Shakespeare – wie er sein sollte

Shakespeare – wie er sein sollte

Aufführungen von Schauspiel-Abschlussklassen sind für die Beteiligten und deren Anhang – Eltern, Geschwister, andere Anverwandte und Freunde spannend. Im Moment gibt es eine solche Aufführung, die sich aber alle Theaterfreaks ansehen sollten. Auch wenn sie mit keinem der Absolventen und keiner der Absolventinnen verwandt, verschwägert oder in sonst einer familiären Beziehung stehen.

„Mit „Romeo und Julia“ haben wir uns ja ein Stück ausgesucht, das niemand kennt und das ganz leicht ist“. Augenzwinkernd macht Reinhardt Winter, künstlerischer Leiter der Schauspielschule Krauss klar, wie hoch die künstlerische Latte in diesem Jahr für den Schauspielnachwuchs gesetzt wurde. Ein Wagnis, denn wer kennt nicht diesen emblematischen Stoff um die unerfüllte Liebe zweier junger Menschen und die Unbeugsamkeit und den Hass der Generation vor ihnen? Welche am Theater Interessierte haben „Romeo und Julia“ nicht schon in mehreren Varianten gesehen und somit auch ihre eigene Vorstellung davon?

Eine hervorragende Regie und ein tolles Ensemble

Dass man daraus heute noch eine Inszenierung machen kann, die einerseits ihre Geschichte nicht verleugnet und andererseits aber immer noch mit jeder Menge Spaß und Empathie daherkommt, ist ein Kunststück. Und das ist dem Team der Schauspielschule Krauss gelungen. Unter der fulminanten Regie von Andreas Simma zeigte sich das 13-köpfige Ensemble in insgesamt 27 Rollen, wobei die Verwandlungen meist nicht hinter, sondern auf der Bühne stattfanden.

Romeo und Julia1

Romeo und Julia, Schauspielschule Krauss (c) Michaela Krauss-Boneau

Wie in der Volkstheater-Inszenierung desselben Stückes von einem Jahr verteilen sich auch hier die Rollen auf drei Julias und drei Romeos plus je einer Puppe der Liebenden. Der große Unterschied jedoch ist die Interpretation der mit viel Humor beleuchteten Charaktere, die vor den tragischen, letalen Ereignissen vor der Pause die Lachmuskeln des Publikums ordentlich strapazieren.

Slapstick und viel Musik

Wenn gleich zu Beginn jeder gegen jeden und jede sich eine Prügelschlacht liefert und die Theaterwatschen nur so daher- und dahinfliegen, wenn sich die Balkonszene auf einem Sessel abspielt und sich Romeo davor hinter ein paar grünen Plastikzweiglein versteckt hält, wenn sich Lady Capulet mit ihrem Mann um „meine, deine, unsere Tochter“ streitet oder Jesus in der Priesterklause erst einmal sein Podest erklimmen muss, bleibt kein Auge trocken. Viel Slapstick garniert diese erste Szenen, genauso wie ausgewählte Live-Musik, aber auch solche vom Band wie von Vivaldi oder Bobby Mc Ferrin, welche die jeweilige Atmosphäre emotional unterstützt. Paul Graf (Romeo, einfühlsamer Bruder Lorenzo und umwerfender Falco-Verschnitt) am Akkordeon, Nikolaas von Schraader (Benvolio und durchgeknallter Hippie-Musiker) an der Gitarre und Shirina Granmayeh (Lady Capulet) und als Chansonnière mit einer – je nach Anforderung zarten oder souligen Jazz-Stimme – geben die Live-acts, die unglaublich beeindrucken.

Xenia Hawle darf als Fürst Escalus vor allem am Ende des Stückes gehörig auf die Tränendrüsen drücken, wohingegen Valerie Huber (Julia) aber vor allem als Diener Peter alle Register der Komödiantik ziehen darf. Zur Verstellung reicht ihr dabei eine goldene Strickmütze, die ein Teil der Farbsymbolik ist, welche stringent durchgezogen wird. Die Capultets mit goldenem Touch – bis hin zur Ausschnittverzierung der Amme – Lena Taferner in einer Rolle, die ihr wie auf den Leib geschneidert scheint. Witzig, spritzig, ein wenig dümmlich, aber mitten drin im prallen Leben, das sie umgibt. Die Montagus in Silber ausstaffiert.

Romeo und Julia2

Romeo und Julia, Schauspielschule Krauss (c) Michaela Krauss-Boneau

Sebastian Malfer und Valentina Schatzer dürfen die letzten Szenen ihres Romeos und ihrer Julia spielen und lassen dabei die Zeit stehen und die Liebe hochleben. Max Kolodej lebt neben seiner Interpretation von Sir Montagu das heiße Blut Mercutios furios aus, sodass man bei seinen vielen Stürzen um seine Knochen fürchtet. Sein Gegenpart Jakob Oberschlick liefert als Tybald mit ihm eine veritable Fechtszene ab und fühlt sich bald darauf in die gebückte Gestalt des Apothekers ein, der Romeo sein verlangtes Gift überreicht. Veronica Petrovic gibt neben Tybalds Diener eine der bezaubernden Julia-Interpretationen, Henrietta Rauth in auffälligem, schwarzen Anzug mit breiten Sakko-Aufschlägen einen unbeholfenen, der Liebe aber völlig ausgelieferten Graf Paris sowie die Lady Montagu und Johannes Sautner neben seinem Romeo einen Sir Capulet, der in seiner Wut stimmlich drei Theatersäle füllen könnte und dabei den Rest seiner Familie klein aussehen lässt.

Die Schuld der Eltern-Generation

Die Regie verabsäumt es nicht, in den letzten Szenen die Schuld der Eltern-Generation sichtbar zu machen. Während sich vor ihr das Blutbad in der Grabstätte der Capulets abspielt, sitzen Lady und Sir Capulet, ihre Amme und ihr Diener, Sir Montague, der Fürst, Tybalds Diener und Benvolio wie Raben in schwarzem Outfit nebeneinander aufgereiht, ohne in das Geschehen eingreifen zu können.

Ohrenbetäubender Applaus und Bravo-Rufe bei Standing Ovations belohnten bei der Premiere völlig zu Recht alle Beteiligten. Unser Fazit: Sehenswert!

Die Produktion ist nur noch bis 3. April im Off-Theater zu sehen, also rasch Karten sichern! Infos auf der Website der Schauspielschule Krauss.

Ein Königreich für einen guten Pressesprecher

Ein Königreich für einen guten Pressesprecher

Gernot Plass` Hamlet-Neuinszenierung am TAG

Hamlet sein c Anna Stoecher 4730

Hamlet sein - Foto: © Anna Stoecher

Die Neuinszenierung von Hamlet im TAG (Theater an der Gumpendorfer Straße) hat es in sich. Nicht nur, dass Shakespeare zur großen Überraschung auch mit der neuen Sprache von Gernot Plass Shakespeare bleibt. Als ob darin nicht ohnehin schon Stoff genug zum Nachdenken vorhanden sei, setzt Plass mit weiteren Bedeutungsebenen dem Stück wahrlich seine eigene Krone auf – mit vielen, vielen darin funkelnden Edelsteinen. Mit dem Seziermesser scheint er über den Urtext gegangen zu sein, wobei ihm das Kunststück gelungen ist, den Duktus des Gottvaters des Dramas und der Komödie trotz neuem Sprachgewand 100prozentig getroffen zu haben. Und so jagt nicht nur ein Bonmot, eine blitzgescheite Idee, ein Spaß und eine tiefe Wahrheit die andere. Schlag auf Schlag, so dass man sicher sein kann erst bei einem zweiten oder gar dritten Theaterbesuch all seine geistreichen Finessen voll erfassen zu können, reichert der Autor und auch für die Inszenierung Verantwortliche das Geschehen mit zeitgeistigen Ideen an, ohne jedoch dabei die Grundkonstruktion des Dramas je aus dem Auge zu verlieren. Auch das Bühnenbild und die Kostüme stammen aus derselben Denke und bilden somit ein rundes Ganzes, das mit zum Erfolg der Inszenierung beiträgt. Schwarz und Weiß, Grau und Rot bestimmen sowohl die räumliche Determination als auch die Kleidung und lassen Raum genug, jede Szenerie durch unterschiedliche Ausleuchtung selbst neu zu interpretieren.

Der Autor lässt seinen Hamlet als Student der Philosophie auftreten. Ausgerechnet in Freiburg steht seine Alma Mater, weswegen er wohl sein Denken auf Husserl und Heidegger ausrichtet. Darin übt er sich auch kräftig zu Hause, wobei er zwangsläufig damit seine Familie und Freunde intellektuell ins Abseits stellt. Da bedarf es nur mehr des Griffes zu einem Buch und eine kleine exaltierte Körperpose, schon glauben alle, er sei dem Wahnsinn verfallen. Wenn sich in seinen Gedankenströmen das Licht lichtet erfreut sich jeder gebildete Mensch an der Verballhornung von Heideggers Nichts, das sich nichtet. Doch obwohl er wie nebenbei auch Nietzsche und Sartre aus dem Ärmel beutelt und offenbar auch profunde Kenntnisse des griechischen Dramas aufweist, kann er sich dem Schicksal, das auf alle wie ein Tsunami zurollt, nicht entziehen. Bildung und Intelligenz schaden nicht – aber sie helfen ihm auch nicht, das finale Gemetzel hintanzuhalten. So verwundert es schließlich nicht, dass ihm sein früher Tod selbst allzu früh und ohne Erlösung kommt. Mit dem Ausruf „Ich war so kurz davor das alles zu kapieren“ verweist er auf die Hoffnung eines Erkenntniszuwachses, den er gerne länger ausgekostet hätte. Als ewig Denkender und ewig Suchender beherrscht ihn auch noch in der letzen Minute sein Wissensdrang stärker als Gefühle zu seinen Mitsterbenden. In existenzialistisches Schwarz gekleidet, blass im Gesicht, mimt Gottfried Neuner glaubwürdig seinen verkopften Antihelden.Ganz Kopf- und wenig Bauchmensch ist seine Handlungstriebfeder eine gänzlich andere als jene seines größten Widersachers.

Claudius, sein Onkel und Stiefvater agiert hingegen als machtbesessener und potenter hinterlistiger Mörder, der im Laufe des Dramas seinen Gewissensbissen nicht entkommt. Ganz im Gegensatz zu Hamlet denkt er nicht über das Nicht-Sein nach, sondern reflektiert vielmehr über die Außenwirkung seiner Taten und würde ein Königreich für einen guten Pressesprecher geben, um sein Image halbwegs rein poliert zu bekommen. In der Doppelrolle von Hamlets Vater und Claudius brilliert der hünenhafte Horst Heiss, an seiner Seite apart Michaela Kaspar mit blutrotem Lippenstift – der von Beginn an ganz subtil vom schaurigen Ende kündet. Hin- und her gerissen zwischen Eros und Mutterliebe ist sie froh über jede Einflüsterung, die ihr Handeln bestimmt. Wie jene von Polonius – komödiantisch mehr als astrein von Georg Schubert dargestellt – in welcher sie ihren Sohn zur Rede stellen will und zur Räson bringen, an seiner Rhetorik jedoch völlig schutzlos zerbrechen muss.

Maya Henselek in der Doppelrolle der Ophelia und des Horatio, hat in beiden Fällen die Sympathien des Publikums auf ihrer Seite. Einerseits als verletze Liebende, die, wie es die Königin nach ihrem Tod ausdrückt, zumindest als Wasserleiche noch ein schönes Bild gibt. Und schon wieder darf es beim gebildeten Publikum in den Synapsen klicken und John Everett Millais mit seinem Gemälde der im Bach treibenden Toten unweigerlich durch die Gehirnwindungen sausen. Und andererseits als einziger Freund Hamlets, der ihm einzig intellektuell das Wasser reichen kann. Zwar muss er sich mit einer Assistentenstelle zufriedengeben – in welcher er sich der Phänomenologie Husserls verschrieben hat – und somit eine inferiore Denkposition gegenüber Hamlet einnimmt, betrachtet man die Entwicklung der Philosophie als linear ansteigend. Dennoch ist er es, der Hamlet bei all seinem Denken und Handeln treu bis zum Ende zur Seite steht. Henselek zeigt in den beiden Rollen ihre grandiose Wandelbarkeit nicht zuletzt durch eine clevere Kostümwahl unterstützt.

Jens Claßen und Julian Loidl, als mit wenig Geist ausgestattete Güldensterns und Rosenkranz zu sehen, dürfen auch als Mitglieder jener Theatertruppe agieren, die ganz unwissentlich Hamlet dabei unterstützt, das Verbrechen an seinem Vater aufzudecken. Aber nicht nur diese Szene stellt – wie heute so gerne in modernen Inszenierungen – das Theater selbst auf den philosophisch-soziologischen Prüfstand. Auch der Hinweis auf Max Reinhardt und Fritz Kortner – im Zusammenhang mit Hamlets Vergänglichkeitsbetrachtungen – konterkariert wie mit feinen Nadelstichen die Metahandlung und holt sie zurück auf jene Bretter, die manchmal nicht die Welt, sondern eben nur eine Kulturnation bedeuten.

Wem es in dieser Kritik zu sehr heideggerte und husserlte, shakespearlte und plasste, der oder dem sei gesagt, einfach unvoreingenommen in eine Vorstellung gehen, alles hier Gelesene vergessen und einfach nur genießen. Einen Theaterabend der Sonderklasse.

Gernot Plass` Hamlet-Neuinszenierung am TAG

Hamlet sein c Anna Stoecher 4730

Hamlet sein - Foto: © Anna Stoecher

Die Neuinszenierung von Hamlet im TAG (Theater an der Gumpendorfer Straße) in der Währingerstraße hat es in sich. Nicht nur, dass Shakespeare zur großen Überraschung auch mit der neuen Sprache von Gernot Plass Shakespeare bleibt. Als ob darin nicht ohnehin schon Stoff genug zum Nachdenken vorhanden sei, setzt Plass mit weiteren Bedeutungsebenen dem Stück wahrlich seine eigene Krone auf – mit vielen, vielen darin funkelnden Edelsteinen. Mit dem Seziermesser scheint er über den Urtext gegangen zu sein, wobei ihm das Kunststück gelungen ist, den Duktus des Gottvaters des Dramas und der Komödie trotz neuem Sprachgewand 100prozentig getroffen zu haben. Und so jagt nicht nur ein Bonmot, eine blitzgescheite Idee, ein Spaß und eine tiefe Wahrheit die andere. Schlag auf Schlag, so dass man sicher sein kann erst bei einem zweiten oder gar dritten Theaterbesuch all seine geistreichen Finessen voll erfassen zu können, reichert der Autor und auch für die Inszenierung Verantwortliche das Geschehen mit zeitgeistigen Ideen an, ohne jedoch dabei die Grundkonstruktion des Dramas je aus dem Auge zu verlieren. Auch das Bühnenbild und die Kostüme stammen aus derselben Denke und bilden somit ein rundes Ganzes, das mit zum Erfolg der Inszenierung beiträgt. Schwarz und Weiß, Grau und Rot bestimmen sowohl die räumliche Determination als auch die Kleidung und lassen Raum genug, jede Szenerie durch unterschiedliche Ausleuchtung selbst neu zu interpretieren.

Der Autor lässt seinen Hamlet als Student der Philosophie auftreten. Ausgerechnet in Freiburg steht seine Alma Mater, weswegen er wohl sein Denken auf Husserl und Heidegger ausrichtet. Darin übt er sich auch kräftig zu Hause, wobei er zwangsläufig damit seine Familie und Freunde intellektuell ins Abseits stellt. Da bedarf es nur mehr des Griffes zu einem Buch und eine kleine exaltierte Körperpose, schon glauben alle, er sei dem Wahnsinn verfallen. Wenn sich in seinen Gedankenströmen das Licht lichtet erfreut sich jeder gebildete Mensch an der Verballhornung von Heideggers Nichts, das sich nichtet. Doch obwohl er wie nebenbei auch Nietzsche und Sartre aus dem Ärmel beutelt und offenbar auch profunde Kenntnisse des griechischen Dramas aufweist, kann er sich dem Schicksal, das auf alle wie ein Tsunami zurollt, nicht entziehen. Bildung und Intelligenz schaden nicht – aber sie helfen ihm auch nicht, das finale Gemetzel hintanzuhalten. So verwundert es schließlich nicht, dass ihm sein früher Tod selbst allzu früh und ohne Erlösung kommt. Mit dem Ausruf „Ich war so kurz davor das alles zu kapieren“ verweist er auf die Hoffnung eines Erkenntniszuwachses, den er gerne länger ausgekostet hätte. Als ewig Denkender und ewig Suchender beherrscht ihn auch noch in der letzen Minute sein Wissensdrang stärker als Gefühle zu seinen Mitsterbenden. In existenzialistisches Schwarz gekleidet, blass im Gesicht, mimt Gottfried Neuner glaubwürdig seinen verkopften Antihelden.Ganz Kopf- und wenig Bauchmensch ist seine Handlungstriebfeder eine gänzlich andere als jene seines größten Widersachers.

Claudius, sein Onkel und Stiefvater agiert hingegen als machtbesessener und potenter hinterlistiger Mörder, der im Laufe des Dramas seinen Gewissensbissen nicht entkommt. Ganz im Gegensatz zu Hamlet denkt er nicht über das Nicht-Sein nach, sondern reflektiert vielmehr über die Außenwirkung seiner Taten und würde ein Königreich für einen guten Pressesprecher geben, um sein Image halbwegs rein poliert zu bekommen. In der Doppelrolle von Hamlets Vater und Claudius brilliert der hünenhafte Horst Heiss, an seiner Seite apart Michaela Kaspar mit blutrotem Lippenstift – der von Beginn an ganz subtil vom schaurigen Ende kündet. Hin- und her gerissen zwischen Eros und Mutterliebe ist sie froh über jede Einflüsterung, die ihr Handeln bestimmt. Wie jene von Polonius – komödiantisch mehr als astrein von Georg Schubert dargestellt – in welcher sie ihren Sohn zur Rede stellen will und zur Räson bringen, an seiner Rhetorik jedoch völlig schutzlos zerbrechen muss.

Maya Henselek in der Doppelrolle der Ophelia und des Horatio, hat in beiden Fällen die Sympathien des Publikums auf ihrer Seite. Einerseits als verletze Liebende, die, wie es die Königin nach ihrem Tod ausdrückt, zumindest als Wasserleiche noch ein schönes Bild gibt. Und schon wieder darf es beim gebildeten Publikum in den Synapsen klicken und John Everett Millais mit seinem Gemälde der im Bach treibenden Toten unweigerlich durch die Gehirnwindungen sausen. Und andererseits als einziger Freund Hamlets, der ihm einzig intellektuell das Wasser reichen kann. Zwar muss er sich mit einer Assistentenstelle zufriedengeben – in welcher er sich der Phänomenologie Husserls verschrieben hat – und somit eine inferiore Denkposition gegenüber Hamlet einnimmt, betrachtet man die Entwicklung der Philosophie als linear ansteigend. Dennoch ist er es, der Hamlet bei all seinem Denken und Handeln treu bis zum Ende zur Seite steht. Henselek zeigt in den beiden Rollen ihre grandiose Wandelbarkeit nicht zuletzt durch eine clevere Kostümwahl unterstützt.

Jens Claßen und Julian Loidl, als mit wenig Geist ausgestattete Güldensterns und Rosenkranz zu sehen, dürfen auch als Mitglieder jener Theatertruppe agieren, die ganz unwissentlich Hamlet dabei unterstützt, das Verbrechen an seinem Vater aufzudecken. Aber nicht nur diese Szene stellt – wie heute so gerne in modernen Inszenierungen – das Theater selbst auf den philosophisch-soziologischen Prüfstand. Auch der Hinweis auf Max Reinhard und Fritz Kortner – im Zusammenhang mit Hamlets Vergänglichkeitsbetrachtungen – konterkariert wie mit feinen Nadelstichen die Metahandlung und holt sie zurück auf jene Bretter, die manchmal nicht die Welt, sondern eben nur eine Kulturnation bedeuten.

Wem es in dieser Kritik zu sehr heideggerte und husserlte, shakespearlte und plasste, der oder dem sei gesagt, einfach unvoreingenommen in eine Vorstellung gehen, alles hier Gelesene vergessen und einfach nur genießen. Einen Theaterabend der Sonderklasse.

Rock me Shakespeare!Rock me Shakespeare !

Rock me Shakespeare!Rock me Shakespeare !

nuit rois porto 3c Denis Arlot

Nuit des rois / Jean-Michel Rabeux (c) Denis Arlot

„Was ihr wollt“ ist eine von Shakespeares bekannten Verwechslungskomödien, die neben viel Lachpotential auch eine gehörige Portion Tiefsinn aufweist. Sie als zeitgemäße, trashige Rockinszenierung auf die Bühne zu bringen heißt aber nicht, auf Letzteren zu verzichten – wenn es gut gemacht ist.

Jean-Michel Rabeux brachte im Le-Maillon in Straßburg Shakespeares Stück in französischer Sprache als „La nuit des rois“ auf die Bühne, würzte den Text mit allerlei musikalischen Einlagen, vornehmlich rockig-jazziger Prägung und – machte seine Sache gut. Seine Truppe erschien als Mischung von Sergeant Peppers Hart-Club-Band und Udo Lindenbergs Panikorchester, nur dass sie nicht nur Musik machte, sondern über die Maßen gut schauspielern konnten.

Das Geschehen rund um Olivia, die ihren Bruder betrauert und sich unversehens in die als Mann verkleidete Viola verliebt, die ihrerseits ebenso um ihren Bruder trauert, von dem sie annimmt, er sei ertrunken, hat bei Rabeux exakt dieselben skurrilen Höhen, schillernden Zwischentöne aber auch  nachdenklichen Passagen, wie William Shakespeare sie in seiner Urfassung angedacht hat. Obwohl es kein zwitschernderes Grün, kein blitzenderes Blau und kein schreienderes Gelb gibt, in das  Rabeux seine Protagonisten gewandet. Obwohl der hünenhaft gewachsene Gilles Ostrowsky als Sir Andrew (im Deutschen Andreas von Bleichenwang) durch seine umwerfende Komik bei jedem seiner Auftritte das Publikum zu Lachern hinreißt. Er besticht nicht nur durch seine Körpersprache, sondern vor allem durch seine grenzenlos aussagestarke Mimik, die bis in die letzte Reihe wahrnehmbar ist. Obwohl Feste, der Hofnarr, alleine schon durch seine groteske Aufmachung mit weißen Gummistiefeln, weißem, durchsichtigen Möchte-Gerne-Zylinder und weißem Frack, unter dem er nichts als eine weiße Feinrippunterhose trägt, eine so komische Gestalt abgibt, dass sein Äußeres jeden seiner gesprochenen Einsätze überstrahlt. Georges Edmonts strahlend weiße Haare passen dazu wie das Tüpfelchen auf dem i. „Obwohls“ wären noch einige anzuführen, die belegen, dass das Publikum bei dieser Inszenierung mit einer ganzen Menge subtilem, aber auch handfestem Witz unterhalten wird. Mitleid, Verwunderung und Nachdenklichkeit gehen  dennoch nicht verloren und machen tatsächlich das Salz in der so überaus heißen Lachnummernsuppe aus.

Man spürt Mitleid mit dem alten Narren, der seine besten Zeiten längst hinter sich hat ebenso wie mit Olivia, deren Liebe anfänglich nicht erwidert werden will.  Man ist verwundert ob der Liebesblödigkeit, in die Malvolio, der Haushofmeister Olivias verfällt.  Und nicht zuletzt wird man ein klein wenig nachdenklich über die unbedingte Liebe und Ergebenheit Antonios, der Sebastian, den er vor dem Ertrinken gerettet hat, selbst dann nicht alleine lässt, als er sich dabei selbst in Gefahr begeben muss.

Über allem Spaß und allem Nachdenkenswerten steht in dieser Inszenierung jedoch schlichtweg die Lust am Theatermachen. Die Lust, das Publikum zu unterhalten und nicht zuletzt auch selbst Spaß am Theaterspielen zu haben. Die kleine, zarte Geraldine Martimeau, die in ihrer Körpersprache als Mary zwischen kindlicher Unschuld und raffinierter Fädenzieherin übergangslos wechseln kann, erinnert durch ihre Ringelstrümpfchen und dem bauschigen, hellblauen Tutu an Pippi aus der Villa Kunterbunt, die sich als Primaballerina verkleidet hat. Claude Deliame als ständig betrunkener Sir Toby (Tobias von Rülps) im violetten Samtanzug, dem es dennoch immer wieder gelingt seinen zahlungswilligen Zechbruder Sir Andrew in seiner Nähe zu halten, ist aufgrund seines hohen Alkoholpegels in keiner Sekunde wirklich bei Sinnen – und dennoch scheint an ihm gerade deswegen der Ernst des Lebens wie ein leiser Fluss in der Ferne vorbeizurauschen. Benedicte Cerutti, mit ihren fließenden, langen, roten Haaren und dem bodenlangen, weit geschlitztem Kleid, macht gerade in ihrem Herzeleid allergrößten Staat. Sie berührt jede und jeden, der schon einmal erleben musste, was unerwiderte Liebe bedeutet. Wie ihr Liebesschmerz von einem Augenblick auf den anderen in Komik kippt, weil sie auf allen Vieren aus der Szene kriecht und dabei  mit dem Kopf gegen eine Mauer stößt, zeugt von allerfeinstem handwerklichem Theaterkönnen. Malvolio, Christophe Sauger, der in Shakespeares Vorgabe seine Herrin Olivia mit gelben Kniestrümpfen betören möchte, erscheint gleich in einem kanarigelben Bodysuit und orangen High-heels. Corinne Cicolari, im Stück als Curio agierend, trägt den Abend neben Seb Martel an der Gitarre mit ihrer rauchigen, vollen Jazzstimme, die so ganz im Gegensatz zu ihrem Outfit steht, das eher an einen Zirkusclown erinnert. „I put a spell on you“, „Wild thing“ oder „Don´t worry be happy“ sind nur ein kleiner Auszug jener Nummern, die sich ganz organisch über das Stück verteilt ins Geschehen eingliedern. Die Musik begleitet manchmal kurze Umbauphasen, dann wieder wird sie als erklärendes oder verstärkendes Gefühlsmoment eingesetzt. Das Bühnenbild – eine große rote Metallwand, in die ein großes, rotes Metallpodest eingeschoben werden kann, wird für jeden Aufzug geringfügig verändert. Sie wird nur durch ein breites Treppenpodest ergänzt, auf welchem sich die Schauspieltruppe zwischendurch einfindet, um gemeinsam Musik zu machen. Wie zu Shakespeares Zeiten verwendet der Regisseur Melodien, die jeder kennt, und man kann sich gut vorstellen, dass das Publikum vor 500 Jahren durch eine ähnliche musikalische Verklammerung gefühlsmäßig mit dem Geschehen so verbunden gewesen ist, wie wir es heute sind.

Das Verwirrspiel um falsche geschlechtliche Identitäten und Liebesbekundungen wird von Rabeux zu einem veränderten Finale geführt. Sebastien, der Zwillingsbruder Violas, wird  nicht genötigt, sich mit Sir Andrew zu duellieren, vielmehr erkennt dieser auch ganz ohne Prügel, dass er vom Leben – oder genauer gesagt – von den Menschen rund um ihn, in vielerlei Hinsicht an der Nase herumgeführt wurde. Laut schimpfend verlässt er die Bühne.  „Ich hasse die Liebe, ich hasse die Liebe“ ruft er dabei  den sich glücklich vereint sehenden Paaren ins Gesicht und zeigt noch einmal, dass Shakespeares „Was ihr wollt“ nur für jene eine leichte Kost ist, die sich auf den Tiefsinn partout nicht einlassen wollen.

nuit rois porto 3c Denis Arlot

Nuit des rois / Jean-Michel Rabeux (c) Denis Arlot


«La nuit des rois» est l’une des célèbres comédies de Shakespeare. Cette œuvre n’est pas seulement d’une grande drôlerie, elle est également très profonde. La mise en scène version rock-trash n’enlève rien à cette profondeur, à condition qu’elle soit bien faite.

Au Maillon à Strasbourg, Jean-Michel Rabeux a signé la mise en scène de la pièce de Shakespeare. Il l’a agrémentée avec différents numéros musicaux plutôt rock et jazzy et il a fait du bon boulot. Sa troupe paraissait être un mélange entre le Sergeant Pepper Hart-Club-Band et le Panikorchester d’Udo Lindenberg. Les membres de cette troupe n’ont pas fait que de la musique, ils ont également merveilleusement bien joué la comédie.

L’action s’articule autour d’Olivia qui porte le deuil de son frère. Elle tombe amoureuse de Viola qui est déguisée en homme et qui pleure également un frère décédé. Chez Rabeux on retrouve tout ce que  Shakespeare avait mis dans la version originale : les mêmes hauteurs loufoques, les tons à demi-teinte scintillants et les passages incitant à la réflexion. Même s’il n’y pas de vert plus gazouillant, même si les bleus ne peuvent être plus étincelants et qu’il est impossible de trouver un  jaune plus criard que ceux qu’arborent les personnages dans la mise en scène de Rabeux. Même si le gigantesque Gill Ostrovski dans le rôle de Sir Andrew fait  rire le public à chaque apparition. Il ne convainc pas seulement par son langage du corps. Sa mimique d’une expressivité incomparable fait beaucoup d’effet aux spectateurs jusqu’au dernier rang ! Même si l’apparence du fou du roi qui répond au nom de Feste est tellement grotesque qu’elle fait de l’ombre à tout ce que celui-ci peut dire: bottes en caoutchouc blanc, une chose transparente censée être un haut de forme et une queue-de-pie blanche portée avec rien d’autre en dessous qu’un slip aux fines côtes. La chevelure d’un blanc éclatant de Georges Edmont est en quelque sorte la cerise sur le gâteau. Même si, même si, même si….Et malgré tous ces «si», la compassion, l’étonnement et la réflexion ne sont pas oubliés dans cette mise en scène, bien au contraire ! Ce sont eux qui sont en quelque sorte le sel dans ce «potage hilarant».

On éprouve de la pitié pour le vieux fou qui a connu ses heures de gloire il y a bien longtemps. On compatit avec Olivia qui aime mais qui n’est pas aimée en retour, du moins au début. On est étonné de constater la bêtise de Malvolio, le maître de cérémonie d’Olivia en ce qui concerne les choses de l’amour et pour finir, on réfléchit sur l’amour inconditionnel d’Antonio pour Sébastien. Antonio refuse d’abandonner son bien aimé qu’il a sauvé de la noyade, même s’il doit se mettre en danger soi-même.

Mais ce qui prime par-dessus tout dans cette mise en scène, par-dessus le rire et par-dessus tout ce qui est sujet à réflexion, c’est la joie de faire du théâtre. L’envie de distraire le public et la joie qu’éprouve tout l’ensemble en jouant la comédie, tout simplement.  Le langage corporel de la petite et fragile Géraldine Martimeau passe de l’innocence infantile à la manipulation aguerrie sans aucune transition. Vêtue de collants à rayures et d’un tutu bleu ciel, elle fait penser à Fifi Brindacier de la villa Kunterbunt déguisée en danseuse étoile. Claude Deliame en costume de velours violet incarne Sir Toby, un alcoolique éternellement éméché qui réussit à garder Sir Andrew qui picole avec lui et surtout qui est disposé à régler la note, toujours à portée de main. A aucun moment, Toby ne semble être maître de lui-même. Mais grâce à son taux d’alcool constant, le coté sérieux de la vie glisse sur lui sans avoir d’emprise, il coule à coté de lui comme un long fleuve tranquille.

Bénédicte Cerrutti à la longue chevelure rousse et abondante, vêtue d’une robe longue blanche généreusement fendue sur le coté, étale avec pathos sa peine de cœur. Cette douleur bascule en l’espace de quelques secondes dans une drôlerie sans pareil parce qu’elle s’en va à quatre pattes, tout en cognant sa tête contre le mur. C’est du vrai savoir-faire dans le domaine de l’art théâtral.

Dans la version originale de Shakespeare Malvolio, Christophe Sauger cherche à séduire sa maîtresse grâce à ses bas jaunes. Ici, il apparait en body jaune-canari et talons aiguilles oranges. Avec sa voix de jazz enrouée, Corinne Cicolari dans le rôle de Curio porte la soirée aux cotés du guitariste Seb Martel. Cette voix est aux antipodes de sa tenue clownesque. « I put a spell on you », « Wild thing » ou « Don’t worry, be happy », ne sont qu’une partie des numéros qui s’intègrent dans l’action de façon quasi organique. Parfois, la musique accompagne des changements de décors, parfois, elle sert à souligner ou à renforcer des émotions.

A chaque nouveau tableau, le décor, un grand mur en métal rouge qui s’imbrique dans un énorme podium en métal rouge lui aussi, subit des changements minimes. Un large podium avec des marches complète le décor. De temps en temps, la troupe se réunit sur ce podium pour faire de la musique. Comme du temps de Shakespeare, le metteur en scène utilise des mélodies que tout le monde connaît. On imagine très bien que grâce à la musique il y a 500 ans déjà,  le public fut émotionnellement aussi proche de l’action que nous le sommes aujourd’hui.

Avec Rabeux, ce jeu de confusion entre l’identité homme/ femme,  cette profusion de déclarations d’amour connaît une fin différente. Sébastien, le frère-jumeau de Viola n’est pas obligé de se battre en duel avec Sir Andrew. Celui-ci prend conscience, sans passer par la «case combat», que la vie ou plutôt les gens qui l’entourent se sont moqués de lui à plusieurs points de vue.

Il quitte la scène en vociférant en direction des couples réunis dans le bonheur: «Je hais l’amour, je hais l’amour !» Il montre une fois de plus que «La nuit des rois» de Shakespeare est une pièce légère uniquement pour ceux qui refusent la profondeur.

Texte traduit de l’allemand par Andrea Isker.

Pin It on Pinterest