Vom „Gstörten Buam“ zum Bundeskanzler

"Marizza staubt ab" (Foto: Nathan Murrell)

Eine Doppelconference ist es nicht – und doch bringt Regina Hofer in ihrem neuen Kabarett „Marizza staubt ab“ etwas ganz Ähnliches auf die Bühne. Der Unterschied zum herkömmlichen Genre, bei dem sich zwei Personen über gesellschaftliche Themen auf humorige Art und Weise unterhalten ist: Die Kabarettistin schlüpft selbst in zwei Rollen, jene der „Hausperle“ Marizza und ihrer Chefin, einer Frau Doktor, die spezialisiert darauf ist, Menschen den richtigen Platz in ihrem Leben zuzuweisen. Letztere hatte das Glück, in der obersten Reihe der vergangenen Türkis-Blau-Regierung werken zu dürfen.

Der Abend beginnt romantisch-naiv mit einem Rückblick auf das bewegte Leben von Marizza, das sie erzählt, während sie die Staubfetzen auf der Bühne entfernt. Ihr erster Beruf als Zirkustänzerin wurde schlagartig obsolet, nachdem ihr Mann, der Direktor des Wanderzirkusses, in einer Löwen-Verkleidung beim Sprung durch einen Feuerreif starb. Alleine die launige Schilderung dieses tragischen Ereignisses beschert dem Publikum einen Lacher nach dem anderen. Als sie aber danach die Bühne für ihre Chefin räumt, die in Seminar-Attitüde eine psychologishe Grobeinteilung des Publikums in Zwanghafte, Depressive, Hysteriker und Narzissten vornimmt, kommt man aus dem Amusement nicht mehr heraus.

Die gedanklichen Volten, die Frau Dr. anschließend Zusammenhang mit der ehemaligen Regierungsbesetzung vollzieht, sind schier atemberaubend. Die von ihr erfolgreich durchgeführte Wandlung eines „gestörten Bubens“ hin zu einem österreichischen Kanzler mag man noch etwas skeptisch verfolgen. Das Hinaufhieven des ehemaligen Innenministers auf ein Pferd hingegen, mit dem all seine Minderwertigkeitskomplexe wie weggeblasen schienen, stellt sich dann schon als eine strategische Meisterleistung der Beraterin dar.

Marizza 1 c Nathan Murrell

„Marizza staubt ab!“ (Foto: Nathan Murrell)

Regina Hofer, ausgebildete Fachärztin für Psychiatrie ist auch Psychoanalytikerin, Gruppenpsychoanalytikerin und Supervisorin. Zwar hausiert sie mit ihrem Wissen nicht in ihrem Kabarett, dass sie aber über eine enorme Menschenkenntnis und eine überbordende Intelligenz verfügt, steht außer Frage. Der Grundgedanke, dass eine intelligente Frau Strippenzieherin hinter den Regierungsverantwortlichen ist, ist köstlich und ermutigend zugleich. Was diese an strategisch-intellektuellen Volten vollführt, gleicht Marizza mit ihrer überbordenden Lebensfreude und Sangeslust locker aus. Der dramaturgisch gekonnt in die Länge gezogene Schlussapplaus, der dem Publikum nicht lästig wird, sondern ein letztes, wonniges feel-good-Erlebnis beschert, beendet den Abend adäquat.

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