Yves Klein im MUMOK

All seine Aktionen waren vorausschauend so geplant, dass sie zumindest von Fotografen, meist auch von Filmern begleitet waren und die Ergebnisse danach medial verbreitet wurden. Durch Artikel wie jene über seine leere Ausstellung, „Le Vide“ in der Pariser Galerie Iris Clert oder seinen Sturz ins Leere, einer Fotomontage, die ihn in eleganter Turmspringerpose kurz vor dem Aufprall auf dem Asphalt zeigt, hat er selbst dafür gesorgt, als „Agent provocateur“ in den Medien zu erscheinen. Es war ihm wohl bewusst, dass es die Massenmedien sind, die Künstler aus dem Nichts zu Stars machen, und dementsprechend hat er sich auch verhalten. Beinahe bis zur Lächerlichkeit. Seine Hochzeit mit Rotraud Uecker war eine einzige „künstlerische“ Inszenierung. „Ich möchte wie ein König heiraten“, hatte er zu seiner Frau gesagt und sogar beim Papst um die Erlaubnis dieses Zeremoniells in der Kirche angesucht – und sie erhalten. So lautet zumindest die Aussage von Rotraud Klein-Moquay, der Schwester von Günther Uecker, die den im MUMOK gezeigten Film mit eigenartigem Ernst und Pathos stimmlich begleitet. Auf diese Weise kippt beim Betrachten des Videos Lächerlichkeit in Tragik und feierlichen Ernst in einer Endlosschleife und man ist – wie bei vielen Aktionen von Yves Klein – ob der unscharfen Intention ziemlich verunsichert.

Auch bei anderen Gelegenheiten ist in den gezeigten Filmen gut zu beobachten, wie bemüht Yves Klein war, sich vor der Kamera als weltmännischer Künstler, der jede Aktion unter Kontrolle hat, zu geben. Ein besonderes Dokument stellt der Film über die Eröffnung der Ausstellung mit seinen ersten blauen, monochromen Bildern dar. Wie er, während er honorigen Besuchern seine Bilder erklärt, immer wieder zwischendurch verschmitzt in die Kamera lächelt, lässt tiefe Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit seines Unterfangens zu und führt schließlich zur alles auf den Punkt bringenden Frage: War Yves Klein bemüht, auszuloten, wie weit er mit seiner Kunst gehen konnte, ohne die Akzeptanz des Publikums dabei zu verlieren?
Bei allem Respekt für sein Werk, das immerhin in nur 8 Jahren entstanden ist und Kunstgeschichte geschrieben hat; der Eindruck, dass Yves Kleins Charakter mit einer großen Portion Schelmentum ausgestattet war, festigt sich nach dieser Ausstellung. Jedoch wäre Klein kein Großer, wäre seine Kunst nur schelmisch angelegt und platt. Dass er sich auch mit der Kunstgeschichte intensiv befasst hat, geht auch aus verschiedenen Skizzen hervor. Zum Beispiel jener, die ihn an einer Staffelei zeigt, gerade im Begriff ein weißes Quadrat zu malen, welches als Vorbild, quasi als Modell, an einer Wand vor ihm festgeheftet ist. Der Titel „Malewitsch oder der Raum aus der Ferne gesehen“ gibt Hinweis auf eines seiner geistigen Vorbilder. Kleine, puzzleartige Stücke an der Wand hinter ihm, teilweise auf den Boden gefallen, sind mit dem schriftlichen Hinweis auf Kandinsky versehen. Mit dieser kleinen Skizze gibt Yves Klein Auskunft über seine Ahnväter, wenn er die bunte Abstraktion von Kandinsky buchstäblich zu Boden sinken lässt und das weiße Quadrat auf weißem Grund von Malewitsch auf seine eigene Staffelei bannt. Die Verknüpfung der Arbeit beider findet sich in seinen monochromen Bildern wieder die, im Gegensatz zu Malewitsch, ganz durch die Faszination der eingesetzten Farben ihre Wirkung entfalten. Dennoch bleibt er in der vergeistigten Sphäre, die auch Malewitsch als Ausgangspunkt seines Schaffens wählte, und von Yves Klein in einer ganzen Reihe von Schriften und Reden erläutert wird.
Der zweite, interessante Aspekt ist der offensichtliche Zusammenhang der Kunst von Yves Klein zur zeit- und ortsgleichen, existentialistischen Philosophie Jean-Paul Sartres und der Existentialontologie Martin Heideggers, der sich auf den zweiten Blick allerdings als trügerisch herausstellt. Die Entwicklung von der Monochromie bis hin zur Installation und Ausstellung des leeren, weißen Raumes, bringt den paradoxen Versuch hervor, das Nichts und das Sein im Nichts für den Menschen sinnlich erfahrbar zu machen. Obwohl auch schon darauf hingewiesen wurde, dass das Nichts bei Yves Klein einen stärkeren Bezug zum ZEN-Buddhismus aufweist als zum philosophisch, existentialistischen eines Jean-Paul Sarte, (siehe Fußnote) bleibt doch das Phänomen, dass Klein im zentraleuropäischen Raum sich mit den Einflüssen der oben genannten Philosophen auseinandergesetzt hat. Dass sein künstlerisches Statement mit „Le Vide“ aber wiederum von einer starken Ambivalenz geprägt ist, immerhin bewegt sich Yves Klein im Raum vor- und zurück, und sitzt nicht in tiefe Meditation versunken darin, fügt sich nahtlos in das gesamte Schaffen des Künstlers. Nie ist es auf den ersten Blick, die erste Impression, völlig erfasst. Immer öffnen sich nach den primären, sinnlichen Erfahrungen tiefere Gedankenschichten, die eine weitere Auseinandersetzung mit den Arbeiten herausfordern. Um sich hier Klarheit zu verschaffen, müsste eine breitere, intensivere Auseinandersetzung zu diesem Thema stattfinden, welche auch eine stärkere Klarheit und Schärfung von Yves Kleins philosophischen Bezügen verdeutlichen würde.
Yves Klein ist einer jener Künstler, der das 20. Jahrhundert und die nachfolgenden Generationen mitgeprägt hat und dessen Wirken und Auswirkungen noch lange nicht umfassend ausgelotet sind. Dies mag auch daran liegen, dass sein Werk vielschichtig ist und sich, sobald man meint, eine stringente Erklärung für darin vorkommende Phänomene gefunden zu haben, im nächsten Gedächtnismoment daraus wieder zurückzieht, ja vielmehr das Gegenteil des Gedachten als mögliche Variante aufzeigt. So gedacht, steht der Philosoph Yves Klein doch vor dem Schelm. Oder?

Fußnote:Helen Westgeest, Zen in the Fifties. Interaction in Art between East and West, 1996 sowie Benjamin H.D. Buchloch, Klein and poses – artist Yves Klein – Into the Blue, 1995

www.mumok.at

(c) 2007 Michaela Preiner

 

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