Unglücklich sein ist kein Verdienst
07. März 2014
Als Mme. Curie, Lise Meitner und Hedy Lamarr bringt sie dem Publikum dabei komplexe wissenschaftliche Sachverhalte im wahrsten Sinn des Wortes spielend bei. Deswegen baten wir sie zum Interview.
Michaela Preiner
Foto der Schauspielerin Anita Zieher
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Die Schauspielerin und Theatermacherin Anita Zieher beeindruckt in der neuen Produktion des Portraittheaters in einer Dreifachrolle. Als Mme. Curie, Lise Meitner und Hedy Lamarr bringt sie dem Publikum dabei komplexe wissenschaftliche Sachverhalte im wahrsten Sinn des Wortes spielend bei. Deswegen baten wir sie zum Interview.

Sie haben Politikwissenschaften und Publizistik studiert bevor Sie Schauspielerin wurden. Warum eigentlich?

Ich war immer schon politisch interessiert. Politik war auch in meiner Familie immer ein Thema. Ich finde z.B. die Hintergründe einer Gesetzgebung sehr spannend, aber ich wollte schon als Kind Schauspielerin werden. Meine Eltern waren Landwirte und ehrlich gesagt wollte ich ihnen nach der Matura nicht sagen, dass ich Schauspielerin werden möchte – deswegen habe ich mich für diese beiden Fächer entschieden. Als ich dann einige Jahre später in New York war, habe ich mich entschlossen, eine Aufnahmeprüfung an einer Schauspielschule zu machen. Der Geist in New York und das Selbstbewusstsein, das man dort hat, haben mich direkt beeinflusst.

Sie sind keine Schauspielerin, die auf ein Engagement wartet, sondern Sie verfolgen sehr selbständig Ihre Ziele.

Ja, ich bin jetzt schon seit 10 Jahren selbständig. Vielleicht kommt das auch vom Einfluss meiner Familie, die ja immer selbständig war. Nach dem Studium war ich zwar auch in verschiedenen Organisationen und Firmen angestellt, aber der Wunsch, kreativ zu arbeiten, wurde immer stärker. Ich biete ja auch Kommunikationstrainings an. Das macht mir sehr viel Spaß, weil ich es liebe, mit Menschen zu arbeiten und dabei Theatermethoden anwenden zu können. Es ist einfach schön zu sehen, dass bei dieser Arbeit etwas aufgeht. Ich möchte z.B. nicht an einer großen Bühne ein Hausmädchen spielen müssen, das nur ein Tablett hereinträgt. Ich finde es immer eine Vergeudung von Ressourcen, wenn gute SchauspielerInnen lediglich in kleinen Nebenrollen agieren.

Sie waren Mitbegründerin des Portraittheaters. Wie kam es eigentlich dazu?

2006 war der 100. Geburtstag von Hannah Arendt. Ich habe mich umgesehen und festgestellt, dass es keinerlei Veranstaltungen diesbezüglich gab. Deswegen habe ich mich gemeinsam mit der Regisseurin Brigitte Pointner zu einem Hannah-Arendt-Stück entschlossen. Von Beginn an kam das Portraittheater gut an, weil es einen anderen Zugang zu einer Biographie bietet als z.B. eine Lesung. Dabei verfolgen wir auch den Ansatz, Wissen verständlich zu vermitteln und ein lebendiges Portrait der jeweiligen Person zu schaffen. Ich finde, dass das Privatleben von berühmten Frauen auch immer interessant ist und dass die weibliche Gedächtnisarbeit eigentlich verkümmert ausgeprägt ist. Nach Arendt kam der 100. Geburtstag von Simone de Beauvoir und dann haben wir uns entschlossen, etwas zu Bertha von Suttner zu machen. Letztere wird immer als strenge, alte Witwe dargestellt, aber sie war eigentlich eine lebenslustige Person, die einen um 7 Jahre jüngeren Mann heiratete und mit ihm 9 Jahre lang in den Kaukasus ging. Erst nach der Veröffentlichung ihres Buches kam sie in die Friedensbewegung.

Ist Frauenförderung für Sie eine Herzensangelegenheit?

Ja, das ist mir ein generelles Anliegen. Auch die Zusammenhänge zwischen Frauen, Technik und Wissenschaft finde ich spannend. Dafür war ich schon immer sensibilisiert. Leider gibt es ja die vielzitierte gläserne Decke tatsächlich, da muss noch viel geschehen. In meiner schauspielerischen Arbeit interessiere ich mich besonders für Frauen, die es wert sind, dass man sich an sie erinnert. Ich brauche keine Auseinandersetzung mit Eva Braun oder Sissi. Unglücklich sein ist ja kein Verdienst! Solche Charaktere finde ich einfach nicht spannend. Aber eine Leistung, die gegen massiven Widerstand entsteht und wenn jemand gleichzeitig etwas für die Gesellschaft tut, das finde ich interessant. Für mich stellt sich auch immer die Frage, was von einer Person im kollektiven Gedächtnis bleibt. Im Theater, aber noch mehr im filmischen Bereich setzt man sich gerne auf die Liebesgeschichten von Frauen, auch wenn diese nur spekulativ sind. Dabei gibt es aber genügend Frauenleben – wie jenes von Lise Meitner – die auch ohne eine spektakuläre Liebesgeschichte spannend sind.

Sie arbeiten ja auch mit Schulklassen zusammen.

Ja, über die Vorstellungen hinaus bieten wir mit der Drachengasse auch das sogenannte „Klassenzimmertheater“ an. Dabei kommt z.B. Marie Curie in eine Klasse, in der dann die SchülerInnen Fragen an sie richten und dazu arbeiten.

Die Arbeit, die sie gerade beschrieben haben, hat ja auch viel mit Improtheater zu tun.

Ja, das ist auch immer ein Thema in meiner Arbeit. Wir hatten z. B. bei unserem Stationentheater über Bertha von Suttner eine Podiumsdiskussion, bei der das erwachsene Publikum Fragen an mich in dieser Rolle stellen konnte. Udo Bachmair, den man als ORF Journalist kennt, hat das moderiert, wie man es vom Mittagsjournal her gewohnt ist. Es war spannend, wie sehr sich das Publikum auf dieses Spiel eingelassen hat. Menschen haben ja grundsätzlich einen Spieltrieb und wenn der einmal geweckt wird, dann können sie sich richtig hineinsteigern.

Interessieren sich für diese Art von Theater mehr Frauen oder mehr Männer?

Das Portraittheater hat sicher mehr weibliche Besucher, aber es gibt zwischen Männern und Frauen dabei generell keinen Unterschied in der Reaktion. Mich freut es, wenn ich danach direkte Rückmeldungen bekomme. So kam einmal nach einer Vorstellung ein Mann zu mir, der war Friseur. Der sagte: „Jetzt will ich mehr von Hannah Arendt wissen“. Es sind Reaktionen wie diese, die mir wichtig sind. Wenn das Publikum emotional berührt ist, das ist mir das Wichtigste.

Registrieren Sie bei den jungen Menschen Unterschiede, die genderbedingt sind?

Zum Glück ist das Selbstbewusstsein der Frauen stärker geworden. Ich glaube auch, dass Frauen eine bewusstere Entscheidung treffen, was ihren Arbeitsbereich betrifft. Die Frage „Wie lebe ich als Frau“ hat ja mittlerweile schon eine Tradition von 40 – 50 Jahren. Junge Männer hingegen sind oft schwer verunsichert. Das Vätervorbild passt ihnen oft nicht mehr. Arbeitszeiten von 70 – 80 Stunden wollen sie nicht mehr mitmachen, aber es gibt wenig neue Vorbilder für sie. Ich habe den Eindruck, dass man im Moment mit den Burschen viel mehr arbeiten müsste.

Hatten Sie Vorbilder?

Bei mir waren es – wie auch bei vielen anderen – Lehrerinnen, die mich beeinflusst haben. Ich war im Gymnasium im naturwissenschaftlichen Zweig und die Biologie- und Chemielehrerin hat mich sicher geprägt. Ich gehe gerne ins Technische Museum gern ins Ars Electronica Center. Dort benehme ich mich fast wie ein Kind. Ich bin unglaublich neugierig und möchte immer wissen, wie etwas funktioniert. Da ist wieder dieser Spieltrieb. Den finde ich grundsätzlich sehr wichtig, auch im alltäglichen Leben. Ich bin sehr dagegen, dass alles, was man macht, sofort einen gewissen Output erzeugen muss. Vieles im kreativen Bereich aber auch im Alltag braucht einfach Zeit um zu reifen, um durch einen kreativen Prozess zu gehen.

In der neuen Produktion Curie_Meitner_Lamarr_unteilbar schlüpfen Sie gleich in drei unterschiedliche Charaktere hintereinander. War das eine Herausforderung?

Ja, auf alle Fälle, wobei ich den Aufwand unterschätzt habe. Es sind ja drei Frauen, die in drei unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen gearbeitet haben. Das bedeutete auch, dass die Recherche drei Mal so intensiv war wie bei einem Stück über eine Person. Mir ist es auch wichtig dabei zu zeigen, dass es im Laufe des Lebens bei diesen Frauen auch viele Niederlagen gegeben hat die sie überwinden mussten. Diese Art des Theaters ist sehr aufwändig, auch wenn man das vielleicht auf den ersten Blick gar nicht so sieht. Es ist ja auch eine ganze Reihe von Menschen daran beteiligt. Die Regisseurin Sandra Schüddekopf und ich haben gemeinsam den Text erarbeitet. Dabei muss man um jeden einzelnen Satz kämpfen. Jede Aussage, jeder Satz wird hinterfragt, ob er notwendig ist oder nicht. Da kann schon auch einmal ein wilder Diskurs entstehen, aber das ist ja auch das Spannende daran. Als Ausgleich zu einer so intensiven Arbeit habe ich als zweites Standbein das Improtheater, das mir großen Spaß macht. Diese beiden Standbeine sind für mich sehr wichtig. Dem Improtheater fehlt oftmals die Tiefe, dafür arbeitet man mit der spontanen Reaktion der Spielpartner und des Publikums, das mag ich sehr. Das erfordert auch viel Vorbereitung, die man dann an dem Abend gar nicht mitbekommt. Und dann mache ich ja auch noch Improkabarett im Duo „Zieher & Leeb“. Grundsätzlich freue ich mich, wenn ganz unterschiedliche Menschen ins Theater kommen, so wie es derzeit in der Drachengasse der Fall ist. Da kommen Menschen, die sich für das Theater selbst interessieren und wieder andere, die über die Naturwissenschaften angelockt werden.

Gehen Sie mit den Stücken auch auf Tournee?

Ja, das ist gerade in nächster Zeit ein großes Thema. Wir werden mit der Bertha von Suttner nach Ungarn und Polen gehen und dort, weil es so gewünscht ist, auf Deutsch spielen. Wir bereiten auch schon eine englische Version für Gastspiele im Herbst vor. Das ist zwar noch einmal eine Herausforderung beim Text lernen, weil der Duktus, der Sprachrhythmus ja ein ganz anderer ist – aber auf diese Art und Weise wird mir zumindest in meinem Leben nie fad. In meinem Beruf wandle ich immer zwischen den beiden Polen der Ruhe und dem Drang etwas zu tun. Nur sitzen und warten, dass mich wer anruft, das kann ich nicht!

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