Vanyek muss singen. Ein Naturgesetz. Quasi.

Vanyek muss singen. Ein Naturgesetz. Quasi.

Michaela Preiner

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25.

April 2022

Ein Rock ’n‘ Roll-Moment ist „Vanyek muss singen“ garantiert. Obwohl das Jahr noch jung und noch viele Theatermomente auf uns warten, darf man jetzt schon mit Fug und Recht behaupten: Diese Show hat Kultstatus. Wer sie versäumt, ist selbst schuld.

Normalerweise beschäftigt man sich vor dem Verfassen einer Kritik mit deren Headline. Was da drin steht, ist Impulsgeber für all das, was dann im Artikel steht. Was macht man aber, wie im Fall von Benjamin Vanyek, wenn der Showtitel, den er gewählt hat, einfach unübertroffen ist, alles Wichtige schon beinhaltet? Die Antwort fällt nicht schwer: Man übernimmt das Wording und erklärt zu Beginn des Artikels, warum man das getan hat.

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Vanyek muss singen (Fotos: © Philine Hofmann)

Viele kennen Benjamin Vanyek von seinen Auftritten mit dem Aktionstheater Ensemble. Vielleicht auch von seinen Interpretationen der Chansons von Jaques Brel. Nun ist er im Bronski und Grünberg gelandet und unterhält dort sein Publikum aus voller Kehle. Begleitet wird er vom sonnenbebrillten und stoisch auf sein Keybord hämmernden Alexander Jost, Nikolaus Messner als Grandseigneur am Cello, sowie Andreas Dauböck als Sunnyboy mit offenem Freizeithemd am Schlagzeug und an der Gitarre. Eins sei allen Noch-Kommenden – und es mögen, viele, viele sein! – jedoch schon vorweg mit auf den Weg gegeben: Vanyek war kein Sängerknabenkind und ist von Natur aus auch nicht mit einer Stimme ausgestattet, die mühelos reine Töne halten kann. Dafür aber – und darin ist er schier unübertroffen – interpretiert er die Titel mit einer schauspielerischen Hingabe, die umwerfend ist.

Jeglicher Musikkritik nimmt er selbst den Wind aus den Segeln, wenn er erklärt, dass der Abend „Vanyek MUSS singen und nicht Vanyek KANN singen“ heißt. Wer auf die Bühne kommen wolle, könne das auch ohne Bedenken tun, denn neben ihm, Vanyek, könne man sich einfach nicht blamieren.

Diese schonungslose Selbstkritik – und das dürfte Vanyek als Bühnenprofi nur zu genau wissen – lässt ihm die Herzen des Publikums zufliegen, da kann er noch so schief singen, wie er will. Ein weiterer Erfolgsfaktor des Abends sind die Songtexte, mit teilweise freien Interpretationsansätzen, dafür aber umso amüsanter. Und so darf man eine Show erleben, in welcher amerikanische Gassenhauer der 60er und 70er wie „These boots are made for walking“ – Die Stiefel sind zum Wandern, „Diamonds are forever“ – Diamanten sind für immer oder „Walk on by“ – Geh vorbei – erklingen. Mit einer einzigen Ausnahme: Bei „Oh mein Papa“ erklimmt Vanyek die 4-stufige Showtreppe, angesiedelt am rechten, vorderen Bühnenrand (Bühne: Alina Helal), und trifft mit seiner ruhigen, innigen Interpretation des deutschen Textes ins Emotionszentrum der Zuhörenden, dass das Schmalz nur so aus den Publikumsherzen auf den Boden des Bronski und Grünberg tropft.

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Benjamin Vanyek in Aktion (Fotos: © Philine Hofmann)

Herzlich gelacht hingegen darf bei „Raindrops keep falling on my head“ werden, wenn er einen Regentag im Bett unter der Decke mit folgendem, sinnigen Refrain beschreibt: „Sie (Anm: die Regentropfen) sind nicht da und ich singe lalala.“ Als Aufheizer der Sonderklasse hingegen entpuppt sich sein Auftritt als Mick-Jagger-Verschnitt, mit „Jumping jack flash“ – Ich bin der letzte Fetzentandler von Wien. Da zeigt er, welch Tanztalent in ihm steckt und rockt zugleich den Saal, dass es nur so kracht.

Es ist einerseits die schonungslose Zur-Schau-Stellung von Imperfektion, die das Publikum sprachlos macht und zugleich Begeisterung auslöst. Es ist aber auch sein bedingungsloses, emotionales Einlassen auf die Herz-Schmerz-Balladen, das Vanyek durchzelebriert und bei dem Emotionswellen von der Bühne in den Zuschauerraum schwappen, die einen vom Scheitel bis zur Sohle überschwemmen. Durch geschickt ausgewählte, trashige Kostümverwandlungen (Kostüm: Alicia Wochocz) changiert er zwischen den Geschlechtern und spricht damit alle gleichermaßen an.

In einem Interview verriet Benjamin Vanyek einmal, dass er nur mache, was ihm selbst Spaß bereite. Am Ende seiner Show gibt er diese Intention auch seinem Publikum mit: „Wenn Ihnen das Leben einen Rock ’n‘ Roll-Moment anbietet, nehmen Sie ihn an.“ Ein solcher ist „Vanyek muss singen“. Obwohl das Jahr noch jung und noch viele Theatermomente auf uns warten, darf man jetzt schon mit Fug und Recht behaupten: Diese Show hat Kultstatus. Wer sie versäumt, ist selbst schuld.

 

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