine Papiere in einem roten (sic!) Ordner noch vor seinem Ableben mit den Worten, „ein anderer wird es für mich veröffentlichen.“ Dass damit Pierre-Joseph Proudhon gemeint ist, der von Marx eigentlich in sein Boot geholt werden sollte, sei hier nur ergänzend erwähnt.

Werdekers Inszenierung ist durch die Kostümwahl (Anna Pollack) ins Hier und Jetzt übersetzt. Dunkle Anzüge, weiße Hemden für die Börsianer, Spekulanten und Bankiers. Helles Leinen und Sommbergeblümtes für den Rest der Schauspielerinnen und Schauspieler. Auditive Einspielungen, die das Ansteigen und Fallen von Aktien kommentieren, geben dem dramatischen Geschehen eine Zeitgeistigkeit, die durch die heutige Computertechnologie, die im Börsengeschäft eingesetzt wird, dennoch schon wieder überholt ist. Die raschen Szenenwechsel, nur durch Auf- und Abgänge markiert, symbolisieren kraftvoll das atemberaubende Geschehen, in dem den Beteiligten keine Sekunde Zeit für Reflexionen gelassen wird. Das rasche Aufbauen eines Vorstandbüros – durch ein köstliches Verschiebeballett von Bürostühlen und Schreibtischen, gehört hier auch dazu.

Die Mitläufer, wie die Vorstandsvorsitzenden der Bank, die genau wussten, wann das Geschäft sich zu einem unreellen wandelte, aber dennoch nicht dagegen auftraten, als auch die Nutznießer des Crashes – Gundermann und Caroline Hamelin, auch sie werden im Stück skizziert.

Die schauspielerische Leistung ist in dieser Inszenierung extrem homogen. Vor allem die vielen Auf- und Abgänge stellen sicherlich eine große Herausforderung dar, wie man sie sonst nur von Verwechslungskomödien her kennt. So flapsig, rasch und unterhaltsam das Stück auch inszeniert wurde, so bitter bleibt doch auch dessen Nachhall. Der schon zu Beginn zitierte John Kenneth Galbraith schrieb von einem extremen, wirtschaftlichen Kurzzeitgedächtnis. „Finanzielle Pleiten werden einfach schnell vergessen“. Das Theater Spielraum trägt dazu bei, diesem Übel, mit all dem, was ihm zur Verfügung steht, entgegenzutreten.
Wie immer, dieses Mal aber extrem empfehlenswert: Das Programmheft!

Theater Spielraum im Internet

Mitmachen wird belohnt

Mitmachen wird belohnt

Fritz Kortners „Donauwellen“ – ein nach wie vor brisantes Stück – fasziniert und überzeugt im Theater Spielraum. Empfehlung: Plätze reservieren und Freunde mitnehmen!

„Das Stück wird so gut wie nie gespielt. Ich glaube, wir sind die Einzigen, die das tun. Schon vor 10 Jahren hatten wir es anlässlich des Gedenkjahres am Programm und jetzt wieder. Allerdings in einer anderen Inszenierung und Besetzung, aber Nicole Metzger und Tristan Jorde sind bei der aktuellen Inszenierung wieder dabei. Eigentlich gehört dieses Stück ins Volkstheater, aber es will einfach keiner haben. Die Wiener kommen darin nicht gut raus, aber die Alliierten auch nicht!“.

Gerhard Werdeker erzählt wenige Minuten vor dem Beginn einer Aufführung, was es mit den „Donauwellen“ von Fritz Kortner und dem Theater Spielraum so auf sich hat. Tatsächlich fand die Uraufführung 1949 in München statt, Inszenierungen in Hamburg und Berlin wurden danach aber von den Alliierten verboten. Erst 1987, anlässlich der Wiener Festwochen, kam es zur Österreichischen Erstaufführung. Danach vergingen weitere 18 Jahre bis es im Theater Spielraum 2005 gezeigt wurde. Was unglaublich ist, denn Fritz Kortner, Schauspieler und Regisseur schuf mit „Donauwellen“ ein dramatisches Kleinod, das alles bereithält, was zu einem guten Theaterstück gehört: Prägnante Charaktere, ein Thema, das über einen aktuellen Anlassfall hinaus aktuell bleibt, einen spannenden Handlungsverlauf, jede Menge Humor und Tragik und einen Höhepunkt, von dem aus weiter gedacht werden kann. Das, gekoppelt mit einer unglaublich prägnanten Sprache, die sich aus dem Wienerischen emanzipiert hat und doch stets in ihm verankert ist, macht den Wert dieses so selten zu sehenden Stückes aus.

Das Querdenken, das Vorausdenken, das Gegen-den-Strom-Denken ist den Machern vom Theaterspielraum in Fleisch und Blut übergegangen. Neben Werdeker ist auch Nicole Metzger verantwortlich für die Auswahl der Stücke, die hier gezeigt werden. Viele davon weisen, auch wenn es historische Dramen sind, einen starken Bezug ins Hier und Heute auf. Diese können dann schon einmal, wie in der aktuellen Produktion, von einigen wie ein Stachel im Fleisch empfunden werden. Und das dürfte der Casus knacksus sein, warum dieses Werk von Fritz Kortner über die Stunde Null in Österreich so selten zu sehen ist. Handelt es doch von jenen „Geschäftsleuten“, die durch die Nazis an Vermögen von Juden kamen, mit der doppelten Ungerechtigkeit, dass das meiste davon nach dem Krieg nie restituiert wurde. „In Summe waren in ganz Österreich circa 100 größere und kleinere Bankhäuser und 946 Großbetriebe von „Arisierung“ und Liquidation betroffen. In Wien wurden 33.000 Klein- und Mittelbetriebe liquidiert bzw. „arisiert“, ebenso 60.000 Mietwohnungen“, geht aus dem höchst informativen Programmheft hervor. Allein diese Zahl zeigt die Brisanz des Themas auf, von dem niemand etwas wissen will.

Österreich feiert mit vielen Veranstaltungen das „Bedenk“-Jahr 1945. 70 Jahre ist es nun her, dass der Zweite Weltkrieg beendet wurde. Wie die Bevölkerung in Wien dieses Ende erlebte, und wie die Geschehnisse der ersten Wochen danach das Weltbild so mancher gehörig ins Wanken brachte, hat Kortner in seinen Donauwellen meisterhaft wiedergegeben. Hauptakteur ist der Friseurmeister Duffeck, authentisch bis ins Letzte gespielt von Tristan Jorde. Hat man diese Aufführung gesehen, kann man sich eigentlich keinen anderen Duffeck mehr vorstellen. So großartig verkörpert Jorde diesen opportunistischen Wendehals, so wunderbar ist sein Mienenspiel in einer langen Szene mit einem Russen, den er nicht versteht, so fabelhaft grantelt er über das Verhältnis seiner Tochter mit einem Widerständler, dass man kaum glauben kann, dass es eine Rolle ist, die sich der Schauspieler übergestülpt hat. Wienerischer als wienerisch ist er, dieser konformistische Geschäftsmann mit dem Hang zum Jammern, zum Buckeln aber auch zum Einseifen und „nach unten Treten“.

Robert Stuc spielt seinen Angestellten Franz, einen Linken, der, um nicht an die Nazis ausgeliefert zu werden, um den halben Lohn bei Duffeck arbeitete. Lang, schlank, mit einem intellektuellen Weitblick ausgestattet, ist er der Einzige, der keinen Millimeter von seiner Überzeugung abweicht, auch wenn links und rechts, oben und unten die Welt aus den Fugen gerät. Roger Murbach, in einer Doppelrolle zu sehen, brilliert als kapitalistischer Schorff, der fleißig in der Rüstungsindustrie sein Geld scheffelte. In einer der letzten Szenen erscheint dieser dann sogar als alter Jude verkleidet und amüsiert sich köstlich selbst über diesen Trick, der ihn vor einer Verhaftung rettete. Ein unglaublich skurriler Auftritt, der Emotionen hervorruft, die mit Fassungslosigkeit euphemistisch beschrieben sind. Ein Gefühlszustand, der sich an diesem Abend mehrfach wiederholt. Aber Murbach schlüpft auch in die Rolle von Dasinger, jenen gerissenen Schleimer, der sich nach dem Tod seiner Frau und deren jüdischer Familie einen Geschäftsanteil von Duffeck erhofft. Und nicht nur das. Duffecks Tochter hätte er gerne auch dazu.

Gerhard Werdeker, der für die Regie verantwortlich ist, hätte mit keiner besseren, typgerechteren Besetzungsliste aufwarten können – und das durchgehend. Mit Gunter Matzka als Polizeileutnant Pachtel bewies er ein ebenso gutes Händchen wie mit Paul Basonga, der gleich drei unterschiedliche Rollen innehat. Pachtel gibt einen naiven, obrigkeitshörigen Polizisten, der langsam zu verstehen beginnt, dass er in seinem Beruf immer auf der richtigen Seite steht. Egal ob links oder rechts, ob Diktatur oder ein demokratisches System, alle sind sie angewiesen auf die Exekutive. Eigene Dünkel haben da keinen Platz. Sergey, ein prächtiges Exemplar eines jungen Russen und Russel – ein junger, noch an Gerechtigkeit glaubender Amerikaner sowie der „Wortführer“, ein Vorsitzender bei einer Gerichtsverhandlung – all diese Männer finden ihr Sprachrohr im jungen Basonga, der jedem einen anderen, richtigen Ton verpasst. Großartig, wie er als Richter-Schimäre Duffeck im Traum Angst einjagt oder als erdiger Russe Sergey den Friseur und seinen Besuch zum Schlottern bringt.

Die Dame des Hauses, Nicole Metzger, verändert als Baroness ihre Dirndlschürzen in Windeseile je nach Erfordernis. Dabei spielt es für sie keine Rolle, ob Hakenkreuz oder Hammer und Sichel deutlich sichtbar darauf prangen; selbst die britische Flagge darf zeitweilig ihre Fesseln zieren. Ihre Devise ist: Sich anpassen wie ein Chamäleon und den Obersten zu Diensten sein. Selbst am Kuchen des größtmöglichen Wohlstands mitnaschen, egal, ob man dabei die Gesinnung wechseln muss wie schmutzige Hemden. Leicht exaltiert, aber stets mit dem Blick für die beste mögliche Partie, vermittelt sie glaubhaft sowohl ihre Angst als auch ihre stets präsente Überheblichkeit jenen Menschen gegenüber, die für sie nicht standesgemäß sind. Claudia Waldherr und Christian Kohlhofer geben das junge Paar, das sich selbst erst an seine unterschiedlichen Lebensrollen gewöhnen muss. Der totalitäre Staat verlangt von ihnen einerseits Verstellung und andererseits Widerstand. In der Freiheit wiederum müssen sie sich ihren Platz erst erkämpfen. Waldherr ist dank ihrer Jugend und ihrer Verliebtheit schwer zu beugen. Das Abenteuer und der Wunsch nach Gerechtigkeit sind Triebfedern ihres Agierens. Kohlhofer ist schon früh in seinem Leben ein Getriebener der politischen Umstände, hat aber letztlich Glück. Klaus Uhlich, langjähriges Ensemblemitglied des Theaters, verkörpert Dr. Seiffert, der genau weiß, unter welchen Rechtssystemen er von wem etwas herauspressen kann. In einer Doppelrolle mimt er auch Husserl, dessen Frau verschüttet wurde, der aber alsbald darauf schon eine neue, junge Liebschaft sein Eigen nennt. Politik ist etwas, das an ihm völlig abprallt, die Beschäftigung mit dem weiblichen Geschlecht nimmt ihn voll und ganz in Beschlag.

Kortners Panoptikum von Wiener Charakteren wäre von Anbeginn bis zur letzten Sekunde zum Brüllen, wäre da nicht das Wissen um die bitteren Tatsachen auf denen „Donauwellen“ fußt. Der kleine Frisiersalon in der Jasomirgottstraße zeigt sich als Mikrokosmos in dem sich die große Weltpolitik eins zu eins auf die Befindlichkeiten der Menschen niederschlägt. Wer meint, Politik hätte keinen oder nur einen geringen Einfluss auf unser Alltagsleben, dem sei dieses Stück besonders ans Herz gelegt. Das Wechselbad der Gefühle, dem alle Beteiligten ausgesetzt sind, zeigt glasklar, wie stark sich unterschiedliche politische Wertsysteme auf den Alltag der Menschen auswirken. Das Lachen bleibt einem nicht nur einmal im Halse stecken, und verschwindet letztlich ganz, denn Duffeck, dieses Paradebeispiel eines Mitläufers und Gesellschaftsschmarotzers, dieser widerstandslose Mann bleibt am Schluss gänzlich unangetastet. „Was ich mitmach` nur wegen dem bissl Mitmachen“ – dieser so prägnant formuliere Satz bringt Duffecks Gesinnung auf den Punkt. Der Verlauf des Geschehens erweckt den Eindruck, dass nichts, aber auch gar nichts an seinem Tun falsch war. Der kleine Frisiersalon, durch einen alten Friseurstuhl und einige weiße Holzstühle als solcher kenntlichgemacht, beherbergt im Laufe des Abends nicht nur Herrn Duffeck, seine Tochter und Franz, sondern in ihm treffen sich Alt-Nazis, Träumer, Widerstandskämpfer, Alliierte und Kriegsgewinnler gleichermaßen. Damit wird er zum Brennpunkt des Nachkriegsgeschehens, das bis heute Auswirkungen hat. „Alle sprechen von Kunstwerken aus Museen, die restituiert werden, aber niemand von den kleinen Geschäften und Wohnungen für die bislang keine Wiedergutmachung zustande kam.“ Gerhard Werdeker fasst in einem kurzen Satz zusammen, was Kortner 1946 bei der Entstehung des Stückes bereits vorausgeahnt hat.

Die groteske Uminterpretation des Donauwalzer-Themas durch quakende menschliche Stimmen, die zu den Szenenwechseln eingespielt werden, macht das absurde Geschehen auf einer auditiven Ebene zusätzlich erfahrbar. Qualtingers „Herr Karl“, bis heute eine Theaterikone, wird wahrscheinlich deswegen im Gegensatz zu Kortners „Donauwellen“ in mannigfachen Inszenierungen wiederaufgeführt, weil die Konsequenzen dieses Charakters keine offenkundigen finanziellen Nachwirkungen auf das Hier und Heute haben. Menschen, die in der zweiten oder dritten Generation nach wie vor direkte Nutznießer des Naziregimes sind, haben keinerlei Interesse daran, dieses Thema präsentiert zu bekommen. Umso mehr sollte dieses Stück zur Pflichtlektüre in der Schule erkoren werden. Umso mehr sollte die Inszenierung in der Kaiserstraße jeden Tag ausverkauft sein. Dringende Empfehlung: Mit Familie und Freunden ansehen und selbst weiterempfehlen!

PS: Extra Empfehlung auch für das informative Programmheft.

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