90 Minuten pure Emotionen

90 Minuten pure Emotionen

90 Minuten pure Emotionen

Von Michaela Preiner

Am Ende eines kleinen Dorfes (Foto: Christian Mair)
21.
August 2017
Theater
Anna Maria Krassnigg inszenierte „Am Ende eines kleinen Dorfes“ von Marie von Ebner-Eschenbach am Thalhof in Reichenau.
Ein zutiefst humanistisches Werk, das trotz seines Entstehungsdatums 1894 aus psychologischer Sicht nach wie vor aktuell ist. Sich aus dem eigenen, unverschuldeten Lebenssumpf zu erheben, noch dazu als junge Frau, dazu gehört auch 2017 noch jede Menge Mut und Charakter.

Hoch emotional, poetisch, packend, leise und kraftvoll zugleich, so präsentiert sich DAS Theaterereignis des Sommers 2017 in Niederösterreich – und darüber hinaus.

Sommertheater, wie es über Jahrzehnte in Österreich praktiziert wird, soll die Menschen erheitern, ihnen einen schönen Abend in ihrem Feriendomizil bescheren, oder sie aus der nächst größeren Stadt anlocken, um das theatrale Sommerloch in den Hauptstädten zu kompensieren. Klingende Festivalnamen, die diese Anforderungen erfüllen, blitzen an vielerlei verschiedenen Orten auf. Dabei trifft man sich zu kleineren und größeren gesellschaftlichen Ereignissen, um davor und danach ein wenig zu plaudern, um zu sehen und gesehen zu werden.

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Jens Ole Schmieder, Doina Weber,Petra Gstein „Am Ende eines kleinen Dorfes“ (Foto: Christian Mair)

Anna Maria Krassnigg geht eigene Wege

Anna Maria Krassnigg war noch nie eine Mainstream-Kulturschaffende. Bei all ihren Inszenierungen folgte sie stets nur ihrem eigenen Kulturkompass, der ihr eine ganz bestimmte Richtung vorgibt: Theater zu machen, das unterhält und eine hohe, literarische Qualität aufweist. Egal ob mit Arbeiten von Anna Poloni oder jungen Dramatikern, wie unlängst „Glaube, Liebe, Zuckerwatte“ von Mario Wurmitzer. Sie hebt aber auch immer wieder aus den Tiefen des Vergessenwordenseins versunkene Schätze aus der Literaturgeschichte, die von ihr für die Bühne wieder aufpoliert werden. So vorgezeigt mit den „Kindern von Wien“ oder der „Hochstaplernovelle“. Auch ihre neueste Regiearbeit, die derzeit noch mit wenigen Vorstellungen am Thalhof in Reichenau an der Rax gezeigt wird, greift einen Text auf, der in Vergessenheit geraten ist. Im Original heißt er „Die Totenwacht“ und stammt von der Autorin Marie von Ebner-Eschenbach. Sie wird als die bekannteste und erfolgreichste Schriftstellerin ihrer Zeit im deutschsprachigen Raum angesehen. „Krambambuli“, ihre wohl berühmteste Erzählung, in der die Treue eines Hundes kein Auge trocken lässt, brachte es zu bisher insgesamt fünf! Verfilmungen.

Nicht von ungefähr hat sich Krassnigg Ebner-Eschenbach für „ihren“ Thalhof vorgenommen, war sie doch auch eine jener literarischen Berühmtheiten, die einst im Hause der Familie Waissnix, Besitzer des Thalhofs bis vor wenigen Jahren, eine Sommerfrische verbrachte. Seit 2015 ist Krassnigg aufgrund einer Einladung des jetzigen Eigentümers, Josef Rath, in dem historisch aufgeladenen Haus Intendantin für ihre sommerlichen Festspiele, die sie unter ihrem Theaterlabel Salon5 abhält. Dabei verlässt sie sich ganz auf die Kombination von Geschichte und Gegenwart, verknüpft Vergangenes mit Heutigem und zieht jede Menge Publikum in die so vorbildlich wieder in Stand gesetzte Location. Und schert sich keinen Deut darum, was und wie Sommertheater nach landläufiger Meinung zu sein hat.

Im ehemaligen Speisesaal des einst als Kurhotel geführten Hauses, der heute wieder in seiner ursprünglichen Pracht glänzen darf, finden die Theatervorführungen am Thalhof statt. Nicht hinter zugezogenen, dicken Vorhängen, sondern mit Blick ins Tal nach Reichenau. Es ist eine Kulisse, die Krassnigg ganz bewusst auch in ihre Inszenierungen einbaut und die bislang noch nie ihre Wirkung verfehlt hat.

Der klug gewählte Titel „Am Ende eines kleinen Dorfes“, der das Publikum nicht von Haus aus verschreckt, wie es „Die Totenwacht“ vielleicht tun würde, kann zugleich als Synonym für den Thalhof selbst angesehen werden. Tatsächlich liegt er am Ende des kleinen Dorfes, genauer gesagt, über ihm. Ist er doch das letzte Haus in Reichenau, hinter dem sich nur mehr die prachtvolle Kulisse der Bergwelt erhebt.

Die Bühne besteht aus einigen, den Raum quer ausfüllenden Stufen, die mit einem weißen, Kunststoffgeflecht ausgelegt sind. Einige Fensterrahmen, mit zum Teil beinahe blinden Fensterscheiben, eine Wiege, eine kleine Kommode, ein Sessel, ein Nachttischchen, ein altes Spinnrad und jede Menge braune Wolle – das Bühnenbild von Lydia Hofmann macht klar: Hier ist nichts mehr wohnlich, hier regiert die Armut. Eine junge Frau betritt die Bühne, bewegt sich langsam, beugt sich zärtlich über eine Gestalt, von der man nur die eingefatschten, zarten Beine sieht. Die Zeit scheint keine Rolle zu spielen. Ruhig, ganz ohne Hast, so als hätte sie alle Zeit der Welt, führt Krassnig in Ebner-Eschenbachs Erzählung. Lässt Anna, deren Mutter in ihrem gemeinsamen, herunter gekommenen Haus vor wenigen Stunden verstorben ist, mit ihrer Trauer alleine. Unmerklich entwickelt sich ein dünner Soundfaden zu dem einer stetig tickenden Wanduhr, bis sich eine leise Musik dazugesellt. Ist es eine Zither, die in Moll von fern zu hören ist, oder ist es die Melodie, welche Schlag jede volle Stunde von diesem Chronometer erklingt? Zu sehen ist die Uhr nicht, ihr Geräusch vermittelt jedoch sofort das stete Fließen der Zeit, die dennoch angehalten scheint.

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„Am Ende eins kleinen Dorfes“ (Fotos: Christian Mair)
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Christian Mairs athmosphärischer Sound

Als kleiner Sidestep sei vermerkt, dass Ebner-Eschenbach, höchst ungewöhnlich für die damalige Zeit und ihren adeligen Stand, aus Interesse das Uhrmacherhandwerk erlernt hatte. Christian Mair, zuständig für den Sound, hat im Hinblick auf die Biografie der Autorin offensichtlich dem Uhrenticken eine zweite Sinnebene eingezogen. Seine Kompositionen legen sich subtilst und nur partiell, aber höchst athmospärisch unter das Geschehen und akzentuieren auch Anna und Georg, ihren reichen und verhassten Nachbarn.  Immer dann, wenn sich Anna an Momente in ihrem Leben erinnert, in denen sie, zumindest für wenige Augenblicke, von tiefer Lebensfreude ergriffen war, ist eine kleine Melodie zu hören, die von einer zarten Frauenstimme gesungen wird.  Für Georg hat Mair ein besonderes Leitmotiv  entwickelt. Einen Marschrhythmus mit einer gepfiffenen Melodie, die, je nach Szene, unbeschwert oder bedrohlich wirkt. Dieses Gemisch aus Sound und Musik, welches das Geschehen auf der Bühne so unglaublich spannend untermalt, bildet zugleich auch einen Sog in das Geschehen, dem man sich nicht entziehen kann.

Ein Ensemble wie von einem anderen Stern

Ein anderer Erfolgsfaktor der Inszenierung ist das Ensemble, das für seine Leistung eine Auszeichnung verdienen würde. Doina Weber in der Rolle der verstorbenen Mutter, Petra Gstrein, die Anna, ihre Tochter verkörpert und Jens Ole Schmieder bilden ein Triumvirat, welches das Publikum von den ersten bis zu den letzten Minuten fesselt. Selbstverständlich ist es auch die Geschichte selbst, in der in ca. 90 Minuten das Leben von Anna aufgerollt wird, die einem zeitweise den Atem verschlägt. Sie handelt von einem Leben in Armut und mit vielen Entbehrungen. Einem Leben, das einem trunksüchtigen, brutalen Vater ausgeliefert ist. Alles, was Anna und ihre Mutter mühsam erwirtschaften, versäuft er im Gasthaus. Die junge Frau, die sich angesichts all ihrer erlittenen Qualen zeitweise vehement gegen die frömmelnde Gottesordnung auflehnt, besitzt am Ende dennoch so viel Kraft und Stolz, dass es ihr schließlich gelingt, aus ihrem sozial vorgegebenen Teufelskreis auszubrechen.

Petra Gstrein spielt in den intensiven Momenten, in welchen sie all das erlittene Ungemach noch einmal Revue passieren lässt, als stünde sie nicht auf einer Bühne am Thalhof, als gäbe es kein Publikum, sondern nur sie, ihre tote Mutter und ihren verhassten Nachbarn. Sie vermittelt dabei das Gefühl, als hätte sie all das, was ihr zugestoßen ist, tatsächlich erlitten. Ihre ungewöhnlich abgeklärte Trauer, ihr Hass, ihre Verzweiflung, ihre spöttische Ablehnung, ihre Angst, ihre Überlegenheit und Charakterstärke – nichts davon wirkt auch nur in einer einzigen Sekunde aufgesetzt. Sie verkörpert die junge Frau so intensiv, so glaubwürdig, dass man ihre Leiden zu seinen eigenen macht, dass man mit ihr emotional in Abgründe fällt, aus welchen man glaubt, kaum wieder herauszukommen.

Die Figur der Mutter ist bei Krassnigg viel mehr als eine kleine, zarte Frau, die auf Schragen aufgebahrt in ihrer Hütte liegt. Sie agiert, mit blauen Leichenflecken im Gesicht, einbandagiertem Kopf, Händen und Füßen als beschützender Geist ihrer Tochter, aber auch als Erzählerin. (Kostüm Antoaneta Stereva) Dabei übernimmt sie jenen Text, mit welchem die Autorin entweder Orte, Umstände oder auch Vorgänge beschreibt. Diese Idee ist umso großartiger, als es der Regisseurin damit gelingt, die Erzählung ganz ohne Striche aufzuführen, sie im Original, das ja nicht für die Bühne geschrieben war, für eine ebensolche zu adaptieren.

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„Am Ende eins kleinen Dorfes“ (Fotos: Christian Mair)
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Eine untote Mutter

Das imaginäre Zwiegespräch, das Mutter und Tochter dadurch halten können, so manche Verdoppelungen von Worten oder kurzen Sätzen, die Einflussnahme, die die Mutter zum Teil auch nach ihrem Tod an ihrer Tochter noch ausüben möchte, ihre Reaktion auf die Vergewaltigung von Anna, die sie als Schande ansah, aber auch ein Schutz, den sie ihr ein letztes Mal noch gewähren kann – all das steht nicht explizit bei Ebner-Eschenbach. Aber all das schwingt bei einer empathischen Lektüre, wie sie Anna Maria Krassnig offenkundig hatte, mit. Mit diesem Regiestreich kann jedoch auch die Psyche von Annas Mutter noch zusätzlich beleuchtet werden. Zugleich aber auch vieles, was sich in ihr an gesellschaftlichen Normen, Verhaltensweisen und Restriktionen beispielhaft zeigte: Das Ausgeliefertsein an ihren trunksüchtigen Mann, die Angst vor Schande, ein unerschütterlicher Katholizismus und damit einhergehend die Anerkennung von gottgewollten Klassenunterschieden. All das bringt Doina Weber in ihrem großartigen Spiel über die Bühne; angesiedelt zwischen geisthaftem Wesen, kämpferischer und beschützender Mutter und einer Persönlichkeit, die sich mit ihrem Schicksal gottergeben abgefunden hat. Trotz aller Tragik, die sich im Laufe der Erzählung den Zusehenden erschließt, schafft sie es auch, mit gewitzten, kleinen Gesten und Blicken immer wieder einen Funken Humor in das Stück einzubringen.

Ein Ekelpaket von Nachbar

Mit Jens Ole Schmieder kommt jene männliche Energie dazu, die bei Ebener-Eschenbach kraftstrotzend und jämmerlich-erbärmlich zugleich agiert. Er ist angetreten, seine Nachbarin um ihre Hand zu bitten, ohne auch nur im Geringsten an ihrer Zustimmung zu zweifeln. Und das, obwohl er gegen sie eine offene Kinderfeindschaft auslebte, sie später vergewaltigte und schließlich mit ihrem Kind sitzen ließ. Wie er in Momenten der aufbrausenden Rage bebt, wie er vor Scham am ganzen Körper zittert, in einer Szene sogar Annas Vater spielt, dass man Angst um das Mädchen bekommt, ist – wären es Filmszenen – oskarreif. Ihm gelingt es, mit der starken Petra Gstrein mitzuhalten, was kein leichtes Unterfangen ist. Und er verleiht diesem über weite Strecken so unsympathischen und überheblichen Mann letztlich noch einen nachvollziehbaren, menschlichen Zug.

Ebner-Eschenbach war dafür bekannt, auch den miesesten Übeltäter durch den Blick in seine Seele als einen Menschen zu zeigen, der auch von Sorgen und Nöten getrieben wird. Dies schauspielerisch umzusetzen, ist keine Kleinigkeit. Schmieder meistert diese Herausforderung aber mit Bravour.

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„Am Ende eins kleinen Dorfes“ (Fotos: Christian Mair)

Theater mit den Mitteln des Theaters

„Am Ende eines kleinen Dorfes“ ist ein Paradebeispiel dafür, dass es auch heute noch möglich ist, Theater zu machen, das ganz allein mit jenen Mitteln auskommt, die diesem Kunstgenre schon immer inhärent sind. Einer Bühne, einer packenden, spannenden Geschichte, einem exzellenten Ensemble und einer ebensolchen Regie. Hier braucht es keine postdramatischen Anflüge, keine erzwungenen Zeitbezüge, keine Textkürzungen und auch kein Regietheater. Und dennoch ist Krassniggs Inszenierung in keiner Sekunde gestrig, abgestanden oder ein alter Hut. Die Ebner-Eschenbach-Inszenierung zeugt von großem Einfühlungsvermögen, zugleich auch von Wissen und Können, die Charaktere eines Stückes nach und nach zu erklären und den Ablauf so aufzubauen, dass sich immer wieder große Spannungsbögen ablösen, bis die Klimax am Ende einer Erlösung gleicht.

Unsere absolute Sommertheater-Empfehlung! Nur mehr bis 3. September!!!

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Vom scheuen Reh zur selbstbestimmten Frau

Vom scheuen Reh zur selbstbestimmten Frau

Der Salon5 unter Anna Maria Krassnigg gastiert nun schon im dritten Jahr am Thalhof in Reichenau an der Rax. Mit „Der Fels und die Wellen – Virginia Woolf in ihren eigenen Worten“ präsentierte sich die Tirolerin Petra Gstrein in einem von ihr selbst verfassten Stück.

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Petra Gstrein als Virgina Woolf (Foto: Lisa Lesourd)

Dabei geht sie anhand von Briefen und anderen Aufzeichnungen der Autorin der persönlichen Entwicklung dieser Ausnahmeschriftstellerin nach. Die Tatsache, dass Gstrein in der sehr intimen Inszenierung sämtliche Register ihres schauspielerischen Könnens zeigen kann, aber auch ihre physische, große Ähnlichkeit mit Virginia Woolf, geben diesem Stück einen besonderen Kick. Mit einigen wenigen Möbeln – einem Ohrstuhl, einem Hocker, einem Stehpult, einem Tischchen samt Sessel und einem Perserteppich – erzeugt Antoaneta Stereva eine extrem passende Atmosphäre. Die Efeuranken, die sich des Raumes dabei bemächtigen, verweisen gleichzeitig auf die Vergangenheit, in der sich die Geschichte von Virginia Woolf abspielt.

„Ich finde es höchst interessant, wie konsequent die Schriftstellerin ihren Weg gegangen ist“, findet Gstrein, die in ihrer flüssigen Text-Assemblage eine unglaubliche Reifung der hochdekorierten Autorin aufzeigt. Agiert sie zu Beginn noch kühl und abwesend, in keiner Weise für eine Ehe bereit, so zeigt sich ihr wahres Temperament erst in der Zwiesprache mit Vita, ihrer Freundin, mit der sie, neben ihrer Ehe mit Leonard Woolf, eine romantische Affäre verband.

Einfach grandios, wie Gstrein die anfängliche Sanftheit und Schüchternheit gegen einen furiosen Auftritt austauscht, in dem Woolf ihre Freundin der Untreue bezichtigt. Einfach spannend zuzusehen, wie dabei jeder Blick, jede auch noch so kleine Geste am richtigen Fleck sitzt und dabei zugleich die Verletzbarkeit von Woolfs Seele transportiert wird. Wie sich die junge Schauspielerin dabei in Rage redet, mit funkelnden Augen ihr imaginäres Gegenüber beinahe tötet, wie sie versucht, sich mit spöttelnder Intelligenz und geschliffener Sprache gegen eine Verletzung zu wehren, die ihr – im wahrsten Sinne des Wortes – den Boden unter ihren Füßen wegzuziehen droht, all das hat große Klasse. Davon möchte man gerne öfter mehr sehen.

Petra Gstrein erarbeitete ihre Rolle mit Susan Batson, einem amerikanischen Urgestein im Bereich Schauspiel und Ausbildung sowie Giles Foreman, der dem Stück den letzten Regieschliff verpasste. Gstrein bietet diesen Abend auch in Englisch und Französisch an, wobei die deutsche Fassung auch einige englische Passagen enthält.

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Der Fels und die Wellen im Thalhof (Foto: Christan Mair)

Filmische Einspielungen zeigen einen Felsen inmitten einer Brandung. Christian Mair hat hier eine schöne Metapher für Woolf gefunden, in der das permanente Fließen ihrer Gefühle, das Sich-Offenbaren und die Drohung, im Gefühlswirrwar doch noch unterzugehen, gleichnishaft visualisiert werden.

Die Volte, die Gstrein am Schluss ihres Soloabends als gealterte Virginia Woolf macht, kommt unerwartet. Eine nach wie vor hoch reflexive, aber abgeklärte Frau, welche die Liebe in vielen Facetten kennenlernte, kehrt in Gedanken  an den Ursprung aller Liebesfähigkeit zurück– zu ihrer Mutter. Heftiger Applaus zeigte, dass Petra Gstreins Soloabend beim Publikum extrem gut ankam und damit auch einen gelungenen Auftakt zu den noch kommenden, sommerlichen Kulturveranstaltungen am Thalhof bot.

Weitere Informationen zum breit gefächerten Kulturangebot, das neben weiteren Inszenierungen auch Diskussionsveranstaltungen anbietet, finden sich auf der Homepage vom Salon5.

Was haben Winston Churchill, Papst Franziskus und Theresa May gemeinsam?

Was haben Winston Churchill, Papst Franziskus und Theresa May gemeinsam?

Die Frage ist nicht als Intro zu einem Witz aufzufassen, obwohl man bei etwas Nachdenken sicherlich eine treffende Pointe finden würde. Vielmehr vereint die drei Personen, dass sie sich von ihrer Warte aus Gedanken zu Europa gemacht haben. Jenem Europa, das, wie es gerade scheint, derzeit in seinen Grundfesten erschüttert wird.

Anna Maria Krassnigg "Reden" Salon5 (c) Martin Schwanda

Anna Maria Krassnigg „Reden“ Salon5 (c) Martin Schwanda

Der Salon 5 auf der „Naturbühne“ des Alten Rathauses

Anna Maria Krassnigg hat sich mit ihrem Format „Reden“ in der „Naturbühne“ – O-Ton Krassnigg – dem Sitzungssaal des Alten Rathauses in der Wipplinger Straße zum Ziel gesetzt, den aktuellen politischen Entwicklungen mit Gedankenfutter entgegenzuhalten. In jenem Saal, in welchem der Wiener Gemeinderat zwischen 1853 und 1885 tagte. Als Gedankenfutter dienen Reden, die berühmte Menschen öffentlich von sich gaben und mit ihnen Einflussnahme auf ihr soziales oder politisches Umfeld nehmen konnten.

Während einer Theatersaison kann man sich einmal pro Monat dem Luxus hingeben, den ausgewählten Reden in der Veranstaltung des Salon5 zu lauschen. Und zusehen kann man auch noch. Nicht filmischen Originaldokumenten, sondern Schauspielern und Schauspielerinnen in Fleisch und Blut, die in die Rolle der jeweils vortragenden Person schlüpfen.

Churchills „Vereinigte Staaten von Europa“

Mit Martin Schwanda als Winston Churchill wurde der Lesereigen im November eröffnet. Interessant dabei zu erfahren, dass es dieser Politiker war, der den Begriff „Vereinigte Staaten von Europa“ prägte. Ausgehend von einem eurozentristischen Weltbild stellte er in seiner „Europa-Rede“, gehalten 1946 an der Universität Zürich, die Neuschöpfung einer europäischen Völkerfamilie in Anlehnung an den Commonwealth als Mittel zur Aussöhnung der durch den zweiten Weltkrieg verwundeten Staaten dar. Dass er dabei die „nationalsozialistischen Querelen als Ursprung des Elends“ benannte, hat keinen Neuigkeitswert, ist aber in Zeiten wie den unsrigen zugleich als abermalige Mahnung für Kommendes zu lesen.

Papst Franziskus und die Mutter Europa

Horst Schily (c) Martin Schwanda

Horst Schily (c) Martin Schwanda

Die Rede von Papst Franziskus bei der Verleihung des Karlspreises im Mai 2016 wurde von Horst Schily – ganz in Weiß – gehalten. Dabei skizzierte er Europa als eine alte Großmutter, wo ihr doch die Rolle einer Frau, die sich um ihre Familie noch aktiv kümmert, viel besser stünde. Solidarität im Handeln, die Fähigkeit zum Dialog, sowie die Rolle der jungen Menschen, die Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen müssten, stand im Mittelpunkt seiner Europavision.

Die Erfolgsstory Brexit

Anna Maria Krassnigg las schließlich selbst aus der Rede Theresa Mays vor dem Parteitag der Konservativen vom 22. Oktober 2016. „Wir werden aus dem Brexit eine Erfolgsgeschichte machen!“, konnte man erstaunt hören und auch, dass die Souveränität Großbritanniens mit der Abstimmung nun endgültig sei. Europa spielt in Mays Rede für das Vorankommen der Großmacht, welche „die meisten Nobelpreisträger hervorbrachte“ und deren „Zeitzone für den globalen Handel die günstigste sei“, nur mehr eine untergeordnete Rolle.

Der Gast des Abends, mit dem die Theatermacherin im Anschluss an die Reden diskutierte, skizzierte nicht nur den Privatmann Winston Churchill. Karin Kneissl, Autorin, Energieanalystin und Nahostexpertin, ließ auch mit ihrer Brexit-Analyse aufhorchen. Entgegen der Mainstream-Meinung in den Medien, beurteilt Kneissl den Ausstieg für Großbritannien bei Weitem nicht so negativ. Das Verständnis, eine Weltmacht zu sein und auch so zu agieren, lässt aus einem gewissen Blickwinkel den Brexit eher als europäisches Problem denn als britisches erscheinen.

Das wirklich Großartige am „Reden“-Format ist, dass man nicht nur einen geistreichen, theatralischen Abend verbringen kann, sondern dabei auch noch jede Menge gesellschaftsrelevanten Input erhält.

Übrigens: Wenn Ihnen ein Witz zur Frage im Titel einfällt, freuen wir uns auf die Weitergabe oder Sie hinterlassen diesen in den Kommentaren!

Die nächste Gelegenheit „Reden“ im Alten Rathaus zu genießen, gibt es am 13. Dezember.

Männerideen und Frauenwirklichkeiten

Männerideen und Frauenwirklichkeiten

„Die Braut oder Moderne Frauen“, im Sommer beim Salon5 im Thalhof uraufgeführt, erlebte nun seine Wien-Premiere.

Die Bühne des barocken Schlosstheaters von Schönbrunn ist in dämmriges Licht getaucht. In der Mitte stehen vier Sessel und vier Notenständer. Ein übliches Setting für ein Quartett. Das Publikum sitzt aber nicht in den Reihen im Zuschauerraum, sondern direkt auf der Bühne, rund um ein leicht erhöhtes Podium.

Schnitzler als Vordenker der Emanzipation

Ein junger Mann tritt in einem zarten, beigen, zum Teil durchsichtigen Tüllkleid auf. Die Lippen und Augen leicht geschminkt, wirkt er androgyn und zeigt doch zugleich seinen männlichen, behaarten Körper. „Auf einem Maskenball lernte ich sie kennen, nach Mitternacht. Ihre klugen und ruhigen Augen hatten mir gefallen und das dunkelblaue Kleid, das sie trug.“ Er beginnt mit den ersten Sätzen des Textes „Die Braut“ von Arthur Schnitzler. Einem kleinen Werk, das dieser als Vorstudie zu seiner Traumnovelle verfasste, das aber wenig bekannt ist. Darin erzählt er eine flüchtige Bekanntschaft mit einer jungen Frau, die sich am Beginn des 20. Jahrhunderts die Freiheit nimmt, so zu leben, wie sie möchte. Ohne eheliche Pflichten, mit Hinwendung zu jenen Männern, die sie sich aussucht und nicht umgekehrt. Aber auch im vollen Wissen, damit von der Gesellschaft geächtet zu werden. Der Lebensentwurf von Schnitzlers Protagonistin ist sogar für heutige Verhältnisse noch für viele Frauen und Männer undenkbar. Gerade deshalb könnte man sie als feministische Vorreiterin par excellence bezeichnen. Der Schauspieler Silas Breiding legt seinen Erzähler sehr einfühlsam an, bewundernd und mit Respekt dieser Frau gegenüber ausgestattet. Schnitzlers Text erscheint – denkt man an die Zeit der Entstehung – wie ein futuristischer Wunschtraum.

Die Braut oder Moderne Frauen, Silas Breiding (c) Christian Mair

Die Braut oder Moderne Frauen, Silas Breiding (c) Christian Mair

Der Monolog, mit dem Breiding den Auftakt zum Abend bestreitet, aber auch der spätere Text, werden zum Teil vom Thalhof-Quartett begleitet. Es besteht aus jungen Studierenden der MDW, die den Abend unter der Regie von Jens Bluhm musikalisch unterstützen. Das Quartett hatte sich unter der Federführung des Leiters des Haydn Instituts für Kammermusik und Spezialensembles am MDW, Johannes Meissl, anlässlich dieser Produktion im Sommer formiert und wird, höchst erfreulich, auch in Zukunft unter diesem Namen weiter auftreten.

Jelineks reaktionäre Frauenbeschreibung

„Krankheit oder Moderne Frauen“ nennt sich ein Text von Elfriede Jelinek aus dem Jahr 1987. Mit ihm wurde ein Kontrapunkt zur Eingangsszene gesetzt, in welcher Schnitzler seiner jungen Frau ein selbstbestimmtes Leben zuerkennt. Jelinek beschreibt in ihrem Stück, das sie stilistisch als Textfläche angelegt hat, zwei höchst gegensätzliche Paare. Emily, Krankenschwester und Schriftstellern ist mit Heidkliff, einem Zahnarzt liiert. Carmilla (Laura Laufenberg) hingegen ist die gefügige Ehefrau von Benno (Christoph Kohlbacher). Laufenberg und Kohlbacher sind im 2. Jahrgang ihrer Schauspielausbildung. Die vampiristischen Anlagen von Emily tauchen in der Regie von Jens Bluhm nicht auf. Vielmehr konzentrierte er sich bei dem Text auf die kaum erträglichen Stereotype der in den 80er Jahren noch üblichen Frauen- und Männer-Geschlechterbilder. Der Mann ist der Besitzende, der alles Bestimmende, der die Frau Formende. Diese verbleibt in Jelineks Text in der Rolle als Sexualobjekt, Gebärmaschine oder Haushaltshilfe, sich anbiedernd bis zum bitteren Ende. Die Gegenüberstellung von Gut und Böse ist dabei eindeutig verteilt. „Ich bin ein Maß, ich bin ein Muss“, erklärt Heidkliff an einer Stelle, während Carmilla sich selbst als „nichts Halbes und nichts Ganzes“ beschreibt, als ein Wesen „von liebenswürdiger Geringfügigkeit“.

Eine Textkombination als Ausgangsbasis

Bluhm hat bereits, wie auch Silas Breiding und Saskia Klar, die in der Rolle von Emily auftritt, das Max Reinhardt Seminar erfolgreich abgeschlossen. Der junge Regisseur arbeitet seit einigen Jahren an den Münchner Kammerspielen als Regieassistent und ließ sich auf den Vorschlag der Textkombination Schnitzler und Jelinek von Anna Maria Krassnigg ein, nicht ohne selbst eigene Textstriche durchzuführen. Zugleich nimmt er auch Krassniggs Idee auf, „verwundete Orte“, wie auch der Thalhof lange Zeit einer war, mit in die Konzeption der Inszenierung einzubauen. Das Schönbrunner Schlosstheater ist kein verwundeter Ort, aber allemal ein verwunschener, ein in der Zeit stehen gebliebener. Insofern schmiegt auch er sich wunderbar an diese Idee an.

Die Braut oder Moderne Frauen (c) Petra Gruber

Die Braut oder Moderne Frauen (c) Petra Gruber

Die Bühne und die Kostüme (Lena Müller) verbleiben im abstrakten Schwarz-Weiß-Modus, der Boden ist spiegelnd glatt. Nichts, was irgendwie heimelig erscheint. Die Menschen sind bei Jelinek in ihrem Sein gefangen und sich gegenseitig ausgeliefert. Sie stehen in ihrer kalten Gefühlswelt in starkem Kontrast zu Schnitzlers Figuren, die sich trotz all ihrer Unterschiedlichkeit dennoch schätzen.

Was ist antiquiert und was zukunftsweisend?

Die Position des Publikums erlaubt es, den historischen Raum des Theaters, zumindest aus den Augenwinkeln, wahrzunehmen. Das unweigerliche Switchen in der Wahrnehmung zwischen moderner Bühneninszenierung und barocker Ausstattung bedeutet eine sehr kluge Verschränkung mit den Texten, die das junge Ensemble anbietet. Wobei sich die historische Zeitabfolge der emanzipatorischen Ideen dabei völlig ad absurdum führt. Gestrige Ansichten sind Zukunftsmusik und Neueres gehört zum alten Eisen. Dabei drängt sich fast automatisch die Idee der Geschlechterkonstruktion auf. Dieses für gewöhnlich mühsam diskutiertes Feld schleicht sich in dieser Inszenierung auf leisen Sohlen in die Gehirnwindungen der Zusehenden.

Schnitzler Zeitgenossen und Ivana Stefanovic steuern die Musik bei

Die Auswahl der Streichquartette von Zeitgenossen von Schnitzler, Anton Webern und Alexander von Zemlinsky, die das Geschehen subtilst begleiten, ist höchst intelligent. Sowohl Webern, ein Komponist der Zweiten Wiener Schule, als auch Zemlinsky, über den sich die Wissenschaft zum Teil streitet – wird er doch sowohl den atonalen als auch den tonalen Komponisten zugeordnet – verwendeten Kompositionsprinzipien, die zu ihrer Zeit zukunftsweisend waren. Musikalische Utopien, die sich zum Teil überlebten, zum Teil jedoch in den Kanon der klassischen Musiktradierung aufgenommen wurden. Schön, dass sich mit Ivana Stefanovic auch eine Komponistin unserer Zeit dazugesellen kann. Stefanovic, die nach ihren Studien in Belgrad und Paris für das Belgrader Radio und Fernsehen gearbeitet hat, Direktorin eines Musikfestivals war, den Posten der Kulturstaatssekretärin innehatte und an einem Zentrum für „Women`s studies“ unterrichtet, ist ein wunderbares Beispiel einer emanzipierten Frau, die in einem Männerberuf reüssierte und im übertragenen Schnitz´lerschen Sinne ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen lebt.

Musikalisch wird mit den dargebotenen Werken eine große Bandbreite zwischen höchst dramatischen Sätzen und solchen, die mit sehr feinen Zwischentönen auskommen, aufgezeigt. Das Leben der Frauen und Männer, die an diesem Abend zu Wort kommen, ist genauso spannungsgeladen, wie die Musik, die gespielt wird. Unterdrückung und Konformität, aber auch die Möglichkeit, sich einem bestehenden Machtsystem zu entziehen, kann aus einzelnen musikalischen Strukturen herausgelesen und gehört werden. Die Schönheit eines Individuums und die Kraft einer Gruppe, könnten mit den musikalischen Einschüben assoziiert werden. Genauso wie für Jelineks an einigen Stellen ins Absurde ausufernden Text gibt es auch hier mannigfaltige Interpretationsmöglichkeiten.

Musiktheater mit Texten

Die Braut oder moderne Frauen, Saskia Klar (c) Christian Mair

Die Braut oder moderne Frauen (c) Christian Mair

„Musiktheater mit Texten“ nannte der Salon5 diese Inszenierung, die in Zusammenarbeit mit isa – der internationalen Sommerakademie der MDW zustande kam. Den jungen Protagonistinnen und Protagonisten bot sie zugleich die Möglichkeit, über den Tellerrand der eigenen Profession hinwegzublicken.

„Zuzusehen, wie akribisch Musizierende arbeiten und umgekehrt mitzubekommen, wie frei sich die Schauspielerinnen und Schauspieler ihren Rollen näherten, bedeutete für beide Gruppen eine unglaubliche Bereicherung.“ Anna Maria Krassnigg, die mit ihrem Salon5 den isa – Projekten Jahr für Jahr eine Plattform bietet, kann man getrost als Mentorin vieler junger Theaterschaffender bezeichnen. Ohne ihren Enthusiasmus und ihre Bereitschaft, kompromisslose Qualität auf Bühnen zu bringen, hätte eine Inszenierung wie diese wohl kaum das Licht der Bühne erblickt.

„Die Braut oder Moderne Frauen“, dieser theatralische Hermaphrodit, in dem Musik und Schauspiel gleichermaßen zu ihrem Recht kommen, ist das, was man gemeinhin als „harten Tobak“ charakterisiert. Sperrig, und alleine mit Intuition nicht zu erfassen. Zugleich aber auch ein Theaterabend, der aufzeigt, dass es mit Mut zu Unbekanntem möglich ist, Horizonte zu erweitern und Denkanstöße zu geben, die ohne diesen Abend so nicht zustande gekommen wären. Wer gut und wer böse ist, wo die Grenze zwischen Selbstbestimmung und Unterwerfung liegt, bleibt offen, die Deutungshoheit somit beim Publikum. Und auch, dass Theater streckenweise absurd sein darf, in Zeiten wie den unsrigen vielleicht sogar sein muss, kann als Erkenntnis mit auf den Nachhauseweg genommen werden.

Im Thalhof-Quartett spielen: Soo-Hyun Park / Violine, Nadia Kalmykova /Violine, Joachim Kelber / Viola sowie Mislav Brajkovic / Violoncello.

Ich will Präsident werden!

Ich will Präsident werden!

Passender hätte der Termin nicht gewählt sein können; der neue österreichische Bundeskanzler Christian Kern wurde vor Kurzem angelobt und die entscheidende Stichwahl zur Bundespräsidentenwahl ist in Sichtweite und wirft ihren langen Schatten voraus.

Der Salon5 hat im alten Rathaus „Barack Obama“ und „Donald Trump“ zum Stelldichein gebeten. Unter dem Motto: „How to become Mr. President“ zielte diese Veranstaltung natürlich auf die Stichwahl am 22. Mai ab. Auf der einen Seite hielt David Wurawa die Siegesrede von Barack Obama aus dem Jahr 2008 und Horst Schily präsentierte die bereits legendäre Rede von Donald Trump aus dem Jahr 2015, bei der er seine Kandidatur bekannt gab. Als Gesprächspartner der Gastgeberin Anna Maria Krassnigg war Rainer Nowak, Chefredakteur der Presse, direkt von der Hofburg in das Alte Rathaus geeilt, um die Reden zu analysieren und die derzeitige innenpolitische Situation zu diskutieren.

Die Parallelen zwischen der Wahl von Obama und Christian Kern sind augenfällig. Beide proklamieren auf ihre Weise den Wechsel im politischen Spiel und wollen über die eigene Partei hinaus verbinden. Beide werden als eine Art politischer Heilsbringer empfunden und gehypt. „Es muss sich etwas ändern im politischen System“, ist die Botschaft der beiden. „Change“ und „yes we can“ könnte auch in der Rede von Kern stehen. Beide treten in Zeiten an, in denen die Gesellschaft in verschiedene Lager gespalten ist. Obama hatte von Anfang an die Tea-Party-Bewegung und die Mehrheit der Republikaner gegen sich. Die Frage, ob die ÖVP einem SPÖ-Kanzler den Erfolg und den Turnaround gönnt, ist nicht unberechtigt. Mit Norbert Hofer ist ein Politiker in der Stichwahl, der ähnlich wie die Tea-Party und jetzt auch Donald Trump sehr stark polarisiert und mehr die Gegensätze betont als die Gemeinsamkeiten. Nowak geht davon aus, dass gegen die Simplifizierer und Ausgrenzer nur die Werte der Aufklärung helfen können. Diese müssten konsequent gezeigt werden und man dürfe den Rechtsstaat nicht aufweichen, so seine Meinung.

Der Abend war sehr aufhellend und aufrüttelnd zugleich. Gerade für politisch Interessierte wurde mehr als deutlich, dass Demokratie, Toleranz und Offenheit nicht selbstverständlich sind. Die politische Stimmung kann sich innerhalb nur weniger Jahre extrem verändern. Außerdem zeigte sich klar, dass einzelne Politiker zwar Initialzündungen geben können, allerdings immer in ein politisches System eingebunden sind, welches seine eigenen Spielregeln und ab und zu auch Bremsen für Reformen und Veränderungen eingebaut hat.

Das Format „Reden“ des Salon5 erwies sich einmal mehr als brandaktueller, künstlerisch-intellektueller Beitrag zum aktuellen Zeitgeschehen in Österreich.

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