Und ewig grüßt der Vogerltanz

Und ewig grüßt der Vogerltanz

Michaela Preiner & Linda Pietsch

Foto: ( )

27.

Oktober 2016

Es beginnt alles mit einem Sketch. Claire soll erraten, an welches Wort Richard denkt. Sie erhält dazu weder einen Hinweis, noch darf sie Fragen stellen.

Es beginnt alles mit einem Sketch. Claire soll erraten, an welches Wort Richard denkt. Sie erhält dazu weder einen Hinweis, noch darf sie Fragen stellen. Die Aufgabe zu meistern klingt unmöglich – ist es auch. Unter der Moderation von Jerry und der Einspielung von Lachkonserven hat sie insgesamt drei Versuche für ihr Scheitern. Nachdem das Setting einmal durchexerziert wurde, geht es mit dem gleichen Sketch mit vertauschten Rollen weiter. Und weil es so schön ist, wird dies noch ungefähr 20 Mal wiederholt.

Die 2016 mit dem International Ibsen-Award ausgezeichnete Gruppe Forced Entertainment schafft es durch grandioses Schauspiel und Situationskomik tatsächlich, mit dem ewig gleichen Gag für Unterhaltung zu sorgen.

Aristoteles wäre begeistert gewesen

Laut Aristoteles hat das Antike Theater den Sinn, das Publikum durch die Überspitzung von Emotionen auf der Bühne, von eben jenen Emotionen zu reinigen. Das heißt in der Praxis, dass beispielsweise die dramatische Darstellung von Gewalt das Publikum dazu bringt, die eigenen brutalen Emotionen in ungefährlicher Weise auszuleben und nach der Vorstellung hinter sich zu lassen.

Aus heutiger Sicht ist die Katharsistheorie psychologisch gesehen unhaltbar. Aristoteles spricht allerdings einen Punkt an, der bis heute im Theater verfolgt wird: Das Erregen von Emotionen. Dass Theater nachdenklich stimmt, kommt durchaus öfter vor, aber richtig bewegend ist es nur in den besten Fällen. Und die Inszenierung „Real Magic“ war so einer.

real magic (c)Hugo Glendinning

real magic (c)Hugo Glendinning

Unter der künstlerischen Leitung von Tim Etchells verfolgt das Ensemble einen rezeptionsästhetischen Ansatz: Was macht das Stück mit dem Publikum? In der „Durational Performance“ Real Magic werden die Besucher und Besucherinnen des Tanzquartiers einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt. Mal amüsiert, dann wieder hemmungslos lachend, mal genervt, mal kurz davor zu gehen oder dazu geneigt, das Spiel selbst in die Hand zu nehmen.

Der Sketch wird mal schneller, mal langsamer von Claire Marshall, Richard Lowdon und Jerry Killick – drei der insgesamt sechs Performer von Forced Entertainment – aufgeführt. Die jeweilige Stimmung wird entweder durch die Musik von Georg Philipp Telemanns Fantasia Nummer 1 oder schneller Zirkusmusik untermalt. Auf der Bühne befinden sich nur zwei Sessel, ein Mikrofon, einige Leuchtröhren und Hahnenkostüme, die im Laufe der Performance zum Einsatz kommen.

Fragen, die nur das Publikum beantworten kann

Tatsächlich spielen Forced Entertainment mit mehr als nur einer Wiederholungsschleife ad infinitum. Sie spielen damit, wie wenig es an Text und Inhalt bedarf, um damit einen Abend zu füllen. Sie probieren, wie minimalistisch und einfach ein Tanz sein kann, um das Stück in einen tänzerischen Kontext einbetten zu können. Sie evozieren Publikumslachen aus der Konserve, aber auch live und laufen dabei auch Gefahr, dass unter Umständen niemand lacht. Und all diese Facetten, all diese Fragen stellen sie nicht sich selbst, sondern vielmehr dem Publikum. Dabei macht es sicher einen großen Unterschied aus, ob jemand Erfahrungen mit dem zeitgenössischen Theater hat oder nicht. Ob sich jemand auf absurde Szenerien einlassen kann und gleichzeitig die Fähigkeit hat zu erkennen, wie schauspielerisch anspruchsvoll diese Vorstellung ist. Ein und denselben Text in Abhandlungen zu sprechen, bei welchen die Personen andere Charaktere zugeschrieben bekommen, ist etwas, das jede Schauspielschule als Abschlussprüfung von seinen Schützlingen verlangen sollte. Und viele würden daran scheitern.

real magic (c) Hugo Glendinning

real magic (c) Hugo Glendinning

Nicht so Killick, Lowdon und Marshall. Das komödiantische Talent ist bei allen dreien gleich ausgebildet, dennoch trägt jeder und jede von ihnen ihr ganz persönliches Bühnen-Profil vor sich her.

Für bildende Künstler gilt eine Maxime: Nur wer mit seinen Arbeiten einen Wiedererkennungswert vorzuweisen hat, wird reüssieren. Diese Idee gilt in besonderem Maß für Real Magic von Forced Entertainment. Der sich ständig wiederholende Vogerltanz in der minimalistischen Ausformung, die nur möglich ist, die permanent wiederholten Fragen und Antworten – einmal ins Gedächtnis eingebrannt, werden sie dort auch verbleiben.

Pin It on Pinterest