In sehr langen Szenen (Aufführungsdauer 3 Stunden, man möchte ein Loblied auf gut gemachte Streichungen anstimmen) verhandeln die Mitwirkenden über das Geschick der jungen Frau. Ihre Mutter führt ein strenges Regiment in ihrem Haus und lässt keine Gelegenheit aus, um den reichen Verehrern Geld aus der Tasche zu ziehen. Dörte Lyssewski zeigt einen dennoch brüchigen Charakter mit wild auftoupierten Haaren, dem zwar das eigene Wohlergehen an erster Stelle steht, der aber dennoch mit der Tochter in ihrer größten Not mitleidet. Peter Simonischek alias Mokij Parmenowitsch Knurow verschwindet unter einer blonden Perücke und einem langen Backenbart. Er bietet Larissa zwar keine Heirat, aber eine großzügige Apanage an. Simonischeks berührendster Auftritt in dieser Rolle zeigt ihn als verliebten, trotz seines Reichtums gebeugten, alten Mannes, der um die Nöte der jungen Frau weiß, ihr aber bei seiner Art Liebesgeständnis nicht in die Augen sehen kann.Martin Reinke verkörpert Wassilij Danilowitsch Woschewatow, einen Kaufmann mit menschenverachtenden Prinzipien, der sich mit „Robinson“ einen Schauspieler zum eigenen Vergnügen hält. Reinkes schwarze Haar- und Bartpracht konstrastiert mit jener von Simonischek, was auch als Hinweis für deren unterschiedliche Charakteranlagen gelesen werden kann. Demütigungen an Robinson sind an der Tagesordnung. Brillant verkörpert Fabian Krüger diesen großen, hageren Mann, dessen Lebensaufgabe der Suff ist. Wie er über die Bühne wankt, sich immer wieder fahrig durch die Haare streicht, wie er seine langen, dünnen Beine übereinanderlegt oder im Sitzen damit ein O bildet, sodass man Schieles Zeichnungen in dem Moment verlebendigt sieht, hat ganz große Klasse. Er stiehlt mit einer stummen Einlage sogar seinen Kollegen einmal die Show, deren Gespräch man nicht mitverfolgen kann, sosehr ist man von seiner Darbietung fasziniert. Seine Mischung aus Karl Valentin und Stan Laurel belebt jede Szene, in der er auftritt.Ihm ebenbürtig agiert Michael Maertens als unglücklich Verliebter Postbeamter. Die Schultern nach vorne gezogen, sodass die Arme unbeholfen von ihm baumeln, sich stetig entschuldigend oder auch larmoyant sein eigenes Schicksal bejammernd, verkörpert er die tragischste Figur in diesem Stück. Die Szene in seiner Wohnung, in der er die Verlobung mit Larissa feiern möchte und dafür alle Rivalen eingeladen hat, ist das Highlight des Abends. Welches Glück, dass Hermanis auf derart gute Schauspielerinnen und Schauspieler zurückgreifen kann. Sie retten, was der Text durch seine Länge an Langeweile zum Teil verbreitet und geben einem das Gefühl, doch noch einem gewissen Theaterereignis beizuwohnen.Marie-Luise Stockinger hat es in der Regie am schwersten. Zum größten Teil entrückt, tanzt sie mit erhobenen Armen zu russischen Volksliedern und darf erst an späterer Stelle das Seelchen aufgeben und in einen emotionalen Höhenrausch eintauchen. Als sie am Morgen nach einer Liebesnacht im Bett ihres Liebhabers aufwacht, agiert sie völlig verwandelt. Nicholas Ofczarek steht seine Rolle als windiger Kaufmann und Verführer sehr gut zu Gesicht. Darin darf er poltern, sich großkotzig geben, er darf sich verführerisch an Larissa anschmiegen und auch den eiskalten, berechnenden Womanizer herauskehren.Das Ende – ein tragisches – rückt Larissa in den Status eines Objektes. Dass man sich als Frau nicht betroffen fühlt, verdankt man einer psychologisch herausragenden Erziehung oder der eigenen, intelligenten Emanzipation.