Wenn das Risotto zu riechen beginnt

Wenn das Risotto zu riechen beginnt

Michaela Preiner

Foto: ( Nick-Mangafas )

19.

September 2022

Carmen C. Kruse und Manuel Zwerger schufen das Kunststück, eine VR-Performance mit einem Live-Erlebnis zu koppeln. European Kitchen Encounters: VR_Bania wurde anläßlich der ‚Musiktheatertage Wien‘ zu einem nicht nur theatralischen, sondern auch lukullischen Erlebnis für das Publikum.

Die von Thomas Cornelius Desi und Georg Steker programmierten ‚Musiktheatertage Wien‘ bieten dem Publikum eine schier atemberaubende Bandbreite an unterschiedlichen Vorstellungen. Das zeigen allein die beiden thematisch diametral gegenüberstehen Produktionen „Chornobyldorf“ und ‚European Kitchen Encounters: VR-Bania‘.

Dieses ‚Virtual-Reality-Projekt mit Geschmack‘, so der Untertitel, stammt von der österreichischen Regisseurin Carmen C. Kruse und dem italienischen Komponisten Manuel Zwerger. Sie reisten dafür in die italienische Stadt Verbania am Lago Maggiore und interviewten unterschiedliche Ansässige zum Thema Essen. Die Interviews wurden in kleine Sequenzen zusammengeschnitten, die man mit der VR-Brille genauso sehen konnte, wie die Zubereitung eines Risotto – um genau zu sein eines „risotto giallo con salciccia“, gekocht von der Performerin Anna Piroli. Sie wurde von Leo Morello mit einer feinen Geräuschkulisse unterstützt, bei der man das Schaben des Messers am Holzbrett genauso verfremdet hören konnte, wie das rhythmische Einrieseln der Reiskörner in den Topf. Schnarrend, vibrierend, klopfend unterstützte er Piroli mit allerlei Percussioninstrumenten, wie weiland Stummfilm-Musik gemacht wurde. Nur mit dem Unterschied, dass das auditive Repertoire sich deutlich zeitgeistiger präsentierte.

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VR-Bania (Foto: Nick-Mangafas)

Das Publikum war dazu aufgerufen, das Kochprocedere sowie die Interviews mit Bewegungen auf den Drehsesseln, auf die es platziert worden war, nach Belieben mitzuverfolgen. Der Clou der Performance aber war, dass während des Abspielens der Videos in der Küchenzeile des WUK hinter dem Publikum dieses Gericht tatsächlich zubereitet wurde und sich so die olfaktorischen Ereignisse mit den videografierten zu einem Live-Erlebnis vermengten.

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VR-Bania (Foto: Nick-Mangafas)

Das anschließende, gemeinsame Essen mit der Regisseurin und dem Komponisten bot Gelegenheit, sich nicht nur über das Gesehene, sondern auch darüber hinaus auszutauschen. Gerade dieser Part soll besonders hervorgehoben werden, denn es ist das Erlebnis der Gemeinsamkeit, das man nicht empfinden kann, während man die VR-Brillen aufhat, die der Performance erst die richtige Würze gab. Sie ist es, was das Publikum heute mehr denn je benötigt, wenn es sich Theatererlebnissen aussetzt. Videos, Spielfilme oder aufgezeichnete Theaterstücke kann man sich post Corona zuhauf vor dem Videoschirm zu Hause ansehen. Das Gespräch mit Menschen, die man nicht kennt, die aber zumindest einen gleichen Nenner haben – die Lust am Theater – dieses Gespräch und diesen Austausch kann man nicht ersetzen, sondern sollte man – wie bei dieser Produktion exemplarisch vorgezeigt – verstärkt forcieren.

 

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